Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 5. Dezember 1996 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Berufsschadensausgleich (BSchA) hat.
Der 1941 geborene Kläger absolvierte von 1959 bis 1962 eine Mechanikerlehre und nach bestandener Prüfung ein halbjähriges Praktikum zum Besuch der Ingenieurschule. Anschließend war er als Mechaniker beschäftigt. Vom 1. Juli 1963 bis 1965 leistete er Wehrdienst. Während dieser Zeit erkrankte er 1965 an Lungentuberkulose. Wegen der Folgen dieser als Wehrdienstbeschädigung (WdB) anerkannten Erkrankung gewährte der Beklagte dem Kläger ua von Dezember 1965 bis August 1968 BSchA nach dem Vergleichseinkommen eines Mechanikers der Investitionsgüterindustrie (Maschinenbau) und bis Ende 1971 Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von zuletzt 30 vH. Nach Entlassung aus der Bundeswehr und dem Besuch einer Berufsaufbauschule studierte der Kläger von 1967 bis 1971 an der Ingenieurschule in K. Maschinenbau, wofür der Beklagte berufsfördernde Maßnahmen gewährte und bestand die Prüfung zum graduierten Ingenieur. Seit Oktober 1971 ist der Kläger als technischer Beamter bei der Bundeswehrverwaltung tätig, seit 1986 in Besoldungsgruppe A 12 eines technischen Regierungsamtsrates. Wegen einer Reaktivierung seiner Lungentuberkulose bezieht der Kläger seit Mitte 1980 wieder Versorgungsleistungen, inzwischen nach einer zuletzt im Januar 1989 festgestellten MdE von 40 vH.
Den im Januar 1981 gestellten Antrag auf Wiedergewährung von BSchA lehnte der Beklagte ab, weil ein durch die WdB verursachter Einkommensverlust weder im ausgeübten Beruf als Beamter noch bei einem Vergleich des Einkommens als Facharbeiter im Maschinenbau (Hätte-Beruf) mit dem tatsächlichen Einkommen vorliege. Die daraufhin erhobene Klage zum Sozialgericht Mainz (SG) erledigte sich, weil sich der Beklagte im August 1985 vergleichsweise verpflichtete, die Eingruppierung des Klägers im Hätte-Beruf nochmals zu überprüfen und einen neuen Bescheid zu erteilen. Im anschließenden Verwaltungsverfahren machte der Kläger geltend, ohne die WdB hätte er den Beruf eines Maschinenbauingenieurs in der Industrie und nicht die Beamtenlaufbahn ergriffen. Der Beklagte lehne jedoch die Rücknahme der bis dahin ergangenen Bescheide ab (Bescheid vom 5. Mai 1986). Die dagegen erhobene Klage nahm der Kläger zurück, nachdem sich der Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 14. Oktober 1988 bereit erklärt hatte, neu zu prüfen, ob dem Kläger deshalb BSchA zu gewähren sei, weil er ohne die WdB früher als geschehen eine höhere Dienstaltersstufe als Beamter des gehobenen technischen Dienstes erreicht hätte. Mit Bescheid vom 1. Februar 1989 lehnte der Beklagte die Gewährung von BSchA ab, weil der dienstliche Aufstieg ohne die WDB nicht anders verlaufen wäre. Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos.
Im Juli 1991 beantragte der Kläger, ihm im Zugunstenwege erneut BSchA zu leisten, weil sein Berufsziel vor und während seines Studiums das eines Maschinenbauingenieurs in der Industrie gewesen sei. Zur Begründung seines Antrags fügte er entsprechende Bestätigungen seiner von ihm zwischenzeitlich geschiedenen Ehefrau A. W. … vom 16. Juli 1991 und eines früheren Studienkollegens P. vom 18. Juli 1991 bei. Die Entscheidung für die Beamtenlaufbahn sei ausschließlich wegen der Besorgnis einer Verschlimmerung der WdB erfolgt. Diesen Antrag lehnte der Beklagte ab. Es sei nicht erwiesen, daß die Folgen der im Jahre 1965 erlittenen WdB der Aufnahme einer Tätigkeit als Ingenieur in der freien Wirtschaft entgegengestanden hätten. Der Kläger hätte sich vielmehr aus persönlichen Neigungen und finanziellen Aspekten für die Beamtenlaufbahn entschieden. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg (Bescheid vom 11. Oktober 1991, Widerspruchsbescheid vom 15. November 1993; Urteil des SG Mainz vom 26. Januar 1996).
Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) das Urteil des SG sowie den Bescheid des Beklagten vom 11. Oktober 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 1993 aufgehoben und den Beklagten zur Rücknahme der entgegenstehenden Bescheide sowie zur Zahlung von BSchA ab 1. Januar 1987 nach einem Vergleichseinkommen eines Technischen Angestellten der Leistungsgruppe II in der Investitionsgüterindustrie – Maschinenbau – verurteilt (Urteil vom 5. Dezember 1996). Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: BSchA im Zugunstenverfahren nach § 44 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X) sei schon dann zu gewähren, wenn ein entsprechender hypothetischer Berufsverlauf entgegen einer früheren bestandskräftigen Ablehnung doch wahrscheinlich sei. Entgegen der Ansicht des SG seien für die Ermittlung des Hätte-Berufs keine Überlegungen über die Relevanz der Schädigungsfolgen für die zeitlich nach der Schädigung erfolgte tatsächliche Berufswahl anzustellen. Der bis zur Schädigung betätigte Arbeits- und Ausbildungswille sei auf eine spätere Tätigkeit des Klägers in der Industrie und nicht auf eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst ausgerichtet gewesen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Beklagte einen Verstoß gegen § 30 Abs 3 ff Bundesversorgungsgesetz (BVG) sowie – sinngemäß – eine fehlerhafte Beweiswürdigung. Es sei zwar davon auszugehen, daß das ursprüngliche Berufsziel des Klägers vor Eintritt der WdB das eines Ingenieurs in der freien Wirtschaft gewesen sei. Die Schädigungsfolgen in ihrer damaligen Ausprägung hätten den Kläger jedoch objektiv nicht daran gehindert, diesen Beruf zu ergreifen. Vielmehr hätten für den Eintritt in die Beamtenlaufbahn bei der Bundeswehrverwaltung persönliche Neigungen und finanzielle Aspekte eine wesentliche Rolle gespielt, insbesondere die mit dem Ergreifen des Berufs eines Wehringenieurs verbundene Studienbeihilfe von 320,– DM/mtl. Daß es später zu einer Reaktivierung der Tuberkulose gekommen sei, sei rechtlich ohne Belang. Die anerkannten Schädigungsfolgen stellten keine wesentliche Bedingung dafür dar, daß der Kläger statt in der freien Wirtschaft im öffentlichen Dienst als Ingenieur tätig geworden sei.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 5. Dezember 1996 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 26. Januar 1996 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Beklagten ist unbegründet.
Streitig ist, ob der Bescheid des Beklagten vom 11. Oktober 1991 idF des Widerspruchsbescheides vom 15. November 1993 rechtmäßig ist, insbesondere, ob der Beklagte verpflichtet ist, Bescheide, mit denen er früher die Gewährung von BSchA abgelehnt hat, zurückzunehmen. Diesen Anspruch hat der Kläger zutreffend mit einer kombinierten Anfechtungs-, Leistungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG) geltend gemacht (vgl BSG SozR 3-3100 § 30 Nr 18 mwN).
Die Rechtswidrigkeit der dem Anspruch des Klägers entgegenstehenden Bescheide ergibt sich aus § 44 Abs 1 SGB X iVm § 30 Abs 3, 4 Satz 1 und 5 Satz 1 BVG idF vom 21. Juni 1988 (BGBl I, 826) iVm § 44 Abs 4 Satz 1 SGB X). Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein bereits bei seinem Erlaß rechtswidriger, nicht begünstigender Verwaltungsakt, soweit seinetwegen Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, auch wenn er unanfechtbar geworden ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen hier vor, denn der Beklagte hat – jedenfalls mit Bescheid vom 1. Februar 1989 – das Recht unrichtig angewendet, da der Kläger Anspruch auf Gewährung von BSchA hat.
Gemäß § 30 Abs 3 BVG erhalten rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, BSchA. Zwischen der Minderung des Erwerbseinkommens und den Schädigungsfolgen muß ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Ob dieser vorliegt, beurteilt sich nach dem im Versorgungsrecht geltenden Kausalitätsmaßstab der wesentlichen Bedingung (vgl bereits BSGE 1, 72, 76; 1, 105). Was unter Einkommensminderung bzw Einkommensverlust zu verstehen ist, ergibt sich aus der Begriffsbestimmung in § 30 Abs 4 Satz 1 iVm § 30 Abs 5 BVG. Nach § 30 Abs 4 Satz 1 BVG ist Einkommensverlust der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Das Vergleichseinkommen, das höher sein muß als das derzeitige Einkommen, ist nach § 30 Abs 5 BVG zu errechnen, dh auf statistischer oder tariflicher Grundlage „aus dem monatlichen Durchschnittseinkommen der Berufs- oder der Wirtschaftsgruppe, der der Beschäftigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte”. Die Fassung des Gesetzes – „ohne die Schädigung” – zeigt, daß der schädigende Vorgang insgesamt weggedacht und der wahrscheinliche Berufsweg von der Zeit an nachgezeichnet werden muß, zu der die Schädigung iS des § 1 Abs 1 BVG stattgefunden hat. Grundsätzlich ist deshalb zur Ermittlung der maßgeblichen Berufsgruppe von dem Beruf auszugehen, aus dem der Beschädigte durch die Schädigung verdrängt worden ist. Dieser Beruf einschließlich der Entwicklung, die ein Nichtbeschädigter in diesem Beruf genommen hätte, ist Vergleichsgrundlage (vgl BSG SozR 3100 § 30 Nr 74). Die im Bescheid vom 23. November 1971 vorgenommene Eingruppierung des Klägers nach dem Vergleichseinkommen eines Mechanikers der Investitionsgüterindustrie (Maschinenbau) kann hier allerdings nicht als Vergleichsgrundlage genommen werden, denn die frühere Entscheidung ist insoweit nicht bestandskräftig geworden, weil sie in einem ablehnenden Bescheid enthalten war (vgl BSG, Urteil vom 14. September 1978 – 9 RV 8/78 – nicht veröffentlicht, im Anschluß an BSGE 42, 283, 285 = SozR 3100 § 40a Nr 4). Der Beklagte hält zudem an dieser Einstufung, wie sich aus seiner Revisionsbegründung ergibt, nicht mehr fest. Er geht nunmehr zutreffend davon aus, daß das ursprüngliche Berufsziel des Klägers vor Eintritt der WdB das eines Ingenieurs in der freien Wirtschaft gewesen ist. Zu entscheiden ist deshalb nur noch darüber, ob der Kläger unter Berücksichtigung seiner weiteren beruflichen Entwicklung ab der WdB Ingenieur in der freien Wirtschaft geworden wäre. Dies hat das LSG rechtsfehlerfrei bejaht.
Im Falle eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X ist davon auszugehen, daß eine antragsgemäße Einstufung erfolgen kann, wenn ein entsprechender hypothetischer Berufsverlauf entgegen einer früheren bestandskräftigen Ablehnung doch wahrscheinlich ist. Er braucht nicht gewiß zu sein (vgl BSG SozR 1300 § 45 Nr 49). Insoweit gilt für die hypothetische Bestimmung eines Berufswegs nichts anderes als in Erstantragsfällen. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des § 30 Abs 5 Satz 1 BVG – dort heißt es „wahrscheinlich”. Dieser Unterschied zu den Voraussetzungen für die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts nach § 45 SGB X folgt daraus, daß für die Aufhebung eines eine Leistung ablehnenden Bescheides nach § 44 SGB X nur die Leistungsvoraussetzungen erfüllt sein müssen, die hier lediglich Wahrscheinlichkeit voraussetzen (vgl bereits BSGE 45, 1 = SozR 3900 § 40 Nr 9). Demgegenüber handelt es sich bei der Aufhebung eines begünstigenden Verwaltungsaktes um einen Eingriff in die Rechtsstellung des Betroffenen, der nur erlaubt ist, wenn seine Voraussetzungen erwiesenermaßen vorliegen und er rechtswidrig ist (vgl BSG SozR 1300 § 45 Nr 49 sowie BSGE 64, 190 = BSG SozR 1300 § 45 Nr 41). Wahrscheinlichkeit ist – auch iS des § 30 Abs 5 Satz 1 BVG – zu bejahen, wenn mehr Gesichtspunkte für als gegen einen bestimmten Umstand – hier die behauptete berufliche Entwicklung – sprechen, so daß sich darauf die Überzeugung der Verwaltung oder des entscheidenden Gerichts gründen kann (BSG, aaO). Die Wahrscheinlichkeit erstreckt sich allerdings nicht auf die dieser Beurteilung zugrunde zu legenden Tatsachen. Diese müssen erwiesen sein (vgl Hansen, Der Berufsschadensausgleich, 1996, S 54 f). Der hypothetische Berufsweg wird danach aufgrund festgestellter Tatsachen durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen als hypothetischer, dh gedachter, Berufsweg für den Fall, daß die Schädigung nicht stattgefunden hätte, prognostiziert (vgl BSG SozR 1300 § 45 Nr 49 sowie BSGE 57, 103, 104 = SozR 3100 § 30 Nr 62). Dafür muß er ab dem Zeitpunkt der Schädigung nachgezeichnet werden, wofür insbesondere die berufliche Entwicklung, die der Betreffende genommen hätte, dh welchen Beruf er heute hätte, zu berücksichtigen ist (vgl BSG SozR 3100 § 30 Nr 74).
Das LSG hat unter Berücksichtigung der dargestellten Rechtsgrundsätze insoweit festgestellt: Das Berufsziel des Klägers sei über das eines Mechanikers hinausgegangen und aufgrund der nachgewiesenen Ausbildung an der Berufsaufbauschule und der Ablegung des Praktikums stehe fest, daß der Kläger nach dem Wehrdienst seine Ausbildung mit dem Studium der Ingenieurwissenschaften fortgesetzt hätte. Die von ihm vorgelegten Zeugnisse, wie auch sein späterer tatsächlicher beruflicher Werdegang, belegten, daß er dieses Studium ohne die Schädigungsfolgen erfolgreich hätte abschließen können. Weil er eine Lehre als Mechaniker absolviert, ein Praktikum abgelegt und danach noch für ein halbes Jahr als Mechaniker in der Industrie gearbeitet habe, liege es nahe, daß er nach seiner Ausbildung an der Fachhochschule wieder in dem ihm bekannten und vertrauten Umfeld der Industrie tätig geworden wäre, zumal sich auch im familiären Umfeld des Klägers keine Beamten gefunden hätten, so daß insoweit eine Vorbildwirkung von Familienangehörigen bei der Berufsauswahl ausscheide. Der Kläger wäre deshalb Maschinenbauingenieur in der freien Wirtschaft geworden und hätte ab 1987 das Vergleichseinkommen eines technischen Angestellten Lohngruppe II der Investitionsgüterindustrie, Maschinenbau, erzielt. Jedenfalls 1989 hätte sich ein Zahlbetrag ergeben. Das Vergleichseinkommen sei ab Juli 1988 höher als das vom Kläger im tatsächlichen Beruf erzielte Einkommen gewesen. Diese Feststellungen hat der Beklagte nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen. Sie sind deshalb für das Revisionsgericht bindend (§ 163 SGG). Dies gilt auch, soweit der Beklagte nach der Revisionsbegründung den vom LSG prognostizierten Berufsweg des Klägers „bei Würdigung aller Umstände” nicht für zutreffend hält, denn die prognostische Ermittlung des hypothetischen Berufsweges ist Aufgabe der Tatsacheninstanz. Diese muß aufgrund der festgestellten Einzeltatsachen hypothetisch beurteilen, wie der berufliche Werdegang des Beschädigten ohne WdB verlaufen wäre. Diese Prognose gehört nicht zur Rechtsanwendung, kann im Revisionsverfahren deshalb nur mit Verfahrensrügen angegriffen werden (vgl BSGE 63, 47, 49 = SozR 5870 § 1 Nr 14; BSGE 63, 93, 97 = SozR 2200 § 205 Nr 65; BSGE 67, 228, 231 = SozR 3-4100 § 36 Nr 1; Senatsurteil vom 28. Mai 1997 – 9 RV 25/95 – VersorgVerw 1998, 13). Nach dieser Rechtsprechung hat das Tatsachengericht in solchen Fällen einen Wertungsspielraum, so daß das Revisionsgericht die wertende Entscheidung nicht selbst vornehmen und sein Ergebnis an die Stelle der Entscheidung des Tatsachengerichts setzen darf. Seine Rechtskontrolle beschränkt sich darauf, ob die Wertung verfahrensfehlerfrei zustande gekommen ist, das Tatsachengericht insbesondere einen ordnungsgemäß ermittelten Sachverhalt zugrunde gelegt hat, bei gezogenen Schlüssen keine Denkgesetze verletzt, allgemeine Erfahrungssätze nicht beachtet oder den Ursachenzusammenhang willkürlich bejaht oder verneint hat (vgl BSGE 63, 47, 49 f = SozR 5870 § 1 Nr 14). Solche Fehler hat der Beklagte weder gerügt noch sind sie zu erkennen.
Das LSG hat mit Recht ausgeführt, daß zwischen den Schädigungsfolgen und dem Einkommensverlust der nach § 30 Abs 3 BVG erforderliche ursächliche Zusammenhang besteht. Dies ist nach dem im Versorgungsrecht geltenden Kausalitätsmaßstab der wesentlichen Bedingung zu entscheiden (ständige Rechtsprechung, vgl bereits BSGE 1, 72, 76). Wesentliche Ursache in diesem Sinn ist nur diejenige Bedingung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn „conditio sine qua non”), die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg nach natürlicher Betrachtungsweise an dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Wenn mehrere Bedingungen gleichwertig oder annähernd gleichwertig zum Erfolg beigetragen haben, ist jede von ihnen Ursache iS des Versorgungsrechts (vgl zB Senatsurteil vom 28. Mai 1997 – 9 RV 25/95 – in VersorgVerw 1998, 13).
Insoweit hat das LSG erkennbar den naturwissenschaftlich-philosophischen Zusammenhang festgestellt, wenn es ausführt, daß der Kläger den Hätte-Beruf des Ingenieurs in der freien Wirtschaft trotz der Schädigungsfolgen zwar zunächst hätte ausüben können, daß aber schädigungsbedingte Faktoren, nämlich die erhebliche und langdauernde Reaktivierung seiner 1965 erworbenen Lungen-Tbc im Jahr 1980 ihn – jedenfalls ab 1980 – daran gehindert hätten, den Beruf des Maschinenbauingenieurs in der Wirtschaft auszuüben. Denn jedenfalls von 1980 bis 1984 sei es sehr zweifelhaft gewesen, ob er später in diesen Beruf hätte zurückkehren können und er ihm gewachsen gewesen wäre. Gegen letzteres spreche die Änderung seiner beruflichen Tätigkeit. Danach sei der Hätte-Beruf ab 1980 fortdauernd bis 1989 vom Ist-Beruf abgewichen.
Soweit der Beklagte die Fehlerhaftigkeit des angefochtenen Urteils in diesem Punkt aus materiell-rechtlichen Erwägungen rügt, gehen seine Angriffe im Ergebnis fehl. Auch die Feststellung des (wahrscheinlichen) naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhangs ist Aufgabe der Tatsacheninstanz (vgl BSGE 7, 223). Verfahrensrügen mit dem Inhalt, daß das LSG insoweit die Grenzen der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) überschritten hätte (vgl dazu Meyer-Ladewig, SGG-Komm, 6. Aufl. 1998, § 128 RdNrn 10 f, 16) hat der Beklagte nicht vorgebracht. Von der vom LSG insoweit getroffenen Feststellung ist deshalb auszugehen (§ 163 SGG).
Die rechtlichen Überlegungen, mit denen der Beklagte die Schlußfolgerung des LSG angegriffen hat, die Schädigungsfolgen seien darüber hinaus wesentliche Bedingung für den Berufswechsel des Klägers gewesen, betreffen die Rechtsanwendung, weil es insoweit darum geht, welche von mehreren festgestellten Bedingungen einen bestimmten Erfolg wesentlich mitverursacht hat (vgl BSGE 7, 223). Über die Rechtsfrage, ob eine Bedingung, die als Mitursache nicht weggedacht werden kann, als „wesentliche” Ursache in diesem Sinne zu bewerten ist, hat das Revisionsgericht zu befinden (vgl BSGE 1, 268; 7, 288; 13, 175 ff; May, Die Revision, 2. Aufl 1997, VI RdNr 169). Insoweit reichen die vom LSG zur prognostizierten beruflichen Entwicklung des Klägers und zum ursächlichen Zusammenhang zwischen Einkommensverlust und WdB getroffenen Feststellungen für die rechtlich allein entscheidende Schlußfolgerung aus, daß die Schädigungsfolge (Zustand nach überstandener Lungen-Tbc) wesentliche Bedingung für den Berufswechsel und damit auch wesentliche Bedingung für den geltend gemachten Einkommensverlust war. Allerdings ist dafür – entgegen der Auffassung des LSG – nicht der Umstand entscheidend, daß der Hätte-Beruf ab 1980 fortdauernd bis 1989 vom Ist-Beruf abgewichen ist. Maßgebend ist allein, daß der Kläger plausibel dargelegt hat, wegen der Schädigungsfolgen sei es für ihn erforderlich gewesen, 1971 den Ist-Beruf zu ergreifen. Bereits in dem vom Senat entschiedenen Fall eines 60-jährigen Schwerbehinderten, der BSchA begehrte, hat der Senat nicht nur auf den Nachweis verzichtet, daß der dortige Kläger gezwungen war, den Beruf wegen der Schwerbehinderung aufzugeben, sondern er hat auch keine Nachforschungen darüber verlangt, ob die Schwerbehinderung wenigstens das Motiv für das Ausscheiden abgegeben hat und statt dessen entsprechende Behauptungen des Klägers genügen lassen, weil sie im Hinblick auf die Schädigungsfolgen plausibel waren (vgl BSGE 74, 193, 197 = SozR 3-3100 § 30 Nr 10). Nichts anderes gilt im hier zu entscheidenden Fall. Es ist deshalb unschädlich, daß das LSG nicht die Motive des Klägers als innere Tatsache festgestellt hat, die Grund für seinen Berufswechsel gewesen sein können. Ausreichend ist die von ihm getroffene Feststellung, daß der Kläger unter Angabe einzelner Umstände als Beleg behauptet hat, maßgeblicher Grund für seinen Berufswechsel seien die Schädigungsfolgen gewesen, denn daraus ergibt sich die Plausibilität seines Vortrages. Bereits im Zugunstenantrag hat er vorgetragen, allein wegen seiner gesundheitlichen Situation, vornehmlich aus der Sorge, sein Zustand könne sich verschlechtern und im Hätte-Beruf zu nachteiligen Folgen, etwa zur Berufsunfähigkeit führen, sei er in den mehr Sicherheit bietenden öffentlichen Dienst gegangen. Die Feststellungen des LSG, daß die Lungen-Tbc 1980 erneut aufgetreten ist und beim Kläger zu erheblichen Beeinträchtigungen geführt hat, unterstützen aus nachträglicher Sicht iVm mit der allgemein verbreiteten Ansicht, der öffentliche Dienst biete mehr Sicherheit vor Lebensrisiken als die freie Wirtschaft, die Plausibilität der klägerischen Ausführungen.
Aus diesen Gründen, dem hypothetischen Berufsverlauf des Klägers und schließlich den bindenden Feststellungen des LSG, daß der Kläger ab 1987 das Vergleichseinkommen eines technischen Angestellten Lohngruppe II der Investitionsgüterindustrie, Maschinenbau erzielt und das Vergleichseinkommen ab Juli 1988 höher als das vom Kläger im ausgeübten Beruf erzielte Einkommen gewesen ist, hat das LSG – nach dem so zu interpretierenden Tenor des angefochtenen Urteils – den Beklagten mit Recht verpflichtet, den Bescheid vom 1. Februar 1989 aufzuheben. Ob auch weitere, vor 1987 ergangene Bescheide rechtswidrig waren, bedarf im Hinblick darauf, daß das LSG den Beklagten erst ab 1987 dem Grunde nach zur Leistung von BSchA verurteilt hat, keiner Erörterung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen