Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 17. Februar 1994 aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 18. Februar 1993 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist die Entziehung einer Dienstbeschädigungsteilrente (DBTR).
Der 1929 geborene Kläger war von 1950 bis Ende Februar 1990 Angehöriger der bewaffneten Organe bzw der Nationalen Volksarmee (NVA), zuletzt im Range eines Obersts.
Mit Bescheid vom 21. März 1990 erkannte die NVA – Wehrbezirkskommando Potsdam – nach der Verordnung Nr 005/9/003 des Ministers für Nationale Verteidigung über die soziale Versorgung der Angehörigen der NVA (Versorgungs-Ordnung – VersO) vom 1. September 1982 (mit späteren, gleichfalls unveröffentlichten Änderungen) ihm wegen überwiegender Arbeitsverwendungsunfähigkeit bzw dauernder Dienstuntauglichkeit eine Invalidenvollrente in Höhe von 2.100,– M zu (75 % der monatlichen Durchschnittsvergütung im Zeitraum März 1989 bis Februar 1990).
1970 war bei dem Kläger ein Lärmhörschaden als Dienstbeschädigung anerkannt worden. Wegen dieses Gesundheitsschadens bewilligte ihm das Wehrbezirkskommando Potsdam mit Bescheid vom 21. März 1990 nach den Bestimmungen der VersO eine DBTR nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 vH; mit Bescheid des Wehrbereichsgebührnisamts VII vom 5. Februar 1991 wurde diese Rente im Hinblick auf die Bestimmungen des Rentenangleichungsgesetzes vom 28. Juni 1990 (GBl I Nr 38 S 495, ber S 1457) von 210,– M auf 201,– DM festgesetzt.
Die Beklagte verfügte mit Bescheid vom 31. Juli 1991, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 1991, die DBTR werde ab 1. August 1991 eingestellt; § 11 Abs 2 und 5 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebietes (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz ≪AAÜG≫ vom 25. Juli 1991, BGBl I, S 1606, 1677), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Ergänzung der Rentenüberleitung vom 24. Juni 1993, BGBl I S 1038), schreibe die Einstellung der DBTR zwingend vor.
Das Sozialgericht (SG) Potsdam hat durch Urteil vom 18. Februar 1993 die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) für das Land Brandenburg hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des SG und die streitigen Verwaltungsentscheidungen aufgehoben (Urteil vom 17. Februar 1994). Es hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe über den 31. Juli 1991 hinaus Anspruch auf Zahlung der DBTR gemäß den Bestimmungen der VersO; diese gelte gemäß Anlage II zum Einigungsvertrag (EV) vom 31. August 1990 (BGBl II S 889) Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr 9 (EV Nr 9) weiter. Der Anspruch auf DBTR sei nicht gemäß § 11 AAÜG wegen des gleichzeitigen Bezugs der seit 1. Januar 1992 gemäß § 4 Abs 2 Nr 1 AAÜG in die Rentenversicherung überführten früheren Invalidenrente entfallen. Zu einer Anrechnung gemäß § 9 Abs 1 Nr 2 Satz 2 AAÜG enthielten die streitigen Bescheide keine Regelungen. Der Anspruch werde auch nicht durch § 11 Abs 5 AAÜG ausgeschlossen. Die Vorschrift betreffe, wie das Wort „gewähren” zeige, nur die Frage der Bewilligung von Leistungen nach Inkrafttreten des AAÜG, regele aber keinen Eingriff in bestehende Leistungsansprüche.
Zur Begründung der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 11 AAÜG und trägt vor:
Entgegen der Auffassung des LSG habe der Kläger keinen Anspruch auf DBTR ab 1. August 1991. Die Zahlungseinstellung sei im Hinblick auf § 11 Abs 5 Satz 5 Halbsatz 2 AAÜG iVm § 10 Abs 5 AAÜG zu Recht erfolgt. Dem Kläger sei eine DBTR nach § 11 Abs 5 Satz 2 AAÜG nicht mehr zu gewähren gewesen, weil er eine Invalidenvollrente aus dem Sonderversorgungssystem iS von § 4 Abs 2 Nr 1 AAÜG bezogen habe. § 11 AAÜG verwirkliche den Auftrag des EV, wonach ungerechtfertigte und überhöhte Leistungen abzubauen gewesen seien; es habe nicht ausgereicht, nur zukünftige Leistungsansprüche zu mindern bzw zu versagen, vielmehr habe insbesondere auch in laufende, bereits bestehende Ansprüche eingegriffen werden sollen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten wird auf den Schriftsatz vom 14. Juni 1994 (Bl 13 ff dA) verwiesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 17. Februar 1994 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsam vom 18. Februar 1993 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
die Revision zurückzuweisen.
Er bezieht sich auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung und trägt ergänzend vor: Die Regelung des § 11 Abs 5 Satz 2 AAÜG sei mit dem Grundgesetz (GG) nicht vereinbar. Die Vorschrift verstoße gegen das Willkürverbot sowie gegen die Grundsätze der Zumutbarkeit und der Verhältnismäßigkeit. Es bestehe kein sachlicher Differenzierungsgrund zwischen der Regelung in § 11 Abs 5 Satz 1 AAÜG, wonach DBTR neben Erwerbseinkommen gewährt werden könne, und der Abschaffung der DBTR bei den Beziehern einer Vollrente gemäß § 11 Abs 5 Satz 2 AAÜG. Der Grundsatz der Zumutbarkeit als Ausdruck des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit werde verletzt, weil den in den Dienst der Bundesrepublik übernommenen Polizisten und Soldaten, nicht aber den Rentnern eine DBTR gewährt werde.
Wegen des Vorbringens im übrigen wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 16. September 1994 (Bl 37 ff dA) verwiesen.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Dem Kläger steht kein Anspruch auf DBTR zu. Der streitige Bescheid vom 31. Juli 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 1991 ist nicht rechtswidrig.
Die streitigen Verwaltungsentscheidungen sind rechtmäßig. Die Beklagte durfte und mußte dem Kläger die DBTR ab 1. August 1991 entziehen. Es steht nicht zur Überzeugung des Senats fest, daß der Bundesgesetzgeber mit § 11 AAÜG die Grenzen seines Gestaltungsspielraumes überschritten hat. Eine Vorlagepflicht nach Art 100 Abs 1 GG kommt mithin nicht in Betracht. Dies hat der Senat bereits in mehreren Entscheidungen geklärt (seit dem Urteil vom 10. Mai 1994 – 4 RA 49/93 sowie im Urteil vom 29. September 1994 – 4 RA 7/94, beide zur Veröffentlichung vorgesehen). Er hält hieran nach erneuter Überprüfung fest.
A: Dem Kläger stand zwar bis einschließlich Juli 1991 aufgrund der – für das Bundessozialgericht (BSG) allein maßgeblichen (§ 162 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) bundesrechtlichen – Übergangsregelung in EV Nr 9 Buchst e Satz 2 und entsprechend Buchst b Satz 2 iVm der VersO ein Anspruch auf DBTR ab 1. Januar 1991 „bis zur Überführung der in EV Nr 9 Buchst b Satz 1 genannten Leistungen in die gesetzliche Rentenversicherung”) in Höhe von monatlich 201,– DM zu; dies war dem Kläger durch den Bescheid vom 5. Februar 1991 bindend (iS von § 77 SGG) zuerkannt. Nach § 11 Abs 5 Satz 2 sowie Satz 5 AAÜG war die Beklagte jedoch – ohne hierzu den Kläger anhören zu müssen – berechtigt und verpflichtet, diesen Anspruch mit Wirkung zum 1. August 1991 zu entziehen. Etwas anderes ergibt sich weder aus dem EV noch aus den Bestimmungen des AAÜG; insbesondere kann der Kläger den geltend gemachten Anspruch nicht auf DDR-Recht stützen.
B:I. Das Recht der früheren DDR gilt nur weiter, soweit dies im EV angeordnet worden ist. Dort ist bestimmt worden, daß Bundesrecht mit dem Wirksamwerden des Beitritts in dem in Art 3 genannten Gebiet in Kraft tritt, soweit in dem EV, insbesondere dessen Anlage I, nichts anderes bestimmt wird (Art 8 EV). Nur wenn und soweit im EV die Geltung oder Anwendung von Bundesrecht ausgeschlossen oder hintangehalten worden ist, ist somit überhaupt Raum für eine Fortgeltung von Recht der ehemaligen DDR als Bundesrecht (vgl hierzu Urteil des Senats vom 29. September 1994 aaO). Lediglich ausnahmsweise bleibt das in der Anlage II aufgeführte Recht der DDR – unter bestimmten weiteren Voraussetzungen – mit den dort genannten Maßgaben als Bundesrecht in Kraft (Art 9 Abs 2 und 4 EV).
Die in EV Anlage II Kapitel VIII „Sachgebiet H: Gesetzliche Rentenversicherung” Nr 9 enthaltenen Bestimmungen regeln ausschließlich und umfassend die Frage nach der Fortgeltung oder weiteren Anwendung der Regelungen der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme. Erfaßt werden von EV Nr 9 ua die Ansprüche der Angehörigen der hauptberuflich im engeren Staatsdienst Beschäftigten und ihrer Familienangehörigen (vgl Anlage 2 zum AAÜG: NVA, Deutsche Volkspolizei, Feuerwehr, Strafvollzug, Zollverwaltung und MfS) wegen Krankheit, Dienstunfall, Invalidität, Alter und Tod sowie auf Übergangsleistungen für die Zeit nach dem vorzeitigen Ausscheiden aus dem aktiven Dienst. Strukturell stimmten diese Sonderversorgungsregelungen weitgehend mit den allgemeinen, für alle sonstigen Beschäftigten geltenden Regeln über die Soziale Sicherheit überein; jedoch gehörten die Bediensteten im „engeren” Staatsdienst (iS der Anlage 2 zum AAÜG) gerade nicht der allgemeinen Sozialversicherung an „Sonder”versorgung; vgl Urteile des Senats aaO).
Durch EV Nr 9 Buchst b Satz 2 und Buchst e Satz 2 war die Grundentscheidung getroffen worden, die Rentenansprüche aus Sonderversorgungssystemen ausschließlich in nur eine (Voll-)Rente der gesetzlichen Rentenversicherung oder in nur eine hiermit vergleichbare Versorgungsleistung einmünden zu lassen, und zwar auch dann, wenn der Rechtsgrund für den Rentenanspruch in einer Dienstbeschädigung lag. Dies folgt aus Aufbau und Inhalt von EV Nr 9.
EV Nr 9 Buchst a bestimmt, daß die Vorschriften der Versorgungssysteme über die Einbeziehung in den Versicherungsschutz und das damit zusammenhängende Beitragsrecht nachrangig fortgelten, soweit in spezielleren Regelungen des EV Abweichendes nicht bestimmt ist. In EV Nr 9 Buchst b ist das Leistungsrecht angesprochen. Dort ist der Kreis der in der gesetzlichen Rentenversicherung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) überführbaren Renten aus den Versorgungssystemen konkretisiert und das Programm ihrer Überführung entworfen. EV Nr 9 Buchst c regelt das organisatorische, Buchst d das finanzielle Überführungsprogramm für diese Renten. Folgerichtig werden die Renten aus den Versorgungssystemen, die nicht in die gesetzliche Rentenversicherung überführbar sind, erst anschließend in EV Nr 9 Buchst e geordnet. Satz 1 aaO bestimmt das Außerkrafttreten der diese Renten betreffenden Vorschriften mit dem 31. Dezember 1990. Ansprüche auf solche Versorgungsleistungen konnten nach EV Nr 9 Buchst e Satz 2 nur noch Personen haben, die am 3. Oktober 1990 bereits die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, also bis zum Ablauf des 2. Oktober 1990 eine Dienstbeschädigung erlitten hatten und bis Ende 1990 aus dem aktiven Dienst entlassen worden waren (sog Bestandsrentner); für diesen allein noch berechtigten Personenkreis galt nach Satz 2 Halbsatz 2 aaO EV Nr 9 Buchst b Satz 2 und 3 „entsprechend” (nicht aber Satz 4 und 5, also nicht die sog Zahlbetragsgarantie). Nach diesen Vorschriften waren die bisherigen Versorgungsregelungen „bis zur Überführung” weiterhin anzuwenden, die Leistungen aber nach Art, Grund und Umfang denjenigen der allgemeinen Rentenversicherung anzupassen. Die „entsprechende Anwendung” bezweckt also vor allem, Besserstellungen gegenüber den Sonderversorgungsberechtigten zu verhindern, deren Ansprüche in die gesetzliche Rentenversicherung überführt werden (Anpassungsvorbehalt).
Die Regelungen der Sonderversorgungssysteme ua über Renten aufgrund von Dienstunfällen sind somit nicht in die gesetzliche Unfallversicherung übergeleitet worden. Sie sind vielmehr dem Sachgebiet „Rentenversicherung” (iS des EV) zugeordnet. Hier wurde bestimmt, daß nur die Ansprüche und Anwartschaften wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Alter und Tod in die gesetzliche Rentenversicherung überführt (EV Nr 9 Buchst b Satz 1), sonstige Sonderversorgungsrenten jedoch nur noch den in EV Nr 9 Buchst e Satz 2 genannten Bestandsrentnern und Anwartschaftsinhabern gewährt werden sollten. Zu den „Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit” iS von EV Nr 9 Buchst b Satz 1 zählen nicht die Dienstbeschädigungsrenten. Dies folgt ua aus der Formulierung des EV Nr 9 Buchst b Satz 1, der insoweit die Begriffe des SGB VI übernimmt (vgl hierzu og Urteile des Senats aaO).
Ein Anspruch des Klägers auf DBTR ergibt sich auch nicht aus Art 8 EV iVm Anlage I und Art 9 Abs 2 EV iVm Anlage II (jeweils Kapitel VIII Sachgebiet I ≪Gesetzliche Unfallversicherung≫). Danach sind zwar Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, die außerhalb des von Sonderversorgungssystemen erfaßten Staatsdienstes der ehemaligen DDR eingetreten sind, in die allgemeine gesetzliche Unfallversicherung übergeleitet worden. Unter diese Bestimmung fallen die Sonderversorgungsberechtigten jedoch gerade nicht. Zwar sieht EV Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet I vor, daß für die Übergangszeit bis zum 1. Januar 1992 § 220 Abs 4 des Arbeitsgesetzbuches der DDR vom 16. Juni 1977 (≪AGB≫ GBl I Nr 18 S 185) weiter gilt. Dieser bestimmte, daß bei Ausübung des Dienstes in den Bereichen des Ministeriums des Innern, des Ministeriums für Abrüstung und Verteidigung und der Zollverwaltung erlittene Körper- und Gesundheitsschäden Folge eines Arbeitsunfalles bzw einer Berufskrankheit sind. Wie sich aus dem Anwendungsbereich des § 220 AGB ergibt, wird darin jedoch lediglich für die Übergangszeit vom 3. Oktober 1990 bis zum 1. Januar 1992, dem Inkrafttreten der §§ 548 ff der Reichsversicherungsordnung, der Begriff des Arbeitsunfalls umschrieben. § 220 Abs 4 AGB hat somit Bedeutung nicht einmal für diese Übergangszeit (vgl Urteil des Senats vom 29. September 1994 aa0), weil Dienstunfälle, die nach dieser Vorschrift den Arbeitsunfällen der allgemeinen Sozialversicherung gleichgestellt werden könnten, seit dem 3. Oktober 1990 nicht mehr eintreten konnten.
II. Das AAÜG setzt das og bundesrechtliche Normprogramm des EV um. Es lautet: Wer im engeren Staatsdienst der DDR (Anlage 2 AAÜG) beschäftigt war und in innerem Zusammenhang mit einem solchen Dienst eine Dienstbeschädigung erlitten hat, erhält ab 1. August 1991 keine Dienstunfallentschädigung mehr. Dies gilt nicht, solange der Berechtigte das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und eine DBTR, aber noch keine Rente wegen Alters (oder eine in § 4 Abs 3 aaO genannte andere Rente) und keine Volleistung aus dem Versorgungssystem bezieht; erhält er daneben eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit iS von §§ 43 bis 45 SGB VI oder von Art 2 §§ 7 ff des Renten-Überleitungsgesetzes (RÜG), wird diese auf die DBTR in voller Höhe anspruchsmindernd angerechnet. Der Fortfall der Ansprüche auf DBTR und die Begrenzung „isolierter” DBTR-Ansprüche ist in jedem Fall zum 1. August 1991 unter Aufhebung entgegenstehender Verwaltungsakte durchzusetzen, ohne daß eine Anhörung der Betroffenen erforderlich ist.
Im einzelnen ergibt sich dies aus folgendem:
1. § 4 Abs 2 und 3 AAÜG überführt (zum 31. Dezember 1991 – § 2 Abs 2 AAÜG) die in Sonderversorgungssystemen erworbenen Ansprüche auf „anpaßbare” Leistungen (Invalidenvollrente, Altersrente und Hinterbliebenenrente) in die Rentenversicherung, wie sie am 1. August 1991 im Beitrittsgebiet bestanden. Für die Dienstbeschädigungsvollrente wurde die „Überführung” dadurch ermöglicht, daß sie im Wege der Fiktion als Invalidenrente (bzw Hinterbliebenenrente) iS des damals im Beitrittsgebiet gültigen Rentenversicherungsrechts eingeordnet wurde. Damit ist sie als eigenständige Unfallentschädigung abgeschafft. Eine derartig „überführte” Dienstbeschädigungsvollrente „gilt” also als Invalidenrente iS der allgemeinen Rentenversicherung im Beitrittsgebiet (vgl § 27 des Sozialversicherungsgesetzes vom 28. Juni 1990 ≪GBl I Nr 38 S 486≫ und Art 2 § 7 RÜG). Damit ist zugleich schon entschieden, daß eine Dienstunfallentschädigung neben oder zusätzlich zu einer Vollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht gewährt wird.
2. Diesen schon in § 4 Abs 2 und Abs 3 AAÜG enthaltenen Grundsatz spricht § 11 Abs 5 Satz 2 aaO im Blick auf die DBTR aus um klarzustellen, daß Dienstunfallteilbeschädigte gegenüber Dienstunfallvollbeschädigten nicht bessergestellt sein sollen. Aus Gründen der Gleichbehandlung der nach § 4 aaO in die Rentenversicherung überführten Ansprüche mit den schlechthin nicht „anpaßbaren”, aber weiterzuzahlenden Versorgungsleistungen bestimmt § 11 Abs 1 aaO, daß für diese dieselben Höchstbeträge iS von § 10 AAÜG gelten sollen, wie für die überführten Ansprüche. Damit hat der Gesetzgeber ua die befristete erweiterte Versorgung als eine Leistung qualifiziert, die nach ihrem Sicherungszweck einer Vollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht. Folgerichtig ordnet § 11 Abs 2 als insoweit unselbständige Ergänzung von § 11 Abs 1 Satz 1 aaO an, daß neben einer solchen Volleistung ab 1. August 1991 ebenfalls keine Teilrente, dh ua auch keine DBTR als „sonstige Teilrente” zu gewähren ist.
Nach alledem enthält das AAÜG folgende Grundsätze: Es gibt nur und ausschließlich eine Volleistung; weitergezahlte Versorgungs-Volleistungen im og Sinne werden höchstens bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres gewährt; sie entfallen mit Gewährung einer Altersrente und soweit eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gewährt wird; eine zusätzliche Dienstunfallentschädigung gibt es nicht (vgl hierzu im einzelnen: Urteile des Senats aaO). Durch die isolierte, vorübergehend weiterzuzahlende DBTR wird den besonderen Erschwernissen dieser Behinderten beim Wiedereintritt in das Erwerbsleben Rechnung getragen (vgl Urteil des Senats vom 10. Mai 1994 aaO). Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich somit nicht um eine willkürliche, sondern an sachlichen Kriterien orientierte Regelung.
Dem Kläger stand mithin gemäß § 11 Abs 5 Satz 2 AAÜG ab 1. August 1991 materiell-rechtlich kein Anspruch auf DBTR mehr zu, weil die Invalidenrente eine „Volleistung” iS des AAÜG ist, neben der eine DBTR nicht gewährt wird.
3. Die Beklagte hat dem Kläger auch zu Recht ab 1. August 1991 diesen Anspruch entzogen. Nach § 11 Abs 1 Satz 1, Abs 2 und Abs 5 Satz 5 Halbsatz 1 AAÜG sowie nach § 11 Abs 1 Satz 2 und Abs 5 Satz 5 Halbsatz 2 AAÜG hat der zuständige Versorgungsträger Rechtsmacht und Befugnis, diese materiell-rechtliche Rechtsänderung auch dann durchzusetzen, wenn dem Berechtigten weitergehende Ansprüche durch bindenden Verwaltungsakt (hier: durch den Bescheid vom 5. Februar 1991) zuerkannt worden sind.
Denn nach diesen Vorschriften gilt § 10 Abs 5 AAÜG entsprechend. Daher hat der Versorgungsträger die in § 11 Abs 1, Abs 2 und Abs 5 AAÜG vorgesehene Anpassung der Versorgungsleistungen durch Bescheid „vorzunehmen”; die Anhörung eines Beteiligten vor Erlaß dieses Bescheides ist nicht erforderlich; im übrigen gelten gemäß § 8 Abs 3 Satz 2 AAÜG die Regelungen des Dritten Abschnitts des Ersten Kapitels des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X), dh die §§ 31 ff SGB X über den Verwaltungsakt (vgl hierzu Urteile des Senats aaO).
§ 11 Abs 2 AAÜG verweist zwar selbst nicht auf § 10 Abs 5 AAÜG. § 11 Abs 2 AAÜG ist jedoch eine unselbständige Ergänzung des Abs 1 Satz 1 aaO (vgl hierzu Urteile des Senats aaO). Darüber hinaus hat das Gesetz durch den wiederholten Verweis auf § 10 Abs 5 AAÜG noch hinreichend deutlich gemacht, daß alle Anpassungen, die zum ersten des auf die Verkündung des Gesetzes folgenden Monats, dh zum 1. August 1991, in Kraft treten sollen, auch durch Verwaltungsakt pünktlich umgesetzt werden sollen. Deswegen und nur für den hierbei notwendigen einmaligen Eingriff ist ferner § 24 SGB X, der seit dem 1. Januar 1991 anzuwenden ist, spezialgesetzlich verdrängt.
Gemäß § 11 Abs 5 Satz 5 AAÜG war die Beklagte also befugt, den Anspruch auf DBTR ab August 1991 zu entziehen, ohne den Kläger zuvor anhören zu müssen.
C: Der Senat ist nicht in dem von Art 100 Abs 1 GG vorausgesetzten Maß davon überzeugt, daß zu Unrecht in verfassungsrechtlich geschützte oder in verfassungswidriger Weise in gesetzlich begründete Positionen eingegriffen worden ist oder daß der Gesetzgeber verfassungsrechtlich verpflichtet ist, dem Kläger (bzw dem von ihm repräsentierten Personenkreis der dienstunfallbeschädigten Bestandsrentner aus dem engeren Staatsdienst der DDR)
eine Dienstunfallentschädigung neben einer Volleistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder einer gleichgestellten Volleistung (§ 11 Abs 1 Satz 1 Buchst a AAÜG) zu gewähren:
1. § 11 Abs 5 AAÜG beeinträchtigt keine verfassungsrechtlich geschützten Positionen:
Ansprüche auf Dienstbeschädigungsrenten standen nicht unter dem Schutz der Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 Satz 1 GG; denn ein inhaltsbestimmendes Bundesgesetz, das solche Sonderversorgungsrenten als Eigentum iS der Institutsgarantie dieser Grundrechtsbestimmungen qualifiziert und diesem einen bestimmten und dauerhaften Inhalt gegeben hätte, gibt es – wie dargelegt – nicht. Die sog Zahlbetragsgarantie des EV Nr 9 Buchst b Satz 4 und 5 greift zugunsten des Klägers nicht ein (vgl Urteile des Senats aaO). Es kann daher dahinstehen, ob die Gewährung der DBTR eine für den Kläger durch die Verfassung der DDR geschützte Rechtsposition war. Denn auch dann könnte sie nicht dem Verantwortungsbereich der dem GG verpflichteten Staatsgewalt zugerechnet werden. Die Bundesrepublik Deutschland war zwar für das ganze Deutschland verantwortlich (Präambel des GG aF). Ihre Staatsgewalt erstreckte sich jedoch tatsächlich und rechtlich allein auf das damalige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (vgl hierzu BVerfGE 84, 90, 122 f). Die vor dem 3. Oktober 1990 verkündeten Gesetze der DDR können daher auch nicht dem Verantwortungsbereich des Bundesgesetzgebers zugerechnet werden (vgl hierzu Beschluß des BVerfG vom 30. Oktober 1993 – 1 BvL 42/92). Die Bundesrepublik Deutschland ist auch nicht Rechtsnachfolgerin (sondern in begrenztem Umfang nur Funktionsnachfolgerin, Art 13 Abs 2 EV) der ehemaligen DDR. Die DDR ist mit dem Wirksamwerden ihres Beitritts als Staatsgebilde erloschen. In demselben Zeitpunkt ist das GG in der am 3. Oktober 1990 zu Bundesländern gewordenen DDR in Kraft getreten (vgl Urteil des Senats vom 29. September 1994 aaO). Infolgedessen oblag dem Bundesgesetzgeber allein die Verpflichtung, im EV die zu regelnden Rechtsverhältnisse der deutschen Staatsbürger der ehemaligen DDR – zukunftsorientiert – verfassungskonform, also nach den Maßstäben des GG, zu gestalten (vgl hierzu BVerfGE aaO, 125). Dies ist für den Kläger durch die Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung geschehen. Damit hat er – auch – erstmals Eigentum iS von Art 14 GG an einer sozialrechtlichen Rechtsposition erlangt.
Wegen des Anpassungsvorbehaltes in EV Nr 9 Buchst e Satz 2 Halbsatz 2 ist auch schutzwürdiges Vertrauen des Klägers nicht verletzt. Es steht grundsätzlich im freien, nur an das GG gebundenen Gestaltungsermessen des Bundesgesetzgebers, ob und ggf in welchem Umfang er sozialrechtliche Einstandspflichten des Bundes für Entschädigungsansprüche begründet, die in einem anderen Staat in dessen Dienst oder sonst gegen diesen entstanden sind. Auch Art 33 Abs 5 GG verpflichtet den Bundesgesetzgeber nicht, dem Kläger eine Entschädigung unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, etwa nach den §§ 35 ff Beamtenversorgungsgesetz, zu gewähren; denn der Kläger hat ua weder seinen Dienstunfall bei Ausübung eines öffentlichen Dienstes iS dieser Vorschrift erlitten noch ist das Rechtsverhältnis zwischen ihm und der DDR auf die Beklagte übergegangen.
2. Die Regelungen des § 11 AAÜG dienen, soweit sie hier einschlägig sind, einem verfassungsrechtlichen Zweck. Sie verwirklichen in geeigneter, schonender und verhältnismäßiger Weise das Gebot der Gleichbehandlung, weil sie sicherstellen, daß Berechtigte mit nicht überführten Versorgungsansprüchen daraus keine insoweit sachlich ungerechtfertigten Vorteile erlangen. Die betroffenen Rechtspositionen waren überdies mit einem Anpassungsvorbehalt belastet, in dessen Rahmen das AAÜG sich gehalten hat.
3. Der Senat hat zwar Bedenken, konnte sich aber nicht davon überzeugen, daß durch die Gesamtheit dieser Regelungen ein iS von Art 100 Abs 1 GG verfassungswidriger Zustand herbeigeführt worden ist. Denn es ist nicht eindeutig, daß Art 3 Abs 1 GG zwingend gebietet, dienstunfallverletzten Bestandsrentnern aus dem „engeren” Staatsdienst der DDR neben einer Vollrente oder diese erhöhend eine Unfallentschädigung zu gewähren:
Zwar muß die an den Gleichheitssatz und das Sozialstaatsgebot gebundene gesetzgebende Gewalt bei der Ausgestaltung von sozialen Rechten und Pflichten das Ziel der Gleichheit der Lebensverhältnisse im ganzen Bundesgebiet berücksichtigen und darf bei Verfolgung ihrer Zwecke nur sachgerecht und verhältnismäßig differenzieren.
Vor diesem Hintergrund ist es verfassungsrechtlich bedenklich, daß der Bundesgesetzgeber im Vergleich zu allen anderen Beschäftigten im öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft im Bundesgebiet (Arbeiter, Angestellte, Beamte, Soldaten, Richter) nur den dienstunfallverletzten Bestandsrentnern aus dem engeren Staatsdienst der DDR keine eigenständige Unfallentschädigung zuerkennt. Im Gesamtsystem der sozialen Sicherung in der Bundesrepublik Deutschland sind im wesentlichen nur sie von einer Unfallentschädigung wegen eines Arbeits- oder Dienstunfalls ausgeschlossen (vgl hierzu Urteile des Senats aaO). Gleichwohl ist der Senat letztlich aufgrund von funktions- und kompetenzrechtlichen Erwägungen nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, daß der Bundesgesetzgeber von Verfassungs wegen verpflichtet war, für die Sonderversorgungsberechtigten eine eigenständige Entschädigung neben oder zusätzlich zur Alters- und Invaliditätssicherung vorzusehen. Da dem Gesetzgeber – wie ausgeführt – kein verfassungsrechtlich geschützter Rechtsbestand vorgegeben war, stand ihm die gesamte Breite des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraumes zu, und zwar insbesondere im Blick auf die vielfältigen und vielschichtigen Probleme der Bewältigung der Folgen ua des Staatsbankrottes der DDR, dessen Auswirkungen auch die Sonderversorgungsberechtigten zu tragen gehabt hätten, für welche aber die beklagte Bundesrepublik Deutschland in Anspruch genommen wird. Die gesetzgebende Gewalt war daher nur gehalten, für eine jedenfalls das sog konventionelle Existenzminimum wahrende soziale Absicherung auch der dienstunfallverletzten Sonderversorgungsberechtigten zu sorgen. Dies ist – wie auch die Beträge der Invalidenrente des Klägers ausweisen – grundsätzlich und in aller Regel schon durch das AAÜG, also ohne Rückgriff auf die Sozialhilfe geschehen. Eine weitergehende Verpflichtung des Gesetzgebers, jetzt zugunsten des hier betroffenen Personenkreises tätig zu werden, kann dem Gleichbehandlungsgebot nicht mit hinreichender Eindeutigkeit entnommen werden.
Mangels Eindeutigkeit einer grundgesetzlichen Bindung des Gesetzgebers iS der Gewährung einer Unfallentschädigung auch für sonderversorgungsberechtigte Dienstunfallverletzte aus dem „engeren” Staatsdienst der DDR kommt eine Vorlage iS von Art 100 Abs 1 GG nicht in Betracht.
Die Revision der Beklagten hat demnach Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und Abs 4 SGG.
Fundstellen