Leitsatz (amtlich)

Eine "prozentuale Streichung" an der Honorarforderung des Vertragsarztes nach ErsKVTr-Ärzte § 15 Nr 2 vom 1950-05-12 ist nicht deshalb unzulässig, weil an der Abrechnung einzelne Ersatzkassen nur mit einigen Behandlungsfällen beteiligt sind.

 

Normenkette

EKV-Ä § 15 Nr. 2 Fassung: 1950-05-12

 

Tenor

Auf die Revision der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung und des beigeladenen Verbandes der Angestellten-Krankenkassen wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 9. Dezember 1960 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I.

Der Streit betrifft die Rechtswirksamkeit von Honorarkürzungen nach dem Ersatzkassenvertrag für Ärzte (EKV).

Der Kläger ist praktischer Arzt. Er ist Mitglied der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und an der Ersatzkassenpraxis beteiligt. Nach § 8 Ziff. 1 des am 12. Mai 1950 zwischen der Arbeitsgemeinschaft der Kassenärztlichen Vereinigungen des Bundesgebietes und dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. (VdAK) abgeschlossenen Vertrages wird die vertragsärztliche Tätigkeit nach Einzelleistungen auf Grund der für die Ersatzkassenpraxis bearbeiteten Allgemeinen Deutschen Gebührenordnung (E-Adgo) - unter Berücksichtigung der Entscheidungen der in § 19 des Vertrages vorgesehenen Arbeitsgemeinschaft - vergütet. Die ärztliche Tätigkeit wird nach § 14 EKV ausschließlich durch den Prüfungsausschuß und Beschwerdeausschuß überwacht. Die Aufgabe dieser Prüfungsinstanzen besteht darin, "die Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der für Rechnung der Vertragskassen ausgeführten Tätigkeit jedes Vertragsarztes nach Herkommen und Gepflogenheit unter Beachtung des Wandels medizinischer Anschauungen zu beurteilen". Die Durchführung der Rechnungsprüfung ist in § 15 EKV-Ärzte näher geregelt.

Mit einem Schreiben, dessen Absendetag bisher nicht festgestellt ist, übersandte die beklagte KV den Kläger neben anderen Honorarabrechnungen die Abrechnung des 2. Quartals 1958 (II/58) für die Ersatzkassen mit dem Hinweis, daß sie gleichzeitig als Bescheid des Prüfungsausschusses über die Honorarfestsetzung gelte und Einsprüche gegen die Abrechnungsergebnisse mit entsprechender Begründung innerhalb eines Monats schriftlich einzulegen und an den Prüfungsausschuß zu richten seien. Als Honorar waren in 136 Fällen für 5 Ersatzkassen insgesamt 2.761,20 DM berechnet und anerkannt. Der VdAK beanstandete die Abrechnung für 4 Ersatzkassen in 131 Fällen; er berief sich auf den beim Kläger überhöhten Fallkostendurchschnitt und hob einzelne überhöhte kleine Sonderleistungen (insbesondere bei den Ziffern 103 A und 96 und 97 der E-Adgo) hervor. Durch Bescheid vom 22. Oktober 1959, der auf eine Besprechung mit dem VdAK vom 15. Juli 1959 Bezug nimmt, kürzte der Prüfungsausschuß den Honoraranspruch des Klägers für kleine Sonderleistungen um 30 % und für Beratungen um 15 %, zusammen um 538,80 DM. Er führte zur Begründung aus, die Honorarforderung für diese Leistungen liege über den Sätzen gleichartiger Praxen, ohne daß sich aus den vorliegenden Krankenscheinen ausreichende Gründe dafür ergäben. Der Prüfungsausschuß führte in dem Bescheid weiter aus, nach Anm. 2 der E-Adgo könne eine eingehende Untersuchung nur in besonders schwierigen Fällen berechnet werden; Verbände seien fast ausschließlich nach Ziff. 96 und 97 liquidiert worden; auch der Ansatz nach Ziff. 103 A erscheine nicht in allen Fällen gerechtfertigt. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 19. November 1959 "Einspruch".

In der Honorarabrechnung für IV/58 war für 6 Ersatzkassen in 217 Fällen eine Forderung von 5.008,60 DM errechnet, jedoch nur ein Betrag von 4.638,70 DM anerkannt worden. Nach der auf Grund der Prüfungsakten getroffenen Feststellung des Landessozialgerichts (LSG) entspricht die Kürzung um 369,90 DM einer Aufstellung in den Akten mit der Überschrift "Globale Kürzungen des Prüfungsausschusses"; nach einem weiteren Aktenvermerk habe die Kürzung bei den kleinen Sonderleistungen 30 %, bei einer Forderung von 1.043,-- DM, demnach 312,90 DM betragen. Infolge falscher Kommasetzung habe die Abrechnungsstelle versehentlich nur 31,30 DM gekürzt, so daß sich eine nachträgliche Belastung von 281,60 DM ergebe.

Gegen diese Belastung erhob der Kläger am 26. Oktober 1959 "Einspruch". Er bemerkte dabei, daß sich der Einspruch auf die gesamte Ersatzkassenabrechnung für IV/58 beziehe. Der VdAK beanstandete die Abrechnung für IV/58 ebenfalls. Durch Bescheid vom 21. Dezember 1959 kürzte der Prüfungsausschuß die Honorarforderung für IV/58 bei den kleinen Sonderleistungen um weitere 20 % mit 224,70 DM. Er bezog sich auf eine mit dem VdAK durchgeführte Besprechung und führte aus, die unbegründete Häufung von Injektionsserien entspreche nicht der im Vertrag geforderten Beschränkung auf Wirtschaftlichkeit und Notwendigkeit. Mit einem am 15. Januar 1960 bei der KV eingegangenen Schreiben erhob der Kläger gegen diese nochmalige Kürzung "Einspruch". Er bat um eine Begründung, die weder praxisfremd sei, noch die Besonderheiten des ärztlichen Geschehens übersehe, noch die ärztliche Schweigepflicht unnötig verletze. Außerdem wies er darauf hin, daß die gezahlten Honorare bereits versteuert seien und zu einer Erhöhung der Vorauszahlungen im Jahre 1959 geführt hätten.

In einer weiteren Honorarabrechnung für I/59 wurde für 7 Ersatzkassen in 219 Fällen eine Forderung von 4.711,30 DM errechnet und ein Betrag in Höhe von 3.769,05 DM anerkannt. Die Differenz von 942,25 DM beruht darauf, daß alle Leistungen für alle Ersatzkassen um 20 % gekürzt wurden. Der Kläger erhob auch gegen diese Honorarabrechnung "Einspruch". Er bat darum, ihm die einzelnen Fälle anzugeben und ihm mitzuteilen, wie bei den einzelnen Leistungsklassen - nach welchem Ermessen und nach welchen gesetzlichen Bestimmungen - die Kürzungen zustande gekommen seien.

Am 19. Januar 1960 fand über die Abrechnung der drei Quartale (11/58, IV/58, 1/59) vor dem Beschwerdeausschuß eine Verhandlung in Gegenwart des Klägers statt. Er brachte vor, daß er in Ruhleben eine Außenpraxis habe: er hebe wenig oder gar keine Überweisungen vorgenommen, führe die kleine Chirurgie, Otologie und ähnliche Leistungen selbst durch, habe viel Rheumabehandlungen, viele Diabetiker -, kaum Bagatellfälle und müsse ständig dienstbereit sein. In einzelnen Fällen erkannte er an, reichlich Injektionen vorgenommen zu haben. Die meisten davon seien jedoch durch Rheumabehandlungen und durch viele Patienten mit Diabetes erforderlich gewesen. Die überhöhten Beratungen erklärte er mit seiner ständigen Dienstbereitschaft.

Durch Bescheid vom 19. Januar/ 2. Februar 1960 bestätigte der Beschwerdeausschuß die Entscheidung des Prüfungsausschusses für die drei Quartale. Er stellte den Honorarforderungen des Klägers die Durchschnittswerte seiner Fach-, gruppe in den einzelnen Leistungsarten gegenüber und begründete seine Entscheidung damit, daß in allen drei Quartalen nahezu alle Leistungsgruppen gegenüber den Durchschnittswerten seiner Fachgruppe überhöht seien. Bei den Grundleistungen beruhe dies auf dem reichlichen Ansatz der Beratungen ohne erkennbaren Grund. Bei den kleinen Sonderleistungen werde eine breite Injektionsbehandlung durchgeführt neben der hohen Zahl von Beratungen; bei den Sachleistungen seien Serienbehandlungen mit Kurzwelle oder Jonomodulatur als belastend festzustellen. Auch die Leistungen zur Diagnostik und die über dem Durchschnitt der Fachgruppe liegende Verordnungsweise wirkten sich bei der Gesamtbeurteilung belastend aus. Der Einwand, daß es sich um eine Stadtrandpraxis handele, sei für Ruhleben nicht stichhaltig. Die Tatsache, daß der Kläger Krankenhauseinweisungen und Überweisungen nur in geringem Maße vorgenommen habe und daß das Krankengut dem seiner Fachgruppe entspreche, sei bei der Kürzung berücksichtigt.

Der Kläger rügte mit der Klage, Prüfer sei der Augenarzt Dr. N... gewesen, der über keine Erfahrungen in einer allgemeinen Praxis verfüge. Der Beschwerdeausschuß habe ihm, dem Kläger, kein ausreichendes rechtliches Gehör gewährt. Er habe erst durch den Beschluß des Beschwerdeausschusses den Fallkostendurchschnitt erfahren, der ihm sogar noch in der mündlichen Verhandlung vorenthalten worden sei. Außerdem habe die mündliche Verhandlung so spät stattgefunden, daß er und sicher auch die Mitglieder des Beschwerdeausschusses nach einem langen Arbeitstag nicht mehr in der Lage gewesen seien, ordnungsmäßig zu verhandeln. Die auf 21 Uhr anberaumte Verhandlung habe gegen 22 Uhr begonnen und etwa 1/2 Stunde gedauert. Die in dem Bescheid des Beschwerdeausschusses angeführten Zahlen seien ungenau und zum Teil fehlerhaft Die Besonderheiten seiner Praxis (Stadtrandpraxis mit ausgedehnten Kleinsiedlungen) seien nicht gewürdigt worden, im übrigen sei eine Pauschalkürzung unzulässig. Es wäre ohne Schwierigkeiten möglich gewesen, im Beschwerdeverfahren Einzelfälle zu erörtern. Die Aufrechnung der Kürzungsbeträge mit der Honorarforderung verstoße gegen § 12 EKV. Die Beklagte habe rechtswidrig die Zahlung des Gesamthonorars für II/58 verweigert. Die von ihr erhobenen Gegenansprüche seien auch nach § 15 EKV verjährt.

Die Beklagte machte demgegenüber geltend, der Kläger habe hinreichend Gelegenheit gehabt, seine Gegengründe in der Verhandlung vor dem Beschwerdeausschuß vorzubringen. Es sei nicht zu beanstanden, daß der Beschwerdeausschuß die einzelnen Verhandlungen abends in Abständen von 30 Minuten anberaume. - Die Besetzung des Beschwerdeausschusses habe den Bestimmungen des EKV entsprochen. Die im § 15 Ziff. 4 EKV angeführten Fristen hätten nur im Abrechnungsverkehr zwischen KV und den Ersatzkassen Bedeutung. Durch eine Überschreitung der Fristen werde der Vertragsarzt nicht beschwert oder benachteiligt. Es sei auch zweckmäßig und nach der Rechtsprechung zulässig, allgemeine Fallkosten- und Fachgruppendurchschnitte heranzuziehen. Die Anforderungen des Klägers hätten über den einzelnen Fallkostendurchschnitten seiner Fachgruppe gelegen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdeausschuß seien die gesamten Abrechnungsunterlagen überprüft und die Behandlungsweise des Klägers anhand von Einzel fällen gewürdigt worden. Dem besonderen Krankengut des Klägers habe der Beschwerdeausschuß durch Festsetzung eines höheren Fallkostendurchschnitts als des Fachgruppendurchschnitts Rechnung getragen, dabei sei zu beachten, daß auch die, Verordnungsweise des Klägers weit über dem Durchschnitt seiner Fachgruppe liege.

Das Sozialgericht (SG) hob durch Urteil vom 1. Juni 1960 den Bescheid des Beschwerdeausschusses vom 19. Januar 1960 auf, und zwar im wesentlichen mit der Begründung, nach dem Ergebnis der Verhandlung stehe fest, daß der Antrag des VdAK innerhalb der Dreimonatsfrist des § 15 Ziff. 4 EKV bei der Beklagten eingegangen sei, die weiteren Fristen für die Durchführung des Prüfungsverfahrens seien aber erheblich überschritten worden. Deshalb seien die auf Grund der Beanstandungen des VdAK vorgenommenen weiteren Kürzungen unzulässig gewesen.

Mit der Berufung rügte die beklagte KV, das SG habe den Bescheid vom 19. Januar 1960 summarisch aufgehoben, und zwar auch hinsichtlich der Abrechnung für I/59, obgleich die Honorarforderung des Klägers für dieses Quartal durch den ersten Bescheid des Prüfungsausschusses - ohne jede Fristversäumnis - gekürzt worden sei. Das SG habe auch die Fristbestimmungen des § 15 Ziff. 4 EKV verkannt; es handele sich dabei nicht um Ausschluß-, sondern um Ordnungsfristen, die nur einen zügigen Ablauf des Prüfungsverfahrens gewährleisten sollten. Im übrigen habe der Beschwerdeausschuß die gesamten Abrechnungsunterlagen neu geprüft, dadurch seien etwa bestehende Mängel des Verfahrens geheilt. Die KV habe aus einem Verwaltungsnotstand heraus gehandelt. Aus dem Sitzungsprotokoll vom 19. Januar 1960 und den handschriftlichen Bemerkungen des Referenten ergebe sich, daß mit dem Kläger 50 und mehr Behandlungsfälle durchgesprochen worden seien. Der Kläger könne sich auch nicht auf den späten Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung berufen, denn er habe der Ansetzung des Termins zugestimmt, sei auch erschienen und habe sich auf die Verhandlung eingelassen.

Das Landessozialgericht (LSG) wies die Berufung der beklagten KV mit der Maßgabe zurück, daß das Urteil des SG folgende Fassung erhielt: "Die Bescheide des Beschwerdeausschusses vom 19. Januar 1960 sowie des Prüfungsausschusses vom 2. Oktober 1959, 22. Oktober 1959 und 21. Dezember 1959 werden aufgehoben. Die Bescheide über die Honorarabrechnung für das IV. Quartal 1958 und das I. Quartal 1959 werden teilweise aufgehoben, und zwar insoweit, als sie Kürzungen für IV/58 von 369,90 DM und für I/59 von 942,25 DM enthalten" (Urteil vom 9. Dezember 1960). Zur Begründung legte das LSG im wesentlichen folgendes dar: Aus den von der beklagten KV vorgelegten Akten über die strittigen Quartale sei nicht ersichtlich, ob die Einwendungen des VdAK innerhalb der Dreimonatsfrist des § 15 Ziff. 4 EKV eingegangen seien. Auch die in der mündlichen Verhandlung überreichten Urkunden räumten die sich aus den Akten ergebenden Zweifel nicht aus. Dazu und zu der weiteren Frage, ob die Ersatzkasse vorsorglich die gesamte Honoraranforderung der KV für alle Ärzte ohne Begründung ablehnen dürfe, sei eine Entscheidung nicht notwendig, denn unstreitig seien die weiteren Fristen im Ablauf des Prüfungsverfahrens nach Eingang der Einwendungen des VdAK nicht gewahrt, was die Beklagte ausdrücklich eingeräumt habe. Da die zwingenden Vertragsfristen des § 15 Ziff. 4 EKV verstrichen gewesen seien, seien die zunächst nur vorläufigen Abrechnungen unwiderruflich und nach § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) für die Beteiligten in der Sache bindend geworden. Die Kürzungsbescheide des Prüfungsausschusses vom 22. Oktober 1959 (II/58) und vom 21. Dezember 1959 (IV/58) seien daher rechtswidrig und deshalb aufzuheben.

Soweit der Kläger gegen die Abrechnungsbescheide für IV/58 und I/59 sowie gegen den Bescheid vom 2. Oktober 1959 "Einspruch" eingelegt und die darin ausgesprochenen Kürzungen angefochten habe, ist die Rechtslage nach Auffassung des LSG anders. Der Kläger sei durch diese Verwaltungsakte beschwert. Sein "Einspruch" sei rechtlich entweder als "Ablehnung des Prüfungsergebnisses" nach § 15 Ziff. 4 EKV oder als "Widerspruch im Sinne des SGG" auszulegen. Gegen ein Verfahren nach § 15 Ziff. 4 EKV spreche schon die in den Abrechnungsbescheiden erteilte Belehrung über eine Frist von einem Monat zur Einlegung des Rechtsmittels, während § 15 Ziff. 4 EKV dem Arzt eine Frist von drei Monaten einräume. Die Monatsfrist entspreche der Frist des § 84 Abs. 1 SGG. Der Prüfungsausschuß könne nach § 15 EKV, wenn er eine unnötige oder unwirtschaftliche Behandlungsweise festgestellt habe, an einzelnen Rechnungsposten, am Gesamtbetrag einer Rechnung oder an der Summe sämtlicher Rechnungsbeträge nach seinem Ermessen Änderungen vornehmer, die auch in prozentualen Streichungen liegen könnten. Die Entscheidungen, das Honorar in den Quartalen IV/58 und I/59 um bestimmte Sätze prozentual zu kürzen, seien demnach mit dem Widerspruch (§ 79 Nr. 1 SGG) anfechtbar. Der Kürzungsbescheid vom 21. Dezember 1959 sei schon deswegen rechtswidrig, weil die zwingenden Fristen des § 15 Ziff. 4 EKV, in denen der Prüfungsausschuß das Honorar zu Ungunsten des Klägers hätte ändern können, unstreitig verstrichen gewesen seien. Ob der Kläger mit seinem Schreiben vom 23. Oktober 1959 den Widerspruch gegen den Abrechnungsbescheid für IV/58 und den Bescheid vom 2. Oktober 1959 innerhalb der Monatsfrist des § 84 SGG erhoben habe, lasse sich aus den Akten nicht feststellen. Es gehe jedoch zu Lasten des Beklagten, wenn sich nicht aufklären lasse, wann der Verwaltungsakt den Beteiligten bekanntgegeben worden sei. Da urkundliche Nachweise über den Zugang der Abrechnungsbescheide beim Kläger nicht vorhanden seien, die beklagte KV und der beigeladene VdAK auch nicht behaupteten, daß die Widersprüche gegen die Abrechnungsbescheide IV/58 und I/59 sowie gegen den Bescheid vom 2. Oktober 1959 verspätet eingegangen seien, müßten die Angaben des Klägers in seinem Widerspruchsschreiber vom 23. Oktober 1959 und 13. Oktober 1960 zugrunde gelegt werden, aus denen sich ergebe, daß die Monatsfrist des § 84 SGG gewahrt sei.

Der Prüfungsausschuß hätte - wie das LSG weiter ausführt - die Widersprüche des Klägers zum Anlaß nehmen müssen, der Beschwer nach § 85 Abs. 1 SGG wenigstens insofern abzuhelfen, als er nunmehr dem Kläger die Gründe für die Kürzungen mitteilte, um ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Kläger habe bis dahin weder im Prüfungsverfahren rechtliches Gehör gehabt, noch seien die Abrechnungsbescheide mit Gründen versehen gewesen. Dieser Mangel des Prüfungsverfahrens sei durch das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuß nicht geheilt worden, weil der Kläger auch dort kein ausreichendes rechtliches Gehör gefunden habe. Er könne allerdings nicht mehr rügen, daß die Verhandlung vom 19. Januar 1960 erst spät abends gegen 22 Uhr stattgefunden habe, da er sich auf die Vorhandlung eingelassen und keine Vertagung beantragt habe.

Die Honorarkürzungen seien aber auch in der Sache rechtlich zu beanstanden. Sie setzten voraus, daß der Kläger unwirtschaftliche oder unnötige Leistungen erbracht habe. Es bestünden rechtlich keine Bedenken, daß der Prüfungsausschuß bei der erst vorläufigen Honorarfestsetzung auf Grund seiner statistischen Feststellungen das Verfahren verein fache und die Kürzungen bei allen Ersatzkassen nach einem gleichen Prozentsatz vornehme. Die Prüfungsorgane seien dann aber verpflichtet, im weiteren Verfahren die bei der vorläufigen Honorarfestsetzung zunächst unterlassene "individuelle Prüfung" nachzuholen. Sie dürften auch nicht bei der nachzuholenden gründlichen Prüfung das Honorar rein schematisch pauschal für alle Ersatzkassen um den gleichen Prozentsatz kürzen, wie es in den Quartalsabrechnungen IV/58 und I/59 erst vorläufig geschehen und dann von Beschwerdeausschuß im Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 1960 endgültig bestätigt sei, denn der Honoraranspruch richte sich nicht gegen die Ersatzkassen in ihrer Gesamtheit, sondern jeweils gegen die einzelne Ersatzkasse, aus deren Mitteln er zu befriedigen sei. Eine schematische Anwendung der statistischen Durchschnittswerte sei unzulässig, weil sie im Ergebnis auf eine Honorierung nach Fallpauschale hinauslaufen. Eine solche schematische Prüfung stehe mit dem im Ersatzkassenvertrag festgelegten Honorarsystem nach Einzelleistungen (§ 8 EKV) im Widerspruch. Je weniger Behandlungsfälle von einer Ersatzkasse zu vergüten seien, um so leichter seien auch die individuellen Besonderheiten festzustellen. Bei Ersatzkassen mit wenigen Behandlungsfällen (besonders bei nur einem einzigen Fall) lasse sich die Pauschalkürzung des Honorars um einen jeweils gleichen Prozentsatz überhaupt nicht mit einer Schätzung begründen, die sich allein auf statistische Durchschnittswerte stütze. Hier bestünden keine Schwierigkeiten, auf die Besonderheiten dieser wenigen Fälle einzugehen. Die rein schematischen Kürzungen ließen erkennen, daß die Prüfungsorgane an den Leistungen des Klägers für die verschiedenen Ersatzkassen keine Besonderheiten berücksichtigt hätten. Dem Prüfungsausschuß bleibe eine erneute Prüfung unbenommen, soweit der Kläger gegen die Bescheide über die Honorarkürzung für die Quartale IV/58 und I/59 Widerspruch erhoben habe. Die Aufhebung der Kürzungsbescheide vom 22. Oktober 1959 und 21. Dezember 1959 lasse dagegen wegen der Versäumung der in § 15 Ziff. 4 EKV vorgesehenen Fristen keine neue Prüfung zu.

Die Revision wurde zugelassen.

Gegen dieses Urteil haben die beklagte KV und der VdAK Revision eingelegt mit dem Antrag,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Sie wenden sich gegen die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, daß die dem Kläger erteilten "vorläufigen Abrechnungsbescheide" wegen Nichteinhaltung der Fristen des § 15 Ziff. 4 EKV bindend geworden seien. Nach ihrer Meinung handelt es sich bei den von den Prüfungsinstanzen nicht eingehaltenen Fristen um keine Ausschlußfristen, sondern um Ordnungsfristen, deren Überschreitung nicht zur Bindung an den ursprünglichen "Honorarvorschlag" des Prüfungsausschusses führen könne. Soweit im Gesamtergebnis eine unwirtschaftliche Behandlungsweise festgestellt werde, könne die Kürzung nur schematisch um einen geschätzten Prozentsatz vorgenommen werden. Der geschätzte Prozentsatz ergreife die Gesamtabrechnung für alle Ersatzkassen, auch wenn hierdurch die Kürzung für eine Kasse - isoliert gesehen - nicht den tatsächlichen Ergebnissen entsprechen sollte. Gerade deshalb hätten sich die Ersatzkassen im EKV zu gemeinsamer Prüfung mit der Maßgabe zusammengeschlossen, das Gesamtprüfungsergebnis auch gegen sich gelten zu lassen. Durch dieses Verfahren könne demnach nicht der Arzt, sondern nur die eine oder andere Kasse benachteiligt werden. Dies hätten die Ersatzkassen jedoch zu Gunsten eines vereinfachten Verfahrens durch den Vertrag bewußt in Kauf genommen.

Die beigeladene Barmer Ersatzkasse ist den Rechtsausführungen der Revisionskläger beigetreten.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Gleichheitsgrundsatz erfordere, daß das gegenüber dem betroffenen Arzt angewandte Recht auch für die anderen Vertragsbeteiligten verbindlich sein müsse. Auch eine Unterscheidung zwischen vorläufiger und endgültiger Prüfung könne nicht dazu führen, das Prüfungsverfahren in einen internen Teil und in einen solchen mit Außenwirkung aufzuspalten. Die in § 15 Ziff. 4 EKV vertraglich festgelegten Fristen dienten der Rechtssicherheit und seien keine bloßen Ordnungsfristen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegten Revisionen der beklagte KV und des beigeladenen VdAK sind begründet.

1. Das LSG hat die Berufung der KV zu Recht als zulässig angesehen. Streitig ist die Rechtmäßigkeit von Honorarkürzungen, die die Prüfungsinstanzen der beklagten KV an mehreren Vierteljahresabrechnungen des Klägers (II/58, IV/58 und I/59) vorgenommen haben. Die angefochtenen Bescheide betreffen "Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen" im Sinne des § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG (BSG 11, 102, 108). Der vorliegende Rechtsstreit beschränkt sich aber nicht auf Leistungen für einen Zeitraum bis zu drei Monaten, der Kläger erstrebt vielmehr die Aufhebung des Bescheides des Beschwerdeausschusses vom 19. Januar 1960 und der von ihm erfaßten Bescheide über die Honorarabrechnung für drei Kalendervierteljahre. Die Berufung war daher nach § 143 i.V.m. § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG statthaft.

2. Der Rechtsauffassung des LSG, durch die Nichteinhaltung der in § 15 Ziff 4 EKV festgelegten Fristen (Durchführung der sogenannten Zwischenbesprechung, Bekanntgabe ihres Ergebnisses, nochmalige Entscheidung des Prüfungsausschusses und Entscheidung des Beschwerdeausschusses) seien die "vorläufigen Bescheide" des Prüfungsausschusses - soweit sie der Kläger nicht beanstandet habe - bindend geworden, kann nicht gefolgt werden. Der am 12. Mai 1950 zwischen dem VdAK und der früheren Arbeitsgemeinschaft der Kassenärztlichen Vereinigungen des Bundesgebietes (jetzt Kassenärztliche Bundesvereinigung) geschlossenen "Ersatzkassenvertrag" ist öffentlich-rechtlicher Natur. Die ärztliche Versorgung der Versicherten der Ersatzkassen und ihrer Familienangehörigen wird nach § 2 Ziff. 1 EKV durch Vertragsärzte durchgeführt, die von der KV an der Ersatzkassenpraxis beteiligt werden und die, wie der Senat in BSG 11, 1 und 102 näher dargelegt hat, nicht als gleichgeordnete Vertragspartner der KV, sondern als ihr hoheitlich unterstehende Verbandsmitglieder tätig sind. Deshalb sind - wie auch das LSG zutreffend angenommen hat - nicht nur die Beschlüsse der KV über die Begründung des Beteiligungsverhältnisses Verwaltungsakte, sondern auch die Entscheidungen, die im Rahmen des bestehenden Beteiligungsverhältnisses mit unmittelbarer rechtlicher Wirkung für den beteiligten Arzt seine Rechte und Pflichten gegenüber der KV regeln (BSG 11, 102, 108).

Die ambulante vertragsärztliche Tätigkeit wird nach § 8 EKV nach Einzelleistungen auf Grund der für die Ersatzkassenpraxis bearbeiteten E-Adgo vergütet. Die Aufgabe der Prüfungsinstanzen (Prüfungsausschuß und Beschwerdeausschuß) besteht nach § 14 Ziff. 2 EKV darin, die Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der für Rechnung der Vertragskassen ausgeführten Tätigkeit jedes Vertragsarztes "nach Herkommen und Gepflogenheit unter Beachtung des Wandels medizinischer Anschauungen" zu beurteilen. Die Entscheidungen, durch die das Honorar des Arztes für seine Tätigkeit festgesetzt wird, regeln den Anspruch des Arztes mit unmittelbarer rechtlicher Wirkung für den Arzt und für die zahlungspflichtige Ersatzkasse. Da die Entscheidungen der Prüfungsinstanzen über die Angemessenheit der Honorarforderung hoheitliche Willensäußerungen der KV über die Honoraransprüche für bestimmte ärztliche Leistungen darstellen, handelt es sich, wie der Senat in BSG 11, 102, 109 näher dargelegt hat, - entgegen der Ansicht der Revisionskläger - nicht um Schiedsgutachten im Sinne der §§ 317 ff des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), sondern um Verwaltungsakte. Dem steht der Umstand, daß die Ersatzkassen als Körperschaften des öffentlichen Rechts der KV gleichgeordnet sind, nicht entgegen; es genügt zur Annahme eines Verwaltungsaktes, daß eine hoheitliche Regelung gegenüber nur einem Betroffenen - hier gegenüber dem Arzt - vorliegt. Auch die nach § 368 n Abs. 4 der Reichsversicherungsordnung (RVO) errichteten Prüfungsausschüsse, die die Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung bei den sogenannten RVO-Kassen zu überwachen haben, erlassenen Verwaltungsakte, die die beteiligten Krankenkassen binden, wenn sie von dem ihnen bei der Überprüfung der ärztlichen Verordnungsweise zustehenden Widerspruchsrecht keinen Gebrauch machen (vgl. auch BSG 15, 118, 120 ff zur Frage der Bindung der Träger der Rentenversicherung an die nach § 1399 RVO ergangenen Bescheide der Krankenkassen).

3. Schon der Honorarbescheid, den die Abrechnungsstelle der KV dem Vertragsarzt und der Vertragskasse nach § 15 Ziff. 3 EKV zum gleichen Zeitpunkt mitzuteilen hat, ist ein Verwaltungsakt, der sowohl gegenüber dem beteiligten Vertragsarzt als auch gegenüber der beteiligten Ersatzkasse bindend werden kann. Wenn er auch nur auf einer summarischen Prüfung der Rechnungen des Vertragsarztes durch den Prüfungsausschuß beruhen mag, so enthält er doch eine Feststellung des vom Prüfungsausschuß für "angemessen" gehaltenen Honorars. Darunter ist das Honorar zu verstehen, das der Prüfungsausschuß nach rechnerischer und sachlicher Richtigstellung der Rechnungen (§ 15 Ziff. 1 EKV) im Hinblick auf die vom Vertragsarzt zu beachtende wirtschaftliche Behandlungsweise (§ 15 Ziff. 2 EKV) als gerechtfertigt ansieht und mit unmittelbarer rechtlicher Wirkung für den beteiligten Arzt und die beteiligten Ersatzkassen festsetzt (vgl. BSG 11, 102, 109, 114 f). Dieser Honorarbescheid darf nur insofern als "vorläufig" angesehen werden, als er - wie auch andere belastende Verwaltungsakte - nicht endgültig ist, sondern von den Beteiligten angefochten werden kann.

4. Die Durchführung des verwaltungsmäßigen Anfechtungsverfahrens regelt § 15 Ziff. 4 EKV. Nach dieser Vertragsbestimmung, zu deren Vereinbarung die Vertragsschließenden kraft ihrer Befugnis zur autonomen Rechtsetzung berechtigt waren (vgl. § 368 n Abs. 1 letzter Satz, Abs. 4 RVO), kann der Bescheid des Prüfungsausschusses innerhalb einer Frist von drei Monaten angefochten ("abgelehnt") werden. Die Auffassung des LSG, daß der Vertragsarzt den ihm nach § 15 Ziff. 3 EKV mitgeteilten Bescheid, sofern der Prüfungsausschuß die Honorarforderung des Arztes gekürzt hat, innerhalb eines Monats anfechten müsse, ist mit der in § 15 Ziff. 4 EKV getroffenen Regelung nicht vereinbar. Nach dieser Bestimmung haben sowohl der Vertragsarzt als auch die betroffene Ersatzkasse das Recht, den sie belastenden Bescheid des Prüfungsausschusses innerhalb einer Frist von drei Monaten anzufechten ("abzulehnen"). Wird der Honorarbescheid ("das Prüfungsergebnis des Prüfungsausschusses") innerhalb dieser Frist weder von dem Vertragsarzt noch von einer beteiligten Ersatzkasse angefochten, so ist er für die Beteiligten bindend (er "gilt als angenommen"). Das an die "Ablehnung" durch einen der Beteiligten sich anschließende Verfahren vor den Prüfungseinrichtungen stellt - ebenso wie das in § 368 n Abs. 4 RVO für die Überwachung der Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung vorgeschriebene Verfahren - ein Vorverfahren im Sinne der §§ 79, 80 SGG dar. Der in § 15 Ziff. 4 Satz 3 EKV als "Ablehnung des Prüfungsergebnisses" bezeichnete Rechtsbehelf ist - übertragen auf die für das Vorverfahren geltenden Begriffe des Sozialgerichtsgesetzes (§§ 77 ff SGG) - ein Widerspruch, der, entsprechend der autonomen Sonderregelung durch die Vertragspartner des EKV, nicht innerhalb eines Monats, sondern innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Mitteilung des Honorarbescheides an die Abrechnungsstelle der KV oder an den Prüfungsausschuß zu richten ist. Der Prüfungsausschuß hat, wenn er den Widerspruch für "begründet erachtet, ihm abzuhelfen (§ 85 Abs. 1 SGG). Bei Anfechtung des Honorarbescheides durch eine Vertragskasse findet nach der in § 15 Ziff. 4 Satz 4 bis 6 EKV getroffenen Sonderregelung eine sogenannte Zwischenbesprechung statt, die den Zweck hat, eine möglichst weitgehende Verständigung im Sinne des § 13 EKV zu erreichen und den Beschwerdeausschuß zu entlasten. Gegen eine solche Zwischenbesprechung, an der der Vertragsarzt nicht teilnimmt, bestehen keine rechtsstaatlichen Bedenken, wenn dem Vertragsarzt das Ergebnis dieser Besprechung noch vor einer ihn belastenden neuen Entscheidung des Prüfungsausschusses (Abhilfebescheid im Sinne des § 85 Abs. 1 SGG) oder des Beschwerdeausschusses (Widerspruchsbescheid im Sinne des § 85 Abs. 2 SGG) bekanntgegeben und ihm dadurch Gelegenheit gegeben wird, zu den gegen die Wirtschaftlichkeit seiner Behandlungsweise bestehenden Bedenken Stellung zu nehmen.

Die Frist für den Widerspruch beginnt nach § 66 Abs. 1 SGG nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf und die Verwaltungsstelle, bei der der Rechtsbehelf anzubringen ist, sowie über deren Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so kann der Rechtsbehelf grundsätzlich noch innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung eingelegt werden (§ 66 Abs. 2 SGG). Die in den Verwaltungsakten der beklagten KV befindliche Abschrift des an den Kläger gerichteten Anschreibens, das sich auf die Abrechnung für das 2. Quartal 1958 bezieht, enthält eine unrichtige Belehrung, denn der Kläger wird darauf hingewiesen, daß Einsprüche gegen die Abrechnungsergebnisse "innerhalb eines Monats" einzulegen seien. In welcher Weise der Kläger bei Mitteilung der Honorarbescheide für IV/58 und I/59 belehrt wurde, ist den Verwaltungsakten der beklagten KV nicht zu entnehmen. Die Belehrung über den Rechtsbehelf ist aber nicht nur dem Vertragsarzt, sondern auch den an der Honorarabrechnung beteiligten Vertragskassen zu erteilen, in deren Rechte der Honorarbescheid unmittelbar eingreift. Sie allein haben außer dem Vertragsarzt das Recht, den sie belastenden Honorarbescheid anzufechten. Dagegen steht dem Verband der Angestellten-Krankenkassen dieses Recht im eigenen Namen nicht zu. Das schließt jedoch nicht aus, daß der Verband im Auftrage der von dem Honorarbescheid betroffenen einzelnen Ersatzkassen in dem Verfahren tätig wird. Ob die beklagte KV den an der Honorarfestsetzung beteiligten Ersatzkassen bei Mitteilung der hier in Betracht kommenden Honorarbescheide eine schriftliche Belehrung über den Rechtsbehelf erteilt hat, ist aus den Verwaltungsakten nicht zu ersehen, kann aber durch Vorlage der den einzelnen Ersatzkassen zugegangenen Honorarbescheide festgestellt werden. Ist die Belehrung - wie es den Anschein hat - unterblieben oder war sie unrichtig, so konnte der Widerspruch noch innerhalb der Jahresfrist des § 66 Abs. 2 SGG erhoben werden.

5. Das Berufungsgericht hat darüber, wann die Honorarbescheide über die einzelnen Kalendervierteljahre den Vertragskassen mitgeteilt worden sind, ob und welche Rechtsbelehrung sie enthielten, wann die Widersprüche ("Anträge auf nochmalige Prüfung") bei der beklagten KV eingegangen sind und ob der VdAK ermächtigt war, für die einzelnen Ersatzkassen tätig zu werden, keine Feststellungen getroffen, weil es davon ausgegangen ist, daß die ursprünglichen Honorarbescheide über die Quartale II und IV/58 wegen Nichteinhaltung der weiteren Fristen des § 15 Ziff. 4 EKV unwiderruflich und nach § 77 SGG für die Beteiligten in der Sache bindend geworden seien.

Das LSG hat jedoch den Charakter dieser Fristen verkannt und deshalb aus ihrer Nichteinhaltung unrichtige Folgerungen gezogen. Es handelt sich nicht um Fristen für die Einlegung eines Rechtsbehelfs, deren Nichteinhaltung den Verlust des Rechtsbehelfs zur Folge hat, sondern um das Verwaltungsverfahren regelnde Ordnungsfristen (vgl. Wolff, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. § 37 III). Die Fristen, die für die Durchführung der sogenannten Zwischenbesprechung, die Bekanntgabe des Ergebnisses dieser Zwischenbesprechung, die nochmalige Entscheidung des Prüfungsausschusses und die Entscheidung des Beschwerdeausschusses gelten, sind keine Fristen, die die vom Verwaltungsverfahren Betroffenen, nämlich der Vertragsarzt und die Ersatzkassen, zur Vermeidung von Rechtsnachteilen einzuhalten haben; sie haben bei ungebührlicher Verzögerung des Verwaltungsverfahrens nur die Möglichkeit der Untätigkeitsklage (§ 88 Abs. 2 SGG), um auf den Gang des Verfahrens einzuwirken. Die genannten Fristen gelten allein für die mit der Durchführung des Prüfungsverfahrens betrauten Stellen. Die von dem Verwaltungsverfahren betroffenen Beteiligten gehen daher nicht des von ihnen eingelegten Rechtsbehelfs verlustig, wenn die Verwaltung das Verfahren nicht innerhalb der dafür vorgesehenen Fristen durchführt. Die Nichteinhaltung der in § 15 Ziff. 4 EKV für das weitere Prüfungsverfahren vorgesehenen Fristen durch die Prüfungsinstanzen der beklagten KV, die auf Anfangsschwierigkeiten nach Wiederzulassung der Ersatzkassen in Berlin im Jahre 1958 zurückzuführen sein mag, hat daher nicht zur Folge, daß der von einem der Beteiligten rechtswirksam angefochtene Honorarbescheid nach § 77 SGG bindend geworden ist. Eine solche Bindung kann auch nicht aus dem Rechtsinstitut der Verwirkung hergeleitet werden, die eine längere Untätigkeit des Berechtigten voraussetzt (vgl. BSG 7, 199), bei verzögertem Ablauf eines von dem Berechtigten fristgemäß eingeleiteten Prüfungsverfahrens aber nicht in Betracht kommt.

6. Das angefochtene Urteil ist daher hinsichtlich der Bescheide des Beschwerdeausschusses vom 19. Januar 1960 und des Prüfungsausschusses vom 2. Oktober 1959, 22. Oktober 1959 und 21. Dezember 1959, die das LSG wegen Überschreitung der in § 15 Ziff. 4 EKV für das weitere Prüfungsverfahren vorgesehenen Fristen als rechtswidrig angesehen hat, aufzuheben.

Ergibt die nunmehr vom LSG vorzunehmende Prüfung, daß der VdAK die Prüfungsbescheide im Auftrage der betroffenen Ersatzkassen - die zum Verfahren beizuladen sind - rechtswirksam angefochten hat, so beständen gegen die Durchführung der in § 15 Ziff. 4 EKV vorgesehenen Zwischenbesprechung grundsätzlich keine Bedenken. Dem Kläger hätte jedoch nach dieser Vertragsbestimmung das Ergebnis der Zwischenbesprechung mitgeteilt werden müssen, bevor ein neuer - für den Vertragsarzt ungünstigerer - Bescheid erging. Dieser Mangel des Verwaltungsverfahrens könnte aber, wie auch das LSG mit Recht annimmt, im Verfahren vor dem Beschwerdeausschuß geheilt sein. Werden dem Arzt vor der Durchführung des Widerspruchsverfahrens - etwa in dem auf Grund der Zwischenbesprechung ergangenen neuen Bescheid des Prüfungsausschusses - die für die Kürzung des Honorars maßgebenden Gründe unter Angabe der Durchschnittswerte vergleichbarer Ärztegruppen mitgeteilt, so wird er regelmäßig in der Lage sein, unter Darlegung der Besonderheiten seiner Praxis seine Rechte vor dem Beschwerdeausschuß zu wahren. Im vorliegenden Falle hatte die Beklagte geltend gemacht, in der Verhandlung vor dem Beschwerdeausschuß am 19. Januar 1960 seien mit dem Kläger 50 und mehr Behandlungsfälle durchgesprochen worden. Mit dieser Behauptung, die für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Klägers und damit auch für die Frage der Rechtmäßigkeit der in den Honorarbescheiden IV/58 und I/59 vorgenommenen Kürzungen von wesentlicher Bedeutung sein kann, setzt sich das angefochtene Urteil nicht auseinander. Das Berufungsgericht hat auch nicht geprüft, welche Bedeutung es hat, daß dem Kläger die Durchschnittswerte seiner Fachgruppe zumindest durch den Bescheid des Beschwerdeausschusses bekanntgeworden sind. Da der Kläger die Richtigkeit dieser Durchschnittswerte bestreitet, wäre es angezeigt gewesen, eine Äußerung der Beklagten darüber herbeizuführen und den Sachverhalt in dieser Richtung weiter zu erforschen. Wie der Senat bereits entschieden hat, bedarf es für den Nachweis der Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise keiner Einzelprüfung, wenn diese nicht durchführbar ist oder unverhältnismäßige Schwierigkeiten oder Aufwendungen verursachen würde (vgl. BSG 11, 102, 114). Untersuchungen von Patienten im Prüfungsverfahren, für die ohnehin keine gesetzliche Handhabe besteht, werden bei ärztlicher Behandlung nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt sein. Allerdings muß auch eine auf vergleichender Betrachtung beruhende Prüfung "individuell" sein, d.h. sie muß die Besonderheiten der Praxis des zu überprüfenden Arztes berücksichtigen. Diesem Erfordernis kann durch eine zweckentsprechende Auswahl der Vergleichstatbestände Rechnung getragen werden. Die Prüfungsinstanzen dürfen von einer Prüfung einzelner Behandlungsfälle jedenfalls dann Abstand nehmen, wenn die für die einzelnen Leistungsarten ermittelten durchschnittlichen Honorarforderungen des Arztes in offensichtlichem Mißverhältnis zu den Durchschnittswerten vergleichbarer Ärztegruppen liegen und auch die Besonderheiten der Praxis des zu überprüfenden Arztes, die er darzulegen hat, seinen Mehraufwand nicht rechtfertigen (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom heutigen Tage in Sachen 6 RKa 24/59).

Rechtsirrig ist auch die Auffassung des LSG, eine prozentuale Kürzung der Honorarforderung des Vertragsarztes sei unzulässig, wenn an der Abrechnung einzelne Ersatzkassen nur mit einigen - also leicht nachprüfbaren - Behandlungsfällen beteiligt sind. Zwar ist der Honoraranspruch nicht von den Ersatzkassen in ihrer Gesamtheit, sondern jeweils von der einzelnen Kasse, deren Mitglieder - einschließlich der Familienangehörigen - der Vertragsarzt behandelt hat, zu erfüllen. Die KV erhält auch von den Ersatzkassen keine Gesamtvergütung, vielmehr wird das Honorar von jeder einzelnen Kasse nach Einzelleistungen entrichtet (§§ 8, 10 EKV), so daß der Honoraranspruch, auch wenn in einem Honorarbescheid die Honorarforderungen gegen mehrere Vertragskassen zusammengefaßt sind, auf verschiedenen Rechtsverhältnissen beruht. Die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Vertragsarztes kann aber nur insgesamt und nach einheitlichen Gesichtspunkten für alle an der jeweiligen Vierteljahresabrechnung beteiligten Ersatzkassen unter Berücksichtigung ärztlicher Erfahrungssätze beurteilt werden. Daß die Vertragspartner von der Einheitlichkeit des Prüfungsverfahrens ausgegangen sind, auch wenn die Honorarforderung sich gegen mehrere Ersatzkassen richtet, ergibt sich aus § 15 Ziff. 2 EKV, wonach der Prüfungsausschuß berechtigt ist, prozentuale Streichungen an den Rechnungen auch dann vorzunehmen, wenn nicht in jedem einzelnen Fall die Unwirtschaftlichkeit der Behandlung nachgewiesen werden kann, aber in der Menge der Leistungen ein wesentliches Überschreiten des Durchschnitts der betreffenden Fachgruppe vorliegt. Für die Einheitlichkeit der Prüfung, unter Berücksichtigung aller für die Ersatzkassen erbrachten ärztlichen Leistungen, spricht auch § 15 Ziff. 4 Satz 4 EKV, der bei der sogenannten Zwischenbesprechung nicht eine Mitwirkung der einzelnen Vertragskassen, sondern des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen vorsieht. Deshalb bestünden, wenn die gesamte Behandlungsweise des Vertragsarztes Unwirtschaftlichkeit erkennen läßt, keine Bedenken, eine "prozentuale Streichung" an der gesamten Honorarforderung nach § 15 Ziff. 2 EKV auch dann als zulässig anzusehen, wenn an der Abrechnung einzelne Ersatzkassen nur mit einigen Behandlungsfällen beteiligt sind.

7. Soweit das LSG die nur vom Kläger angefochtenen Bescheide über die Honorarabrechnungen für IV/58 und I/59 teilweise aufgehoben hat, hat es dem Prüfungsausschuß eine neue Prüfung vorbehalten, die jedoch zutreffenderweise durch den Beschwerdeausschuß stattfinden müßte, der diese Bescheide bestätigt hat. Da aber, falls die beteiligten Ersatzkassen rechtswirksam Widerspruch erhoben haben, der Bescheid des Beschwerdeausschusses vom 19. Januar 1960 in vollem Umfange nachzuprüfen und die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Klägers in den drei streitigen Vierteljahren in ihrer Gesamtheit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu beurteilen ist, muß das angefochtene Urteil in seinem ganzen Umfang aufgehoben und der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem abschließenden Urteil des Berufungsgerichts vorbehalten.

 

Fundstellen

BSGE, 97

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