Entscheidungsstichwort (Thema)

Ursächlicher Zusammenhang. Vermutung. objektive Beweislast. offenkundig. theoretische Möglichkeit. reale Möglichkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Auslegung des Begriffs "offenkundig" in § 589 Abs 2 S 2 RVO.

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Nachweis, daß ein Zusammenhang zwischen einem tödlichen Lungenkarzinom und einer mittelgradigen Silikose offenkundig nicht besteht, ist dann nicht geklärt, wenn dem einen Sachverständigen bereits verbreitete und verdichtete Lungenwurzeln etwa zehn Jahre vor dem Tode genügen, während der andere Sachverständige für ein cancerogen wirksames Störfeld einen zumindest kirschgroßen silikotischen Herd fordert.

Jedenfalls handelt es sich in einem solchen Falle nicht mehr nur um eine rein theoretische Möglichkeit des Ursachenzusammenhangs, sondern um eine - wenn auch im Gewicht medizinisch umstrittene - reale Möglichkeit.

 

Orientierungssatz

1. Die objektive Beweislast für die Offenkundigkeit trägt der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Die mangelnde Offenkundigkeit geht zu seinen Lasten (vgl BSG 1981-08-04 5a/5 RKnU 2/80 = SozR 2200 § 589 Nr 5).

2. Sind die Ursachen einer Erkrankung - hier des Lungenkarzinoms - medizinisch ungeklärt, so kann daraus allein nicht auf das Fehlen einer realen Möglichkeit der Verursachung durch die Silikose geschlossen werden. Die Unklarheit über die Ursachen einer Erkrankung schließt nämlich grundsätzlich weder theoretische noch reale Möglichkeiten des Zusammenhangs aus. Läßt sich aber trotz ungeklärter Ursachen des Lungenkarzinoms im Einzelfall nachweisen, daß der in Betracht kommende Zusammenhang nur eine ganz entfernt liegende, rein theoretische Möglichkeit ohne realen Bezug darstellt, so ist damit die Vermutung des § 589 Abs 2 S 1 RVO widerlegbar. Läßt sich dagegen die Möglichkeit des ursächlichen Zusammenhangs nicht auf dieses geringe Maß an Wahrscheinlichkeit beschränken, so kann aus den theoretischen und realen Möglichkeiten eines Zusammenhangs der Berufskrankheit mit dem Bronchialkarzinom nicht der Schluß gezogen werden, daß dieser Zusammenhang "offenkundig" nicht besteht.

3. Die Fälle, in denen die Vermutung des § 589 Abs 2 S 1 RVO gemäß S 2 dieser Vorschrift widerlegbar ist, sind regelmäßig dadurch gekennzeichnet, daß die Todesursache des Versicherten von einem anderen Organ als dem durch die Berufskrankheit betroffenen ausgegangen ist.

 

Normenkette

RVO § 589 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1963-04-30, S. 1 Fassung: 1963-04-30

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 12.04.1983; Aktenzeichen L 15 BU 56/79)

SG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 26.10.1979; Aktenzeichen S 18 (9) BU 233/77)

 

Tatbestand

Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf Witwenrente gemäß § 589 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Ihr am 30. Juni 1977 verstorbener Ehemann hatte wegen Silikose zuletzt Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 60 vH bezogen. Der Tod des Versicherten trat nach dem Bericht des Krankenhauses infolge von Rechtsherzversagen bei Silikose zweiten Grades, chronisch-obstruktivem Lungenemphysem, Lungencarcinom sowie Herzinsuffizienz auf dem Boden einer sklerotischen Coronarinsuffizienz ein. Gestützt auf medizinische Aktengutachten lehnte die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 6. Dezember 1977 den Antrag der Klägerin auf Witwenrente mit der Begründung ab, die Berufskrankheit habe mit einer jeden ernsthaften Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit den Tod des Versicherten weder im medizinischen Sinne erheblich mitverursacht noch ihn wenigstens um ein Jahr beschleunigt. Er sei vielmehr mit großer Wahrscheinlichkeit an den Folgen eines Bronchialcarcinoms verstorben, das mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht in silikotischen Ballungsbezirken entstanden sei.

Im Klageverfahren ist Prof.Dr.W. in seinem dem Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen erstatteten Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, die eigentliche Ursache der Krebsentstehung sei zwar noch nicht geklärt. Bei dem hier zu beurteilenden Versicherten habe sich der Bronchialkrebs aber nicht im Bereich wesentlicher silikotischer Lungenveränderungen entwickelt, so daß ein Narbencarcinom nicht anzunehmen sei. In einem gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erstatteten Gutachten hat Prof. Dr. Sch. dagegen ausgeführt, die mittelgradige Silikose könne bei dem Versicherten, dessen Lungenwurzeln bereits 1967 als verbreitert und verdichtet beschrieben worden seien, wesentlich zu dem zum Tode führenden Rechtsherzversagen und im Bereich des Carcinoms über narbige Verziehungen durchaus zur Entstehung der bösartigen Geschwulst beigetragen haben. Dieser Beurteilung hat Prof.Dr.W. mit dem Hinweis widersprochen, beim Versicherten könnten zwar Fibrosierungen der Lymphknoten im Hilusbereich vorgelegen haben, von einem Narbencarcinom könne aber nur gesprochen werden, wenn der als cancerogenes Störfeld angesehene silikotische Herd zumindest kirschgroß gewesen sei. Das SG hat sich der Beurteilung durch Prof. Dr. W. angeschlossen und die Klage mit Urteil vom 26. Oktober 1979 abgewiesen.

Im Berufungsverfahren hat das Landessozialgericht (LSG) ergänzende Stellungnahmen von Prof. Dr. Sch. und Prof. r.W. eingeholt. Beide Sachverständigen sind bei ihrer Beurteilung verblieben. Das LSG hat mit Urteil vom 12. April 1983 das Urteil des SG abgeändert und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Bescheides verurteilt, der Klägerin Hinterbliebenenrente zu gewähren. Es hat auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats hingewiesen, wonach die gesetzliche Vermutung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Berufskrankheit und Tod nicht schon dann widerlegt sei, wenn die Ursachen der zum Tode führenden Erkrankung medizinisch ungeklärt sind. Sodann hat das LSG festgestellt, es sei nicht offenkundig iS von § 589 Abs 2 Satz 2 RV0, daß das tödliche Lungencarcinom nicht in ursächlichem Zusammenhang mit der Silikose des Versicherten gestanden habe. Rein theoretische Möglichkeiten eines Zusammenhangs stünden zwar der Annahme eines offenkundig fehlenden Zusammenhangs nicht notwendigerweise entgegen. Hier komme aber eine reale Möglichkeit des Zusammenhangs hinzu. Reiche nämlich nach Prof. Dr. Sch. die Verbreiterung und Verdichtung der Lungenwurzeln zur Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs aus, während nach Prof. Dr. W. als cancerogenes Störfeld nur ein mindestens kirschgroßer silikotischer Herd anzusehen sei, so werde gerade aus diesen unterschiedlichen Anforderungen die reale Möglichkeit einer ursächlichen Mitbeteiligung der Silikose an der Krebsentstehung beim Versicherten deutlich. Deshalb müsse es hier bei der gesetzlichen Vermutung des Kausalzusammenhangs zwischen der Silikose und dem Tod des Versicherten verbleiben.

Mit der zugelassenen Revision rügt die Beklagte sinngemäß die Verletzung des § 589 Abs 2 Satz 2 RVO. Sie meint, das LSG wäre, wenn es versucht hätte, die Möglichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Berufskrankheit und Bronchialcarcinom zu qualifizieren, zu dem Ergebnis gelangt, mehr als eine entfernte theoretische Möglichkeit des Zusammenhangs zwischen dem Tod des Versicherten und seiner Silikose sei nicht gegeben. Bei dem beträchtlichen Umfang der auf § 589 Abs 2 RVO beruhenden Leistungen müsse aber auch eine Gesetzesinterpretation in Frage gestellt werden, die dem Unfallversicherungsträger bei Feststellung der Offenkundigkeit iS von § 589 Abs 2 RVO praktisch überhaupt keinen Raum mehr lasse.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des LSG für das Land Nordrhein- Westfalen vom 12. April 1983 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Gelsenkirchen vom 26. Oktober 1979 zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Sie ist zurückzuweisen. Das LSG hat der Klägerin mit Recht die Hinterbliebenenrente zugesprochen.

Eine durchgreifende Verfahrensrüge ist von der Revision nicht erhoben worden. Sie macht zwar geltend, das LSG hätte der medizinischen Beurteilung durch Prof.Dr.W. folgen müssen, wenn es versucht hätte, die Möglichkeit des Kausalzusammenhangs zu qualifizieren, legt aber nicht dar, inwiefern das LSG die Grenzen des Rechts der freien richterlichen Beweiswürdigung überschritten oder seine Sachaufklärungspflicht verletzt haben könnte.

§ 589 Abs 2 Satz 1 RVO stellt für die Leistungen an die Hinterbliebenen den Tod eines Versicherten, dessen Erwerbsfähigkeit durch die Folgen einer Berufskrankheit um 50 oder mehr vH gemindert war, dem Tod "durch" Arbeitsunfall gleich. Anders als § 589 Abs 1 RVO fordert der Wortlaut des § 589 Abs 2 Satz 1 RVO beim Vorliegen einer Berufskrankheit, die die Erwerbsfähigkeit des Versicherten um 50 oder mehr vH mindert, nicht ausdrücklich einen Zusammenhang des Todes mit der Berufskrankheit und ihren Folgen. Stirbt ein Versicherter, dessen Erwerbsfähigkeit durch die Folgen einer Berufskrankheit um 50 oder mehr vH gemindert war, so steht dies nach der genannten Vorschrift dem Tod durch Arbeitsunfall gleich. In diesen Fällen wird also der ursächliche Zusammenhang zwischen den Folgen einer Berufskrankheit und dem Tod des Versicherten, der sachlich allein die Hinterbliebenenrente zu rechtfertigen vermag, gesetzlich vermutet mit der Folge, daß die Unfallversicherungsträger grundsätzlich den Hinterbliebenen der von der Vorschrift erfaßten Versicherten, Hinterbliebenenrente zu gewähren haben. Dieser zur Vermeidung von Beweisschwierigkeiten aufgestellte Grundsatz erfährt nach § 589 Abs 2 Satz 2 RVO nur dann eine Ausnahme, wenn offenkundig ist, daß der Tod mit der Berufskrankheit nicht in ursächlichem Zusammenhang steht. Zum Nachweis des offenkundigen Fehlens dieses Zusammenhangs kann sich die Berufsgenossenschaft aller Beweismittel bedienen, die ihr zur Verfügung stehen, eine Leichenausgrabung aber nicht verlangen.

Die objektive Beweislast für die Offenkundigkeit trägt, wie der erkennende Senat im Urteil vom 4. August 1981 (SozR 2200 § 589 Nr 5) bereits ausgeführt hat, der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Die mangelnde Offenkundigkeit geht zu seinen Lasten. Sie ist nicht etwa schon dann anzunehmen, wenn der ursächliche Zusammenhang unklar ist, denn die Vermutung des ursächlichen Zusammenhangs gilt gerade für diesen Fall. Sie soll eine Entscheidung zugunsten der Hinterbliebenen des Versicherten ermöglichen, wenn die Ursache seines Todes nicht positiv oder negativ festgestellt werden kann. Sind die Ursachen einer Erkrankung - hier des Lungencarcinoms - medizinisch ungeklärt, so kann daraus allein nicht auf das Fehlen einer realen Möglichkeit der Verursachung durch die Silikose geschlossen werden. Die Unklarheit über die Ursachen einer Erkrankung schließt nämlich grundsätzlich weder theoretische noch reale Möglichkeiten des Zusammenhangs aus. Läßt sich aber trotz ungeklärter Ursachen des Lungencarcinoms im Einzelfall nachweisen, daß der in Betracht kommende Zusammenhang nur eine ganz entfernt liegende, rein theoretische Möglichkeit ohne realen Bezug darstellt, so ist damit die Vermutung des § 589 Abs 2 Satz 1 RVO widerlegbar. Läßt sich dagegen die Möglichkeit des ursächlichen Zusammenhangs nicht auf dieses geringe Maß an Wahrscheinlichkeit beschränken, so kann aus den theoretischen und realen Möglichkeiten eines Zusammenhangs der Berufskrankheit mit dem Bronchialcarcinom nicht der Schluß gezogen werden, daß dieser Zusammenhang "offenkundig" nicht besteht. Deshalb muß es dann beim Grundsatz des § 589 Abs 2 Satz 1 RVO verbleiben.

Nach den von der Revision nicht beanstandeten und deshalb gemäß § 163 SGG für den Senat bindenden Feststellungen des LSG sind bei dem Versicherten bereits 1967 - zehn Jahre vor seinem Tode - die Lungenwurzeln als "verbreitert und verdichtet" beschrieben worden. Das LSG hat dies unter Berücksichtigung der Besonderheit, daß der Bereich der Lungenwurzeln bei der üblichen Aufnahmetechnik möglicherweise durch den Herzschatten verdeckt wird, als Anhaltspunkt für die reale Möglichkeit einer ursächlichen Mitbeteiligung der Silikose an der Entstehung des Lungencarcinoms gewertet. Bei dieser engen räumlichen Beziehung zwischen dem Ort der Krebsbildung und silikotischen Auswirkungen handelt es sich, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, nicht mehr allein um eine rein theoretische Möglichkeit des ursächlichen Zusammenhangs, sondern um eine - wenn auch im Gewicht medizinisch umstrittene - reale Möglichkeit. Genügen nämlich dem einen medizinischen Sachverständigen bereits verbreiterte und verdichtete Lungenwurzeln etwa zehn Jahre vor dem Tod des Versicherten, während der andere Sachverständige für ein cancerogen wirksames Störfeld einen zumindest kirschgroßen silikotischen Herd fordert, so handelt es sich bei beiden Erwägungen um unterschiedliche Beurteilungen realer Möglichkeiten des ursächlichen Zusammenhangs. Der Nachweis, daß ein Zusammenhang zwischen dem tödlichen Lungencarcinom und der Silikose offenkundig nicht besteht, ist unter diesen Voraussetzungen vom LSG zutreffend als gescheitert erachtet worden.

Die Rechtsprechung des erkennenden Senats zum Begriff "offenkundig" in § 589 Abs 2 Satz 2 RVO geht auf die Entscheidung vom 14. März 1968 (BSGE 28, 38 = SozR Nr 4 zu § 589 RVO) zurück. Sie ist in den Entscheidungen vom 27. März 1972 - 5 RKnU 28/71 -, vom 27. Februar 1973 (aaO Nr 12), vom 31. März 1973 (5 RKnU 22/71), vom 20. November 1973 (5 RknU 30/72) und in der bereits erwähnten Entscheidung vom 4. August 1981 zur ständigen Rechtsprechung des Senats geworden (vgl auch BSG - Urteil vom 12. Februar 1970 - 7/2 RU 288/66). § 589 Abs 2 RVO ist mit Wirkung ab 1. Juli 1963 durch das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz vom 30. April 1963 (BGBl I S 241) eingeführt worden. Diese gesetzliche Regelung ist der in § 38 Abs 1 Satz 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) ähnlich. Sie ist aber für die Hinterbliebenen deutlich günstiger, weil sie - anders als § 38 Abs 1 Satz 2 BVG - gerade nicht die Anspruchsvoraussetzung enthält, daß der Versicherte "an einem Leiden stirbt", das als Berufskrankheit rechtsverbindlich anerkannt und für das ihm im Zeitpunkt des Todes Rente zuerkannt war (so: § 38 Abs 1 Satz 2 BVG in Bezug auf eine Schädigungsfolge). Wenn aber der Gesetzgeber sich zeitlich nach der versorgungsrechtlichen Regelung für die Hinterbliebenen von Schwerbeschädigten im Jahre 1963 zugunsten der Hinterbliebenen in der Unfallversicherung für die ihnen günstigere Regelung des § 589 Abs 2 RVO entschieden hat, so geschah dies, weil er nicht nur im Ergebnis eine Besserstellung des in Betracht kommenden Personenkreises erreichen, sondern insbesondere auch den sozialen Rechtsfrieden fördern wollte. Es wurde nämlich als Mißstand empfunden, daß es nach dem Tode eines langjährig an einer anerkannten Silikose leidenden Bergmanns häufig zu langwierigen und kostspieligen Ermittlungen über die Todesursache und schließlich zur Ablehnung der Hinterbliebenenansprüche aus medizinischen Kausalitätserwägungen kam, die den Betroffenen unverständlich bleiben und daher unglaubwürdig erscheinen mußten. Durch die Beweislastverlagerung in § 589 Abs 2 RVO sollte zugunsten der Hinterbliebenen eine klare Regelung getroffen und der posthume medizinische Streit über die Todesursache - auch aus Gründen der Pietät - vermieden werden. Darauf hat der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 29. September 1970 (BSGE 32, 8, 10 = SozR Nr 7 zu § 589 RVO) hingewiesen.

Demgegenüber vermag der Hinweis der Beklagten auf die finanziellen Dimensionen der von § 589 Abs 2 RVO ausgehenden Leistungspflichten nicht zu überzeugen. Wenn die Beklagte darauf verweist, der weitaus überwiegende Teil der Leistungen in Form von Hinterbliebenenrenten, die durch Silikose und Silikotuberkulose bedingt seien und im Jahre 1982 rund 440 Mio DM ausgemacht hätten, sei auf § 589 Abs 2 RVO zurückzuführen, so kann aus der erheblichen finanziellen Bedeutung, welche die seit ihrer Einführung vor zwanzig Jahren unverändert gebliebene Vorschrift erlangt hat, nur entnommen werden, daß der Gesetzgeber diese Wirkung des § 589 Abs 2 RVO kennt und billigt. Denn die 1963 geschaffene Regelung ist in Kenntnis der seit 1968 existierenden ständigen Rechtsprechung des BSG hierzu bislang nicht geändert und insbesondere nicht im Sinne der Beklagten modifiziert worden. Im übrigen trifft die Auffassung der Beklagten nicht zu, die Interpretation des § 589 Abs 2 RVO durch die Rechtsprechung lasse dem Unfallversicherungsträger bei Feststellung der Offenkundigkeit praktisch keinen Raum mehr. Die Fälle, in denen die Vermutung des § 589 Abs 2 Satz 1 RVO gemäß Satz 2 dieser Vorschrift widerlegbar ist, sind regelmäßig dadurch gekennzeichnet, daß die Todesursache des Versicherten von einem anderen Organ als dem durch die Berufskrankheit betroffenen ausgegangen ist. Die Entscheidung in BSGE 28, 38, ebenso aber auch die zitierten Entscheidungen 7/2 RU 288/66 vom 12. Februar 1970 und 5 RKnU 28/71 vom 27. März 1972 betreffen solche Fälle. Der Senat sieht daher keinen Anlaß, von seiner bisherigen ständigen Rechtsprechung abzuweichen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1663961

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