Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendige Beiladung. sogenannte kleine Rente
Orientierungssatz
Beim Streit über die Gewährung einer sogenannten kleinen Rente wegen einer MdE von 10 vH (§ 581 Abs 3 RVO) ist der für die Entschädigung des früheren Arbeitsunfalls zuständige Versicherungsträger notwendig beizuladen (§ 75 Abs 2 Alt 1 SGG).
Normenkette
RVO § 581 Abs 3 Fassung: 1963-04-30; SGG § 75 Abs 2 Alt 1 Fassung: 1953-09-03
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 15.01.1981; Aktenzeichen L 7 U 534/80) |
SG Stuttgart (Entscheidung vom 11.01.1980; Aktenzeichen S 3 U 369/79) |
Tatbestand
Der Kläger hat als freiwillig bei der Beklagten gegen Arbeitsunfall versicherter Unternehmer am 23. Juli 1978 einen Arbeitsunfall erlitten, für dessen Folgen er bis zum 28. November 1978 eine vorläufige Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vH bezog. Im Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 1979 ist ua ausgeführt, vom 29. November 1978 an sei die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht mehr in rentenberechtigendem Grade gemindert. Die hiergegen erhobene Klage mit dem Antrag, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 23. Juli 1978 unter Berücksichtigung des Vorschadens aus einem Unfall vom 5. März 1954 über den 28. November 1978 hinaus Rente nach einer MdE von 20 vH zu gewähren, hat das Sozialgericht (SG) Stuttgart abgewiesen (Urteil vom 11. Januar 1980). Auf die Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) entsprechend dem eingeschränkten Antrag des Klägers die Beklagte verurteilt, über den 28. November 1978 hinaus - wegen der Folgen des Unfalls vom 23. Juli 1978 - eine Verletztenrente nach einer MdE um 10 vH zu gewähren (Urteil vom 15. Januar 1981). Es hat aufgrund eines von ihm eingeholten ärztlichen Gutachtens angenommen, daß die Arbeitsunfälle vom 5. März 1954 und vom 23. Juli 1978 seit dem 29. November 1978 jeweils eine MdE um 10 vH bedingen. Die Beklagte habe Rente nach einer MdE um 10 vH gemäß § 581 Abs 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu zahlen, der diese Rente "stützende" Arbeitsunfall von 1954 dagegen sei von der hierfür zuständigen Süddeutschen Eisen- und Stahl-Berufsgenossenschaft (BG) zu entschädigen. Für den Rentenanspruch gegen die Beklagte sei es unerheblich, daß die für den Unfall von 1954 zuständige BG durch Bescheide vom 9. Juli und 29. Dezember 1954 eine Rentengewährung wegen der Folgen dieses Unfalls über den 31. Oktober 1954 hinaus mit der Begründung abgelehnt habe, es liege keine meßbare MdE mehr vor. Denn aus Anlaß des Unfalls von 1978 sei die MdE infolge des Unfalls von 1954 unabhängig von der früheren Feststellung neu zu bestimmen (BSG SozR Nr 5 zu § 581 RVO).
Die Beklagte hat die vom Senat zugelassene Revision (Beschluß vom 26. Januar 1982) eingelegt und zur Begründung ausgeführt, das LSG habe die notwendige Beiladung der Süddeutschen Eisen- und Stahl-BG unterlassen.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des LSG zu ändern und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Süddeutsche Eisen- und Stahl-BG sei nicht notwendig beizuladen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Entscheidungsgründe
Gegenstand des Rechtsstreits vor dem LSG war nach dem Antrag des Klägers ein Anspruch auf Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Rente über den 28. November 1978 hinaus nach einer MdE um 10 vH wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 23. Juli 1978. Der Anspruch hängt hier davon ab, ob die Erwerbsfähigkeit des Klägers seit dem 29. November 1978 außer durch die Folgen des Unfalls von 1978 (10 vH) auch infolge des Arbeitsunfalls vom 5. März 1954 um wenigstens 10 vH gemindert ist (§ 581 Abs 3 Satz 1 und 2 RVO).
Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß bei dem Zusammenzählen der Hundertsätze der durch die einzelnen Arbeitsunfälle verursachten MdE nach § 581 Abs 3 RVO nicht der Hundertsatz, der der früheren Entscheidung der Süddeutschen Eisen- und Stahl-BG zugrunde lag, sondern der seit dem 29. November 1978 noch bestehende Grad der MdE maßgebend ist (s BSG SozR Nr 5 zu § 581 RVO). Es hat aber in prozessualer Hinsicht nicht beachtet, daß - anders als in der angeführten Entscheidung des Bundessozialgerichts - hier nicht derselbe - beklagte - Versicherungsträger für die Entschädigung der mehreren in Betracht kommenden Arbeitsunfälle zuständig ist. Der erhobene Anspruch auf eine sogenannte kleine Rente gegen die Beklagte setzt gemäß § 581 Abs 3 RVO voraus, daß die MdE nicht nur infolge des Unfalls von 1978, für dessen Entschädigung die Beklagte zuständig ist, sondern auch infolge des Unfalls von 1954, für den die Süddeutsche Eisen- und Stahl-BG zuständig ist, jedenfalls mindestens 10 vH beträgt. Sachlich rechtlich und verfahrensrechtlich sind die Ansprüche des Klägers auf kleine Renten zwar voneinander unabhängige Ansprüche. Die Rechtspositionen der beiden Versicherungsträger sind jedoch wechselseitig insoweit voneinander abhängig, als jeder von ihnen zur Gewährung einer Rente nach einer MdE um nur 10 vH (§ 581 Abs 3 RVO) nur dann verpflichtet ist, wenn und solange auch der von dem anderen Versicherungsträger zu entschädigende Arbeitsunfall eine MdE um mindestens 10 vH hinterlassen hat. Schon aus diesem Grunde war die Süddeutsche Eisen- und Stahl-BG an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen konnte (s ua BSG SozR 1500 § 75 Nr 8 mwN).Sie war notwendig beizuladen (§ 75 Abs 2 Alternative 1 SGG), wie die Beklagte zutreffend rügt. Da im Revisionsverfahren eine Beiladung unzulässig ist, war die Sache schon deshalb an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - zurückzuverweisen.
Fundstellen