Leitsatz (amtlich)
1. "In schwebenden Verfahren " (ArVNG Art 2 § 44 S 1) ist bei Versicherungsfällen, die vor dem 1957-01-01 eingetreten sind, auch für Ansprüche auf Hinterbliebenenrente (ArVNG Art 2 § 17 Abs 1 S 1 in Verbindung mit RVO § 1263 Abs 2 nF) RVO § 1252 nF nur mit den sich aus ArVNG Art 2 § 10 ergebenden Einschränkungen anzuwenden.
2. Daher sind für die Frage, ob die Wartezeit bei einem im Jahre 1950 durch Minenexplosion tödlich verunglückten Versicherten als erfüllt gilt, die Vorschrift des RVO § 1263a Abs 1 Nr 3 aF (nicht RVO § 1252 Nr 3 nF) sowie des RVO § 1252 Nr 1 nF maßgebend.
3. Ein Schiffsuntergang in der Ostsee im Jahre 1950 infolge Explosion einer Mine beruht auch dann auf "Feindeinwirkung" im Sinne des RVO § 1263a Abs 1 Nr 3 aF, wenn sich nicht feststellen läßt, von welcher Seite die Mine gelegt worden ist.
4. Unter einem "Arbeitsunfall" im Sinne des RVO § 1252 Nr 1 nF ist nur ein Unfall zu verstehen, auf den die Vorschriften der deutschen Unfallversicherung - sei es auch auf Grund zwischenstaatlichen Rechts - anzuwenden sind.
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Unfall außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets stellt einen Arbeitsunfall iS des RVO § 542 und damit auch des RVO § 1252 Nr 1 nF nicht dar.
2. Die Vorschrift des RVO § 1252 nF bedeutet gegenüber RVO § 1263a aF keinen Bruch in der Rechtsentwicklung, sondern sollte im wesentlichen der Kodifikation des geltenden Rechts und der Anpassung an Rechtsveränderungen, die seit 1945 eingetreten sind, dienen.
Normenkette
ArVNG Art. 2 § 10 Fassung: 1957-02-23, § 17 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1957-02-23, § 44 S. 1 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1263 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23, § 1252 Nr. 3, § 1263a Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1949-06-17, § 1252 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig vom 18. Februar 1954 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
I.
Kläger ist der am 23. März 1950 geborene uneheliche Sohn des Seemanns Rolf H... Dieser heuerte, nachdem er vom 1. April 1944 an zunächst an Land und später im Dienste deutscher Reedereien auch auf See in versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen gestanden hatte, am 24. August 1950 als Jungmann auf einem schwedischen Schiff an. In den ersten Dezembertagen des Jahres 1950 sank dieses Schiff in der Kjöge-Bucht südwestlich von Malmö. Von der Besatzung fehlt seither jede Spur.
Der Vater des Klägers wurde durch Beschluß des Amtsgerichts Lübeck vom 24. September 1951 für tot erklärt. Als Zeitpunkt seines Todes ist der 4. Dezember 1950 festgestellt worden.
Als Amtsvormund des Klägers beantragte das Jugendamt Lübeck bei der beklagten Seekasse Waisenrente für den Kläger. Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 14. Mai 1952 mit der Begründung ab, die Wartezeit von 60 Beitragsmonaten sei nicht erfüllt.
Die Berufung des Klägers gegen diese Entscheidung wurde vom Oberversicherungsamt (OVA.) Schleswig durch Urteil vom 10. April 1953 mit der Begründung zurückgewiesen, die Wartezeit sei mit nur 56 Beitragsmonaten nicht erfüllt und könne auch nicht als erfüllt gelten, da der Vater des Klägers nicht durch einen Arbeitsunfall i.S. des § 1263 a Abs. 1 Nr. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) a.F. ums Leben gekommen sei.
Mit der weiteren Berufung, die an das Oberverwaltungsgericht (OVG.) Lüneburg gerichtet war und von diesem nach Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) an das Landessozialgericht (LSG.) Schleswig abgegeben wurde, wandte sich der Kläger gegen die enge Auslegung des Begriffs des Arbeitsunfalls durch das OVA. Nach der Auskunft der schwedischen Reederei sei das Schiff auf eine Mine gelaufen und mit der gesamten Besatzung gesunken. In diesem Ereignis müsse ein Arbeitsunfall gesehen werden.
Das LSG. wies die weitere Berufung, die es als Berufung nach dem SGG behandelte, durch Urteil vom 18. Februar 1954 zurück. Es billigte die Rechtsauffassung des OVA. und führte aus, die Wartezeit könne nach § 1263 a Abs. 1 Nr. 1 RVO a.F. nur dann als erfüllt gelten, wenn der Versicherte einen Arbeitsunfall im Sinne der Vorschriften des Dritten Buches der RVO erlitten habe, was hier nicht zutreffe.
Mit der vom LSG. zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, die dem Begriff des Arbeitsunfalls im Sinne des § 1263 a Abs. 1 Nr. 1 RVO a.F. vom LSG. gegebene Auslegung sei unzutreffend. Die Vorschrift wolle einen Ausgleich dafür schaffen, daß der Versicherte durch Umstände, die mit seiner Berufstätigkeit in Zusammenhang ständen, an der Erfüllung der Wartezeit gehindert werde. Er solle von dem Risiko verschont bleiben, infolge eines Arbeitsunfalls die Wartezeit in der Invalidenversicherung nicht erfüllen zu können und deshalb auf Leistungen aus dieser Versicherung verzichten zu müssen.
Der Kläger führt zur Begründung der Revision weiter aus, die Wartezeit müsse auch auf Grund des § 1263 a Abs. 1 Nr. 3 RVO als erfüllt gelten, denn der Tod seines Vaters sei darauf zurückzuführen, daß das Schiff auf eine Mine gelaufen sei. Aus diesem Grunde beziehe er nach dem Bescheid des Versorgungsamts Lübeck vom 20. Januar 1955 eine Waisenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Er beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Waisenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Beurteilung der Frage des Arbeitsunfalls durch das LSG. für zutreffend, und zwar auch bei Berücksichtigung des am 11. Dezember 1953 unterzeichneten Vorläufigen Europäischen Abkommens über die Systeme der Sozialen Sicherheit für den Fall des Alters, der Invalidität und zugunsten der Hinterbliebenen (Gesetz vom 7. Mai 1956, BGBl. II S. 507). Der Gesichtspunkt der "unmittelbaren Kriegseinwirkung" spiele im vorliegenden Fall keine Rolle, da § 1252 Nr. 3 RVO n.F. erst auf nach dem 1. Januar 1957 eingetretene Versicherungsfälle Anwendung finde, während der Vater des Klägers bereits 1950 mit seinem Schiff untergegangen sei. Dieses Ereignis könne auch unter dem Gesichtspunkt der "Feindeinwirkung" nicht die Fiktion des § 1263 a Abs. 1 Nr. 3 RVO a.F. auslösen, da sich dieser Begriff nur auf Ereignisse beziehe, die vom Gegner selbst mit den im Rahmen seines Kriegsplanes eingesetzten und gelenkten Mitteln hervorgerufen worden seien, was bei der Explosion einer Mine unbekannter Herkunft am Ende des Jahres 1950 nicht angenommen werden könne.
II.
Die Revision ist begründet.
Nach der Vorschrift des § 1263 Abs. 2 RVO n.F., die in diesem Fall anzuwenden ist (Art. 2 §§ 17 Abs. 1 Satz 1 und 44 Satz 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Arbeiter - ArVNG - vom 23. Februar 1957 [BGBl. I S. 45]), werden Hinterbliebenenrenten gewährt, wenn für den Verstorbenen zur Zeit seines Todes eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt ist oder die Wartezeit nach § 1252 RVO n.F. als erfüllt gilt. Die erste Alternative ist nicht gegeben, denn nach den - von der Revision nicht angegriffenen - Feststellungen des OVA. sind nur 56 Monate mit Beiträgen belegt. Dabei konnte die Zeit der Beschäftigung auf dem schwedischen Schiff (4 Monate) nicht berücksichtigt werden, da ein entsprechendes Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Schweden nicht besteht. Abkommen über die gegenseitige Anrechnung von Versicherungszeiten bestehen zwar zwischen der Bundesrepublik Deutschland und anderen europäischen Staaten. Sie können aber selbst bei Berücksichtigung des oben genannten Vorläufigen Europäischen Abkommens über die Systeme der Sozialen Sicherheit für den Fall des Alters, der Invalidität und zugunsten der Hinterbliebenen nicht zugunsten des Klägers herangezogen werden. Nach Art. 3 Nr. 1 dieses Abkommens werden zwar die Staatsangehörigen aller Vertragsstaaten den Staatsangehörigen der Staaten gleichgestellt, die sich zur gegenseitigen Berücksichtigung von Versicherungszeiten verpflichtet haben, jedoch nur in Bezug auf Versicherungszeiten in den zur Berücksichtigung verpflichteten Staaten, zu denen Schweden im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland nicht gehört. Auch Art. 27 Abs. 1 des am 9. Dezember 1957 unterzeichneten Europäischen Abkommens über die Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer (BArbBl. 1958 S. 101) - wonach für den Erwerb des Leistungsanspruchs die nach der Gesetzgebung jedes vertragsschließenden Teils zurückgelegten Versicherungszeiten zusammengerechnet werden, wenn ein Versicherter nacheinander der Gesetzgebung mehrerer vertragschließender Teile unterstand - kann nicht zugunsten des Klägers herangezogen werden, da das Abkommen noch nicht in Kraft getreten ist (Art. 56 Abs. 1) und zudem nach seinem Art. 4 Abs. 5 vorläufig nicht Seeleute betrifft. Die Wartezeit von 60 Kalendermonaten ist somit nicht erfüllt.
Die Frage, ob die Wartezeit als erfüllt gilt, ist nicht ausschließlich nach neuem Recht zu beurteilen, obwohl § 1263 Abs. 2 RVO (in Verbindung mit Art. 2 § 17 Abs. 1 Satz 1, § 44 Satz 1 ArVNG) für die Fiktion der Wartezeiterfüllung ohne Einschränkung auf § 1252 RVO n.F. verweist. Doch kann hieraus nicht geschlossen werden, daß bei Hinterbliebenenrenten in Übergangsfällen nach Art des vorliegenden immer § 1252 RVO n. F. gilt. Diese Auffassung würde dazu führen, daß Hinterbliebene hinsichtlich der Voraussetzungen für die fiktive Wartezeiterfüllung besser als die Versicherten selbst gestellt wären; denn für Versicherte gilt in Übergangsfällen § 1252 RVO n.F. nur mit den in Art. 2 § 10 ArVNG genannten Einschränkungen. Hinterbliebenenrenten sind aber aus dem Recht des Versicherten abgeleitete Renten, so daß es jedes inneren Grundes entbehren würde, die Hinterbliebenen gegenüber den Versicherten hinsichtlich der materiellrechtlichen Voraussetzungen der Rentengewährung zu begünstigen. Deshalb erschöpft sich die Bedeutung der Verweisung in Art. 2 § 17 Abs. 1 Satz 1 ArVNG auf § 1263 Abs. 2 RVO darin, den Hinterbliebenen auch dann, wenn der Tod des Versicherten vor dem Inkrafttreten des ArVNG, aber nach dem 31. März 1945 eingetreten ist, die günstigere Regelung des neuen Rechts in demselben Maße wie den Versicherten selbst zugute kommen zu lassen; es soll also die Erhaltung der Anwartschaft, wie sie für Hinterbliebenenrenten nach § 1255 Abs. 2 RVO a.F. neben der Erfüllung der Wartezeit gefordert wird, nicht mehr Voraussetzung des Anspruchs auf Hinterbliebenenrente sein. Die in § 1263 Abs. 2 in Bezug genommene Vorschrift des § 1252 RVO gilt daher in Übergangsfällen auch für Ansprüche auf Hinterbliebenenrente nur mit den sich aus Art. 2 § 10 ArVNG geltenden Einschränkungen. Maßgebend für die Beurteilung des vorliegenden Streitfalls sind somit die Vorschriften des § 1252 Nr. 1 RVO n.F. und des § 1263 a Abs. 1 Nr. 3 RVO a.F.
Wie bereits das LSG. zutreffend unter Bezugnahme auf die damals gültige und mit § 1252 Nr. 1 RVO n.F. gleichlautende Vorschrift des § 1263 a Abs. 1 Nr. 1 RVO a.F. festgestellt hat, ist der Tod des Klägers nicht "infolge eines Arbeitsunfalls" im Sinne dieser Vorschriften eingetreten. Der hier verwendete Begriff des "Arbeitsunfalls" stimmt mit dem des Arbeitsunfalls im Sinne des Dritten Buches der RVO überein; er umfaßt nur Unfälle, die Arbeitsunfälle im Sinne der deutschen Unfallversicherung sind. Die Fiktion der Wartezeiterfüllung wurde zunächst nur für Soldaten aufgestellt, dann auf Personen, die ähnliche Dienste geleistet hatten, erweitert und schließlich auf die zivilen Opfer des Luftkrieges ausgedehnt. Zugunsten der Arbeitsopfer wurde sie durch § 3 der Durchführungsverordnung zum Zweiten Leistungsverbesserungsgesetz vom 22. Juni 1942 (RGBl. I S. 411) als Absatz 5 des § 1262 in die RVO eingeführt. Seitdem ist der gesetzliche Tatbestand "infolge eines Arbeitsunfalls" unverändert geblieben. Er wurde durch Art. 17 der VO vom 17. März 1945 (RGBl. I S. 41) in Nr. 1 des neuen § 1263 a Abs. 1 RVO übernommen, der die Tatbestände der fiktiven Wartezeiterfüllung zusammenfaßt; § 1263 a RVO a.F. wurde schließlich durch Art. 1 des ArVNG unter Hinzufügung weiterer Tatbestände in den § 1252 RVO n.F. übergeleitet. Der Begriff des "Arbeitsunfalls", der in den genannten Vorschriften verwendet wird, taucht in der Gesetzessprache im Sechsten Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung vom 9. März 1942 (RGBl. I S. 107) auf, dessen Art. 1 Nr. 1 in dem neu gefaßten § 542 RVO den "Arbeitsunfall" definiert. Schon dieser zeitliche Zusammenhang - das Sechste Änderungsgesetz ist wenige Monate vor der Durchführungsverordnung zum Zweiten Leistungsverbesserungsgesetz erschienen - rechtfertigt die Annahme, daß die später erlassene Bestimmung den neu geprägten Gesetzesbegriff "Arbeitsunfall" nicht anders als in § 542 RVO verstanden wissen will. Auch muß im Sinne dieser Auslegung berücksichtigt werden, daß § 1252 Nr. 1 RVO n.F. und § 542 RVO Vorschriften des gleichen Gesetzes sind. Es müßten demnach schon besondere Gründe ersichtlich sein, um dem Begriff des "Arbeitsunfalls" in § 1252 Nr. 1 RVO n.F. eine andere Bedeutung als in § 542 RVO zu geben, zumal er primär in den Bereich der Unfallversicherung gehört. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die fiktive Wartezeiterfüllung nicht zu den das Wesen der deutschen Sozialversicherung bestimmenden Grundgedanken gehört und dem älteren Recht der Rentenversicherung deshalb auch unbekannt war (vgl. hierzu Urteil des BSG. vom 17.7.1957 in Breithaupt 1957 S. 1117); es erscheint auch unter diesem Gesichtspunkt eine Auslegung des § 1252 Nr. 1 RVO n.F. geboten, die jedenfalls nicht über den in § 542 RVO verwendeten Begriff des "Arbeitsunfalls" hinausgeht (im Ergebnis ebenso Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, Komm. z. RVO 6. Aufl., Anm. 6 zu § 1252; Koch-Hartmann-v.Altrock-Fürst, Komm. z. AVG 2. Aufl. Band 1, Anm. 4 zu § 1265 a RVO [S. 394]; Brackmann, Handb. d. Sozialvers. Stand: Januar 1958 S. 670; Dersch, Grundriß der gesetzlichen Rentenversich. S. 138). Unstreitig verwendet aber § 542 RVO einen vom Territorialitätsprinzip beherrschten Begriff des "Arbeitsunfalls", so daß der Unfall des Vaters des Klägers außerhalb des deutschen Hoheitsgebietes keinen Arbeitsunfall im Sinne des § 542 RVO und damit auch des § 1252 Nr. 1 RVO n.F. darstellt. Diese Rechtslage hat bisher durch die immer weiter greifende Verflechtung innerhalb des europäischen Wirtschaftsgebiets - auch in arbeits- und sozialrechtlichen Fragen - keine Änderung erfahren, da das z.Zt. geltende zwischenstaatliche Recht, wie bereits dargelegt, im Verhältnis zwischen der Deutschen Bundesrepublik und Schweden eine entsprechende Regelung nicht vorsieht.
Kann somit die Fiktion der Wartezeiterfüllung im vorliegenden Fall nicht auf § 1252 Nr. 1 RVO n.F. gestützt werden, so kann sie doch nach § 1263 a Abs. 1 Nr. 3 RVO a.F. begründet sein. Nach dem - bisher vom LSG. nicht geprüften - Vorbringen des Klägers ist sein Vater tödlich verunglückt, weil das Schiff, auf dem er tätig war, im Jahre 1950 in der Ostsee auf eine Mine unbekannter Herkunft gelaufen war. Ein solcher Sachverhalt würde die Annahme rechtfertigen, daß der Tod des Versicherten "infolge Feindeinwirkung" im Sinne des § 1263 a Abs. 1 Nr. 3 RVO a.F. eingetreten ist. Diese Vorschrift ist durch Art. 17 der 1. Verordnung zur Vereinfachung des Leistungs- und Beitragsrechts in der Sozialversicherung vom 17. März 1945 - Erste Vereinfachungsverordnung - (RGBl. I S. 41) in die Tatbestände des § 1265 a Abs. 1 RVO eingefügt worden. Der Begriff der "Feindeinwirkung" ist im Gesetz nicht näher erläutert; der Wortsinn läßt verschiedene Deutungen zu. Unter diesen Umständen gewinnt der nicht mehr veröffentlichte, in der Grundsätzlichen Entscheidung Nr. 97 des Bayerischen Landesversicherungsamts vom 25. Juni 1953 (Breithaupt 1953 S. 1127) angeführte Erlaß des Reichsarbeitsministers vom 25. Januar 1945 an die Rentenversicherungsträger für die Auslegung besondere Bedeutung. Er enthält neben der Ankündigung, im neuesten Entwurf der Ersten Vereinfachungsverordnung sei vorgesehen, daß die Wartezeit u.a. dann als erfüllt gelte, wenn der Versicherte "infolge Feindeinwirkung" invalide geworden oder gestorben sei, die Einverständniserklärung des Reichsarbeitsministers, daß schon jetzt hiernach verfahren werde. Hinzugefügt ist der Satz: "Durch die Änderung werden alle Fälle erfaßt, die nach § 2 der Personenschäden-Verordnung zu entschädigen sind". Da diese Deutung des Begriffs "Feindeinwirkung" von dem Verordnungsgeber der Ersten Vereinfachungsverordnung selbst, und zwar im Zusammenhang mit der nach der damaligen Verwaltungspraxis häufigen Weisung, schon vor Inkrafttreten der Rechtsänderung hiernach zu verfahren, gegeben worden ist, kann sie als dem Willen des "Gesetzgebers" entsprechende Interpretation des Verordnungstextes angesehen werden. Diese Auffassung wird auch dadurch gestützt, daß die dem § 1263 a Abs. 1 Nr. 3 RVO a.F. entsprechende Vorschrift des § 1252 Nr. 3 RVO n.F. auf die "unmittelbare Kriegseinwirkung im Sinne des § 5 des BVG" abstellt. Die Tatbestände des § 5 BVG decken sich zwar nicht vollständig mit denen des § 2 der Personenschäden-Verordnung vom 19. November 1940 (RGBl. I S. 1482). Jedoch hat § 5 BVG weitgehend die Grundsätze des § 2 Personenschäden-Verordnung übernommen und - abgesehen von der sprachlichen Neugestaltung - nur in Einzelheiten fortgebildet. Andererseits zeigt die Entstehungsgeschichte des § 1252 RVO n.F. (vgl. Verbandskomm. Anm. 1 zu § 1252), daß diese Vorschrift gegenüber § 1263a RVO a.F. keinen Bruch in der Entwicklung bedeutet, sondern im wesentlichen der Kodifikation des geltenden Rechts und der Anpassung an Rechtsveränderungen, die nach 1945 eingetreten sind, dienen sollte. Erfüllt somit ein Sachverhalt die Voraussetzungen des § 2 Personenschäden-Verordnung, so ist damit auch "Feindeinwirkung" im Sinne des § 1263 a Abs. 1 Nr. 3 RVO a.F. gegeben.
Damit stimmt überein, daß allgemeine ungünstige Kriegsverhältnisse, etwa Kohlenmangel, Nahrungsmangel oder ungenügende Gesundheitsfürsorge, keine "Feindeinwirkung" darstellen, wie der 1. Senat des Bundessozialgerichts in dem die Entscheidung tragenden Teil der Begründung des Urteils vom 17. Juli 1957 (Breithaupt 1957 S. 1117 [1119]) ausgesprochen hat; nach § 2 der Personenschäden-Verordnung werden durch solche Verhältnisse Entschädigungsansprüche nicht begründet. Andererseits ist es für die Erfüllung der Voraussetzungen der Feindeinwirkung nach Auffassung des erkennenden Senats unerheblich, ob der Tod des Versicherten durch Kampfmittel des Kriegsgegners oder deutscher und verbündeter Streitkräfte eingetreten ist, wie aus § 2 Abs. 1 Buchst. a Personenschäden-Verordnung hervorgeht. Deshalb käme es im vorliegenden Streitfall nicht darauf an, ob die Mine von einer der ehemaligen Feindmächte gelegt worden ist. Ebenso wird § 1263 a Abs. 1 Nr. 3 RVO a.F. nicht dadurch ausgeschlossen, daß das auf Feindeinwirkung beruhende schädigende Ereignis erst im Jahre 1950 eingetreten ist, wie sich aus der Gegenüberstellung der Nummern 2 und 3 des § 1263a Abs. 1 RVO a.F. ergibt. Während Nr. 2 den Eintritt des Versicherungsfalls "in Mobilmachungs- oder Kriegszeiten" voraussetzt, verlangt Nr. 3 nur einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Versicherungsfall und Feindeinwirkung (vgl. BayLVA. in Breithaupt 1953 S. 1127 [1130 ff]).
Nach alledem erweist sich die Revision als begründet, soweit es sich um die Nichtanwendung des § 1263 a Abs. 1 Nr. 3 RVO a.F. handelt. Da die Sache mangels entsprechender Feststellungen des LSG. noch nicht entscheidungsreif ist, muß das angefochtene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG. zurückverwiesen werden.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Urteil des LSG. überlassen.
Fundstellen