Leitsatz (redaktionell)

Die Endbefristung einer nur für die zurückliegende Zeit gewährten Rente stellt keine Rentenentziehung dar.

 

Normenkette

RVO § 622 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1963-04-30

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 27. Juli 1967 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung über den 31. Juli 1966 hinaus zusteht.

Am 5. November 1962 erhielt der im Jahre 1921 geborene Kläger bei der Arbeit einen Schlag von einer Winde an den Kopf, der nach Ansicht der Ärzte eine Gehirnerschütterung bewirkte. Er wurde am 27. November 1962 aus der stationären Behandlung entlassen und nahm am 17. Januar 1963 die Arbeit wieder auf.

Mit Bescheid vom 25. März 1963 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Teilrente in Höhe von zunächst 30 v. H. und vom 6. Februar 1963 an in Höhe von 20 v. H. der Vollrente als vorläufige Leistung. Als Unfallfolgen wurden "nervöse Störungen nach Gehirnerschütterung" festgestellt. Maßgebend für die Entscheidung war das Gutachten des Nervenarztes Dr. M vom 6. Februar 1963. Hiernach waren die wesentlichen Folgen der Gehirnerschütterung abgeklungen; gelegentlich könnten noch Kopfschmerzen und auch Schwindelgefühle vorkommen. Die vom Kläger beschriebenen anfallartigen Erscheinungen sah der Sachverständige nicht als unfallbedingt an.

Mit Bescheid vom 27. September 1963 entzog die Beklagte die Rente mit Ablauf des Oktobers 1963. Maßgebend hierfür war das Gutachten des Dr. M vom 4. September 1963. Auf die gegen den Bescheid erhobene Klage holte das Sozialgericht (SG) ein Gutachten (23. November 1964) sowie noch ein Ergänzungsgutachten (10. August 1965) von Prof. Dr. E ein.

Prof. Dr. E und seine Mitgutachter von der Neurologischen Universitätsklinik G kamen zu dem Ergebnis, es sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit beim Kläger zu einer Frühform posttraumatischer zerebraler Anfälle gekommen. Sie rieten bei Wiederauftreten der Anfälle im Rehabilitationswege zur Gewährung eines Kuraufenthalts in einem Krankenhaus, wo die Anfälle klinisch und elektroencephalographisch diagnostisch verfolgt werden könnten; hierfür empfahlen sie das Sanatorium für Nerven- und Gemütskranke K, dessen Leiter Dr. W besondere Erfahrungen auf dem Gebiet der Anfallskrankheiten besitze. Daraufhin schlossen die Beteiligten am 8. Dezember 1965 zur Erledigung des Rechtsstreits folgenden Vergleich:

Die Beklagte gewährt dem Kläger in Abänderung des Bescheides vom 27. September 1963 über den 31. Oktober 1963 hinaus bis zum 31. Oktober 1964 eine vorläufige Unfallrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v. H. und verpflichtet sich, dem Kläger einen Dauerrentenbescheid nach einer entsprechenden weiteren Untersuchung und Beobachtung zu erteilen.

Nach Untersuchung und Beobachtung in der Zeit vom 20. April bis zum 17. Mai 1966 brachte Dr. W in seinem Gutachten vom 17. Mai 1966 zum Ausdruck, die Anfälle ständen mit dem Arbeitsunfall in keinem ursächlichen Zusammenhang; sie seien vielmehr als eine konstitutionell bedingte Reaktion auf das Unfallerlebnis aufzufassen und beruhten in erster Linie auf der Persönlichkeitsstruktur des Klägers. Auch ständen die jetzt geklagten Kopfschmerzen in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfall. Folgen dieses Unfalls seien objektiv nicht mehr festzustellen. Eine meßbare Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei jetzt nicht mehr anzunehmen; rückwirkend seit dem 1. November 1964 dürfte sie höchstens noch 20 % ausgemacht haben.

Auf der Grundlage dieses Gutachtens erteilte die Beklagte am 27. Juni 1966 dem Kläger einen Bescheid über die Feststellung einer Dauerrente. Sie gewährte ihm für die Zeit vom 1. November 1964 bis zum 31. Juli 1966 Rente in Höhe von 20 v. H. der Vollrente. Die Gewährung einer Rente für die Folgezeit wurde abgelehnt, weil keine Folgen des Arbeitsunfalls mehr vorlägen, die die Erwerbsfähigkeit in einem meßbaren Grade beeinträchtigten.

Das SG hat die auf Weitergewährung der Rente über den 31. Juli 1966 hinaus gerichtete Klage abgewiesen. Mit der Berufung gegen dieses Urteil machte der Kläger geltend, es sei keine Besserung nachgewiesen und es beständen immer noch wesentliche Unfallfolgen. Selbst wenn es sich dabei um wunschbedingte Vorstellungen und psychische Reaktionen handeln sollte, so sei doch der Unfall als deren wesentliche Ursache anzusehen. Jedenfalls sei aber das Schutzjahr, das mit der Zustellung des Bescheides vom 27. Juni 1966 begonnen habe, nicht gewahrt.

Das Landessozialgericht (LSG) hat, nachdem noch eine ergänzende Äußerung von Dr. W zu seinem Gutachten eingeholt worden war, die Berufung unter Zulassung der Revision zurückgewiesen. Die Beteiligten hätten, so wird in dem Urteil ausgeführt, bei Abschluß des Vergleichs vom 8. Dezember 1965 vermeiden wollen, daß die vorläufige Rente kraft Gesetzes mit Ablauf von zwei Jahren automatisch zur Dauerrente wurde. Ob dem Kläger Dauerrente zustehe, hätte durch eine eingehende Untersuchung geklärt und der Beklagten Gelegenheit gegeben werden sollen, ohne Zeitdruck rückschauend hierüber zu entscheiden. Gegen diese Regelung, welche die Aufklärung einer in tatsächlicher Hinsicht aufgetretenen Ungewißheit bezweckt habe, beständen keine rechtlichen Bedenken. Diese Klärung sei dann durch das Gutachten von Dr. W erbracht worden. Hiernach seien, wie schon Dr. M richtig vermutet habe, die Anfälle wie auch die angegebenen Kopfschmerzen wahrscheinlich Ausdruck eines Rentenbegehrens. Zwar könnten auch psychische Fehlreaktionen als Folgen eines Unfalls berücksichtigt werden. Es sei hierbei zu prüfen, ob das Unfallereignis und seine organischen Auswirkungen ihrer Eigenart und Stärke nach unersetzlich, d. h. nicht mit anderen alltäglich vorkommenden Ereignissen austauschbar seien. Hierzu habe Dr. W in seinem Gutachten und seiner späteren Stellungnahme, die in Verbindung mit der an ihn gerichteten Anfrage zu würdigen sei, überzeugend zum Ausdruck gebracht, daß die Ursache der Beschwerden des Klägers nicht in dem verhältnismäßig leichten Unfall, sondern in seiner Persönlichkeitsstruktur zu suchen sei, und daß er wahrscheinlich auch sonst auf Lebensschwierigkeiten ähnlich reagiert haben würde. Ein Zusammenhang der Beschwerden des Klägers, soweit sie überhaupt vorlägen, mit dem Unfall sei jedenfalls unwahrscheinlich. Demgegenüber vermöchten die von den Ärzten der Neurologischen Universitätsklinik erstatteten Gutachten nicht zu überzeugen, weil hier eine endgültige Beurteilung gar nicht getroffen worden sei. Auch die Stellungnahme der Ärzte des Krankenhauses in T. enthalte nur Vermutungen, auf die eine Entscheidung nicht gestützt werden könne.

Der Einwand des Klägers, in dem angefochtenen Bescheid sei das Schutzjahr des § 622 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht beachtet worden, treffe nicht zu. Die Jahresbindung nach dieser Vorschrift solle nur verhindern, daß in zu kurzen Abständen Rentenänderungen vorgenommen und die Rentenempfänger hierdurch in ständige Unruhe versetzt würden. Das sei aber bei einer Rentenfeststellung für bereits abgelaufene Zeiträume nicht der Fall.

Mit der Revision rügt der Kläger, das LSG habe das Recht zur freien richterlichen Beweiswürdigung überschritten, seine Sachaufklärungspflicht verletzt und damit auch das materielle Recht des § 581 RVO unrichtig angewendet.

Das Auftreten der Anfälle sei jedenfalls der Grund dafür gewesen, daß die Unfallrente bis zum 31. Oktober 1964 gewährt worden sei. Das ergebe sich eindeutig aus den Gutachten von Prof. Dr. E vom 23. November 1964 und 10. August 1965. Hiernach sollte die weitere Rentengewährung von der Ursächlichkeit der Anfälle abhängig sein, die bei ihrem Wiederauftreten in sechswöchiger stationärer Beobachtung verfolgt werden sollten. Abgesehen davon, daß dann nur eine stationäre Beobachtung von knapp vier Wochen stattgefunden habe, seien in dieser Zeit auch keine Anfälle aufgetreten. Da Dr. W selbst keine Anfälle beobachtet habe, hätten ihm auch nur die gleichen Untersuchungsmethoden zur Verfügung gestanden wie vorher den Ärzten der Universitätsklinik Gießen. Nach Ansicht dieser Sachverständigen sei aber mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß es bei dem Kläger zu einer Frühform posttraumatischer zerebraler Anfälle gekommen sei; auf Grund dieser Beurteilung sei die Rente bis zum 31. Oktober 1964 gezahlt worden. Da die Anfälle dann auch später noch aufgetreten seien, könne der Ursachenzusammenhang allein mit dem Gutachten von Dr. W nicht verneint werden; hiermit habe das LSG sein Recht auf freie Beweiswürdigung überschritten. Es hätte zumindest die Gutachter der Universitätsklinik Gießen hierzu hören oder die Lücke in der Beurteilung des medizinischen Zusammenhangs durch Anhörung anderer Sachverständiger schließen müssen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 27. Juli 1967 und das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 8. Februar 1967 sowie die Bescheide der Beklagten aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die bisher gewährte Rente über den 31. Juli 1966 hinaus weiterzuzahlen,

hilfsweise,

den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für richtig.

In dem Bescheid vom 25. März 1963 seien als unfallbedingte Gesundheitsstörungen lediglich "nervöse Störungen nach Gehirnerschütterung" anerkannt worden. Nach dem Vergleich vom 8. Dezember 1965 sei sie - Beklagte - für die Zukunft lediglich zu abschließender Bescheidung über eine Dauerrentengewährung nach erneuter Untersuchung und Beobachtung verpflichtet gewesen, wobei deren Dauer keineswegs auf 6 Wochen festgelegt worden sei. Der vereinbarten Weiterzahlung der vorläufigen Rente bis zum 31. Oktober 1964 seien keine bestimmten Gesundheitsstörungen ausdrücklich zu Grunde gelegt worden; hierfür könnten nur die bereits in dem Bescheid vom 25. März 1963 genannten Gesundheitsstörungen für weiterhin als entschädigungspflichtig anerkannt gelten. Auch für die Folgezeit bis zum 31. Juli 1966 seien in dem angefochtenen Bescheid lediglich "nervöse Störungen nach Gehirnerschütterung" zugestanden und als unfallbedingt anerkannt. Bei Erlaß dieses Bescheides sei die nur bis zum 31. Oktober 1964 laufende Bindungswirkung des Vergleichs schon lange beendet gewesen. Nach diesem Zeitpunkt noch auftretende nervöse Störungen brauchten aber mit den für die vorhergehende Zeit zugestandenen und anerkannten Gesundheitsstörungen keineswegs identisch zu sein. Soweit sich die Revision gegen die tatsächliche Feststellung des LSG richte, daß ein Zusammenhang der Beschwerden des Klägers, soweit sie überhaupt vorlägen, mit dem Unfall unwahrscheinlich sei, sei dieses Vorbringen nicht hinreichend substantiiert. Es sei nicht ersichtlich, was das LSG, nachdem die von den Vorgutachtern ausdrücklich empfohlene Beobachtung des Klägers durch Dr. W durchgeführt worden sei und das Gutachten von Dr. W vorliege, noch zur weiteren medizinischen Aufklärung hätte veranlassen sollen.

II

Die Revision des Klägers ist nicht begründet.

Das LSG hat zutreffend erkannt, daß durch den angefochtenen Bescheid vom 27. Juni 1966 die Vorschrift des § 622 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVO über das sogenannte "Schutzjahr" nicht verletzt wird. Der Bescheid betrifft inhaltlich die Dauerrentenfeststellung nur für bereits abgelaufene Zeiträume. Dem steht nicht entgegen, daß darin die Rente aus Kulanz noch bis zum Ablauf des folgenden Monats auslaufend gewährt wird. Damit sollte kein laufender Rentenanspruch anerkannt werden, denn der Bescheid geht ersichtlich davon aus, daß bereits bei seinem Erlaß die materiellen Voraussetzungen des Rentenanspruchs nicht mehr vorlagen. Die genannte Schutzvorschrift kann sich aber nach Sinn und Zweck nur auf die Änderung (Entziehung) einer vorher bereits gewährten Rente beziehen, deren es hier nicht bedurfte. Bei einer zeitlich begrenzten rückwirkenden Bewilligung kommt auch eine Beunruhigung des Empfängers, die durch die Schutzvorschrift verhindert werden soll, ohnehin nicht in Betracht. Anderenfalls wäre auch eine solche Rentengewährung überhaupt nicht möglich (vgl. Urt. des Sen. v. 29.9.1970 - 5 RKn U 18/69 -).

Dem angefochtenen Bescheid steht auch, soweit er die Ablehnung der Dauerrentengewährung für die Zukunft ausspricht, keine Bindungswirkung früherer Bescheide entgegen. Da die dem Kläger nach dem Vergleich vom 8.12.1965 als vorläufige Leistung gewährte Rente durch die zeitliche Begrenzung bis zum 31. Oktober 1964 - entsprechend dem Willen der Beteiligten - nicht durch Zeitablauf zur Dauerrente geworden war, betrifft der Bescheid die erste Feststellung der Dauerrente nach § 1585 Abs. 2 RVO. Hierfür wird eine Änderung der Verhältnisse nicht vorausgesetzt. Auch ist für sie die vorher getroffene Feststellung der Grundlagen für die Rentenberechnung nicht bindend. Allerdings betrifft der Ausschluß der Bindungswirkung lediglich diejenigen Feststellungsgrundlagen, die nur die Rentenberechnung berühren, nicht aber diejenigen, welche zugleich den Anspruch als solche betreffen. Hat der Versicherungsträger bei Feststellung der vorläufigen Rente bestimmte Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen anerkannt, so ist er hieran auch bei der Dauerrentenfeststellung gebunden (vgl. BSG 5, 96). Nach dem Inhalt des Bescheides über die vorläufige Rente vom 25. März 1963 können demgemäß aber nur "nervöse Störungen nach Gehirnerschütterung" als anerkannt gelten. Damit ist zwar bindend festgestellt, daß die Beklagte die Folgen der Gehirnerschütterung zu entschädigen hat, nicht aber, welche bestimmten Gesundheitsstörungen vorliegen und der unfallbedingten Gehirnerschütterung anzulasten sind. Zieht man das in dem Bescheid als maßgebend für die Entscheidung angeführte Gutachten von Dr. M vom 6. Februar 1963 hinzu, so kommen hierfür nur gelegentlich vorkommende Kopfschmerzen und auch Schwindelgefühle, die aber "den Rahmen des üblichen nicht überschreiten", in Betracht, wobei diese als im wesentlichen abgeklungen und weiter abklingend angesehen werden. Als für die Zukunft anerkannt können daher aus diesem Bescheid nur die nach einer mittelschweren Gehirnerschütterung üblicherweise auftretenden, also typischen nervösen Störungen gelten. Keineswegs ist damit aber festgestellt, daß alle später bei dem Kläger noch auftretenden nervösen Störungen der Gehirnerschütterung zuzurechnen sind. Insbesondere können auch die anfallartigen Zustände des Klägers, die schon Dr. M in dem als maßgebend bezeichneten Gutachten als nicht unfallbedingt angesehen hat, nicht als anerkannte Unfallfolgen gelten; umgekehrt sind sie allerdings auch nicht als unfallunabhängig ausdrücklich ausgeschlossen worden. Die Bindungswirkung des Bescheides vom 25. März 1963 stand also einer Prüfung, welche der unfallbedingten Gehirnerschütterung zuzuschreibenden nervösen Störungen bei der Dauerrentenfeststellung noch vorlagen, nicht entgegen. Daran hat sich auch durch den Vergleich vom 8. Dezember 1965 nichts geändert. Dieser Vergleich wurde zwar dadurch veranlaßt, daß die Gutachter der Neurologischen Universitätsklinik G das Vorliegen einer Frühform posttraumatischer zerebraler Anfälle für überwiegend wahrscheinlich angesehen hatten, jedoch bildeten diese Gutachten nicht - wovon offenbar die Revision ausgeht - die Grundlage für die vergleichsweise Verlängerung der Rentenbezugszeit bis zum 31. Oktober 1964. Der Vergleich diente vielmehr ganz eindeutig dem Zweck, eine erneute Begutachtung nach stationärer Beobachtung ohne Zeitdruck zu ermöglichen. Nach Sinn und Zweck des Vergleichs sollte also gerade die Frage der Unfallabhängigkeit dieser Erscheinungen vorläufig offen bleiben. Grundlage auch der weiteren vorläufigen Rentengewährung blieb daher der Bescheid vom 25. März 1963, der kein bindendes Anerkenntnis hinsichtlich der im Jahre 1966 geklagten Beschwerden enthält. Die Beklagte war also bei Feststellung der Dauerrente im Juni 1966 insoweit nicht an früheren Feststellungen gebunden.

Es ist auch nicht zu beanstanden, daß das LSG dem Gutachten von Dr. W vom 17. Mai 1966 insoweit gefolgt ist, als dieser nach vierwöchiger stationärer Beobachtung des Klägers zu dem Ergebnis gelangt ist, Folgen des Arbeitsunfalls vom 5. November 1962 seien nicht mehr festzustellen und eine meßbare Minderung der Erwerbsfähigkeit auf Grund der Unfallfolgen daher nicht mehr anzunehmen. Der Umstand, daß zuvor die Ärzte der Neurologischen Klinik in Gießen im Gegensatz hierzu als Folge einer Hirnkontusion das Auftreten posttraumatischer epileptischer Anfälle bzw. einer Frühform posttraumatischer Anfälle für wahrscheinlich angesehen hatten, stand dem nicht entgegen. Das LSG hat sich im Rahmen seines Rechts auf freie Beweiswürdigung gehalten, wenn es aus den im Urteil angeführten Gründen bei seiner Überzeugungsbildung dem Gutachten von Dr. W den Vorzug vor diesen Gutachten gegeben hat. Daß das Gutachten von Dr. W unvollständig oder in sich nicht schlüssig sei, ist von der Revision nicht geltend gemacht worden. Sein Wert wird auch nicht dadurch beeinträchtigt, daß während der Beobachtungszeit kein Anfall der geklagten Art beim Kläger aufgetreten ist; bei unregelmäßig und verhältnismäßig selten auftretenden Anfallserscheinungen wird eine Begutachtung auf Grund eigener Beobachtung eines Anfalls nur ausnahmsweise einmal möglich sein. Angesichts des Umstandes, daß gerade die Vorgutachter zur Klärung der Frage, ob die geklagten Erscheinungen auf organischen Unfallschäden (Hirnkontusion) beruhten, die Beobachtung durch den auf diesem Gebiet besonders erfahrenen Dr. W empfohlen hatten, brauchte sich das LSG auch nicht gedrängt zu fühlen, wegen der unterschiedlichen Beurteilung der Gutachter noch weitere Gutachten einzuholen, zumal Dr. W im Ergebnis mit Dr. M übereinstimmte.

Es ist auch nicht ersichtlich, daß das LSG etwa die für das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung maßgebliche Kausalitätsnorm hinsichtlich nichtorganischer, psychogener Störungen verkannt oder unrichtig angewandt hätte, wie sie das Bundessozialgericht insbesondere in der Entscheidung des 2. Senats vom 18. Dezember 1962 (BSG 18, 173 ff) dargelegt hat. Das LSG ist bei der Beurteilung des vorliegenden Falles erkennbar von den dort aufgestellten Grundsätzen ausgegangen. Die Revision hat die in dieser Hinsicht getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die sich auf das Gutachten von Dr. W und dessen ergänzende Erläuterung hierzu stützen, auch nicht mit Verfahrensrügen angegriffen.

Die Revision war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1670349

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