Leitsatz (amtlich)
1. Wenn der Kläger, der eine Invalidenrente begehrt, während des vor dem SG schwebenden Verfahrens stirbt, und das Verfahren unter entsprechender Beschränkung des Klageantrags fortgesetzt wird, "betrifft" ein Urteil der 1. Instanz, auch wenn es die Klage abgewiesen hat, nur die Rente für einen bereits abgelaufenen Zeitraum iS des SGG § 146.
2. In der Invalidenversicherung tritt der Versicherungsfall des Alters nicht vor der Stellung des Antrags auf Gewährung der Altersinvalidenrente ein. Dies gilt auch bei der Anwendung des SVAG § 4 Abs 2.
Normenkette
SGG § 146 Fassung: 1953-09-03; RVO § 1253 Fassung: 1942-06-22, § 1264 Fassung: 1937-12-21, § 1265 Fassung: 1939-04-19; SVAnpG § 4 Abs. 2
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts ... vom 23. März 1954 und das Urteil des Oberversicherungsamts vom 12. November 1952 werden aufgehoben.
Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 18. Dezember 1950 dem Grunde nach verurteilt, der Klägerin die Invalidenrente ihres verstorbenen Vaters vom 1. Februar 1950 bis zum 31. August 1952 zu zahlen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Der am 14. November 1878 geborene - inzwischen im August 1952 verstorbene - Versicherte und ursprüngliche Kläger ..., der Vater der jetzigen Klägerin, vollendete im Jahre 1943 das 65. Lebensjahr und beantragte am 31. Januar 1950 die Invalidenrente sowohl wegen Vorliegens von Invalidität als auch wegen Vollendung des 65. Lebensjahres. Er hatte bis zum 31. Dezember 1923 insgesamt 284 und vom 1. Januar 1924 bis zum Jahre 1932 weitere 122 Wochenbeiträge zur Invalidenversicherung entrichtet. Im ersten Weltkrieg hatte er 165 Wochen Kriegsdienst geleistet. Vom 14. Februar bis zum 29. März 1949 war er noch einmal vorübergehend mit einem Verdienst von insgesamt DM 342.01 tätig. Der Vertrauensarzt der Beklagten kam zu dem Ergebnis, daß ... vom Tage der Untersuchung (17. Oktober 1950) ab dauernd invalide sei. Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit der Begründung ab, die Anwartschaft sei erloschen. Gegen diesen Bescheid legte ... Berufung beim Oberversicherungsamt ... ein. Während das Verfahren noch vor dem Oberversicherungsamt schwebte, starb er. Die jetzige Klägerin teilte dies dem Oberversicherungsamt mit und setzte das Verfahren fort. Das Oberversicherungsamt wies die Berufung durch Urteil vom 12. November 1952 mit der Begründung zurück, die Anwartschaft sei erloschen.
Die Klägerin legte gegen dieses Urteil Revision beim ... Landesversicherungsamt ein. Diese ging nach § 215 Abs. 3 SGG am 1. Januar 1954 als Berufung auf das ... Landessozialgericht über, welches sie unter Feststellung, daß Invalidität seit dem Jahre 1950 vorliege, durch Urteil vom 23. Mai 1954 mit der Begründung zurückwies, die Anwartschaft sei erloschen. Insbesondere Lägen auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 SVAG nicht vor, da der Versicherungsunfall vor dem 1. Januar 1949 eingetreten sei, weil ... bereits 1943 das 65. Lebensjahr vollendet habe. Ob Artikel 19 der Vereinfachungsordnung vom 17. März 1949 - RGBl. I S. 41 - überhaupt anwendbar sei, könne dahingestellt bleiben, weil auch bejahendenfalls das Ergebnis das gleiche sei, da der Versicherungsfall der Vollendung des 65. Lebensjahres auch schon vor dem nach dieser Vorschrift maßgebenden Stichtag des 1. April 1945 eingetreten sei.
Das Landessozialgericht hat die Revision zugelassen. Dem der Klägerin am 24. Juli 1954 zugestellten Urteil war eine Rechtsmittelbelehrung angeheftet, die mit dem Satz beginnt: "Gegen dieses Urteil ist die Revision nicht zugelassen (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Die Revision findet gleichwohl statt," ... (folgt Wortlaut von Nr. 2 und 3 des § 162 Abs. 1 SGG). Die Rechtsmittelbelehrung enthält des weiteren u.a. den Hinweis, daß die Revision das angefochtene Urteil bezeichnen und einen bestimmten Antrag enthalten muß.
Gegen dieses Urteil legte die Klägerin durch ihren Prozeßbevollmächtigten, Stadtamtmann a.D. ... - ohne Stellung eines Revisionsantrages - durch Schriftsatz vom 2. August 1954 am 6. August 1954 Revision ein und begründete die Revision durch Schriftsatz vom 20. August 1954 am 25. August 1954 unter Stellung eines Revisionsantrags.
Unter Widerruf der auf Stadtamtmann a.D. ... lautenden Prozeßvollmacht legte die Klägerin durch ihren neuen Prozeßbevollmächtigten, Angestellten Debus vom Deutschen Gewerkschaftsbund - Bundesrechtsstelle Kassel -, unter Stellung eines Revisionsantrages durch Schriftsatz vom 29. September 1954 am 30. September 1954 erneut Revision ein und begründete sie gleichzeitig. Sie ist der Auffassung, daß ihr ein Verschulden ihres früheren Prozeßbevollmächtigten, der fälschlicherweise angenommen habe, er könne sie vor dem Bundessozialgericht vertreten, nicht zur Last gelegt werden könne. In der Sache selbst vertritt sie die Ansicht, daß die Vollendung des 65. Lebensjahres allein noch kein Versicherungsfall sei und ihr als Rechtsnachfolgerin ihres Vaters daher nach § 4 Abs. 2 SVAG die Invalidenrente bis zum Tode ihres Vaters zustehe.
Sie beantragt,
das Urteil des ... Landessozialgerichts in ... vom 23. März 1954, das Urteil des Oberversicherungsamts ... vom 12. September 1952 und den Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 1950 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die von ihrem verstorbenen Vater, ..., am 31. Januar 1950 beantragte Invalidenrente vom 1. Februar 1950 bis zum 31. August 1952 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, daß es entscheidend darauf ankomme, ob beim Vater der Klägerin bei Vollendung des 65. Lebensjahres im Jahre 1943 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt gewesen seien. Dies sei aber zu verneinen. Da ... von 1932 bis 1943 keine Beiträge geleistet habe, sei die ordentliche Anwartschaft erloschen gewesen; auch sei die Halbdeckung nicht erreicht. Eine neue Wartezeit im Sinne des Gesetzes vom 24. Juli 1941 sei nicht erfüllt gewesen. Nach § 4 Abs. 2 SVAG könne die Klägerin die Rente nicht beanspruchen, da entsprechend der grundsätzlichen Entscheidung Nr. 65 des ... Landesversicherungsamts die Vollendung des 65. Lebensjahres auch ohne Antragstellung den Versicherungsfall darstelle, dieser also vor dem 1. Januar 1949 eingetreten sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Es bedurfte keiner Untersuchung, ob die von Stadtamtmann a.D. ... eingelegte Revision form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist, weil auf jeden Fall die später von dem Angestellten Debus von der Bundesrechtsstelle des DGB zweifellos formgerecht eingelegte und begründete Revision als fristgerecht eingelegt und begründet anzusehen ist; denn maßgebend ist hier nicht die Monatsfrist des § 164 Abs. 1 SGG, sondern die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 SGG, da die der Klägerin zugestellte Rechtsmittelbelehrung des Landessozialgerichts unrichtig ist. Diese enthält fälschlicherweise die Belehrung, daß gegen das Urteil die Revision nicht zugelassen sei, obwohl sie in Wirklichkeit doch zugelassen war. Die Jahresfrist war bei Einlegung und Begründung der Revision noch nicht abgelaufen.
Die Revision ist statthaft, da das Landessozialgericht sie zugelassen hat.
Es konnte ihr auch der Erfolg nicht versagt werden. Das Landessozialgericht durfte in der Sache selbst entscheiden, da die Berufung zulässig war. Es ist ohne Rechtsirrtum von der Annahme ausgegangen, daß die noch unter der Herrschaft des vor dem 1. Januar 1954 geltenden Rechts eingelegte Revision nach diesem Recht zulässig war. Mit Recht hat es weiterhin geprüft, ob die nach § 215 Abs. 3 SGG mit dem 1. Januar 1954 als Berufung übergegangene Revision auch nach den Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes zulässig war, da die Berufung in diesen Überleitungsfällen nur dann als zulässig angesehen werden kann, wenn sie sowohl nach den früheren als auch nach den heutigen Vorschriften zulässig ist (vgl. Besch. des 9. Senats des erkennenden Gerichts vom 29.11.1955 - 9 RV 408/54 -, dem sich der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung insoweit angeschlossen hat). Entgegen der Auffassung des Landessozialgerichts war jedoch die Berufung nach § 146 SGG unzulässig. Es kommt bei Anwendung dieser Vorschrift ausschließlich darauf an, über welchen Anspruch das Gericht erster Instanz entschieden hat. Da hier davon auszugehen ist, daß der Klageantrag von der jetzigen Klägerin nach dem Tode ihres Vaters entsprechend beschränkt worden ist, hat das Oberversicherungsamt nur über einen Rentenanspruch für die Zeit bis zum Ende des Sterbemonats d.h. über eine Rente für bereits abgelaufenen Zeitraum in Sinne des § 146 SGG entschieden. Auch wenn das Oberversicherungsamt hierbei der für die Klägerin negativen Entscheidung naturgemäß einen Zeitraum nicht angeführt hat, ist doch die Rechtslage für die zu entscheidende Frage die gleiche. Auch in diesem Fall muß angenommen werden, daß das Urteil nur die Rente für diesen abgelaufenen Zeitraum betrifft. Allerdings hat das Landessozialgericht es unterlassen zu prüfen, ob die Berufung nicht nach § 150 Nr. 1 SGG zulässig war. Nach den Grundsätzen, die der 8. Senat entwickelt hat (vgl. Urt. v. 16.6.1955 - 8 RV 461/54 -, dem sich der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung insoweit angeschlossen hat), hätte das Landessozialgericht, da die erstinstanzliche Entscheidung nicht von einem Sozialgericht, sondern noch von einem Oberversicherungsamt unter der Herrschaft des früheren Verfahrensrechts gefällt worden ist, selbst prüfen müssen, ob die Berufung hätte zugelassen werden müssen. Dies hat es zwar unterlassen, die Prüfung ergibt jedoch, daß die Rechtssache zweifellos grundsätzliche Bedeutung hat, da der Anspruch der Klägerin von der grundsätzlichen Rechtsfrage abhängt, ob in der Invalidenversicherung der Versicherungsfall des Alters bereits ohne weiteres mit der Vollendung des 65. Lebensjahres oder aber nicht vor Stellung des Rentenantrags eingetreten ist. Die Berufung war daher nach § 150 Nr. 1 SGG zulässig.
Mit Recht hat sich das Landessozialgericht auf den Standpunkt gestellt, daß die Wartezeit für die Invalidenrente, jedoch nicht diejenige für die Altersinvalidenrente erfüllt ist, daß aber die Anwartschaft weder nach § 1264 RVO noch nach § 1265 RVO erhalten ist. Rechtsirrtümlich hat es jedoch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 SVAG verneint. Da Adami, wie das Landessozialgericht festgestellt hat, bis zum 30. November 1948 für die Zeit nach dem 31. Dezember 1923 mindestens einen Beitrag entrichtet hat, ist nach dieser Vorschrift die Anwartschaft aus den bis zum 31. Dezember 1948 entrichteten Beiträgen bis zu diesem Tage erhalten, sofern nicht der Versicherungsfall vor dem 1. Januar 1949 eingetreten ist. Da für das Versicherungsverhältnis des ... mehrere Versicherungsfälle möglich waren, kommt es nach Ansicht des erkennenden Senats darauf an, ob einer dieser möglichen Versicherungsfälle vor dem 1. Januar 1949 eingetreten ist. Da ferner das Landessozialgericht festgestellt hat, daß die Voraussetzungen der Invalidität erst im Jahre 1950 eingetreten sind, auch zulässige und begründete Angriffe gegen diese Feststellung nicht vorgebracht sind, war hier allein entscheidend, ob die bereits im Jahre 1943 eingetretene Vollendung des 65. Lebensjahres bereits den Versicherungsfall darstellt oder aber, ob dieser nicht vor dem nach dem 31. Dezember 1948 gestellten Antrag auf Altersinvalidenrente eingetreten ist.
Nach Ansicht des erkennenden Senats kann die Frage, wann eine bestimmte Art von Versicherungsfall - hier der des Alters - eintritt, nur einheitlich für das Recht der Sozialversicherung beantwortet werden. Es ist nicht möglich, die Frage bei Anwendung des § 4 Abs. 2 SVAG anders als bei Anwendung der Vorschriften der RVO zu beantworten. Wenn der Gesetzgeber in § 4 Abs. 2 SVAG eine abweichende Regelung gewollt hätte, hätte er dies zum Ausdruck bringen müssen. Dies ist jedoch nicht geschehen.
Das Reichsversicherungsamt hat sich mit der Frage des Eintritts des Versicherungsfalles des Alters aus anderen Anlässen in einer Reihe von Entscheidungen befaßt (E.Nr. 1541, AN. 1911 S. 415, E. Nr. 3092, AN. 1927 S. 432; E.v. 18.2.1933, EuM. Bd. 34 S. 400; E. Nr. 5196, AN 1938 S.196; E. Nr. 5217, AN. 1938 S. 321). Aus diesen Entscheidungen kann jedoch nicht eindeutig entnommen werden, welchen Standpunkt das Reichsversicherungsamt zu der hier entscheidenden Frage eingenommen hat. In einigen Entscheidungen hat es sich dahin geäußert, daß der Versicherungsfall des Alters noch nicht mit der Vollendung des 65. Lebensjahres eintrete, in anderen hat es aber ausgeführt, daß der Versicherungsfall zu die sem Zeitpunkt noch nicht voll wirksam werde. Diese Entscheidungen lassen also nicht eindeutig erkennen, ob das Reichsversicherungsamt den Versicherungsfall des Alters tatsächlich erst mit der Antragstellung als eingetreten ansah oder ob es ihn bereits vorher als eingetreten, aber erst mit der Antragstellung als voll wirksam ansah, so daß hieraus für die hier maßgebende Frage keine entscheidenden Erkenntnisse gewonnen werden können. Immerhin ist aus diesen Entscheidungen zu entnehmen, daß das Reichsversicherungsamt den Versicherungsfall des Alters in dieser Hinsicht anders beurteilte als die sonstigen Versicherungsfälle.
Nach Ansicht des erkennenden Senats ist aus dem Wortlaut des § 1265 RVO eindeutig zu entnehmen, wann das Gesetz die dort aufgezählten Versicherungsfälle als eingetreten ansieht. Schon aus dem Umstand, daß diese Vorschrift einerseits von dem "Versicherungsfall der Invalidität oder des Todes", andererseits aber nur von der "Vollendung des 65. Lebensjahres" spricht, ist zu schließen, daß das Gesetz zwar die beiden erstgenannten Ereignisse, nicht dagegen die Vollendung des 65. Lebensjahres als Versicherungsfälle ansieht (vgl. auch § 1264 RVO). Besonders überzeugend ergibt sich dies aus dem Umstand, daß nach dieser Vorschrift der Halbdeckungszeitraum zwar bis zum Eintritt der Invalidität bzw. des Todes, nicht aber unbedingt bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, sondern insoweit alternativ bis zur Stellung des Rentenantrags rechnet. Da nicht anzunehmen ist, daß der Gesetzgeber die Entrichtung von Beiträgen zur Wiederherstellung einer verlorengegangenen Anwartschaft zeitlich unbeschränkt noch nach Eintritt des Versicherungsfalls zulassen wollte - denn dies würde jedem versicherungsrechtlichen Grundsatz widersprechen -, muß angenommen werden, daß er zwar die Versicherungsfälle der Invalidität und des Todes - ohne Rücksicht auf die Antragstellung - mit Eintritt dieser Ereignisse, dagegen den Versicherungsfall des Alters nicht vor der Antragstellung als eingetreten angesehen hat. Ob der Versicherungsfall des Alters auch noch zu einem späteren Zeitpunkt eintreten kann, bedurfte keiner Untersuchung, da es bei der Entscheidung des vorliegenden Falles hierauf nicht ankam.
Das Landessozialgericht (bzw. das Bayerische Landesversicherungsamt in seiner Entscheidung Nr. 65 vom 10. Januar 1952 - Breithaupt 41, S. 379 -, auf die das angefochtene Urteil Bezug nimmt) geht davon aus, daß aus dem Eintritt der wichtigsten Wirkungen des Versicherungsfalls, dem Abschluß des Versicherungsverhältnisses und der Entstehung des Versicherungsanspruchs bedeutsame Erkenntnisse für die Beantwortung der Frage gewonnen werden können, wann der Versicherungsfall eingetreten ist. Ob und inwieweit dieser Annahme des Landessozialgerichts beigetreten werden kann, bedurfte keiner Untersuchung; selbst wenn man ihr in vollem Umfang beitritt, können hieraus für den zu entscheidenden Fall keine Schlüsse gezogen werden, die zu einem anderen als dem von dem erkennenden Senat gefundenen Ergebnis führen könnten. Da es hier allein darauf ankommt, ob der Versicherungsfall des Alters bereits vor der Antragstellung eingetreten ist, könnte ein dem von dem erkennenden Senat gefundenen Ergebnis widersprechender Schluß höchstens dann möglich sein, wenn das Versicherungsverhältnis tatsächlich vor der Antragstellung zum Abschluß gekommen bzw. der versicherungsrechtliche Anspruch tatsächlich vor diesem Zeitpunkt zur Entstehung gelangt wäre. Beides ist aber entgegen der Auffassung des Landessozialgerichts nicht der Fall.
Von einem Abschluß des Versicherungsverhältnisses kann hier schon deshalb nicht gesprochen werden, weil der Versicherte - worauf bereits hingewiesen wurde - nach § 1265 RVO auch nach Vollendung des 65. Lebensjahres noch unbeschränkt Beiträge zur Wiederherstellung der verlorengegangenen Anwartschaft entrichten kann und weil er trotz Vollendung des 65. Lebensjahres nicht versicherungsfrei ist, solange er noch keine Rente aus der Invalidenversicherung bezieht, er vielmehr bei Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung weiterhin Pflichtbeiträge entrichten muß und andererseits auch berechtigt ist, weiterhin freiwillige Beiträge zu leisten (§ 1443 RVO). Demgegenüber ist es ohne entscheidende Bedeutung, daß er nach § 1264 Abs. 3 RVO für das Kalenderjahr, in dem er das 65. Lebensjahr vollendet, sowie für die folgenden Kalenderjahre keine Beiträge zur Erhaltung der Anwartschaft mehr zu entrichten braucht; denn diese Vorschrift hat nach Ansicht des erkennenden Senats im wesentlichen nur den Zweck, dem Versicherten, der mit Vollendung des 65. Lebensjahres in der Regel seine Berufstätigkeit aufgibt, eine finanzielle Erleichterung einzuräumen. Es kann aus dieser Vorschrift, da ihre Bedeutung in keinem Verhältnis zu der Bedeutung der vorstehend angeführten, die Beitragszahlung nach Vollendung des 65. Lebensjahres betreffenden Vorschriften steht, keinesfalls gefolgert werden, daß das Versicherungsverhältnis bereits mit der Vollendung des 65. Lebensjahres zum Abschluß gekommen ist.
Auch kann dem Landessozialgericht bzw. dem ... Landesversicherungsamt nicht gefolgt werden, wenn es annimmt, der Versicherungsanspruch komme bereits mit der Vollendung des 65. Lebensjahres zur Entstehung. Zwar bestimmt § 1253 RVO, daß der Versicherte bei Eintritt der Invalidität, der vorläufigen Invalidität und bei Vollendung des 65. Lebensjahres die Invalidenrente erhält. In Wirklichkeit entsteht aber der versicherungsrechtliche Anspruch, entgegen dem sich aus § 1253 RVO ergebenden Anschein, noch nicht mit Eintritt dieser Ereignisse. Wie schon das Reichsversicherungsamt in ständiger Rechtsprechung entschieden hat (vgl. E. d. RVA. AN. 93, 142; 97, 274; EuM. 40, 342) gelangt der Rentenanspruch vielmehr erst mit der Antragstellung zur Entstehung, da der Antrag eine materiell-rechtliche Voraussetzung des Rentenanspruchs ist. Aus § 1253 RVO kann daher nicht der zwingende Schluß gezogen werden, daß die dort aufgezählten Ereignisse für sich allein bereits den Versicherungsfall darstellen. Es bleibt vielmehr offen, ob nicht zu den genannten Ereignissen noch weitere, bis zur Entstehung des versicherungsrechtlichen Anspruchs hinzutretende Ereignisse erforderlich sind, um den Versicherungsfall zur Auslösung zu bringen. Insbesondere bleibt hiernach offen, ob nicht jeweils noch der Antrag hinzutreten muß. Wenn sich auch aus § 1265 RVO ergibt, daß der Eintritt der Invalidität allein bereits den Versicherungsfall darstellt, muß aus dieser Vorschrift hinsichtlich der Vollendung des 65. Lebensjahres der Schluß gezogen werden, daß der Eintritt dieses Ereignisses allein noch nicht den Versicherungsfall darstellt, dieser vielmehr nicht vor Stellung des Antrags auf Altersinvalidenrente eintritt.
In dem zur Entscheidung stehenden Fall ist daher der Versicherungsfall des Alters, da der Antrag erst nach dem 31. Dezember 1948 gestellt worden ist, nicht vor dem 1. Januar 1949 eingetreten.
Daher war die Anwartschaft des Vaters der Klägerin bis zum 31. Dezember 1948 erhalten. Nach § 1264 Abs. 3 Satz 1 RVO brauchte er, da er bereits im Jahre 1943 das 65. Lebensjahr vollendet hatte, keine weiteren Beiträge zur Erhaltung der Anwartschaft zu entrichten.
Dem Vater der Klägerin stand somit, da er nach der Feststellung des Landessozialgerichts seit dem Jahre 1950 invalide war, die Invalidenrente vom Ablauf des Antragsmonats (§ 1286 RVO) bis zum Schluß des Sterbemonats (§ 1290 RVO) zu.
Es war daher, wie geschehen, zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Fundstellen