Leitsatz (amtlich)
1. Die Gewährung einer Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen des Todes des Ehemannes infolge Berufskrankheit setzt ua voraus, daß das Leiden des Ehemannes im Zeitpunkt seines Todes von der für ihm maßgebenden Berufskrankheitenverordnung (BKVO) erfaßt ist.
2. Die 2. BKVO vom 1929-02-11 (RGBl 1 27) erfaßt Silikosen der Versicherten des Saarlandes nur dann, wenn sie auf einer nach dem 1932-12-31 verrichteten Berufstätigkeit beruhen.
Die 3. BKVO vom 1936-12-16 (RGBl 1 1117) gilt dagegen im Saarland insoweit uneingeschränkt.
3. Eine am 1937-04-01 vorliegende Silikose (Nr 17a des Anl zur 3. BKVO) und eine am 1937-04-01 vorliegende Siliko-Tuberkulose (Nr 17b der Anl zur 3. BKVO) werden, soweit sie nicht schon auf Grund der 2. BKVO zu entschädigen sind, nach der 3. BKVO nur dann entschädigt, wenn sie nach dem 1933-01-30 eingetreten sind.
4. Der Versicherungsfall (3. BKVO § 3 Abs 2) ist bei einer schweren Silikose (Nr 17a der Anl zu dieser VO) und bei einer Siliko-Tuberkulose (Nr 17b der Anl zu dieser VO) frühestens in dem Zeitpunkt eingetreten, in dem bei dem Versicherten ein den Voraussetzungen der Nr 17a bzw Nr 17b der Anl zur 3. BKVO entsprechendes Krankheitsbild vorgelegen hat.
Normenkette
BKVO 3 § 12 Fassung: 1936-12-16, § 3 Abs. 2 Fassung: 1936-12-16; SVSaarÜblV § 12 Fassung: 1935-02-15; BKVO 2 § 3 Fassung: 1929-02-11; BKVO 3 Anl 1 Nr. 17a Fassung: 1936-12-16, Nr. 17b Fassung: 1936-12-16
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 14. November 1961 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht für das Saarland zurückverwiesen.
Gründe
I.
Der 1886 geborene Ehemann der Klägerin, Ludwig Z (Z.), war von 1908 bis 1925 als Kohlenhauer im saarländischen Bergbau der Einwirkung von Gesteinstaub ausgesetzt. Nachdem er von Februar 1925 bis Februar 1926 und von Oktober 1926 bis Oktober 1927 wegen offener Lungentuberkulose in verschiedenen Krankenhäusern behandelt worden war, wurde er wegen dieses Leidens von der Knappschaft rückwirkend ab Oktober 1926 invalidisiert.
Der Ehemann der Klägerin beantragte am 8. Mai 1939 die Gewährung einer Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen Silikose. Die Beklagte lehnte diesen Entschädigungsanspruch mit Bescheid vom 27. November 1939 auf Grund des § 12 der 3. Berufskrankheitenverordnung (BKVO) ab, weil der Versicherungsfall vor dem 31. Januar 1933 eingetreten sei. Sie stützte sich auf eine Äußerung des Prof. Dr. K vom 10. Februar 1939 und auf ein Gutachten dieses Arztes vom 28. Juli 1939, wonach seit Oktober 1927 eine schwere Siliko-Tuberkulose vorgelegen hat.
Die Berufung gegen diesen Bescheid ist nach nochmaliger Stellungnahme von Prof. Dr. K vom 21. Dezember 1940 durch rechtskräftig gewordenes Urteil des Knappschafts-Oberversicherungsamts Bonn vom 18. April 1941 zurückgewiesen worden. Am 1. Oktober 1941 starb der Ehemann der Klägerin infolge schwerer Staublungenerkrankung in Verbindung mit aktiv fortschreitender Lungentuberkulose.
Die Klägerin beantragte am 24. Juni 1958 die Gewährung der Hinterbliebenenentschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 7. Januar 1960 diesen Anspruch unter Hinweis auf ihren Bescheid vom 27. November 1939 und das rechtskräftige Urteil des Knappschafts-Oberversicherungsamts Bonn vom 18. April 1941 ab.
Die Klägerin hat gegen diesen Bescheid Klage erhoben und vorgetragen, der Eintritt des Versicherungsfalles könne bei Berufskrankheiten rückblickend nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Nur der im Zeitpunkt einer Untersuchung festgestellte Befund sei maßgebend und dieser Zeitpunkt sei in der Regel auch identisch mit dem Tag der Feststellung einer entschädigungspflichtigen Berufskrankheit. Die von Prof. Dr. K im Jahre 1939 vorgenommene Rückdatierung des Beginns der Berufskrankheit auf das Jahr 1927 beruhe auf einer Annahme, der versicherungsrechtlich keine Bedeutung zukomme.
Mit Urteil vom 10. April 1961 hat das Sozialgericht (SG) für das Saarland die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 7. Januar 1960 verurteilt, der Klägerin Hinterbliebenenrente ab Juli 1958 zu gewähren. In den Gründen des Urteils ist ausgeführt, dem Anspruch der Klägerin stehe die rechtskräftige Entscheidung des früheren Knappschafts-Oberversicherungsamtes Bonn nicht entgegen. Die Hinterbliebenenrente sei eine von der Verletztenrente unabhängige, selbständige Leistung. Auch die Bestimmung des § 12 der 3. BKVO schließe den Anspruch der Klägerin nicht aus. Denn Versicherungsfall sei für die Hinterbliebenenrente nur der Zeitpunkt des Todes und nicht der des Beginns der Krankheit im Sinne der Krankenversicherung (§ 3 Abs. 2 Satz 1 BKVO).
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Sie vertritt die Auffassung, daß auch für die Hinterbliebenenrente der Beginn der Berufskrankheit und nicht der Zeitpunkt des Todes als Versicherungsfall in Betracht komme. Der Tod sei ebensowenig wie sonst in der Unfallversicherung Versicherungsfall, sondern nur die mögliche Folge des Versicherungsfalles der Berufskrankheit. Ein Anspruch der Klägerin wäre daher nur gegeben, wenn der Versicherungsfall nach dem 30. Januar 1933 eingetreten sei. Der Beginn der zum Tode führenden Erkrankung des Ehemannes der Klägerin liege aber vor diesem Tage.
Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 14. November 1961 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen; es hat die Revision zugelassen.
Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Hinterbliebenenentschädigung, weil ihr Ehemann nicht an einer Berufskrankheit gestorben sei. Eine Entschädigung könnte zwar nicht schon unter Hinweis auf die Rechtskraft des den Rentenanspruch des Ehemannes der Klägerin ablehnenden Urteils des Oberversicherungsamtes (OVA) vom 18. April 1941 versagt werden; denn der Anspruch auf Hinterbliebenenrente bilde einen selbständigen Rechtsanspruch. Der Anspruch der Hinterbliebenen setze aber voraus, daß der Versicherte einen Arbeitsunfall erlitten bzw. daß er an einer Berufskrankheit gelitten habe, die unter die maßgebende Berufskrankheitenverordnung falle. Insoweit stelle nämlich auch bei der Hinterbliebenenrente der Tod keinen selbständigen, von dem Zeitpunkt des Eintritts der Berufskrankheit völlig unabhängigen Versicherungsfall dar. Der Versicherungsfall einer Berufskrankheit mit der Folge eines eine Entschädigungspflicht auslösenden Todes sei aber bei dem Ehemann der Klägerin nicht eingetreten, obwohl er infolge einer schweren Staublungenerkrankung in Verbindung mit aktiv fortschreitender Lungentuberkulose gestorben ist. Denn die Dritte BKVO erfasse gemäß § 12 nur die Fälle, in denen der Versicherungsfall nach dem 30. Januar 1933 eingetreten ist. Diese Voraussetzungen lägen aber hier nicht vor; denn das Leiden habe, wie Prof. Dr. K dargelegt habe, schon im Oktober 1927 bestanden. An dieser Beurteilung zu zweifeln, bestehe kein Anlaß; denn der Kläger sei bereits im Februar 1925 aus der staubgefährdeten Tätigkeit ausgeschieden und sei seitdem mit kurzer zwischenzeitlicher Unterbrechung zwei Jahre hindurch bis Oktober 1927 in verschiedenen Krankenhäusern stationär wegen einer Lungentuberkulose behandelt worden. Es seien auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, die es wahrscheinlich machen könnten, daß die Krankheit erst nach dem 30. Januar 1933 begonnen oder daß sie nach diesem Zeitpunkt den von Dr. K geschilderten Schweregrad erreicht habe. Dabei könne dahinstehen, ob man den Versicherungsfall schon mit dem Beginn der Krankheit im Sinne der Krankenversicherung oder erst mit dem Eintritt einer meßbaren (nicht unbedingt schon entschädigungspflichtigen) Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) annehme, oder ob man den Versicherungsfall erst dann als gegeben ansehe, wenn eine schwere Gesamterkrankung bestehe. Denn all diese Voraussetzungen hätten bei dem Ehemann der Klägerin mindestens schon im Oktober 1927, jedenfalls aber vor dem 30. Januar 1933 vorgelegen. Der maßgebende "Versicherungsfall" sei daher von der Dritten BKVO nicht mehr erfaßt worden. Der Tod des Ehemannes der Klägerin sei daher auch nicht infolge einer unter diese Verordnung fallenden Berufskrankheit eingetreten, so daß der Anspruch auf Hinterbliebenenrente unbegründet sei. Die Zweite BKVO vom 11. Februar 1929 (RGBl I S. 27), nach der möglicherweise gemäß Nr. 16 des Anhangs zu dieser Verordnung sowohl für den Ehemann selbst als auch für die hinterbliebene Klägerin ein Entschädigungsanspruch gegeben wäre, habe im Saarland nicht gegolten. Schließlich sei der Anspruch der Klägerin auch deshalb nicht begründet, weil nach § 12 der Verordnung über die Überleitung der Sozialversicherung des Saarlandes vom 15. Februar 1935 (RGBl I S. 240) Berufskrankheiten (und somit auch deren Folgen, zB der Tod infolge einer Berufskrankheit) im Saarland nur entschädigt werden, wenn sie durch Beschäftigung nach dem 31. Dezember 1932 verursacht sind. Der Ehemann der Klägerin sei aber bereits im Februar 1925 aus der eine Silikose verursachenden steinstaubgefährdeten Hauertätigkeit ausgeschieden.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Revision eingelegt. Sie rügt Verletzung der §§ 128 und 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch das Berufungsgericht. Das LSG sei bei der Beurteilung ihres Hinterbliebenenrentenanspruchs davon ausgegangen, daß der entschädigungspflichtige Versicherungsfall bereits vor dem 31. Januar 1933 eingetreten sei, weil das Leiden ihres Ehemannes nach den gutachtlichen Äußerungen des Prof. Dr. K bereits seit dem Jahre 1927 bestanden und schon zu dieser Zeit eine MdE um 70 v. H. bedingt habe. Diese Feststellung begegne Bedenken, weil der Chefarzt Dr. D vom Knappschaftskrankenhaus F. in einem Gutachten vom 8. Oktober 1927 den Verstorbenen nur um 30 v. H. erwerbsbeschränkt gehalten habe. Die Feststellung des Prof. Dr. K, der Verstorbene sei 1927 nur noch 30 v. H. erwerbsfähig gewesen, könne demnach nicht zutreffen und beruhe auf einer Verwechslung oder falschen Deutung des Gutachtens vom 8. Oktober 1927. Dies hätte auch das Berufungsgericht erkennen und sich verpflichtet fühlen müssen, die Widersprüche aufzuklären.
Die Feststellung des Berufungsgerichts, es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, daß die Krankheit des Versicherten erst nach dem 30. Januar 1933 begonnen oder einen Schweregrad erreicht hätte, der sie zur entschädigungspflichtigen Berufskrankheit gemacht habe, stehe im Widerspruch zum Akteninhalt. Bereits im Gutachten des Knappschaftskrankenhauses S. vom 28. Juli 1939 werde ausdrücklich ausgeführt, daß nicht mit Sicherheit festgestellt werden könne, ob bereits 1927 erhebliche silikotische Veränderungen vorgelegen hätten, da aus der Zeit von 1925 bis 1927 keine Röntgenbilder vorhanden seien. Im Gutachten des gleichen Krankenhauses vom 21. Oktober 1940 habe Prof. Dr. K darüber hinaus ausdrücklich bestätigt, daß nicht feststehe, ob die Lungenerkrankung des Versicherten bereits vor dem 31. Januar 1933 einen solchen Grad erreicht habe, daß sie als entschädigungspflichtige Berufskrankheit bezeichnet werden müsse und daß sich eine derartige Feststellung mit einiger Wahrscheinlichkeit auch nicht auf ärztliche Befunde stützen lasse. Das Berufungsgericht habe sich jedoch mit diesem Gutachten überhaupt nicht auseinandergesetzt und es in keiner Weise gewürdigt. Damit beruhe seine Entscheidung nicht auf dem gesamten Akteninhalt. Nachdem Prof. Dr. K im Gutachten vom 21. Dezember 1940 ausdrücklich festgestellt habe, daß er vom rein medizinischen Standpunkt aus keine Entscheidung darüber treffen könne, ob die Erkrankung des Verstorbenen bereits vor dem 31. Januar 1933 in entschädigungspflichtigem Umfang bestanden habe, hätte das Berufungsgericht eine derartige Feststellung nicht mit den gutachtlichen Äußerungen dieses Sachverständigen begründen dürfen. Das Berufungsgericht habe auch die in den Akten enthaltenen Aussagen zum Krankheitsverlauf nicht ausreichend berücksichtigt und gewürdigt. Diese Unterlagen ließen erkennen, daß der entschädigungspflichtige Leidenszustand des Klägers erst nach dem 30. Januar 1933 eingetreten sein könne. Dies folge aus der Beurteilung des Knappschaftskrankenhauses Q. vom 6. April 1927, worin mit der Wiederherstellung der vollen Arbeitsfähigkeit binnen eines halben Jahres gerechnet worden sei. Die ärztlichen Sachverständigen des Knappschaftskrankenhauses F. hätten in ihrem Gutachten vom 8. Oktober 1927 angenommen, daß die Invalidität des Verstorbenen nach zwei Jahren dauernd behoben sein würde. Nach dem im Gutachten des Knappschaftskrankenhauses S. vom 28. Juli 1939 angegebenen Krankheitsverlauf sei aber eine wesentliche Verschlimmerung des Leidens ihres Ehemannes durch das Auftreten von Lungenbluten erst im März 1933 eingetreten. Für die Zeit von 1927 bis März 1933 seien keine besonderen Krankheitsmerkmale aufgeführt. Aus diesen gutachtlichen Feststellungen hätte das Berufungsgericht entnehmen müssen, daß eine entschädigungspflichtige Berufskrankheit erst nach dem 30. Januar 1933 eingetreten sei. Das Berufungsgericht sei zumindest verpflichtet gewesen, die in den Gutachten des Prof. Dr. K enthaltenen Widersprüche aufzuklären und einen weiteren fachärztlichen Sachverständigen darüber zu hören, zu welchem Zeitpunkt das Leiden ihres Ehemannes den Grad einer entschädigungspflichtigen Berufskrankheit erreicht hätte. Diese Sachaufklärung würde bestätigt haben, daß ein derartiger Leidenszustand erst nach dem 30. Januar 1933 eingetreten sei.
Weiter rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts durch das Berufungsgericht. Ihr Ehemann sei nämlich erst zu einem Zeitpunkt gestorben, in dem nach § 12 der 3. BKVO eine Entschädigung nicht mehr ausgeschlossen gewesen sei. § 3 Abs. 2 BKVO bestimme zwar, daß als Zeitpunkt des Versicherungsfalles der Beginn der Krankheit im Sinne der Krankenversicherung gelte, dies könne jedoch nur für die Versichertenrente Bedeutung haben. Bei der Hinterbliebenenrente sei der Zeitpunkt des Todes maßgeblich. § 3 Abs. 1 BKVO erfordere auch nicht das Vorliegen einer entschädigungspflichtigen Berufskrankheit, sondern begnüge sich mit dem Vorliegen einer Berufskrankheit überhaupt. Diese habe bei ihrem Ehemann aber vorgelegen. § 12 der Verordnung (VO) über die Überleitung der Sozialversicherung des Saarlandes vom 15. Februar 1935 stehe dem nicht entgegen.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts für das Saarland vom 14. November 1961 die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 18. April 1961 zurückzuweisen und die Beklagte zu verurteilen, ihr die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Verfahrensrügen der Klägerin greifen ihrer Ansicht nach nicht durch. Das Gutachten des Dr. D vom 8. Oktober 1927 besage bei richtiger Würdigung, daß der Ehemann der Klägerin damals nur noch 30 v. H. erwerbsfähig gewesen sei. Wenn auch Prof. Dr. K in seinem Gutachten vom 21. Dezember 1940 nicht mehr so deutlich wie früher davon spreche, daß die Berufskrankheit vor dem 30. Januar 1933 eingetreten sei, so habe er doch zu erkennen gegeben, daß er persönlich diese Annahme für wahrscheinlicher halte. Soweit die Klägerin auf die Voraussagen über die mögliche Besserung des Leidens in den Gutachten aus dem Jahre 1927 hinweise, übersehe sie, daß bei den Nachuntersuchungen ihres Ehemannes in den Jahren 1929 und 1931 eine Besserung in dessen Zustand nicht festgestellt worden sei.
Im übrigen ist die Beklagte der Meinung, daß der Anspruch schon nach § 12 der VO über die Überleitung des Sozialversicherungsrechts des Saarlandes vom 15. Februar 1935 ausgeschlossen sei, weil die Beschäftigung, auf der die Berufskrankheit des Klägers beruhe, nicht nach dem 31. Dezember 1932 ausgeübt worden sei. Weiterhin macht die Beklagte geltend, daß der Anspruch der Klägerin gemäß § 1548 der Reichsversicherungsordnung (RVO) verspätet angemeldet worden sei.
II.
Die Revision ist begründet.
Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß die Rechtskraft des Urteils des Knappschaftsoberversicherungsamtes Bonn vom 18. April 1941 die Entscheidung über den von der Klägerin erhobenen Anspruch auf Hinterbliebenenrente nicht berührt. Denn es handelt sich bei dem Anspruch auf Hinterbliebenenrente rechtlich um einen anderen Anspruch als den von dem Ehemann der Klägerin im Jahre 1939 geltend gemachten Entschädigungsanspruch, über den das Knappschaftsoberversicherungsamt im Jahre 1941 entschieden hat.
Entscheidend für die Frage, ob die Klägerin einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente hat, ist, ob der Tod ihres Ehemannes "infolge einer Berufskrankheit" eingetreten ist (§ 3 Abs. 1 der 2. BKVO vom 11. Februar 1929 - RGBl I, 27 -, § 3 Abs. 1 der 3. BKVO vom 16. Dezember 1936 - RGBl I, 1117 -). Der Anspruch der Klägerin setzt danach voraus, daß der Ehemann der Klägerin (Z.) im Zeitpunkt seines Todes an einer Berufskrankheit gelitten hat, die von der für ihn maßgebenden BKVO erfaßt war, und daß diese Krankheit seinen Tod verursacht hat. Es kommt also zunächst darauf an, ob die Krankheit, an der Z. gelitten hat, im Zeitpunkt seines Todes von der für ihn maßgebenden BKVO erfaßt war.
Im Saarland waren bis zu seiner Wiedereingliederung in das Deutsche Reich im Jahre 1935 Berufskrankheiten, auf welche die Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung Anwendung finden (§ 545 RVO aF), nicht anerkannt. Erst im Jahre 1935 wurde anläßlich der Wiedereingliederung in das Deutsche Reich das deutsche Sozialversicherungsrecht und damit die damals geltende 2. BKVO vom 11. Februar 1929 (RGBl I, 27) im Saarland eingeführt. Damit waren im Saarland erstmalig Berufskrankheiten als entschädigungspflichtig anerkannt. Die 2. BKVO zählte in ihrer Anlage unter Nr. 16 die schwere Steinstaublungenerkrankung (Silikose) auf, erkannte dagegen die Siliko-Tuberkulose noch nicht an, wenn auch die Tuberkulose bei der Berechnung des Grades der Erwerbsminderung zu berücksichtigen war. Es kann dahinstehen, ob Z. im Jahre 1935 an einer schweren Silikose gelitten hat oder ob dies nicht der Fall war, jedenfalls bestand ein Anspruch auf Entschädigung gemäß § 12 der VO über die Überleitung der Sozialversicherung des Saarlandes vom 15. Februar 1935 (RGBl I, 240) nicht. Nach dieser Vorschrift kam ein Anspruch nämlich nur in Betracht, wenn die Berufskrankheit auf einer nach dem 31. Dezember 1932 verrichteten Beschäftigung beruhte. Z. hat aber zuletzt im Jahre 1925 eine Tätigkeit im Bergbau ausgeübt, auf die allein seine Silikose zurückgeführt werden kann. Die 2. BKVO erfaßte somit das Leiden des Z. nicht.
Die Krankheit des Z. könnte also erst von der 3. BKVO vom 16. Dezember 1936 (RGBl I, 1117), in Kraft getreten am 1. April 1937, erfaßt worden sein. § 12 der Überleitungsverordnung vom 15. Februar 1935 schließt dies nicht aus. Denn diese VO betraf die Einführung des im Zeitpunkt der Eingliederung des Saarlandes in das Deutsche Reich im Jahre 1935 geltenden deutschen Sozialversicherungsrechts, hier also die 2. BKVO. Später erlassene Sozialversicherungsgesetze, also auch die 3. BKVO, traten dagegen grundsätzlich ohne diese Beschränkung im Saargebiet in Kraft. Nach Nr. 17 a der Anlage zur 3. BKVO waren die schwere Staublungenerkrankung (Silikose) und nach Nr. 17 b die Staublungenerkrankung in Verbindung mit Lungentuberkulose, wenn die Gesamterkrankung schwer war und die Staubveränderungen einen aktiv fortschreitenden Verlauf der Tuberkulose wesentlich verursacht hatten (Siliko-Tuberkulose), als Berufskrankheiten anerkannt. Wäre einer dieser Versicherungsfälle nach dem 30. März 1937, also nach dem Inkrafttreten der 3. BKVO eingetreten, so wäre das Leiden des Ehemannes der Klägerin von der 3. BKVO ohne weiteres erfaßt worden, weil jede Rechtsnorm die Tatbestände erfaßt, die nach ihrem Inkrafttreten eintreten. Die 3. BKVO ist aber darüber hinaus durch § 12 rückwirkend in Kraft gesetzt worden. Nach dieser Bestimmung wird eine am 1. April 1937 vorliegende Berufskrankheit, die nach dem 30. Januar 1933 eingetreten ist, von den Vorschriften der 3. BKVO erfaßt. Allerdings gilt diese Rückwirkung nur für Berufskrankheiten, die nicht schon auf Grund der 2. BKVO zu entschädigen waren. Es besteht hinsichtlich der Siliko-Tuberkulose keine solche Einschränkung, weil diese Krankheit in der 2. BKVO noch nicht als Berufskrankheit anerkannt war. Etwas anders lagen die Verhältnisse bei der schweren Steinstaublungenerkrankung. Diese war bereits durch die 2. BKVO als Berufskrankheit anerkannt. Allerdings darf nicht übersehen werden, daß die 2. BKVO auf Grund des § 12 der Überleitungsverordnung vom 15. Februar 1935 im Saargebiet nur beschränkt eingeführt worden ist; denn Berufskrankheiten saarländischer Versicherter waren nach dieser Regelung nur dann entschädigungspflichtig, wenn sie auf einer Tätigkeit beruhten, die nach dem 31. Dezember 1932 ausgeübt worden ist. Eine etwa vorliegende schwere Steinstaublunge des Z. wäre mithin, da sie auf einer bereits im Jahre 1925 abgeschlossenen Tätigkeit beruht, von der 2. BKVO nicht erfaßt worden. Die in § 12 der 3. BKVO ausgesprochene zeitlich beschränkte Rückwirkung greift daher nicht durch. Das Leiden des Z. würde also auch dann, wenn es eine schwere Steinstaublunge wäre, von der 3. BKVO erfaßt, falls sie nach dem 30. Januar 1933 eingetreten wäre.
Nach § 3 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 der 3. BKVO gilt als Zeitpunkt des Eintritts einer Berufskrankheit der Beginn der Erkrankung im Sinne der Krankenversicherung; das ist der Zeitpunkt, in dem Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist. Wenn es für den Versicherten günstiger ist, gilt allerdings der Eintritt der "Erwerbsunfähigkeit" im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung als Zeitpunkt des Eintritts der Berufskrankheit. Als "Erwerbsunfähigkeit" i. S. des § 3 Abs. 2 BKVO ist eine Minderung der Erwerbsfähigkeit des Versicherten im Sinne des § 559 a RVO aF zu verstehen. Behandlungsbedürftigkeit, Arbeitsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit haben diese Bedeutung jedoch nur dann, wenn sie ursächlich auf eine Berufskrankheit zurückzuführen sind. Der Versicherungsfall im Sinne der Unfallversicherung kann also erst dann gegeben sein, wenn das Krankheitsbild einer der in der Anlage zur BKVO aufgeführten Berufskrankheiten vorliegt. Nach Nr. 17 a der Anlage zur 3. BKVO ist nicht jede Staublungenerkrankung, sondern nur die schwere Staublungenerkrankung eine Berufskrankheit i. S. der Unfallversicherung, und nach Nr. 17 b der Anlage zur 3. BKVO ist eine Staublungenerkrankung in Verbindung mit einer Lungentuberkulose nur dann als Berufskrankheit anerkannt, wenn die Gesamterkrankung schwer ist und die Staubveränderungen einen aktiv fortschreitenden Verlauf der Tuberkulose wesentlich verursacht haben. Frühestens mit dem Vorliegen eines solchen Krankheitsbildes kann die Berufskrankheit begonnen haben (vgl. dazu EuM 43 S. 100; 49 S. 231). Die zu § 561 RVO aF ergangene Entscheidung des 2. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. März 1962 (SozR Nr. 1 zu § 561 RVO aF) steht dieser Auffassung nicht entgegen.
Hat Z. an einer schweren Silikose oder an einer Siliko-Tuberkulose im Sinne der Nr. 17 a oder Nr. 17 b der Anlage zur 3. BKVO gelitten und liegt der Beginn einer dieser Berufskrankheiten in dem oben angegebenen Sinne nach dem 30. Januar 1933, so wäre sein Leiden von der 3. BKVO erfaßt. In diesem Fall wäre der Anspruch der Klägerin begründet, wenn Z. an einer dieser Berufskrankheiten gestorben ist.
Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß Z. an einer Siliko-Tuberkulose gestorben ist. Geht man hiervon aus, so kommt es nur darauf an, ob die Siliko-Tuberkulose nach dem 30. Januar 1933 eingetreten ist. Sollte sich aber bei einer nochmaligen Tatsachenfeststellung durch das Berufungsgericht, die sich aus anderen Gründen, wie noch auszuführen sein wird, als notwendig erweist, ergeben, daß Z. an einer schweren Silikose gestorben ist, würde zu prüfen sein, ob diese Berufskrankheit nach dem 30. Januar 1933 eingetreten ist.
Obwohl das Berufungsgericht die materielle Rechtslage im wesentlichen zutreffend beurteilt hat, mußte das angefochtene Urteil aufgehoben werden, weil eine der von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen durchgreift.
Zwar irrt die Klägerin, wenn sie meint, das Berufungsgericht hätte auf Grund des Gutachtens des Dr. D vom 8. Oktober 1927 zu einer anderen Feststellung kommen können. Denn Dr. D sagt in diesem Gutachten, wenn man seine Angaben richtig würdigt, in Wirklichkeit, daß die Erwerbsfähigkeit des Z. "auf" 30 v. H. herabgesetzt ist. Das heißt aber, daß die Erwerbsfähigkeit um 70 v. H. beschränkt ist. Andernfalls hätte Dr. D den versicherten Z. auch nicht als invalide bezeichnet. Das Gutachten des Dr. D stimmt also in diesem Punkt mit dem Gutachten des Prof. Dr. K aus dem Jahre 1939 überein.
Auch kann der Klägerin nicht zugestimmt werden, wenn sie meint, aus den Gutachten der Ärzte des Knappschaftskrankenhauses Q. vom 6. April 1927 und 8. Oktober 1927 ergebe sich, daß die Invalidität des Z. nach einem halben Jahr bzw. nach 2 Jahren seit Erstattung dieser Gutachten wieder behoben gewesen wäre. Einmal handelt es sich bei diesen Äußerungen nur um Prognosen und zudem ist bei den späteren Nachuntersuchungen vom 17. Dezember 1929 und 7. Februar 1931 festgestellt worden, daß inzwischen eine Besserung nicht eingetreten ist.
Dagegen beanstandet die Klägerin zu Recht, daß das Berufungsgericht zwar das Gutachten des Prof. Dr. K aus dem Jahre 1939, nicht aber das Gutachten dieses Arztes vom 21. Dezember 1940 berücksichtigt hat, obwohl der Sachverständige in diesem letzten Gutachten die in seinem ersten Gutachten vertretene Auffassung einschränkt. Während er in dem ersten, vom Berufungsgericht allein seiner Entscheidung zugrunde gelegten Gutachten ausführt, der Versicherungsfall sei vor dem 31. Januar 1933 eingetreten, sagt er in seinem Gutachten vom 21. Dezember 1940 einschränkend, es lasse sich nicht mehr feststellen, ob der Versicherungsfall vor dem 31. Januar 1933 oder nach dem 30. Januar 1933 eingetreten sei. Daran ändert auch entgegen der Ansicht der Beklagten der Umstand nichts, daß der Sachverständige anschließend ausführt, persönlich halte er die erste Annahme für wahrscheinlicher. Das LSG hat sich mit diesem Gutachten, das für seine Entscheidung hätte wesentlich sein können, nicht auseinandergesetzt und hat daher nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens berücksichtigt (§ 128 SGG). Da die Möglichkeit besteht, daß das Berufungsgericht zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis gekommen wäre, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Ob der Klägerin damit im Ergebnis geholfen ist, ist eine andere Frage. Denn wenn das Berufungsgericht unter Verwertung dieses Gutachtens zu dem Ergebnis kommt, es lasse sich nicht feststellen, ob der Versicherungsfall vor dem 31. Januar 1933 oder nach dem 30. Januar 1933 eingetreten ist, geht dies nach dem auch im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz von der objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin. Der von ihr geltend gemachte Anspruch ist nur gegeben, wenn sich feststellen läßt, daß der Versicherungsfall nach dem 30. Januar 1933 eingetreten ist.
Vielleicht wird es zweckmäßig sein, daß das Berufungsgericht noch ein weiteres ärztliches Gutachten einholt, das erneut zu der Frage Stellung nimmt, ob Z. an einer schweren Silikose oder an einer Siliko-Tuberkulose (Nr. 17 a oder 17 b der Anlage zur 3. BKVO) gelitten hat und gestorben ist und ob die Berufskrankheit, an der er gelitten hat und an der er gestorben ist, nach dem 30. Januar 1933 oder vor dem 31. Januar 1933 eingetreten ist.
Eine Entscheidung in der Sache hätte allerdings dann getroffen werden können, wenn die Beklagte mit ihrem in der Revisionsinstanz erstmaligen Vortrag, die Klägerin habe ihren Anspruch verspätet angemeldet, durchdringen würde. Ob dieses Vorbringen noch in der Revisionsinstanz möglich ist, kann dahinstehen. Denn der Senat konnte hierüber schon deshalb nicht entscheiden, weil es insoweit an den erforderlichen Feststellungen fehlt. Auch diese Feststellungen wird das LSG noch zu treffen haben.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen
Haufe-Index 2380319 |
BSGE, 41 |