Orientierungssatz

Ein Anspruch auf Leistungen aus der knappschaftlichen Krankenversicherung der Rentner besteht nicht für Rentner, deren knappschaftliche Rente in das Ausland (hier: USA) gezahlt wird (vgl BSG vom 1973-08-30 5 RKn 44/71 = SozR Nr 1 zu § 20 KVdRV). Auch der Beitragszuschuß nach RVO § 381 Abs 4 kann in diesen Fällen nicht gewährt werden, weil für die knappschaftliche Krankenversicherung der Rentner - anders als für die allgemeine Krankenversicherung der Rentner - Leistungsansprüche für im Ausland lebende Rentner kraft ausdrücklicher Vorschrift ausgeschlossen sind.

 

Normenkette

RKG § 20; KVdRV § 20 Abs. 1 Fassung: 1941-11-04; RVO § 381 Abs. 4 Fassung: 1967-12-21; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23; FreundschVtr USA Art. 6 Fassung: 1954-10-29

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. November 1975 wird zurückgewiesen.

Außergerichtlich Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist unter den Beteiligten, ob der Kläger von der Beklagten einen Zuschuß zu den Kosten einer privaten Krankenversicherung verlangen kann.

Dem 1907 geborenen, seit 1938 in den USA lebenden und dort privat gegen Krankheit versicherten Kläger hatte die Beklagte im Jahre 1970 ab 1. Juli 1965 das Knappschaftsruhegeld gewährt und zugleich mitgeteilt, daß Leistungen aus der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) für die Dauer des Auslandsaufenthalts des Klägers ruhten (Bescheid vom 18. März 1970).

Den vom Kläger im November 1971 gestellten Antrag auf Gewährung eines Beitragszuschusses zur privaten Krankenversicherung lehnte die Beklagte mit dem streitigen Bescheid vom 17. August 1972 mit der Begründung ab, daß ein solcher Zuschuß an Knappschaftsrentner gesetzlich nicht vorgesehen sei. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 1974).

Auch mit Klage und Berufung ist der Kläger nicht durchgedrungen. Mit der angefochtenen Entscheidung vom 25. November 1975 hat das Landessozialgericht (LSG) das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts (SG) bestätigt und ausgeführt, § 20 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) und die ergänzenden Verordnungen sähen die Gewährung eines Beitragszuschusses schlechthin nicht vor. Selbst wenn man davon ausgehe, daß über § 20 RKG § 381 Abs. 4 der Reichsversicherungsordnung (RVO), der einen Anspruch auf einen solchen Zuschuß normiere, entsprechend anzuwenden sei, scheitere das Begehren des Klägers daran, daß dort der anspruchsberechtigte Personenkreis auf Empfänger von Renten aus der Arbeiterrentenversicherung oder der Angestelltenversicherung ausdrücklich beschränkt sei. Dem deutsch-amerikanischen Freundschaftsvertrag lasse sich nichts Günstigeres entnehmen. Daher könne dahinstehen, ob § 20 der Verordnung über die KVdR vom 4. November 1941, der Leistungen an im Ausland lebende Knappschaftsrentner ausschließt, anwendbar sei. Angesichts der unterschiedlichen Ausgestaltung insbesondere des Leistungsrechts der knappschaftlichen Rentenversicherung im Vergleich zum Leistungsrecht der Arbeiterrenten- und der Angestelltenversicherung widerspreche dies Ergebnis auch nicht dem Gleichbehandlungssatz nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Gleicher Meinung sei - stillschweigend - auch das Bundessozialgericht (BSG).

Mit der zugelassenen Revision wendet sich der Kläger gegen dieses Urteil und bringt vor, es sei auch zu berücksichtigen, daß er sich als Verfolgter im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) unfreiwillig im Ausland aufhalte. Die Ungleichbehandlung der Knappschaftsrentner im Vergleich zu den Beziehern von Renten aus der Arbeiterrentenversicherung und der Angestelltenversicherung sei von Art. 3 GG nicht gedeckt.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 17. August 1972 und 7. Oktober 1974 und unter Abänderung der Urteile des Sozialgerichts Dortmund vom 28. Februar 1975 und des Landessozialgerichts Essen vom 25. November 1975 zu verurteilen, ihm den Beitragszuschuß gemäß § 381 Abs. 4 RVO zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist in der Sache nicht begründet.

Nach § 381 Abs. 4 Satz 1 RVO erhalten Personen, welche die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente oder einer Hinterbliebenenrente aus den Rentenversicherungen der Arbeiter oder der Angestellten erfüllen, aber nicht zu den in § 165 Abs. 1 Nr. 3 bezeichneten Personen gehören, auf Antrag von dem zuständigen Träger der Rentenversicherung zu ihrem Krankenversicherungsbeitrag einen Betrag, der dem Durchschnitt der von den Rentenversicherungsträgern für die Pflichtversicherten zur Verfügung gestellten Beiträge entspricht, wenn sie nachweisen, daß sie als freiwillige Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind. Den gleichen Anspruch haben Empfänger von Renten und Hinterbliebenenrenten aus den Versicherungen der Arbeiter und der Angestellten, die bei einem privaten Versicherungsunternehmen gegen Krankheit versichert sind (Satz 2 aaO). Der die knappschaftliche Krankenversicherung betreffende 4. Abschnitt des RKG enthält, worüber unter den Beteiligten kein Streit besteht, für die Bezieher von Knappschaftsrenten keine entsprechende Vorschrift. Vieles spricht dafür, daß dies dem Willen des Gesetzgebers entspricht. Die knappschaftliche KVdR ist nämlich in einer Fülle von Sondervorschriften, die nicht für die Empfänger von Renten aus der Arbeiterrenten- und Angestelltenversicherung gelten, abweichend von der RVO geregelt (vgl. die in § 20 Satz 2 RKG i. d. F. des Finanzänderungsgesetzes - FinÄndG - 1967 in Bezug genommenen Vorschriften). Diese unterschiedliche Regelung der knappschaftlichen und der nichtknappschaftlichen KVdR kann daher den Gesetzgeber veranlaßt haben, dem einen Kreis der Rentner den hier streitigen Beitragszuschuß zuzubilligen, dem anderen aber vorzuenthalten. Im einzelnen braucht dies aber nicht vertieft zu werden. Selbst wenn unterstellt würde, daß § 381 Abs. 4 Satz 1 und 2 RVO lückenausfüllend für das Recht der knappschaftlichen KVdR heranzuziehen wäre, könnte der Kläger den Zuschuß zur privaten Krankenversicherung nicht beanspruchen. Da § 381 Abs. 4 RVO nur dem Grundgedanken nach und in der Weise lückenfüllend herangezogen werden könnte, daß die Besonderheiten des Rechts der knappschaftlichen KVdR gewahrt bleiben, kämen in Berücksichtigung des § 19 RKG als Zuschußberechtigte nur folgende Personen in Betracht: Empfänger von Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit (BU) oder Erwerbsunfähigkeit (EU) oder eines Knappschaftsruhegeldes sowie Empfänger von Knappschaftshinterbliebenenrenten, die nicht die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 Nr. 1 und 2 RKG erfüllen, also nicht knappschaftlich rentnerkrankenpflichtversichert sind. Hierzu gehören nach § 19 Abs. 2 RKG diejenigen Empfänger der bezeichneten Knappschaftsrenten, die nach § 15 RKG als Arbeitnehmer in einem knappschaftlichen Betrieb oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften - z. B. nach dem Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte - pflichtversichert sind. Es liegt auf der Hand, daß der Kläger, der als Arzt in den Vereinigten Staaten lebt, nicht aufgrund des § 15 RKG oder aufgrund einer anderen gesetzlichen Vorschrift pflichtversichert sein kann. Er ist daher als Empfänger von Knappschaftsruhegeld grundsätzlich nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 RKG bei der Beklagten rentnerkrankenversichert mit der Folge, daß es selbst bei Heranziehung des Rechtsgedankens aus § 381 Abs. 4 Satz 1 und 2 RVO an einer Grundvoraussetzung für den Anspruch auf den Beitragszuschuß - Fehlen einer Pflichtversicherung nach § 19 Abs. 1 RKG - mangelt.

Dem läßt sich auch nicht der gemäß § 20 Satz 2 RKG für die knappschaftliche KVdR aufrechterhaltene § 20 der Verordnung über KVdR vom 4. November 1941 entgegenhalten (vgl. dazu den erkennenden Senat in SozR Nr. 1 zu § 20 dieser Verordnung). Zwar gelten nach dieser Vorschrift die Bestimmungen über die knappschaftliche KVdR der Rentner nicht für diejenigen Rentner, "deren Rente ins Ausland zu zahlen ist". Es könnte deshalb daran gedacht werden, daß diese Vorschrift nicht nur die Gewährung von Leistungen aus der knappschaftlichen KVdR ins Ausland ausschließt, sondern darüber hinaus sogar die Zugehörigkeit der im Ausland eine Knappschaftsrente empfangenden Rentnern zur knappschaftlichen KVdR nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 verhindert. Eine dann mögliche lückenfüllende Heranziehung des § 381 Abs. 4 RVO würde indessen den vom Kläger erhobenen Leistungsanspruch gleichwohl nicht begründen. Zu den Leistungen aus der knappschaftlichen KVdR, auf die im Falle der Auslandsrentenzahlung nach § 20 der obengenannten Verordnung vom 4. November 1941 kein Anspruch besteht, müßte dann nämlich auch der Anspruch auf den Beitragszuschuß nach § 381 Abs. 4 RVO zählen. Diese Norm ist nämlich nach allgemeiner Meinung eine "Gleichstellungsvorschrift"; durch sie sollen die freiwillig oder privat krankenversicherten Rentner mit den Pflichtversicherten gleichgestellt werden (vgl. Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Anm 5 Punkt 1 bei § 381 RVO; Peters, Handbuch der Krankenversicherung, 17. Aufl., Bd. II/4 S. 17/1965 - 1 - Anm. 7 a bei § 381). Haben aber Knappschaftsrentner, deren Rente ins Ausland gezahlt wird, schon als in der knappschaftlichen KVdR Pflichtversicherte hieraus keinen Leistungsanspruch, so muß dies erst recht für den Anspruch auf den Beitragszuschuß gelten, der die freiwillig oder privat Versicherten lediglich an die leistungsrechtliche Situation der in der KVdR Pflichtversicherten heranführen will.

Auch der Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29. Oktober 1954 (BGBl 1956 II, 487) vermag an diesem rechtlichen Ergebnis nichts zu ändern. Zwar wird nach Art. IV dieses Vertrages den Staatsangehörigen eines Vertragsteils hinsichtlich der Anwendung der im Gebiet des anderen Vertragsteils geltenden Vorschriften, die bei Krankheit Entschädigung oder eine andere Leistung gewähren, "Inländerbehandlung" zugesichert. Indessen trifft der Leistungsausschluß nach § 20 der Verordnung vom 4. November 1941 auch den Inländer, d. h. den deutschen Staatsangehörigen, der im Ausland eine Knappschaftsrente empfängt. Bei der Ablehnung eines Beitragszuschusses wegen Rentenzahlung ins Ausland gemäß § 20 aaO werden In- und Ausländer also gleichbehandelt.

Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt es nicht gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG, daß § 20 der o. a. Verordnung anders als in der Arbeiterrentenversicherung und in der Angestelltenversicherung einen Anspruch auf Leistungen aus der KVdR für solche Rentner ausschließt, deren knappschaftliche Rente ins Ausland gezahlt wird. Die knappschaftliche KVdR unterscheidet sich von der sonstigen KVdR in wesentlichen Punkten, was eine unterschiedliche Regelung auch hinsichtlich des Beitragszuschusses als nicht willkürlich oder sachfremd erscheinen läßt. Der Beitragszuschuß nach § 381 Abs. 4 RVO tritt für die nicht der KVdR angehörenden Rentner als Ausgleich für den fehlenden Versicherungsschutz an die Stelle des Beitrags, den der Rentenversicherungsträger nach § 381 Abs. 2 RVO für die Mitglieder der KVdR an die Krankenkasse zu zahlen hat. Die knappschaftliche KVdR kennt demgegenüber keinen Beitrag zur KVdR, weil der knappschaftliche Rentenversicherungsträger nach § 120 RKG die Kosten der knappschaftlichen KVdR in vollem Umfang trägt. Fehlt aber ein Beitrag als Ausgangs- und Anknüpfungspunkt, so erscheint auch das Fehlen eines Beitragszuschusses als Surrogat verständlich. Hinzu kommt, daß in der knappschaftlichen KVdR auch deshalb der Raum für einen Beitragszuschuß sehr begrenzt ist, weil der frühere Hauptanwendungsfall des § 381 Abs. 4 RVO in der knappschaftlichen KVdR niemals vorkommen konnte. Nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO in der bis zum 1. Januar 1968 gültig gewesenen Fassung gehörten die Empfänger einer Rente aus der Arbeiterrentenversicherung oder der Angestelltenversicherung der KVdR nicht an, wenn die in dieser Vorschrift genannte Vorversicherungszeit nicht erfüllt war. Hauptsächlich für sie war aber der Beitragszuschuß nach § 381 Abs. 4 RVO als Ausgleich für den fehlenden Versicherungsschutz gedacht. In der knappschaftlichen KVdR gab es das Erfordernis der Vorversicherungszeit auch vor dem 1. Januar 1968 nicht, so daß alle Rentner der knappschaftlichen KVdR angehörten und deshalb eines Beitragszuschusses nicht bedurften. Schließlich hat das LSG bereits zutreffend darauf hingewiesen, daß das Leistungsrecht der knappschaftlichen Rentenversicherung im Vergleich mit Arbeiterrentenversicherung und Angestelltenversicherung erheblich günstiger ausgestaltet ist. So kennt die Knappschaftsversicherung im Gegensatz zu den beiden anderen Zweigen der gesetzlichen Rentenversicherung die Bergmannsrente wegen Vollendung des 50. Lebensjahres und wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit (§ 45 RKG), das Knappschaftsruhegeld bei Vollendung des 60. Lebensjahres und Erfüllung einer besonderen Wartezeit (§ 48 Abs. 1 Nr. 2 RKG) und die Knappschaftsausgleichsleistung (§ 98 a RKG). Darüber hinaus sind die Steigerungssätze in der knappschaftlichen Rentenversicherung erheblich höher als in der Arbeiterrentenversicherung und in der Angestelltenversicherung und führen im Vergleich zu diesen demgemäß zu höheren Renten (§ 53 RKG; §§ 1253, 1254 RVO; §§ 30, 31 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG -). Per Saldo stehen sich mithin die Bezieher von Knappschaftsrenten trotz des Umstandes, daß bei Rentenzahlung ins Ausland keine Ansprüche auf Leistungen der knappschaftlichen Krankenversicherung bestehen, leistungsrechtlich nicht schlechter als die Empfänger von Renten aus der Arbeiterrenten- und der Angestelltenversicherung. Die in § 20 der Verordnung vom 4. November 1941 getroffene Regelung ist nach alledem nicht willkürlich und verstößt daher nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung.

Nach alledem läßt sich das angefochtene Urteil nicht beanstanden. Die hiergegen erhobene Revision war mit der Kostenentscheidung aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1648046

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