Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Hilfsmittel. Tandem-Therapiefahrrad. Hilfsmittelverzeichnis
Leitsatz (amtlich)
Zum Anspruch eines geistig und körperlich behinderten Versicherten auf Versorgung mit einem Tandem-Therapiefahrrad als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
SGB V § 33 Abs. 1 S. 1, § 12 Abs. 1 S. 1, § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6, § 128; HeilMHilfsMRL Nr. 8
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 25. September 1996 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Versorgung mit einem Tandem-Therapiefahrrad als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung.
Der im Jahre 1980 geborene Kläger leidet an einem Morbus Langdon-Down (Down-Syndrom) mit einer ausgeprägten geistigen Behinderung sowie einem angeborenen Herzfehler. Infolge des erheblichen geistigen und motorisch-körperlichen Entwicklungsrückstandes ist er für sämtliche Verrichtungen des täglichen Lebens auf ständige Hilfe und Aufsicht angewiesen. Wegen der motorischen Rückständigkeit und der Herzerkrankung ist er insbesondere nicht in der Lage, längere Wegstrecken zurückzulegen. Darüber hinaus besteht eine Störung seines Orientierungsvermögens, die ihn an einer selbständigen Fortbewegung zu Fuß oder unter Einsatz eines Fahrrades hindert.
Den vom Kläger im Februar 1994 gestellten Antrag auf Versorgung mit einem vertragsärztlich verordneten Tandem-Therapiefahrrad lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, daß solche Fahrzeuge nach dem Hilfsmittelkatalog der Spitzenverbände der Krankenkassen von der Leistungspflicht ausgeschlossen seien, ggfs aber ein Spezial-Dreirad zur Verfügung gestellt werden könne (Bescheid vom 7. März 1994). Der hiergegen erhobene Widerspruch, mit dem der Kläger eingewandt hatte, zu einer selbstkoordinierten Fortbewegung mittels Dreirad nicht fähig zu sein, blieb erfolglos. Die Beklagte wies darauf hin, das Tandem-Therapiefahrrad stelle einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens dar (Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 1994).
Das Sozialgericht (SG) Chemnitz hat die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 7. März 1994 und des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 1994 verurteilt, den Kläger „mit einem Tandem-Therapiefahrrad 20” der Fa. H … ohne Übernahme eines Eigenanteils zu versorgen”. Dieses sei erforderlich, um zumindest den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern (Urteil vom 16. Oktober 1995). Das Sächsische Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 25. September 1996). Der Kläger leide an einer Behinderung, zu deren Ausgleich er der Versorgung mit einem Tandem-Therapiefahrrad bedürfe. Dieses Hilfsmittel benötige er zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse. Hierzu gehöre auch ein körperlicher und geistiger Freiraum, der die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben umfasse. Der Kläger sei in seiner Gehfähigkeit eingeschränkt und zeitlich, örtlich sowie zur eigenen Person unzureichend orientiert, so daß eine selbständige Fortbewegung ausscheide. Durch das beanspruchte Hilfsmittel werde die beeinträchtigte Körperfunktion iS einer Besserung der Beweglichkeit ausgeglichen. Das Tandem-Therapiefahrrad trage zudem der nachvollziehbaren Feststellung des vom SG gehörten Sachverständigen Dr. med. Sch … Rechnung, der Kläger sei nur unter Nutzung des „Lustprinzips” oder unter Ausübung eines gewissen Drucks zu fördern. Die begehrte Leistung sei ferner notwendig und wirtschaftlich. Unter Berücksichtigung der besonderen Lebenssituation und des Ausmaßes der Behinderung stehe ein weniger aufwendiges Hilfsmittel, insbesondere ein Dreirad, nicht zur Verfügung. Auch könne bei entstehenden Kosten in Höhe von weniger als DM 4.000,– nicht von unangemessenen Aufwendungen gesprochen werden. Einen Eigenanteil habe der Kläger nicht zu tragen, da er ein Fahrrad nicht eigenständig nutzen könne.
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 33 Abs 1 iVm § 12 Abs 1, § 27 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V). Sie ist der Auffassung, das Tandem-Therapiefahrrad sei in seinen wesentlichen Bestandteilen mit einem handelsüblichen Fahrrad vergleichbar und daher als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen. Aus diesem Grund seien Tandems nicht in das Hilfsmittelverzeichnis der Spitzenverbände der Krankenkassen aufgenommen worden. Darauf, daß ein Tandem einer besonderen Verwendung zugeführt würde, komme es ebensowenig an wie auf die Verbreitung solcher Fahrräder in den privaten Haushalten der Bundesrepublik Deutschland. Darüber hinaus sei die Notwendig- und Erforderlichkeit des Hilfsmittels nicht nachgewiesen. Die Ausführungen des Sachverständigen seien unzureichend. Die Feststellung der Notwendig- und Erforderlichkeit sei nicht von ihm, sondern vom LSG vorgenommen worden. Dieses habe den Sachverhalt sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht unzutreffend gewürdigt. Es sei nicht erkennbar, inwieweit das Erleben der Umwelt auf einem Tandem zu einer erheblichen, der Befriedigung eines allgemeinen Grundbedürfnisses dienenden Lebensaufwertung führe und daß Fahrten mit einem Tandem eine wesentlich bessere soziale Einbindung zur Folge hätten. Außerdem sei die Nutzung des Tandem-Therapiefahrrades von der Witterung abhängig und dessen Anschaffung damit unwirtschaftlich.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 25. September 1996 sowie das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 16. Oktober 1995 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz) erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist iS einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG begründet.
Die im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um über den vom Kläger geltend gemachten Anspruch entscheiden zu können. Soweit hier einschlägig, haben Versicherte nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Versorgung mit „anderen” als in dieser Vorschrift ausdrücklich genannten) Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind.
Der Senat kann offenlassen, ob der Begriff „erforderlich” in § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V (nach Bundessozialgericht ≪BSG≫ vom 20. November 1996, SozR 3-2500 § 33 Nr 21 S 115 – Blindenführhund, gleichbedeutend mit dem Begriff „notwendig” in § 33 Abs 1 Satz 1, letzter Teilsatz SGB V) bereits als solcher die in § 12 Abs 1 Satz 1 SGB V aufgezählten Kriterien „ausreichend, zweckmäßig, wirtschaftlich; das Maß der Notwendigkeit nicht überschreitend”) umfaßt (so zB Höfler in Kasseler Komm, § 33 SGB V, RdNr 17, Stand: 1997) oder ob beide Vorschriften getrennt zu prüfen sind (so zB BSG vom 25. Oktober 1995, SozR 3-2500 § 33 Nr 17 S 86 – Schreibtelefon; BSG vom 20. November 1996, SozR 3-2500 § 33 Nr 21 S 120 – Blindenführhund, zählt die Geeignetheit augenscheinlich zur Erforderlichkeit nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V).
Jedenfalls ist aus § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V – ggfs iVm dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs 1 SGB V – abzuleiten, daß ein Anspruch auf Versorgung mit einem Hilfsmittel iS der vom LSG geprüften 2. Alternative des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V „um eine Behinderung auszugleichen”) bei einer Fallkonstellation wie der vorliegenden voraussetzt:
Beim Versicherten muß eine Behinderung bestehen (1), die ihn an der Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse hindert (2). Das begehrte Hilfsmittel muß wiederum geeignet sein, einen entsprechenden Ausgleich zu bewirken (3) und es muß erforderlich (notwendig) in dem Sinne sein, daß kein kostengünstigeres und zumindest gleichgeeignetes Hilfsmittel zur Verfügung steht (4); weiterhin dürfen Kosten und Nutzen des Hilfsmittels nicht außerhalb jeden Verhältnisses stehen (5). Auch wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann ein Anspruch auf Versorgung mit einem Hilfsmittel daran scheitern, daß sie nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen ist (6) oder es sich um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handelt; wird durch das Hilfsmittel ein derartiger Gegenstand ersetzt, sind die entsprechenden Kosten als Eigenanteil vom Versicherten selbst zu tragen (7). Keinen Einfluß auf den Anspruch auf Versorgung hat hingegen der Umstand, daß das begehrte Hilfsmittel im Hilfsmittelverzeichnis nach § 128 SGB V nicht aufgeführt ist (8). Schließlich ergibt sich ein Anspruch auf Versorgung mit einem Hilfsmittel nicht bereits daraus, daß es dem Versicherten durch einen Vertragsarzt verordnet wurde (9). Nur zu einem Teil der angegebenen Voraussetzungen liegen die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen des LSG vor.
(Zu 1) Zu Recht hat das LSG eine ausgeprägte geistige und körperliche Behinderung des Klägers festgestellt: Er leidet an einer deutlichen, an der Grenze zur Hochgradigkeit liegenden geistigen Behinderung mit motorischem Entwicklungsrückstand sowie einem angeborenen Herzfehler.
(Zu 2) Diese Behinderung schränkt den Kläger auch in seiner Lebensbetätigung der allgemeinen Grundbedürfnisse ein (BSG vom 17. Januar 1996, SozR 3-2500 § 33 Nr 19 S 97 mwN – Telefaxgerät). Als einschlägige allgemeine Grundbedürfnisse sind hier der notwendige gewisse körperliche und geistige Freiraum heranzuziehen sowie die Bewegungsfreiheit zumindest in einem Umkreis, der mit einem vom Behinderten selbst handbetriebenen Rollstuhl erreicht werden kann (siehe hierzu BSG vom 8. Juni 1994, SozR 3-2500 § 33 Nr 7, S 26 – Rollstuhlboy). Das LSG hat festgestellt, daß der Kläger keine längeren Wegstrecken zu Fuß zurücklegen kann und daß ihm gänzlich die Möglichkeit zur eigenständigen, von der Hilfe Dritter freien, Fortbewegung fehlt.
(Zu 3) Ein Anspruch auf Versorgung mit einem Hilfsmittel setzt weiterhin voraus, daß das ins Auge gefaßte Hilfsmittel auch zum Ausgleich der behinderungsbedingten Einschränkungen geeignet, dh zweckdienlich ist. Ein Therapie-Tandem kann die oben (unter 2) beschriebenen Defizite – teilweise – ausgleichen. Als Hilfsmittel ist es jedoch nur dann geeignet, wenn es sich darüber hinaus nicht seinerseits gesundheitsschädlich auswirkt (a) sowie vom Versicherten benutzbar ist (b).
(Zu a) An der gesundheitlichen Zuträglichkeit eines Tandem-Therapiefahrrades als Hilfsmittel für den Kläger bestehen insoweit Zweifel, als er nach den Feststellungen des LSG an einem angeborenen Herzfehler leidet, der ihn – neben anderem – an der Zurücklegung längerer Wegstrecken hindert. Das LSG hat keine Feststellungen dazu getroffen, daß das Mitfahren auf einem Tandem-Therapiefahrrad den Kläger insoweit nicht überfordert. Es hat zwar in seinem Tatbestand die Aussage des vom SG als Sachverständigen gehörten Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. Sch … wiedergegeben, daß die Fortbewegung mit dem Tandem-Therapiefahrrad einen höheren Kraftaufwand erfordere, ohne das Herz-Kreislauf-System zu überlasten. Diese Aussage hat es jedoch selbst nicht gewürdigt; es ist insbesondere nicht darauf eingegangen, daß Dr. med. Sch … in seinem Gutachten, auf dessen Einzelheiten das LSG verwiesen hat, insoweit zwar ausdrücklich ein weiteres Gutachten auf einem anderen Fachgebiet nicht als notwendig erachtet, jedoch ergänzend ausgeführt hat, daß gezielt eine kinderkardiologische Beurteilung eingeholt werden müsse, sollten Zweifel an der Belastbarkeit des Kindes infolge des Herzfehlers bestehen.
Eine dementsprechende Beweiswürdigung fehlt jedoch im Urteil des LSG; ebensowenig hat das SG insoweit Feststellungen getroffen, denen sich das LSG angeschlossen haben könnte. Sie kann vom Senat selbst dann nicht ersetzt werden, wenn ihm über die globale Bezugnahme auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten im Tatbestand des Berufungsurteils der Zugriff hierauf erlaubt wäre. Die Würdigung der Aussagen von Sachverständigen und ihrer Fachkompetenz im Einzelfall stellt eine typisch tatrichterliche Aufgabe dar, die vom Revisionsgericht nicht übernommen werden kann.
Ergänzend sei darauf hingewiesen, daß der Sachverständige – und mit ihm das LSG – davon auszugehen scheint, daß der Kläger als Beifahrer auf dem Tandem auch dann, wenn er nicht mit eigener Kraftanstrengung „mittritt”, zumindest die Pedalbewegungen zwangsweise mitvollziehen und damit seine Beine durchbewegen muß. Dies aber könnte von der Bauweise des Tandems abhängen; denkbar scheint insoweit, daß dem Tandem-Beifahrer ein eigener Freilauf zur Verfügung steht. Wäre dem so, so scheint der angestrebte therapeutische (Neben-) Effekt gefährdet: Wie zwar nicht aus den ausdrücklichen Feststellungen des LSG, sondern aus der von ihm im Tatbestand aufgeführten ärztlichen Äußerung des Orthopäden Dr. med. P … hervorgeht, wird die Versorgung des Klägers mit einem Tandem-Therapiefahrrad gerade deshalb empfohlen, um nicht nur die Koordination zwischen linker und rechter Körperhälfte, Balancesicherheit, psychisches und physisches Durchhaltevermögen, Sicherheit und Selbständigkeit, sondern auch ein umfassendes Muskeltraining zu gewährleisten. Hieran würde es jedoch fehlen, könnte sich der Kläger auch lediglich passiv umherfahren lassen, ohne zumindest die Beine mitbewegen zu müssen.
(Zu b) Ebensowenig bestehen ausreichende Feststellungen des LSG dazu, ob das Tandem-Therapiefahrrad vom Kläger in dem Sinne benutzbar ist, daß er in der Lage ist, darauf mitzufahren (aa), es seinen Neigungen angepaßt ist (bb) sowie die erforderlichen Hilfspersonen vorhanden sind (cc).
(Zu aa) Insbesondere hat das LSG nicht die sich aufdrängenden Zweifel ausgeräumt, ob sich der Kläger in erforderlichem Maße als Beifahrer auf dem Tandem-Therapiefahrrad „halten” kann. Er ist nach den Feststellungen des LSG an der Grenze zur Hochgradigkeit geistig behindert, seine Grob- und Feinmotorik ist erheblich gestört. Dem Tatbestand des Berufungsurteils kann zwar entnommen werden, daß nach einem Kostenvoranschlag das Tandem-Therapiefahrrad für den Kläger zusätzlich mit einer Fußhalterung und Klettriemen ausgestattet werden müßte, ferner mit einer Rückenlehne als Seitenlehne sowie einem Dehnfeldsattel. Es fehlen jedoch Feststellungen dazu, ob diese Vorrichtungen ausreichend sind; zu prüfen wäre weiterhin, ob der Kläger bei (oder trotz) ihrer Benutzung die Hilfsperson am ordnungsgemäßen Führen des Tandems hindern würde.
(Zu bb) Bei der vorliegenden Gestaltung des Einzelfalls kann als „geeignet” nur ein Hilfsmittel angesehen werden, das auch den Neigungen des Klägers angepaßt ist. Das LSG weist insoweit nachvollziehbar darauf hin, daß aufgrund der weithin fehlenden verstandesmäßigen Motivation für geistige oder körperliche Aktivitäten eine Förderung des Klägers auf einer sehr einfachen Ebene und „unter Nutzung des Lustprinzips” in Angriff zu nehmen sei. Hieraus folgt die Notwendigkeit, daß der Kläger am Mitfahren auf einem Tandem-Therapiefahrrad „Spaß” hat; auch insoweit fehlen jedoch Feststellungen. Es ist schwer vorstellbar, daß es zu einem sinnvollen Einsatz des Tandem-Therapiefahrrades als Hilfsmittel kommen kann, wenn der Kläger stets nur durch Druck oder Zwang zum Mitfahren bewegt werden muß.
(Zu cc) Ebenso fehlen Feststellungen des LSG dazu, ob Hilfspersonen vorhanden sind, die ein Tandem mit dem Kläger als Mitfahrer führen können. Die Bewilligung eines Tandem-Therapiefahrrades als Hilfsmittel erscheint dann nicht als sinnvoll, wenn eine geeignete Hilfsperson nicht oder in nur sehr eingeschränktem Maße zur Verfügung steht. Insbesondere muß im vorliegenden Fall die Hilfsperson in der Lage sein, das Tandem auch dann – und zwar selbst bei Gegenwind oder leichten Steigungen – in Bewegung zu halten, wenn der Kläger nicht aktiv „mittritt”. Der Kläger wird zwar, auch im Verfahren, gesetzlich durch seine Eltern vertreten. Dieser Umstand läßt jedoch nicht den Schluß zu, daß diese auch als Führer des Tandems in Betracht kommen. Über Alter und Gesundheitszustand finden sich keine Angaben. Immerhin teilt der Sachverständige Dr. med. Sch … in seinem Gutachten mit, der Kläger werde bisher noch in einem großen Kinderwagen in die Förderschule gefahren; er müsse (und könne) jedoch auf dem Nachhauseweg selbst ca 100 Meter leicht bergan gehen, da die Eltern das Kind mit Kinderwagen auf dieser Strecke kraftmäßig nicht mehr schieben könnten.
(Zu 4) „Erforderlich” kann ein Hilfsmittel schließlich nur dann sein, wenn nicht der Behinderungsausgleich in gleichem Umfang auch mit einem kostengünstigeren Hilfsmittel erreicht werden kann. Insoweit ist nicht nur zu prüfen, ob ein anders geartetes, ebenso geeignetes Hilfsmittel zur Verfügung steht (a), sondern auch, ob innerhalb der Gattung der Tandem-Therapiefahrräder eine kostengünstigere Alternative besteht (b).
(Zu a) Da der Rechtsstreit, wie aufgezeigt, bereits wegen fehlender Feststellungen in anderen Zusammenhängen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist, kann der Senat offenlassen, ob die Feststellungen des LSG ausreichen, um entscheiden zu können, daß ein Tandem-Therapiefahrrad (als Gattung) im oa Sinne erforderlich ist. Das LSG hat insoweit (lediglich) ausgeführt: „Darüber hinaus kommt die Zurverfügungstellung eines weniger aufwendigen Hilfsmittels unter Beachtung der besonderen Lebenssituation und des Ausmaßes der Behinderung des Klägers nicht in Betracht. Insbesondere scheidet die Zurverfügungstellung eines Dreirades … aus.”
Hieraus ist jedenfalls nicht ersichtlich, daß sich das LSG mit der Möglichkeit auseinandergesetzt hat, ob nicht ein handelsübliches Tandem, ggfs mit für seinen Gebrauch durch den Kläger erforderlichen Zusatzvorrichtungen, eine kostengünstigere Alternative darstellt.
Ausgeschlossen werden kann allerdings, daß ein Rollstuhlboy (vgl BSG vom 8. Juni 1994, SozR 3-2500 § 33 Nr 7) ein gleichgeeignetes Hilfsmittel für den Kläger wäre. Denn die oben (zu 3a) erwähnten therapeutischen Nebeneffekte wären bei einem bloß passiven Umherfahren in einem Rollstuhlboy für den Kläger nicht gewährleistet, auch wenn er für ihn ebenso wie ein Tandem-Therapiefahrrad die erstrebte Erweiterung seines Bewegungsradius bewirken könnte. Ebensowenig kommen insoweit die von der Beklagten in der Berufungsbegründung vorgeschlagenen Behandlungsmaßnahmen von Physiotherapeuten, Krankengymnasten oder Masseuren in Betracht. Diese sind bereits dafür in keiner Weise geeignet.
(Zu b) Jegliche Feststellung des LSG fehlt weiterhin dazu, warum es die erstinstanzliche Verurteilung der Beklagten zur Versorgung des Klägers mit einem „Tandem-Therapiefahrrad 20” der Firma H …” bestätigt hat. Ebenso wie im Urteil des SG besteht in demjenigen des LSG insoweit eine Diskrepanz zwischen den Entscheidungsgründen und der Urteilsformel. In den Entscheidungsgründen ist jeweils nur von einem Tandem-Therapiefahrrad die Rede, ohne die Erforderlichkeit des in der Urteilsformel genannten bestimmten Fabrikats zu erörtern. Insbesondere fehlt jegliche Feststellung dazu, ob dies das einzige oder jedenfalls das kostengünstigste Tandem-Therapiefahrrad auf dem Markt ist. Nur unter dieser Voraussetzung wäre die Verpflichtung der Beklagten zur Versorgung mit einem bestimmten Erzeugnis denkbar; im Regelfall bleibt es dem Krankenversicherungsträger überlassen, das Fabrikat auszuwählen (vgl BSG vom 17. Januar 1996, SozR 3-2500 § 33 Nr 18 S 95 – Farberkennungsgerät; zum richtigen Klageantrag vgl BSG vom 25. Oktober 1995, SozR 3-2500 § 33 Nr 17 S 81 f – Schreibtelefon). Hierdurch kann er insbesondere auch sicherstellen, daß das zu überlassende Hilfsmittel den einschlägigen Qualitätsanforderungen (vgl § 139 Abs 1 SGB V) entspricht.
(Zu 5) Nachdem bisher keine Feststellungen des LSG zu den konkreten Nutzungsmöglichkeiten eines Tandem-Therapiefahrrades für den Kläger oder zu den (nach den Ausführungen zu 4b) tatsächlich erforderlichen Kosten vorliegen, kann sich der Senat beim gegenwärtigen Streitstand eingehende Ausführungen zur Wirtschaftlichkeit eines entsprechenden Hilfsmittels (siehe BSG vom 17. Januar 1996, SozR 3-2500 § 33 Nr 20 S 109 – Luftreinigungsgerät) sparen. Er läßt auch offen, ob für ein Tandem-Therapiefahrrad für ca DM 4.000,00 eine ähnliche Nutzungsdauer verlangt werden kann, wie es der 3. Senat des BSG für ein Lese-Sprechgerät mit etwas höheren Kosten getan hat (durchschnittlich mindestens fünf Stunden/Woche: BSG vom 23. August 1995, SozR 3-2500 § 33 Nr 16 S 79).
Der Einwand der Beklagten jedenfalls, die Nutzung eines Tandem-Therapiefahrrades sei bereits wegen seiner Witterungsabhängigkeit unwirtschaftlich, kann den Ausschlag nicht geben. Denn mit diesem Argument könnte dann die Versorgung mit allen nur im Freien zu verwendenden Hilfsmitteln (wie zB auch dem Rollstuhlboy: BSG vom 8. Juni 1994, SozR 3-2500 § 33 Nr 7) abgelehnt werden.
(Zu 6) Eine Versorgung des Klägers mit einem Tandem-Therapiefahrrad als Hilfsmittel ist nicht durch § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen. Die nach dieser Vorschrift erlassene Verordnung über Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 13. Dezember 1989 (BGBl I 2237) führt das Tandem-Therapiefahrrad nicht auf.
(Zu 7) Das LSG hat festgestellt, daß ein Tandem-Therapiefahrrad „nicht zu den Gegenständen des täglichen Lebens zählt”. Insoweit hegt auch der Senat keine Zweifel (vgl auch LSG Nordrhein-Westfalen vom 22. August 1996, E-LSG Kr-105, S 2).
Die Frage, ob das vom Kläger begehrte Hilfsmittel hierzu zu rechnen ist, wäre jedoch dann näher zu erörtern, wenn (iS der Ausführungen zu 4a) als kostengünstigere Alternative die Versorgung des Klägers mit einem handelsüblichen Tandem, ggf mit Sonderausstattung, in Betracht käme. Dann wäre Hilfsmittel iS des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V nur diese Sonderausstattung (vgl BSG vom 26. Februar 1991, SozR 3-2500 § 33 Nr 3 – schwenkbarer Autositz), wenn ein handelsübliches Tandem seinerseits als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens aufzufassen wäre. Hierfür wiederum könnte sprechen, daß Tandems nicht nur bei Behinderten in Gebrauch sind. Der Senat läßt im vorliegenden Zusammenhang offen, ob er sich der Rechtsprechung des 3. Senats (vgl BSG vom 17. Januar 1996, SozR 3-2500 § 33 Nr 20, S 110 f – Luftreinigungsgerät mwN) anschließt, daß es insoweit auf Preis und Verbreitungsgrad ankommt, wobei bei einem Verbreitungsgrad von weniger als 3 vH eine Qualifizierung als allgemeiner Gebrauchsgegenstand ausgeschlossen sei.
Sollte ein handelsübliches Tandem ein allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens sein, so wäre der Kläger dann, wenn er einen Anspruch auf Versorgung mit einem Tandem-Therapiefahrrad haben sollte, mit einem entsprechenden Eigenanteil zu belasten. Sollten handelsübliche Tandems dagegen nicht zu den allgemeinen Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens zählen, so wäre insoweit zumindest ein Eigenanteil in Höhe der Kosten für ein Fahrrad in Betracht zu ziehen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn im Haushalt kein Fahrrad vorhanden ist, das dem Kläger zur Nutzung zur Verfügung stünde, wäre er nicht behindert (vgl BSG vom 17. Januar 1996, SozR 3-2500 § 33 Nr 19 S 106 – Telefaxgerät mwN). Dem LSG kann nicht zugestimmt werden, wenn es einen entsprechenden Eigenanteil bereits mit der Begründung ablehnt, der Kläger sei nicht in der Lage, überhaupt selbständig ein Fahrrad zu benutzen. Im Gegenteil setzt eine Belastung mit einem entsprechenden Eigenanteil gerade voraus, daß der entsprechende allgemeine Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens vom Behinderten nicht benutzt werden kann; sonst bestünde von vornherein kein Anspruch auf Ausstattung mit einem Hilfsmittel.
Entsprechend hat das BSG zB entschieden, daß bei Versorgung von Gehörlosen und Ertaubten mit einem Telefaxgerät als Hilfsmittel die Anschaffungs- und Betriebskosten für ein Standardtelefon grundsätzlich vom Versicherten als Eigenanteil selbst zu tragen sind (BSG vom 17. Januar 1996, SozR 3-2500 § 33 Nr 19 S 106). Wenn das BSG beim Rollstuhlboy einen Eigenanteil des Versicherten nicht in Betracht gezogen hat (BSG vom 8. Juni 1994, SozR 3-2500 § 33 Nr 7 S 26: Unerheblichkeit der Vergleichbarkeit mit einem Fahrrad), ist dies daraus zu erklären, daß beim Rollstuhlboy im entschiedenen Einzelfall die Erweiterung der Nutzungsmöglichkeit des Rollstuhls im Vordergrund stand, nachdem der damalige Kläger weder einen handbetriebenen noch einen Elektro-Rollstuhl bedienen konnte; es sollte ihm zumindest der Freiraum eines solchen Behinderten eröffnet werden, der einen Rollstuhl selbst bewegen kann. Damit aber ging es nicht um die Substituierung eines Fahrrades, sondern um die ansatzweise Ermöglichung einer Bewegungsfreiheit, über die Nichtbehinderte bereits zu Fuß verfügen. Dies könnte im Falle des Klägers anders zu beurteilen sein.
(Zu 8) Tandem-Therapiefahrräder und handelsübliche Tandems sind jedenfalls nicht schon wegen der Regelungen zur Produktgruppe 22 „Mobilitätshilfen”) des von den Spitzenverbänden der Krankenkassen erstellten Hilfsmittelverzeichnisses (insoweit Bekanntmachung vom 5. Februar 1996, BAnz Nr 79a S 34) als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Hierin heißt es zwar, daß eine Kostenübernahme ua nicht in Betracht komme für „Fahrräder mit einer Fremdbedienung für Antrieb und/oder Steuerung (zB Tandems …), da es sich … hierbei um Gebrauchsgegenstände in Form von Freizeitgegenständen” handele. Es kann offenbleiben, ob durch die zitierte Regelung auch die Versorgung mit Tandem-Therapiefahrrädern ausgeschlossen werden soll. Denn das Hilfsmittelverzeichnis bindet die Gerichte nicht.
Nach § 128 SGB V erstellen die Spitzenverbände der Krankenkassen gemeinsam ein Hilfsmittelverzeichnis (Satz 1), in dem die von der Leistungspflicht umfaßten Hilfsmittel aufzuführen und die dafür vorgesehenen Festbeträge oder vereinbarten Preise anzugeben sind (Satz 2). Das Hilfsmittelverzeichnis ist fortzuschreiben (Satz 3); die Spitzenorganisationen der Leistungserbringer sind anzuhören (Satz 4); das Hilfsmittelverzeichnis ist im Bundesanzeiger bekanntzumachen (Satz 5). Aus dieser Regelung folgt jedoch nicht die Aufgabe des Hilfsmittelverzeichnisses, abschließend (als Positivliste) darüber zu befinden, welche Hilfsmittel der Versicherte im Rahmen der Krankenbehandlung (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB V) beanspruchen kann; für die Gerichte stellt es vielmehr nur eine unverbindliche Auslegungshilfe dar (BSG vom 23. August 1995, SozR 3-2500 § 33 Nr 16 S 72 – Lese-Sprechgerät; BSG vom 17. Januar 1996, SozR 3-2500 § 33 Nr 20 S 108 – Luftreinigungsgerät). Dies gilt auch dann, wenn man dem Hilfsmittelverzeichnis nach § 128 SGB V eine weitergehende Bedeutung beimißt als dem Hilfsmittelverzeichnis nach § 376c RVO, dem Vorläufer dieser Vorschrift (s hierzu Beuthien/Schmölz, MedR 1996, 99, 100 mwN; enger zB von Maydell in GK-SGB V, § 128 RdNrn 3, 6 bis 8 und 11, Stand: 1991).
Denn die Regelung ist jedenfalls nur dann mit den Grundsätzen des Leistungsrechts zu vereinbaren, wenn das Hilfsmittelverzeichnis nicht als bindender Positivkatalog verstanden wird. Bei einer behandlungsfähigen sowie behandlungsbedürftigen Krankheit räumt § 27 Abs 1 iVm § 2 Abs 1, § 12 Abs 1 SGB V dem Versicherten ein Recht auf diejenige Krankenbehandlung ein, die dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht sowie notwendig, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist. Werden diese Voraussetzungen durch ein bestimmtes Hilfsmittel erfüllt, darf dessen fehlende Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis – oder auch dessen ausdrückliche Ablehnung durch jenes Verzeichnis – nicht dazu führen, daß bis zur Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis (zum Verfahren s § 139 Abs 2 iVm § 213 Abs 2 SGB V) – oder bis zu dessen Korrektur – ein an sich erforderliches Hilfsmittel nicht gewährt werden darf und somit der Versicherte unversorgt oder nicht ausreichend versorgt bleibt. Eine derart normative Wirkung kommt dem Hilfsmittelverzeichnis als einer bloßen Verwaltungsvorschrift zu einer gesetzlichen Anspruchsnorm nicht zu.
Nichts anderes ergibt sich für die Gerichte aus den auf der Ermächtigung in § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V beruhenden Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Heilmitteln und Hilfsmitteln in der kassenärztlichen und vertragsärztlichen Versorgung (Heil- und HilfsmittelRL) in der Fassung vom 17. Juni 1992, zuletzt geändert am 4. Mai 1996 (BAnz S 5188). Nach deren Nr 8 können Hilfsmittel zu Lasten der Krankenkassen nur verordnet werden, sofern sie im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt sind. Selbst wenn diese Regelung zulässigerweise die Ärzte an das Hilfsmittelverzeichnis bände (vgl jedoch BSG vom 5. Mai 1988, BSGE 63, 163 ff zu Nr 21h der ArzneimittelRL), hätte dies keine Auswirkungen auf den Leistungsanspruch des Versicherten gegen den Krankenversicherungsträger. Denn die ärztliche Verordnung ist nicht Voraussetzung für die Versorgung mit einem Hilfsmittel, der Arztvorbehalt des § 15 Abs 1 Satz 2 SGB V gilt insoweit nicht (s § 15 Abs 3 SGB V; Noftz in: Hauck/Haines, SGB V, § 15 RdNr 17aE).
(Zu 9) Schließlich kommt der – nach den Feststellungen des LSG vorliegenden – vertragsärztlichen Verordnung über die Versorgung des Klägers mit einem Tandem-Therapiefahrrad keine die Leistungsverpflichtung der Beklagten verbindlich regelnde Wirkung zu (s hierzu zB die Urteile des 3. Senats des BSG vom 17. Januar 1996, SozR 3-2500 § 33 Nr 19 und 20 – Telefaxgerät und – Luftreinigungsgerät, wo jeweils dem Umstand der ärztlichen Verordnung des Hilfsmittels keinerlei Bedeutung beigemessen wurde; vgl auch BSG vom 18. Mai 1989, BSGE 65, 94, 97; BSG vom 11. Oktober 1988 – 3/8 RK 20/87 – USK 88157; anders jedoch bei Arzneimitteln: BSG vom 17. Januar 1996, BSGE 77, 194, 198 ff mwN). Dies folgt zum einen daraus, daß nach § 12 Abs 1 Satz 2 SGB V die Krankenkassen unwirtschaftliche Leistungen nicht bewilligen dürfen und nach § 275 Abs 3 Nr 3 SGB V die Krankenkassen vor Bewilligung eines Hilfsmittels in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst prüfen lassen können, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Hiermit steht zum anderen in Einklang, daß nach den die Verordnungstätigkeit regelnden Bundesmantelverträgen (§ 30 Abs 8 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte ≪BMV-Ä≫, Stand: 1. Januar 1996; ebenso § 16 Abs 8 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen ≪EKV-Ä≫, Stand: 1. Januar 1996) die Abgabe von Hilfsmitteln einer Genehmigung durch die Krankenkasse bedarf, soweit in ihren Bestimmungen nichts anderes vorgesehen ist. Eine hiervon abweichende Regelung der Beklagten besteht nicht; die Satzung der Bundesknappschaft enthält keine entsprechende Bestimmung (ihr § 45 – Hilfsmittel – regelt lediglich die Möglichkeit einer leihweisen Überlassung von Hilfsmitteln).
Das LSG wird die fehlenden Feststellungen (s insbes unter ≪3≫, ≪4≫ und ≪7≫) nachzuholen haben. Als Auskunftsperson käme uU auch der Behindertenbeauftragte des Allgemeinen Deutschen Fahrrad Clubs (ADFC), Newtonstraße 7, 53125 Bonn, in Betracht.
Abschließend sei darauf hingewiesen, daß bei Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen für die Versorgung mit dem begehrten Hilfsmittel und einer entsprechenden Verurteilung der Beklagten dem Grunde nach – die im Regelfall im übrigen lediglich der Gattung nach zu erfolgen hat (s oben zu 4b) – es dieser freisteht, ob sie diese Versorgung durch Übereignung oder durch leihweise Überlassung (hierzu § 45 der Satzung der Bundesknappschaft) des Hilfsmittels vornimmt (BSG vom 17. Januar 1996, SozR 3-2500 § 33 Nr 18 S 95 – Farberkennungsgerät). Ebenso kann sie die Versorgung mit Auflagen verknüpfen, die den ordnungsgemäßen Gebrauch des Hilfsmittels sicherstellen und dessen Überprüfung ermöglichen (§ 32 Abs 1, Abs 2 Nr 4 SGB X), zB die Führung eines Fahrtenbuchs.
Das LSG hat auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden.
Fundstellen