Leitsatz (amtlich)
Hat sich der Versicherte vom Unfallversicherungsträger Leistungen durch Vortäuschung eines Arbeitsunfalls erschlichen, so steht der Rückforderung nicht entgegen, daß der Leistungsempfänger im Zeitpunkt der Rückforderung sich in schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen befunden hat. Bei Sachleistungen ist die Rückforderung nicht auf den Vermögensvorteil beschränkt, der dem Leistungsempfänger dadurch entstanden ist, daß ihm Aufwendungen erspart geblieben sind, die er sonst aus eigenen Mitteln getragen hätte (Weiterentwicklung von BSG 1964-12-09 2 RU 147/61 = BSGE 22, 136 = SozR Nr 3 zu § 620 RVO aF).
Leitsatz (redaktionell)
Der öffentlich-rechtliche Rückforderungsanspruch erschlichener Leistungen der Unfallversicherung kann durch Verwaltungsakt festgestellt werden.
Normenkette
RVO § 628 Fassung: 1963-04-30
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 31. Juli 1968 geändert.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. Februar 1966 wird in vollem Umfang zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Revisionsbeklagte ist die Mutter des Pressers H K (K.), der im Laufe des Revisionsverfahrens gestorben ist.
K. zog sich am 14. Juni 1963 im Betrieb der Firma F P KG in P einen Oberarmschaftbruch links mit starker Dislokation zu. Dem Arbeitgeber und dem Durchgangsarzt gegenüber gab K. an, im Betrieb auf einer Treppe ausgerutscht und gestürzt zu sein. Die Beklagte leitete berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung ein. Bei der Unfalluntersuchung durch die Staatl. Polizeidirektion P gab K. am 16. Juli 1963 an, im Betrieb auf dem Wege zur Toilette auf einer Treppe gestürzt zu sein.
Am 18. Dezember 1963 teilte die Firma P der Beklagten mit, daß sie ihre Unfallanzeige berichtigen wolle. Nach neueren Zeugenaussagen habe K. den Unfall am 14. Juni 1963 beim "Armedrücken" mit dem Arbeitskollegen C erlitten. Beide hätten die Ellenbogen auf einen Tisch gestützt, so daß sich die Unterarme berührten; jeder der beiden hätte dann versucht, mit der Hand den Unterarm des anderen auf die Tischplatte herabzudrücken. K. habe nachgeben müssen und sich dabei den Arm gebrochen. Die Beklagte bat daraufhin die behandelnden Ärzte, die berufsgenossenschaftliche Behandlung des K. abzubrechen und die Weiterbehandlung auf Kosten der Beigeladenen zu 1) fortzusetzen.
Durch Bescheid vom 27. Dezember 1963 lehnte die Beklagte einen Entschädigungsanspruch für die Folgen des Unfalls vom 14. Juni 1963 ab und forderte von K. die von ihr getragenen Kosten, die durch die unwahren Angaben entstanden seien, zurück. Es handelte sich um einen Betrag von 101,90 DM, welcher der Beklagten von der Beigeladenen zu 1) nicht ersetzt worden war. Die Beklagte behielt sich in dem Bescheid die Rückforderung etwa noch entstandener weiterer Kosten vor. Den Betrag von 101,90 DM hat K. an die Beklagte gezahlt.
Durch Bescheid vom 27. Januar 1965 forderte die Beklagte von K. gemäß § 628 der Reichsversicherungsordnung (RVO) weitere Kosten in Höhe von 903,35 DM zurück, die ihr durch seine ambulante Behandlung in der Zeit bis 17. Dezember 1963 entstanden waren. Bei erschlichenen Leistungen sei die Rückforderung immer vertretbar und die Zumutbarkeit der Rückzahlung stets zu bejahen. Den Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 25. August 1965 zurück.
Die Klage, mit der K. neben der Aufhebung der Bescheide vom 27. Januar und 25. August 1965 auch die Rückzahlung des von ihm an die Beklagte gezahlten Betrages von 101,90 DM begehrt hat, ist ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts - SG - Karlsruhe vom 17. Februar 1966). In den Gründen hat das SG ausgeführt: Der Rückzahlung von 101,90 DM stehe der bindende Bescheid vom 27. Dezember 1963 entgegen. Da sich K. die Leistungen der Beklagten durch unwahre Angaben erschlichen habe, sei die Rückforderung der Heilbehandlungskosten berechtigt. Nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen sei K. zur Erstattung der Auslagen der Beklagten auch in der Lage.
Auf die Berufung des K. hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg unter Änderung des erstinstanzlichen Urteils die Bescheide vom 27. Januar und 25. August 1965 aufgehoben; im übrigen hat es die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: K. habe keinen Anspruch auf Rückerstattung der aufgrund des Bescheides vom 27. Dezember 1963 gezahlten 101,90 DM, da dieser Bescheid für die Beteiligten in der Sache bindend geworden sei; insoweit sei die Berufung daher unbegründet. Den Betrag von 903,35 DM könne die Beklagte von K. jedoch nicht zurückfordern. Die in § 628 Satz 2 RVO für die Rückforderung normierten Voraussetzungen seien nicht alle erfüllt. Zwar treffe die Beklagte an der Überzahlung kein Verschulden und K. habe auch von Anfang an gewußt, daß er auf die gewährte berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung keinen Anspruch habe; es fehle jedoch an der dritten Voraussetzung, daß die Rückforderung wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse vertretbar gewesen sei. Im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, der für die Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse maßgebend sei, habe K. weder Einkommen noch Vermögen gehabt.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Beklagte hat das Rechtsmittel eingelegt und im wesentlichen wie folgt begründet: Im Hinblick auf die Bindungswirkung des Bescheides vom 27. Dezember 1963 sei die Klage ohne Eingehen auf die Rechtsprobleme des § 628 RVO abzuweisen. Nach dem Tenor des Bescheides seien "die von der Berufsgenossenschaft gezahlten Kosten, die durch die unwahren Angaben des Versicherten entstanden sind" zurückgefordert worden. Damit seien nicht nur die von K. gezahlten 101,90 DM, sondern auch die weiteren, damals noch nicht der Höhe nach bekannten Kosten gemeint gewesen. Im übrigen habe K. durch die Zahlung von 101,90 DM seine Rückerstattungspflicht nicht nur in dieser Höhe, sondern schlechthin dem Grunde nach anerkannt. Das LSG hätte daher bei der Rückforderung des weiteren Betrages von 903,35 DM gar nicht mehr prüfen dürfen, ob sie wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse des K. vertretbar sei. Die Rückforderung müsse aber auch deshalb Erfolg haben, weil die Rückforderung einer durch unwahre Angaben erschlichenen Leistung immer vertretbar sei. Diese Auslegung des § 628 RVO folge aus dem zwischen dem Träger der Sozialversicherung und dem Versicherten bestehenden Vertrauensverhältnis. K. habe gegen die sich daraus ergebende Verpflichtung verstoßen, indem er einen Arbeitsunfall vorgetäuscht habe. Die Sozialgesetze dürften nicht dahin ausgelegt werden, daß derjenige, der sich durch unwahre Angaben eine Leistung erschlichen habe, im Genuß dieser Leistung bleiben solle, wenn er in wirtschaftlich schlechten Verhältnissen lebe. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Leistungsempfängers seien erst im Vollstreckungsverfahren und nicht schon im Verfahren über die Rechtmäßigkeit der Rückforderung zu berücksichtigen. Im übrigen habe sich K. absichtlich einkommens- und vermögenslos gemacht. Bei erschlichenen Leistungen könne der volle für die Bezahlung der Sachleistungen aufgewendete Betrag zurückgefordert werden.
Die Beklagte beantragt,
die Rechtsnachfolgerin des K. zur Aufnahme des Rechtsstreits und zur Verhandlung in der Hauptsache zu laden;
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 31. Juli 1968 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. Februar 1966 in vollem Umfang zurückzuweisen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Revisionsbeklagte und die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt und nichts vorgetragen.
Auf Ersuchen hat das Notariat II P als Nachlaßgericht am 15. März 1972 mitgeteilt, daß die Revisionsbeklagte nach den ortsgerichtlichen Erhebungen alleinige gesetzliche Erbin des K. sein dürfte. Die Erteilung eines Erbscheins sei nicht beantragt worden. Die Revisionsbeklagte hat die Aufnahme des Rechtsstreits abgelehnt.
II
Die Revisionsbeklagte ist verpflichtet, das durch den Tod des K. unterbrochene Verfahren aufzunehmen (§§ 165, 153 Abs. 1, 68 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - i.V.m. § 239 Abs. 1 und 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Aufgrund der Auskunft des Notariats II P vom 15. März 1972 als das für den letzten Wohnsitz des K. zuständigen Nachlaßgerichts (§ 73 Abs. 1 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit - FGG -) sieht es der Senat als bewiesen an, daß die Revisionsbeklagte alleinige gesetzliche Erbin ihres Sohnes ist (§ 1925 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Da sie die Erbschaft nicht ausgeschlagen hat (§ 1943 BGB), ist die Verweigerung der Aufnahme des Verfahrens unbegründet.
Als Gesamtrechtsnachfolgerin ist die Revisionsbeklagte voll in die Rechtsstellung und auch in die prozessuale Stellung ihres Sohnes eingerückt (§ 1922 BGB). Die Rückgewährpflicht wegen der zu Unrecht gewährten Sachleistungen hat als öffentlich-rechtliche Geldschuld rein vermögensrechtlichen Charakter. Sie ist als Nachlaßverbindlichkeit auf die Revisionsbeklagte übergegangen (§ 1967 BGB).
Die Revision der Beklagten ist begründet.
Das Urteil des LSG ist rechtskräftig, soweit es über den von K. gegen die Beklagte geltend gemachten Anspruch auf Rückzahlung von 101,90 DM entschieden und insoweit die Berufung zurückgewiesen hat. K. hat das Urteil des LSG nicht angefochten.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch die Frage, ob der von der Beklagten mit Bescheid vom 27. Januar 1965 idF des Widerspruchsbescheides vom 25. August 1965 geltend gemachte Rückforderungsanspruch in Höhe von 903,35 DM zu Recht besteht. Dies wird vom Senat bejaht.
Der Revision kann allerdings nicht darin gefolgt werden, daß durch den bindenden Bescheid vom 27. Dezember 1963 oder durch die tatsächlich von K. gezahlten 101,90 DM die Rückzahlungspflicht auch hinsichtlich aller weiteren wegen des Unfalls vom 14. Juni 1963 zu Unrecht gewährten Heilbehandlungskosten festgestellt oder anerkannt worden sei. Aus dem Verfügungssatz des Bescheides vom 27. Dezember 1963 und aus den zu seiner Auslegung heranzuziehenden Gründen geht hervor, daß im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides nur 101,90 DM Arztkosten gezahlt waren und nur die damals bereits gezahlten Kosten zurückgefordert wurden. Darüber hinaus enthält der Bescheid lediglich die Ankündigung einer weiteren Rückforderung, die nicht zum Verfügungssatz des Bescheides gehört und an seiner Bindungswirkung nicht teilnimmt (vgl. SozR Nr. 64 zu § 77 SGG). Dafür, daß K. durch die Rückzahlung der 101,90 DM seine Rückzahlungspflicht auch hinsichtlich aller weiteren von der Beklagten bisher noch nicht geltend gemachten Kosten anerkannt hat, bietet sich kein Anhalt. Aufgrund des bindenden Bescheides vom 27. Dezember 1963 steht jedoch fest (§ 77 SGG), daß K. wegen der Folgen des Unfalls vom 14. Juni 1963 keinen Entschädigungsanspruch aus der gesetzlichen Unfallversicherung (UV) hat und die von ihm empfangenen Sachleistungen zu Unrecht gewährt worden sind. Da die Beklagte nur den für die Bezahlung der Sachleistungen aufgewendeten Geldbetrag zurückverlangt, handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Rückforderungsanspruch (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 7. Aufl., S. 190 g VI und 730 g), dem der allgemeine Rechtsgedanke zugrunde liegt, daß ohne Rechtsgrund gewährte öffentlich-rechtliche Leistungen zurückgefordert werden können (BSG 32, 52, 54; Brackmann aaO S. 730 e ff. mit weiteren Nachweisen). Als Kehrseite des Leistungsanspruchs konnte die Beklagte den öffentlich-rechtlichen Rückforderungsanspruch durch Verwaltungsakt feststellen (BSG 29, 6, 8; Brackmann aaO S. 732 g).
Ist - wie hier - ein Rückforderungsanspruch vorhanden, so richten sich das "Ob" und "Wie" der Rückforderung nach § 628 Satz 2 RVO idF des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes vom 30. April 1963 (BGBl I 241 - vgl. Art. 4 § 2).
Nach dieser Vorschrift darf der Unfallversicherungsträger zu Unrecht erbrachte Leistungen nur zurückfordern, wenn ihn für die Überzahlung kein Verschulden trifft (1. Regelung), soweit der Leistungsempfänger bei Empfang wußte oder wissen mußte, daß ihm die Leistung nicht oder nicht in der gewährten Höhe zustand (2. Regelung) und soweit die Rückforderung nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Empfängers vertretbar ist (3. Regelung).
Wenn auch die Voraussetzungen aller drei Regelungen kumulativ erfüllt sein müssen, ist nicht zu übersehen, daß dem schuldhaften Verhalten des Leistungsempfängers bei der Überzahlung zentrale Bedeutung zukommt. § 628 Satz 2 RVO enthält nämlich im wesentlichen das, was bereits die Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes aus dem Grundsatz von Treu und Glauben entwickelt hat (BSG 23, 259, 262; SozR Nr. 8 zu § 1301 RVO; BSG in BG 1970, 393; Brackmann aaO S. 730 h, 731, 732 b; Pappai in BArBl 1965, 606). Nach der 2. Regelung des § 628 Satz 2 RVO ist der bösgläubige Leistungsempfänger, der die Unrechtmäßigkeit der Leistung weiß oder nur infolge Fahrlässigkeit nicht weiß, vor dem Rückforderungsanspruch des Versicherungsträgers nicht geschützt. Wie der 5. Senat zu dem inhaltlich gleichlautenden § 93 Abs. 2 Satz 2 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) ausgeführt hat, gilt dies selbst dann, wenn auch den Versicherungsträger an der Überzahlung ein Verschulden trifft (1. Regelung), der Empfänger die Überzahlung jedoch vorsätzlich oder grobfahrlässig herbeigeführt hat (vgl. SozR Nr. 16 zu § 1301 RVO). Denn es erscheine schlechthin ausgeschlossen, daß der Gesetzgeber demjenigen eine unrechtmäßige Leistung belassen möchte, der sie in Kenntnis ihrer Rechtswidrigkeit arglistig erwirkt hat. Das Ausmaß des Verschuldens ist auch bei der 3. Regelung des § 628 Satz 2 RVO zu berücksichtigen. Wer die Solidargemeinschaft aus Versicherten und Unternehmern schädigt, indem er sich Leistungen der UV erschleicht, soll zur Rückzahlung nicht nur verpflichtet sein, wenn die Rückforderung im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung wirtschaftlich vertretbar ist. Diesem Ergebnis stehen die Gründe, die den Gesetzgeber zu einer Änderung des § 620 RVO aF bewogen haben, nicht entgegen. Nach dem Bericht des Sozialpolitischen Ausschusses des Bundestages (BT-Drucks. IV/938 - neu - zu § 625, abgedruckt bei Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm. 1 zu § 628) ist die Vorschrift aus Gründen sozialer Billigkeit erweitert worden. Der Gesichtspunkt der sozialen Billigkeit ist aber nicht nur im Hinblick auf den in Anspruch genommenen Versicherten zu beachten. Vielmehr ist unter diesem Aspekt auch das Interesse der Solidargemeinschaft an der Rückzahlung der erschlichenen Leistungen zu sehen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen in Mitt. Ruhrkn. 1968, 39). Der Solidargemeinschaft gegenüber wäre eine Regelung, die dem Versicherungsträger die Rückforderung einer erschlichenen Leistung nur gestattet, wenn sie wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Leistungsempfängers vertretbar ist, schlechthin unzumutbar. Wer sich eine Leistung erschlichen hat, darf sich in einem sozialen Rechtsstaat nicht darauf berufen dürfen, daß er in schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt. Es kann vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt sein, daß der arglistige Leistungsempfänger die erschlichene Leistung behält und der Anspruch des Versicherungsträgers - sofern nur der arglistige Leistungsempfänger im Augenblick der Rückforderung in schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt - untergeht und selbst dann nicht mehr durchgesetzt werden kann, wenn dieser später zu Vermögen kommt (Kohleiss, Ist das sozial ? S. 72, 73; Beck in Arb. u. SozP 1967, 265, 267). Es ist vielmehr gerechtfertigt, daß bei erschlichenen Leistungen die wirtschaftliche Situation des Leistungsempfängers bei der Rückforderung als unerheblich in den Hintergrund zu treten hat. Selbst im Vollstreckungsverfahren, in dem aus sozialpolitischen Gründen zur Verhütung der Existenzvernichtung ein Schuldnerschutz notwendig ist, kann das Arbeitseinkommen eines Schuldners wegen einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung in einem größeren Umfang gepfändet werden als wegen einer sonstigen Forderung (§ 850 f Abs. 2 ZPO). Diese Vorschrift zeigt ebenfalls, daß der Gesetzgeber denjenigen Schuldner für weniger schutzwürdig hält, der Leistungen, die ihm nach der Rechtsordnung nicht zustehen, erschlichen hat. Es wäre unter diesen Umständen nicht verständlich, wenn in der UV bei erschlichenen Leistungen bereits die Rückforderung wegen der schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse des Leistungsempfängers ausgeschlossen sein soll. Vollstreckungsschutz ist dem Schuldner aber auch hier zu gewähren.
Die Vorschriften über den Vollstreckungsschutz (§ 115 Abs.1 RVO, § 5 VerwVollStrG i.V.m. §§ 350, 369 AO i.V.m. §§ 811 bis 813, 850 bis 852 ZPO) gewährleisten, daß die Existenzgrundlage auch des arglistigen Leistungsempfängers durch einen Eingriff der öffentlichen Hand nicht angetastet werden kann. Der gesetzlich geregelte Schuldnerschutz bei der Vollstreckung von Geldforderungen genügt auch den Anforderungen des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -). Durch ihn wird verhindert, daß der arglistige Leistungsempfänger durch die Inanspruchnahme aller Vermögenswerte der Allgemeinheit zur Last fällt. Wegen des schwerwiegenden öffentlichen Interesses ist es jedoch nicht gerechtfertigt, in diesen Fällen die für die Durchsetzung des Rückforderungsanspruches geltenden Schuldnerschutzbestimmungen bereits vorab - bei der Frage der Rechtmäßigkeit der Rückforderung - zu berücksichtigen. Dies würde zu unbefriedigenden und vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten Ergebnissen führen.
Unter Beachtung des zwischen den drei Regelungen des § 628 Satz 2 RVO bestehenden Zusammenhangs steht der Rückforderung von Leistungen, die sich der Leistungsempfänger durch Vortäuschung eines Arbeitsunfalls erschlichen hat, somit nicht entgegen, daß der Leistungsempfänger im Zeitpunkt der Rückforderung sich in schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen befunden hat. Nach den tatsächlichen und für den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) bestehen gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte treffe an der Überzahlung kein Verschulden und K. sei bei Empfang der Leistungen bösgläubig gewesen, keine Bedenken. Auf die wirtschaftlichen Verhältnisse kommt es nicht an, weil K. sich die Leistungen erschlichen hatte (vgl. Brackmann aaO S. 732 e).
Die Rückforderung in Höhe des vollen von der Beklagten für die Bezahlung der Sachleistungen aufgewendeten Geldbetrages ist ebenfalls gerechtfertigt. Zwar hat der Senat entschieden (BSG 22, 136), daß sich der Rückforderungsanspruch des Versicherungsträgers wegen zu Unrecht gewährter Sachleistungen grundsätzlich nicht auf die vom Versicherungsträger gemachten Aufwendungen schlechthin und in vollem Umfang richten könne. Er sei vielmehr auf den Vermögensvorteil beschränkt, der dem Leistungsempfänger dadurch entstanden sei, daß ihm Aufwendungen erspart geblieben seien, die er sonst aus eigenen Mitteln getragen hätte. Diese Auffassung ist damit begründet worden, daß der Versicherte in der UV auf die Art und das Ausmaß der Sachleistungen regelmäßig keinen maßgeblichen Einfluß habe, sie vielmehr in Auswirkung der berufsgenossenschaftlich gelenkten Krankenbehandlung hinnehmen müsse. Bei erschlichenen Leistungen besteht eine solche Einschränkung des Rückforderungsanspruchs dagegen nicht, wie der Senat ebenfalls schon angedeutet hat (BSG 22, 136, 139). In diesem Fall muß sich der Versicherte entgegenhalten lassen, daß er die berufsgenossenschaftliche Kranken- bzw. Heilbehandlung durch sein arglistiges Verhalten erst herbeigeführt hat und der Versicherungsträger nur aufgrund seines Verhaltens tätig geworden ist. Hier dürfen daher die vollen vom Versicherungsträger aufgewendeten Kosten zurückgefordert werden.
Die Frage, ob der öffentlich-rechtliche Rückforderungsanspruch ausgeschlossen wäre, wenn die beigeladene Krankenkasse die von der Beklagten verauslagten Arztkosten zu ersetzen hätte, kann auf sich beruhen. Nach dem Erlaß des Reichsversicherungsamts vom 4. März 1941 betr. Bestimmung zur Durchführung des § 1509 a RVO (AN 1941, 128), der seine Rechtsgrundlage in § 1513 Satz 1 RVO aF hat, gehören zu den Aufwendungen, welche die Krankenkasse nach § 1509 a RVO dem Träger der UV zu ersetzen hat, nicht die Arztkosten, die durch die von der Krankenkasse an die Kassenärztliche Vereinigung gezahlte Gesamtvergütung (Kopfpauschale) abgegolten werden, falls die Krankenkasse die Behandlung selbst durchgeführt hätte. Das wäre bei den hier in Betracht kommenden Kosten jedoch der Fall gewesen.
Die Beklagte hat daher den Betrag von 903,35 DM zu Recht von K. zurückgefordert. Für einen Ermessensfehlgebrauch der Beklagten (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG) liegen keine Anhaltspunkte vor.
Das angefochtene Urteil war daher zu ändern und die Berufung in vollem Umfang zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen