Leitsatz (amtlich)
1. Ist in der Satzung einer landwirtschaftlichen BG gemäß RVO § 1010 aF als Maßstab für das Umlegen der Beiträge der Einheitswert festgelegt, so kann in entsprechender Anwendung des RVO § 1009 aF die Zahlung der Beiträge dem Grundstückseigentümer auferlegt werden mit der Folge, daß dieser auf den Erstattungsanspruch gegen den Unternehmer (zB Pächter) angewiesen ist.
2. RVO § 1009 aF ist mit dem GG vereinbar; er verstößt nicht gegen GG Art 2 Abs 1 und Art 14.
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23, Art. 14 Fassung: 1949-05-23; RVO § 1009 Fassung: 1924-12-15, § 1010 Fassung: 1924-12-15
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. Februar 1965 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger ist Eigentümer mehrerer land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke im Kreise E. Die landwirtschaftlich genutzten Flächen hat der Kläger aufgeteilt und an verschiedene landwirtschaftliche Unternehmer verpachtet; die forstwirtschaftlichen Grundstücke nutzt er selbst.
Nach der Aufteilung des Freiherr von F Familiengrundbesitzes erhob die Beklagte vom 1. Januar 1953 an auch für den verpachteten landwirtschaftlichen Grundbesitz die Beiträge vom Kläger. Hiergegen wandte sich der Kläger; er hält sich zur Zahlung der Beiträge für die Pächter nicht für verpflichtet, da er, soweit seine Grundstücke von ihm nicht bewirtschaftet werden, nicht Mitglied der Beklagten sei.
Gegen seine Inanspruchnahme zur Beitragsleistung anstelle der Pächter für die Jahre 1955 und 1956 erhob er Widerspruch. Die Beklagte wies diesen Rechtsbehelf durch Bescheid vom 18. Juli 1957 zurück.
Daraufhin hat der Kläger am 29. Juli 1957 Klage erhoben und sie sinngemäß wie folgt begründet: Werde zur Zahlung der Beiträge nach § 1009 der Reichsversicherungsordnung (RVO) ausnahmsweise eine andere Person als der beitragspflichtige Unternehmer herangezogen, so habe dies gemäß § 1005 RVO zur Voraussetzung, daß die Beiträge durch Zuschläge zur Steuer des Grundstückeigentümers erhoben werden könnten. In den Anwendungsfällen des § 1010 RVO treffe dies jedoch nicht zu. Diese Vorschrift ermächtige die Satzung lediglich zur Bestimmung eines anderen angemessenen Maßstabs als den des Arbeitsbedarfs und der Gefahrklassen (§ 990 RVO) oder des Steuerfußes (§ 1005 RVO) für die Aufbringung der Mitgliederbeiträge. So bilde der Ertrags- oder Einheitswert im Sinne des § 1010 RVO nur einen Berechnungsmaßstab für die Beiträge. Demzufolge könne § 1009 RVO auch nicht entsprechend angewendet werden, wenn die Beiträge nicht durch Zuschläge zu Steuern erhoben werden. Überdies sei die Satzung der Beklagten widerspruchsvoll; während § 3 bestimme, daß Mitglieder der Beklagten lediglich die Unternehmer seien, gebe § 25 das Recht, Nichtmitglieder zur Beitragsleistung heranzuziehen. Diese Satzungsbestimmung führe dazu, die Arbeit der Beklagten auf nichtbeteiligte Dritte abzuwälzen. Dazu bestehe kein zwingender Anlaß, da es anhand der Bodennutzungslisten der Beklagten leicht möglich sei festzustellen, an wen die Grundstücksparzellen verpachtet seien. Es sei auch unbillig, den Verpächter von landwirtschaftlich genutzten Grundstücksparzellen mit der Beitragszahlung zu belasten, obwohl er mit dem Gefahrenrisiko des landwirtschaftlichen Betriebs nichts zu tun habe. Schließlich sei zu beachten, daß sich aus der Weigerung der Pächter zur Erstattung der Beiträge für den Grundstückseigentümer wirtschaftliche Nachteile aus seiner Verpflichtung zur Beitragszahlung ergäben.
Das Sozialgericht (SG) Ulm hat durch Urteil vom 10. August 1960 die Klage abgewiesen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und ergänzend vorgetragen: Aus Gründen der einer Berufsgenossenschaft (BG) zugute kommenden Arbeitserleichterung dürfe ein anderer als der Unternehmer zu den berufsgenossenschaftlichen Beiträgen nicht herangezogen werden. Auf die Regelung der Beitragsverpflichtung in §§ 765, 771, 819 RVO dürfe nicht Bezug genommen werden, da es sich dort schon insofern um andere Sachverhalte handele, als die Versicherungsrisiken im Bauwerk lägen, an dem der Bauherr beteiligt sei. Die dem Grundstückseigentümer nachteilige Beitragsregelung der Beklagten stelle eine Verletzung der allgemeinen Freiheitsgarantie des Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG dar. Im übrigen gehörten die Grundstückseigentümer nicht der Vertreterversammlung an, die über die Satzungsbestimmungen auf Grund der Ermächtigung des § 1009 RVO beschließe; daher werde in unzulässiger Weise von Außenstehenden über die Rechte der Grundstückseigentümer bestimmt.
Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat durch Urteil vom 17. Februar 1965 die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt: Der in § 1009 in Verbindung mit § 1010 RVO in der bis zum Inkrafttreten des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (UVNG) am 30.Juni 1963 geltenden Fassung - aF - für die Beitragserhebung getroffenen Regelung habe die Beklagte durch § 25 ihrer Satzung Rechnung getragen. Damit werde jedoch nicht der Grundstückseigentümer für den Pächter beitragspflichtig; er werde vielmehr nur zur vorschußweisen Zahlung der Beiträge herangezogen. Die Beklagte habe in ihrer damals geltenden Satzung durch § 23 Abs. 1 von der Ermächtigung des Gesetzes in § 1010 RVO aF Gebrauch gemacht und bestimmt, daß die Beiträge zur Genossenschaft für die Unternehmer der Land- und Forstwirtschaft nach dem Einheitswert und damit nach dem Ertragswert aufgebracht werden, dessen Höhe für die Errechnung des Grundsteuerbetrages mitentscheidend sei. Auch bei diesem Maßstab für die Berechnung der Beiträge könne jedoch gemäß § 1010 Abs. 2 RVO aF der Grundstückseigentümer für die Zahlung der Beiträge herangezogen werden, da der Einheitswert dem nach § 1009 RVO aF für die Heranziehung des Grundstückeigentümers zur Beitragszahlung ausschlaggebenden Berechnungsmaßstab des Steuerfußes und nicht dem des Arbeitsbedarfs im Sinne des § 1005 RVO aF ähnele. Die Reglung der §§ 1009 und 1010 Abs. 2 RVO aF, auf denen § 25 der Satzung der Beklagten beruhe, verstoße nicht gegen das GG. Sie beschränke nicht das Recht des Klägers zur freien Entfaltung seiner Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG; denn es stehe ihm, um der Verpflichtung zur Beitragsleistung zu entgehen, frei, seine Grundstücke zu verpachten, sie selbst zu bewirtschaften oder brachliegen zu lassen. Auch werde Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt, da alle Grundstückseigentümer im Bereich der landwirtschaftlichen BG Württemberg hinsichtlich der Beitragsleistung gleichbehandelt würden. Schließlich werde nicht gegen Art. 14 GG verstoßen, da die Heranziehung zur Beitragszahlung keinen unmittelbaren Eingriff in die Vermögensrechte darstelle. Der mit der Beitragszahlung verbundene Zeit- und Arbeitsaufwand sowie der sich daraus ergebende Vermögensnachteil überstiegen nicht das einem Grundstückseigentümer zumutbare Maß dessen, was jeder Eigentümer landwirtschaftlichen Pachtgeländes hinnehmen müsse, um der BG die Beitragserhebung bei stark aufgesplittertem Grund- und Pachtbesitz zu erleichtern.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Das Urteil ist am 3. Juni 1965 zur Übersendung an den Prozeßbevollmächtigten des Klägers durch eingeschriebenen Brief beim Postamt aufgegeben worden. Am 29. Juni 1965 hat der Kläger Revision gegen das Urteil eingelegt und sie am 23. Juli 1965 begründet.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil, das Urteil des SG Ulm vom 10. August 1960 und seine Veranlagung wegen der landwirtschaftlich genutzten Grundstücke für die Geschäftsjahre 1955 und 1956 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 18. Juli 1957 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision ist zulässig. Sie hatte jedoch keinen Erfolg.
Rechtsgrundlage des Anspruchs der Beklagten gegen den Kläger als den Eigentümer landwirtschaftlich genutzter, aber verpachteter Grundstücke auf Zahlung der Beiträge für die verpachteten Grundstücke sind die §§ 23 und 25 der am 25. Juni 1955 in Kraft getretenen Satzung der Beklagten. Die Entscheidung über die Revision hängt zunächst davon ab, ob die Anwendung dieser Satzungsbestimmungen im Revisionsverfahren nachgeprüft werden kann, d.h., ob sie revisibles Recht im Sinne des § 162 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind. Dies ist zu bejahen. Zwar ist die Satzung der Beklagten nur für die zum Lande Baden-Württemberg gehörenden Landesteile Württemberg und Hohenzollern erlassen (§ 2 Abs. 1 der Satzung). Dem Rechtsetzungsakt kommt daher außerhalb des Bezirkes des LSG Baden-Württemberg keine Rechtswirkung zu. Dies schließt jedoch die Revisibilität der Satzung nicht ohne weiteres aus. Die Revisibilität ist vielmehr schon gegeben, wenn die Normen der Satzung mit den in mehreren anderen Berufungsgerichtsbezirken geltenden Satzungen inhaltlich übereinstimmen und die Übereinstimmung nicht rein tatsächlich oder gar zufällig, sondern bewußt und gewollt ist (BSG 2, 106, 110; 13, 189, 191 und 196, 197; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.-6. Aufl., Band I, S. 252 x). § 25 der Satzung der Beklagten stimmt mit den entsprechenden Satzungsbestimmungen mehrerer anderer landwirtschaftlicher BGen, z.B. der Braunschweigischen landwirtschaftlichen BG, der landwirtschaftlichen BG Niederbayern-Oberpfalz und der Rheinischen landwirtschaftlichen BG, inhaltlich überein, also mit Vorschriften, die außerhalb des Bezirks des LSG Baden-Württemberg gelten. Dies beruht nicht auf Zufall, sondern erklärt sich aus der Übernahme des § 25 a der vom Reichsversicherungsamt aufgestellten und vom Bundesverband der landwirtschaftlichen BGen ergänzten, an die neue Rechtslage angepaßten Mustersatzungen für die land- und forstwirtschaftlichen BGen (vgl. Noell in Maunz/Schraft, Sozialversicherung, Selbstverwaltung, F 2 b, landwirtschaftliche UV, Bl. 2/5).
Die Beklagte hat in § 23 Abs. 1 ihrer Satzung von der Ermächtigung des § 1010 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung in der vor dem Inkrafttreten des UVNG vom 30. April 1963 (BGBl I 241) geltenden Fassung (RVO aF) Gebrauch gemacht und bestimmt, daß die Beiträge für die Unternehmer der Land- und Forstwirtschaft nach dem Einheitswert aufgebracht werden, den die Finanzbehörden auf Grund des Ertragswertes der Bodenwirtschaft festsetzen, und zwar gilt als Einheitswert der von den Finanzbehörden zur Ermittlung des Ertragswertes der Bodenwirtschaft festgesetzte Hektarsatz, vervielfältigt mit der im Hektar gemessenen Größe der Betriebsfläche. Die Beklagte hat also einen anderen Beitragsmaßstab als den Maßstab des Steuerfußes (§ 1005 RVO aF) gewählt. Gleichwohl durfte sie entgegen der Auffassung der Revision in § 25 ihrer Satzung bestimmen, daß die Beiträge für die nach § 23 Abs. 1 beitragspflichtigen Unternehmen vom Grundstückseigentümer erhoben werden und, wenn der Eigentümer die Grundstücke nicht selbst bewirtschaftet, der Unternehmer, der sie bewirtschaftet, den Beitrag zu erstatten hat. Diese auf § 1010 Abs. 2 RVO aF beruhende Regelung ist wirksames Satzungsrecht.
Der erkennende Senat ist in Übereinstimmung mit dem LSG der Ansicht, daß § 1009 RVO aF auf Grund des § 1010 Abs. 2 RVO aF auch bei der Aufbringung der Beiträge nach dem Einheitswert entsprechend anwendbar ist. Das LSG ist hierbei zutreffend von dem Gesichtspunkt ausgegangen, daß der Einheitswert als Beitragsmaßstab dem der Regelung des § 1009 RVO aF zugrundeliegende Maßstab des Steuerfußes sich nähere oder ihm ähnele. Steuerfuß und Einheitswert gleichen sich ihrem Wesen nach insofern, als beide von den Finanzbehörden nach einheitlichen Berechnungsunterlagen (Ertragswert des Grundstückes) festgesetzt werden. Die entsprechende Anwendung des § 1009 RVO aF auf die sogenannten Einheitswert-BGen wird einhellig auch im Schrifttum bejaht (vgl. RVO-Mitgl.-Komm., Band III, Unfallversicherung, 2. Aufl., § 1010 Anm. 4; Schulte-Holthausen, 3. Buch der RVO, Unfallversicherung, 4. Aufl., § 1010 Anm.7; Lauterbach, Unfallversicherung, 2. Aufl., S. 332 Anm. 3 a zu § 1010 RVO aF). Sie findet ihre Bestätigung schließlich durch das UVNG. § 815 RVO schließt die zum Maßstab des Einheitswertes ergangenen Vorschriften über die Aufbringung der Mittel der landwirtschaftlichen BGen (§§ 811 ff) ab und ermächtigt die landwirtschaftlichen BGen, den Beitrag für die Unternehmer mit Bodenwirtschaft bei deren Erstattungspflicht auch von den Grundstückseigentümern zu erheben.
Die Revision hält die Inanspruchnahme des Klägers auf Zahlung der Beiträge für seine verpachteten landwirtschaftlich genutzten Grundstücke in erster Linie für unzulässig, weil es dem die gesetzliche landwirtschaftliche Unfallversicherung (UV) beherrschenden Genossenschaftsprinzip widerspreche, das den Mitgliedern der Genossenschaft obliegende Gefahrenrisiko auf Dritte, nämlich die Grundstückseigentümer, abzuwälzen. Soweit - meint die Revision - § 1009 RVO aF für eine solche Maßnahme die Handhabe zu bieten scheine, sei diese Vorschrift nicht mit dem System der gesetzlichen UV vereinbar und deshalb nicht geeignet, die Beklagte zu der den Kläger belastenden Beitragsregelung in § 25 der Satzung zu ermächtigen. Dieser Ansicht ist nicht zu folgen. Es kann ungeprüft bleiben, ob und inwieweit die von der Revision beanstandete gesetzliche und satzungsgemäße Regelung vom Genossenschaftsprinzip abweicht; denn jedenfalls wäre der Gesetzgeber nicht gehindert, eine solche Regelung zu treffen.
Die auf § 1009 RVO aF zurückgehende Inanspruchnahme des Grundstückeigentümers auf Zahlung von Beiträgen für die nicht von ihm selbst landwirtschaftlich genutzten Grundstücke verstößt entgegen der Ansicht der Revision nicht gegen das GG. Das LSG hat zu Recht entschieden, daß § 1009 RVO aF weder die freie Entfaltung der Persönlichkeit des Grundstückeigentümers im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG verfassungswidrig einschränkt noch im Widerspruch zu der Eigentumsverbürgung des Art. 14 GG steht.
Soweit die Revision ihre Angriffe gegen die umstrittene gesetzliche und satzungsmäßige Regelung aus Art. 14 GG herzuleiten versucht, sind sie unbegründet, weil es sich bei der Belastung des Grundstückseigentümers mit der Beitragszahlung um eine Auferlegung von Zwangsbeiträgen handelt, die nach allgemein anerkannter, vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich bestätigter Auffassung grundsätzlich keine Verletzung des Eigentums darstellt (vgl. BVerfG 8, 274, 330; 10, 354, 371). Ob die Annahme eines Verstoßes gegen Art. 14 GG gerechtfertigt ist, wenn die Inanspruchnahme des Grundstückseigentümers zu einer für ihn übermäßigen Belastung führen und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen würde (vgl. BVerfG 14, 221 und 241, 242; 19, 253, 268), kann ungeprüft bleiben; denn ein solcher Fall ist hier nicht zu entscheiden. Der Grundstückseigentümer legt die Beiträge für den Unternehmer (Pächter) lediglich aus; dieser ist nach § 1009 Abs. 2 RVO verpflichtet, sie ihm zu erstatten. Soweit ihm hierdurch Unkosten entstehen, übersteigen diese in der Regel nicht das für den Grundstückseigentümer tragbare Maß und können außerdem dem Pächter auferlegt werden. Ist der Grundstückseigentümer, wie der Kläger geltend macht, ausnahmsweise gehalten, gegen den Pächter wegen der Erstattung der verauslagten Beiträge Klage zu erheben, so fallen bei einer begründeten Klage dem Pächter regelmäßig auch die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zur Last. Ob die Rechtslage anders zu beurteilen ist, wenn es sich um überhaupt nicht einbringbare Forderungen gegen die Pächter handelt, braucht nicht geprüft zu werden, da der Kläger selbst seine "besondere" Vermögensbelastung in dem Vorhandensein lediglich zahlungsunwilliger Pächter sieht.
Das LSG hat den vorliegenden Sachverhalt ebenso zu Recht unter dem Gesichtspunkt des Art. 2 Abs. 1 GG geprüft. Das in Art. 2 Abs. 1 GG normierte Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit ist in den Grenzen dieser Regelung ein Grundrecht und gewährt einen umfassenden Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit gegen Eingriffe der Staatsgewalt, die nicht in der verfassungsmäßigen Ordnung begründet sind (BVerfG 19, 206, 215; Nipperdey in Bettermann/Nipperdey, "Die Grundrechte", Handbuch der Theorie und Praxis der Grundrechte, S. 768 ff). Für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit einer Vorschrift ist Art. 2 Abs. 1 GG nur insoweit heranzuziehen, als nicht bestimmte Lebensbereiche durch besondere Grundrechte geschützt sind; er verhält sich ihnen gegenüber wie die lex generalis zur lex specialis. Seine Anwendbarkeit hängt deshalb davon ab, daß sich die Beeinträchtigung der freien Entfaltung der Persönlichkeit nicht schon in der Verletzung eines anderen grundgesetzlich geschützten Freiheitsrechts erschöpft. Wirkt sich die Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit nur mittelbar auf ein solches anderes Freiheitsrecht aus und kommt die Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG nicht unter demselben sachlichen Gesichtspunkt wie der Verstoß gegen dieses Recht in Betracht, ist Raum für die Anwendung des Art. 2 Abs. 1 GG.
Diese rechtlichen Gesichtspunkte gewinnen für die Beurteilung des vorliegenden Streitfalls Bedeutung hinsichtlich der möglichen Konkurrenz zwischen Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 14 GG. Da nach § 1009 RVO aF der Grundstückseigentümer die gezahlten Beiträge vom Pächter erstattet verlangen kann, stellt sich seine Zahlungspflicht mit der damit für ihn verbundenen finanziellen Belastung jedenfalls nicht als eine unmittelbare Eigentumsverletzung, sondern vornehmlich als ein Eingriff in seine wirtschaftliche Handlungsfreiheit dar. Da auch hierfür der Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG nach einhelliger Meinung im Rechtsleben gilt, ist zu prüfen, ob § 1009 RVO aF gegen dieses Grundrecht verstößt.
Hierbei kann es nach der Auffassung des erkennenden Senats offenbleiben, ob die Heranziehung des Grundstückseigentümers zur Beitragszahlung für nicht von ihm selbst genutzte Grundstücke überhaupt eine Einschränkung der freien Entfaltung der Persönlichkeit des Eigentümers im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG enthält. Selbst wenn § 1009 RVO aF die wirtschaftliche Handlungsfreiheit des Grundstückseigentümers beschränkt, ist dadurch kein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG gegeben, da die vom Kläger angegriffene Beitragsregelung Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG ist. Der Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung ist zwar umstritten (vgl. u.a. Nipperdey aaO S. 790 ff; Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 2 Randnote 19 ff). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist unter diesem Begriff die allgemeine Rechtsordnung zu verstehen, welche die materiellen und formellen Normen der Verfassung zu beachten hat, also eine verfassungsmäßige Rechtsordnung sein muß (BVerfG 6, 32, 38). Die Verfassungsmäßigkeit der Einschränkung eines Grundrechts sieht das Bundesverfassungsgericht als gewahrt an, wenn sie im öffentlichen Interesse geboten ist und jedenfalls nicht die Grenze überschreitet, welche am Grundgedanken des Gemeinwohls orientiert ist (vgl. BVerfG 8, 71, 80; 10, 89, 102; 15, 226, 234 und 235, 241; 20, 351, 361). Dabei ist ein allgemein gültiger Maßstab für die Abgrenzung durch das Gebot der Verhältnismäßigkeit und das Verbot des Übermaßes gegeben. Auf das Grundrecht der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit bezogen, bedeutet dies, daß die Beschränkung dieser Freiheit gerechtfertigt ist, wenn sie durch ein legitimes öffentliches Interesse unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zwischen dem gesetzlichen bzw. satzungsmäßigen Eingriff in die wirtschaftliche Handlungsfreiheit und dessen nachteilige Folgen für den Betroffenen gedeckt ist.
Bei Berücksichtigung dieser rechtlichen Gesichtspunkte ist die Annahme begründet, daß sich § 1009 RVO aF noch im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung hält. Zwar ist hierfür, wie keiner näheren Begründung bedarf, nicht das Argument des Berufungsgerichts tauglich, das es dem Grundstückseigentümer freistehe, sich der Verpflichtung zur Beitragszahlung zu entziehen, indem er seine Grundstücke nicht nutze und brachliegen lasse oder sie selbst bewirtschafte. Wohl aber lassen die Gründe, welche den Gesetzgeber veranlaßt haben, die hier zu prüfende gesetzliche Regelung zu treffen, erkennen, daß sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in dem vorstehend angeführten Sinne beachten. Die Notwendigkeit für die umstrittene gesetzliche Regelung, die schon im Unfallversicherungsgesetz für Land- und Forstwirtschaft vom 30. Juni 1900 (RGBl S. 641) anerkannt war (§ 58 dieses Gesetzes), wird darin gesehen, daß bei Aufteilung großer Grundstücksflächen in kleine Parzellen und deren Verpachtung an viele, z.T. in kurzen Fristen wechselnde Pächter ein häufiger Wechsel dieser Pächter eintritt und dadurch dem Versicherungsträger ein erhebliches Mehr an Arbeit zuwächst (vgl. Handbuch der Unfallversicherung, 3. Aufl., Bd. 2, § 58 LUVG Anm. 1; Schulte-Holthausen, aaO, § 1009 Anm. 1). Aus demselben Grunde ist die Regelung des § 1009 RVO aF in § 815 UVNG aufrechterhalten geblieben. In der Amtlichen Begründung hierzu (BT-Drucks. IV/120 S. 73, 74 zu § 812) ist ausgeführt, daß die Zahlungspflicht des Grundstückseigentümers für die Vereinfachung und Verbilligung der Beitragsberechnung und Beitragseinziehung von so außerordentlichem Wert sei, daß sie alle Einheitswert-BGen eingeführt haben; die Zahl der Grundstückseigentümer sei erheblich geringer als die der Pächter, der Wechsel in den Eigentumsverhältnissen nicht so häufig und auch leichter kontrollierbar als der in den Pachtverhältnissen. Trotzdem ist freilich nicht zu verkennen, daß die dem Grundstückseigentümer auferlegte Zahlungspflicht nicht unerheblich über das Maß dessen hinausgeht, was erforderlich wäre, um den Zweck der gesetzlichen Regelung des § 1009 RVO aF (§ 815 RVO) zu erreichen. Es läßt sich nicht leugnen, daß die den Unternehmern nach § 35 der Satzung der Beklagten obliegende Auskunftspflicht über jeden Wechsel in der Person des Unternehmers durch Anzeige bei der Ortsbehörde für die Arbeiter- und Angestelltenversicherung der BG die Kenntnis über ihre beitragspflichtigen Mitglieder auch bei unübersichtlichen Grundstücksverhältnissen ermöglicht. Gleichwohl reicht nach Auffassung des erkennenden Senats dieser Umstand nicht aus, um eine Entscheidung im Sinne des Klagantrags zu rechtfertigen. Bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Vorschrift darf nicht außer acht gelassen werden, daß im Rahmen der grundgesetzlich geschützten Rechte ein gesetzgeberisches Ermessen besteht und nur bei Überschreitung dessen Grenzen Verfassungswidrigkeit gegeben ist (vgl. BVerfG 8, 71, 80; 10, 89, 102). Gemessen am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. hierzu auch besonders Maunz/Dürig, Randnote 63) hält sich der in § 1009 RVO aF normierte Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Grundstückseigentümers noch im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne des Art. 2 Abs.1 GG. Die Zahlungspflicht belastet den Grundstückseigentümer weder finanziell noch durch Mehrarbeit übergebührlich. Dabei ist nicht ohne Bedeutung, daß der Grundstückseigentümer die Pächter verpflichten kann, den auf sie entfallenden Beitragsanteil unverzüglich entweder in seinem Namen unmittelbar an die BG oder an ihn zu zahlen, so daß der Eigentümer eigene Gelder nicht in Anspruch nehmen muß. Schließlich ist zu beachten, daß der Grundstückseigentümer mit über den Wechsel des Unternehmers entscheidet und die Aufspaltung in mehrere verpachtete Unternehmen seinen wirtschaftlichen Interessen entspricht.
Hiernach besteht ein legitimes öffentliches Interesse dafür, daß die Grundstückseigentümer, auch soweit sie als Nichtmitglieder der betroffenen BG die Beiträge zahlen müssen, mit dazu beitragen, die Durchführung der verwaltungstechnischen Aufgaben der BG einfacher und billiger zu gestalten. Die durch § 1009 RVO aF und § 25 der Satzung der Beklagten bedingte Beeinträchtigung der freien Entfaltung der Persönlichkeit des Grundstückseigentümers ist daher jedenfalls nicht so erheblich, daß sie nicht mehr mit Art. 2 Abs. 1 GG vereinbar wäre.
Da die Höhe der vom Kläger zu zahlenden Beiträge nicht von der Revision beanstandet wird, ist die Klage auf Aufhebung der Beitragsforderung unbegründet.
Die Revision des Klägers mußte somit zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen