Leitsatz (amtlich)
1. Hat ein Angestellter, der die Jahresarbeitsverdienstgrenze in der Krankenversicherung überschritten hat, seine Mitgliedschaft bei einer Ersatzkasse freiwillig aufrechterhalten, so ist für die Entscheidung über den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach RVO § 173 diejenige Krankenkasse zuständig, die Einzugsstelle für die Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung ist.
2. Der Bescheid einer Krankenkasse über die Befreiung von der Versicherungspflicht (RVO § 173) betrifft auch den Träger der Arbeitslosenversicherung. Er kann daher Widerspruch erheben. Erachtet die Kasse den Widerspruch des Trägers der Arbeitslosenversicherung gegen den Befreiungsbescheid für begründet, so hat sie ihm abzuhelfen (SGG § 85 Abs 1).
Normenkette
RVO § 173 Fassung: 1945-03-17; SGG § 85 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 7. Oktober 1958 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Die Klägerin ist bei der beigeladenen D-AG (D) als Angestellte beschäftigt. Sie gehört der beklagten Ersatzkasse als Mitglied an, und zwar bis zum 30. September 1954 als versicherungspflichtiges Mitglied und seitdem - wegen Überschreitung der Jahresarbeitsverdienstgrenze in der Krankenversicherung (KrV) - als freiwilliges Mitglied.
Als sie krankenversicherungsfrei geworden war, beantragte sie bei der beklagten Ersatzkasse Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 173 der Reichsversicherungsordnung (RVO) mit der Begründung, sie und ihre beiden Kinder erhielten als Hinterbliebene eines Regierungsrats Versorgungsbezüge auf Grund des Gesetzes zu Art. 131 des Grundgesetzes (GG). Mit Bescheid vom 17. Januar 1955 entsprach die beklagte Ersatzkasse dem Antrag; in der Rechtsbehelfsbelehrung dieses Bescheides wurde ausgeführt, daß gegen den Bescheid innerhalb eines Monats Klage beim Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben werden könne.
Mit Schreiben vom 5. Juli 1955 beantragte das Arbeitsamt H bei der beklagten Ersatzkasse die Überprüfung des Befreiungsbescheides, gegebenenfalls seinen Widerruf. Es hielt den Befreiungsbescheid für rechtswidrig, weil für die Entscheidung über den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht bei einer Angestellten, die wegen der Höhe ihres Jahresarbeitsverdienstes krankenversicherungsfrei sei, nicht die beklagte Ersatzkasse, sondern die Allgemeine Ortskrankenkasse zuständig gewesen sei. Außerdem sei Frau St keine Anwartschaft auf Hinterbliebenenversorgung gewährleistet, so daß es an einer nach § 173 Abs. 1 RVO unerläßlichen Voraussetzung für die Befreiung von der Versicherungspflicht fehle.
Die beklagte Ersatzkasse entsprach dem Antrag des Arbeitsamts und widerrief den Befreiungsbescheid mit Bescheid vom 20. Juli 1955.
Mit der Klage vor dem SG Hamburg machte die Klägerin geltend, der Befreiungsbescheid sei zu Unrecht widerrufen worden. Ihre Befreiung von der Versicherungspflicht sei Rechtens; denn dem Erfordernis des § 173 RVO, daß Anwartschaft auf Hinterbliebenenversorgung gewährleistet sein müsse, sei damit genügt, daß sie als Beamtenwitwe mit den vorhandenen Kindern Hinterbliebenenversorgung erhalte. Selbst wenn der Befreiungsbescheid aber zu Unrecht ergangen sei, könne er als begünstigender Verwaltungsakt nicht widerrufen werden. Auf jeden Fall sei ein Widerruf mit rückwirkender Kraft ausgeschlossen.
Auf Anregung des SG führte die beklagte Ersatzkasse vor ihrer Widerspruchsstelle (Vorstand) ein Vorverfahren durch.
Der Widerspruch der Klägerin wurde als unbegründet zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 28. August 1956).
Die Klägerin beantragte,
den Widerrufsbescheid vom 20. Juli 1955 sowie den Widerspruchsbescheid vom 28. August 1956 aufzuheben,
hilfsweise, festzustellen, daß der am 20. Juli 1955 ausgesprochene Widerruf der Befreiung erst von diesem Zeitpunkt an rechtswirksam geworden sei.
Die beklagte Ersatzkasse bat um Klageabweisung.
Da die Befreiung von der Versicherungspflicht zu Unrecht ausgesprochen worden sei, hätte sie jederzeit widerrufen werden können. Die beigeladene Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (BfArb) schloß sich dieser Auffassung an. Hingegen hielt die beigeladene Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) den angefochtenen Widerspruchsbescheid für rechtswidrig, weil die Klägerin zu Recht von der Versicherungspflicht befreit worden sei.
Das SG stellte unter teilweiser Aufhebung des Widerrufsbescheides vom 20. Juli 1955 und des Widerspruchsbescheides vom 28. August 1956 fest, daß der Widerruf der Befreiung von der Versicherungspflicht am 22. Juli 1955 - dem Tag der Zustellung des Widerrufsbescheids an die Klägerin - rechtswirksam geworden sei (Urteil vom 29. August 1956).
Gegen dieses Urteil haben die Klägerin und die beigeladene BfA - im wesentlichen unter Wiederholung ihrer bisherigen Rechtsausführungen - Berufung eingelegt mit dem Antrag,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Widerrufsbescheid vom 20. Juli 1955 sowie den Widerspruchsbescheid vom 28. August 1956 aufzuheben.
Die beklagte Ersatzkasse hat um
Zurückweisung der Berufungen
gebeten.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufungen der Klägerin und der beigeladenen BfA zurückgewiesen; die Revision wurde zugelassen (Urteil vom 7. Oktober 1958). Die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht sei aus zwei Gründen rechtswidrig gewesen. Die beklagte Ersatzkasse sei für die Erteilung des Befreiungsbescheides nicht zuständig gewesen. Die Klägerin habe ihr in diesem Zeitpunkt nur als freiwilliges Mitglied angehört. Den Befreiungsbescheid habe jedoch nur die zuständige Pflichtkrankenkasse erteilen dürfen. Der Mangel der Zuständigkeit habe aber nicht die Nichtigkeit des Befreiungsbescheides zur Folge gehabt; denn es habe nur relative Unzuständigkeit vorgelegen, die überdies für den Empfänger des Verwaltungsakts nicht offenkundig gewesen sei. - Ferner habe die nach § 173 RVO für die Befreiung erforderliche Voraussetzung nicht vorgelegen, daß der Klägerin Anwartschaft auf Hinterbliebenenversorgung gewährleistet gewesen sei. - Der somit rechtswidrige Befreiungsbescheid könne allenfalls für die Vergangenheit unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben eine gewisse Rechtsbeständigkeit entfalten. Für die Zukunft dürfe ein Versicherungsträger jedenfalls eine rechtsirrtümliche Auffassung über ein Versicherungsverhältnis nicht aufrechterhalten, sondern sei zum Widerruf verpflichtet.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Revision eingelegt mit dem Antrag,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Urteils des SG Hamburg vom 29. August 1956 den Widerrufsbescheid vom 20. Juli 1955 und den Widerspruchsbescheid vom 28. August 1956 aufzuheben.
Sie wiederholt ihr bisheriges Vorbringen, daß der Befreiungsbescheid zu Recht erteilt worden sei. Die materiell-rechtliche Voraussetzung, daß der Klägerin Anwartschaft auf Hinterbliebenenversorgung gewährleistet gewesen sei, habe vorgelegen; denn der Klägerin habe sogar mehr als eine Anwartschaft, nämlich ein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zugestanden. Selbst wenn aber der Befreiungsbescheid aus diesem Grunde - oder auch deshalb, weil die beklagte Ersatzkasse zu Unrecht ihre Zuständigkeit zum Erlaß des Befreiungsbescheides angenommen habe - rechtswidrig gewesen sei, hätte er auch nicht mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden dürfen, da die Klägerin kein Verschulden an dem Zustandekommen des fehlerhaften Bescheides treffe.
Die beklagte Ersatzkasse hat um
Zurückweisung der Revision
gebeten. Sie hält an ihrer Auffassung fest, daß der Befreiungsbescheid - wegen Fehlens einer materiell-rechtlichen Voraussetzung - zu Unrecht erteilt worden sei. Sei die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 173 Abs. 3 RVO zu widerrufen, sobald ihre Voraussetzungen nicht mehr vorlägen, so müßte das erst recht bei einer von Anfang an gegebenen Fehlerhaftigkeit des Befreiungsbescheides gelten.
Die beigeladene BfA ist der Auffassung, daß die Klägerin materiell-rechtlich die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht erfüllt hatte. Die Befreiung hätte jedoch nicht von der beklagten Ersatzkasse ausgesprochen werden dürfen, da die Klägerin der beklagten Ersatzkasse im Zeitpunkt der Bescheiderteilung nur als freiwilliges Mitglied angehört habe, Ersatzkassen aber nur für Pflichtmitglieder die Befreiung von der Versicherungspflicht aussprechen könnten. Sei der Befreiungsbescheid von vornherein fehlerhaft gewesen, so hätte er nicht nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen, sondern rückwirkend aufgehoben werden dürfen.
Die beigeladene BfArb vertritt gleichfalls die Meinung, daß nicht die beklagte Ersatzkasse, sondern die Allgemeine Ortskrankenkasse für die Entscheidung über den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht zuständig gewesen sei. Außerdem sei der Befreiungsbescheid deshalb fehlerhaft gewesen, weil der Klägerin nicht Anwartschaft auf Hinterbliebenenversorgung gewährleistet gewesen sei. Die beklagte Ersatzkasse sei daher zum Widerruf ihres rechtswidrigen Befreiungsbescheides mit Wirkung für die Zukunft verpflichtet gewesen.
II
Die Revision ist nicht begründet. Zu Recht hat die beklagte Ersatzkasse ihren Bescheid über die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht vom 17. Januar 1955 durch ihren Widerrufsbescheid vom 20. Juli 1955 aufgehoben.
Der Befreiungsbescheid war rechtswidrig.
Die beklagte Ersatzkasse war für die Entscheidung über den Antrag der Klägerin auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der KrV nicht zuständig. § 173 Abs. 2 Satz 1 RVO enthält keine nähere Regelung der Zuständigkeit. Welche Krankenkasse zur Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht zuständig ist, ergibt sich daher allein aus dem Sachzusammenhang, der eine Krankenkasse vor allen anderen für diese Entscheidung besonders berufen erscheinen läßt. In diesem Sinne hatte auch das Reichsversicherungsamt (RVA) in seinem Bescheid vom 14. Juli 1941 (AN 1941 S. 323) - der die nach dem damaligen Recht zu klärende Frage betraf, welches Versicherungsamt für die Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht zuständig war - vor allem darauf abgestellt, für welchen Versicherungsträger die Befreiung von der Versicherungspflicht die stärkere Wirkung hatte. Dieser Gesichtspunkt hat auch nach der Neufassung des § 173 RVO durch die Erste Verordnung zur Vereinfachung des Leistungs- und Beitragsrechts in der Sozialversicherung vom 17. März 1945 (RGBl I 41), der den Krankenkassen die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht übertrug, seine Bedeutung behalten. Gehört nun - wie im vorliegenden Falle - ein Versicherter wegen Überschreitung der Jahresarbeitsverdienstgrenze in der KrV einer Ersatzkasse nur als freiwilliges Mitglied an, so äußert die Befreiung von der Versicherungspflicht in der KrV, auf die sich § 173 RVO allein bezieht, für den Träger dieses Versicherungszweigs überhaupt keine Wirkungen. Sie hat in diesem Fall nur praktische Bedeutung für die Versicherungszweige, auf die sie als Folgewirkung ausstrahlt, nämlich für die Arbeitslosenversicherung (§ 69 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung - AVAVG - aF, § 56 AVAVG nF) und - nach dem im vorliegenden Fall noch maßgeblichen Recht - für die Rentenversicherung (vgl. § 1226 RVO aF; § 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG - aF); die Einzugsstelle wird insoweit von ihrer Pflicht zum Beitragseinzug entbunden. Deshalb ist in einem solchen Fall nur die für die Einziehung der Pflichtversicherungsbeiträge zuständige Krankenkasse zur Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht berufen. Einzugsstelle war aber im vorliegenden Fall diejenige Krankenkasse, die zuständig wäre, wenn der Versicherte "krankenversicherungspflichtig, aber nicht bei einer Ersatzkasse versichert" wäre (§ 2 der Durchführungsverordnung - DurchfVO - vom 15. Juni 1942 zu § 8 Abs. 1 Nr. 2 und 3 der 2. Verordnung über die Vereinfachung des Lohnabzugs vom 24. April 1942 - RGBl I 403 - (jetzt § 1399 Abs. 2 Satz 2 RVO); § 145 Abs. 1 Nr. 2 AVAVG idF des § 17 der 2. Verordnung über die Vereinfachung des Lohnabzugs und § 18 der DurchfVO). Im vorliegenden Fall war demnach die beigeladene Allgemeine Ortskrankenkasse - und nicht die beklagte Ersatzkasse - für die Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht zuständig.
Der Befreiungsbescheid der beklagten Ersatzkasse war noch aus einem anderen Grunde rechtswidrig. Der Klägerin war keine Anwartschaft auf Hinterbliebenenversorgung gewährleistet (vgl. § 173 Abs. 1 RVO). Diesem Erfordernis wurde auch nicht dadurch genügt, daß sie und ihre Kinder als Hinterbliebene eines Beamten Versorgungsbezüge erhielten (BSG 14, 185, 186 ff.; vgl. auch BSG 11, 243). Die Klägerin hätte somit nicht von der Versicherungspflicht befreit werden dürfen.
Der fehlerhafte Befreiungsbescheid ist nicht bindend im Sinne des § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) geworden. Deshalb sind die Grundsätze, die der erkennende Senat über die Bestandskraft eines bindend gewordenen fehlerhaften Befreiungsbescheides in seinem Urteil vom 21. November 1961 (BSG 15, 252) ausgesprochen hat, hier unanwendbar. Im vorliegenden Streitfall hat der Träger der Arbeitslosenversicherung - ArblV - (Arbeitsamt H) den gegen den Befreiungsbescheid gegebenen Rechtsbehelf des Widerspruchs (§ 80 Nr. 1 SGG) eingelegt. Vom Bescheid der Krankenkasse über die Befreiung von der Versicherungspflicht wurde nicht nur die Klägerin, sondern auch der Träger der ArblV - wie auch der Träger der Rentenversicherung - betroffen; denn die Befreiung von der Versicherungspflicht in der KrV hatte unmittelbar auch Befreiung von der Versicherungspflicht in der ArblV zur Folge (vgl. § 69 Nr. 2 AVAVG aF i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 AVG aF). Als Rechtsträger, in dessen Rechte der Befreiungsbescheid unmittelbar eingriff, war somit auch der Träger der ArblV Beteiligter am Verwaltungsakt der Krankenkasse; er konnte daher - falls beschwert - diesen Verwaltungsakt anfechten (vgl. BSG 15, 118, 125). Gerade diese Anfechtungsmöglichkeit schafft erst das Gegengewicht zu der sonst für die mitbetroffenen Versicherungszweige kaum tragbaren Bindung an die Entscheidung der Krankenkasse über die Befreiung von der Versicherungspflicht.
Im vorliegenden Streitfall hat das Arbeitsamt Hamburg seinen Antrag vom 5. Juli 1955 zwar nicht ausdrücklich als Widerspruch gegen den Befreiungsbescheid bezeichnet. Das war aber auch nicht notwendig. Aus Begründung und Antrag ging für die beklagte Ersatzkasse klar hervor, daß das Arbeitsamt eine Überprüfung des Befreiungsbescheides und seinen Widerruf begehrte. Damit war der Widerspruch erhoben und hatte das Vorverfahren begonnen (§ 83 SGG).
Der Widerspruch war auch fristgerecht erhoben, obwohl er erst am 7. Juli 1955 bei der beklagten Ersatzkasse einging und der Befreiungsbescheid schon am 17. Januar 1955 erlassen war; denn die dem Befreiungsbescheid mitgegebene Rechtsbehelfsbelehrung ist unrichtig. Sie verweist auf die Möglichkeit der sofortigen Klage statt des Widerspruchs. Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, wann der Befreiungsbescheid dem Träger der ArblV als "Beschwertem bekanntgegeben" (§ 84 Abs. 1 RVO) wurde. Jedenfalls stand dem Träger der ArblV für die Einlegung des Widerspruchs die Jahresfrist zur Verfügung (§ 66 Abs. 2 i. V. m. § 84 Abs. 2, letzter Satz SGG).
Da der Widerspruch gegen den fehlerhaften Befreiungsbescheid, wie bereits dargelegt, begründet war, hatte ihm die beklagte Ersatzkasse abzuhelfen (§ 85 Abs. 1 SGG). Zu Recht ist dies dadurch geschehen, daß der Geschäftsführer der beklagten Ersatzkasse den Befreiungsbescheid "widerrufen", d. h. rückwirkend auf den Zeitpunkt seines Erlasses aufgehoben hat. Nach der klaren, uneingeschränkten Regelung des § 85 Abs. 1 SGG greift die Pflicht zur Abhilfe durch die Verwaltung selbst - ohne Einschaltung ihrer Widerspruchsstelle - in jedem Falle Platz, wenn der Widerspruch eines beschwerten Beteiligten gegen einen fehlerhaften Verwaltungsakt für begründet erachtet wird, demnach auch dann, wenn der angefochtene Verwaltungsakt - wie im vorliegenden Fall - einen anderen Beteiligten begünstigt hat. Den Interessen dieses Beteiligten, der durch den Abhilfebescheid beschwert wird, ist dadurch ausreichend Rechnung getragen, daß er seinerseits jetzt zur Erhebung des Widerspruchs berechtigt ist, über den nunmehr in jedem Falle - wie hier auch geschehen - die Widerspruchsstelle zu befinden hat.
Demnach hätte die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht in vollem Umfange rückgängig gemacht werden müssen, wie es auch der Widerrufsbescheid der beklagten Ersatzkasse vom 20. Juli 1955 geregelt hatte. Im vorliegenden Streitfall hat es jedoch sein Bewenden damit, daß die Klägerin erst vom 22. Juli 1955 an - dem Tage der Zustellung des Widerrufsbescheids - wieder versicherungspflichtig ist, da diese Entscheidung des SG mangels Anfechtung durch einen beschwerten Beteiligten rechtskräftig geworden ist.
Die Revision der Klägerin ist somit als unbegründet zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 2324168 |
BSGE, 261 |