Entscheidungsstichwort (Thema)
Überwiegender Unterhalt
Leitsatz (amtlich)
Bei der Feststellung, ob ein Elternteil ein Kind überwiegend unterhält, sind die persönlichen Betreuungsleistungen mit ihrem Geldwert zu berücksichtigen.
Leitsatz (redaktionell)
Bei der Berechnung des überwiegenden Unterhalts nach § 3 Abs 3 BKGG sind nicht nur die finanziellen Unterhaltsleistungen der Eltern an ihre Kinder zu berücksichtigen, sondern ebenso die persönlichen Betreuungsleistungen. Diese sind bei der Feststellung, ob ein Elternteil ein Kind überwiegend unterhält, mit dem Geldwert zu berücksichtigen, und zwar danach, welche Geldmittel aufgewendet werden müßten, wenn eine fremde Person die von einem Elternteil den Kindern zugewendeten Betreuungsleistungen hätte erbringen müssen.
Normenkette
BKGG § 3 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 Fassung: 1964-04-14
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist ein Kindergeldanspruch des Klägers für die Zeit vom 1. Januar 1975 bis August 1979 für seine beiden minderjährigen Kinder A - G und M V. Diese Kinder stammen aus der inzwischen geschiedenen Ehe des Klägers mit der Beigeladenen zu 1). Am 7. Dezember 1974 verließ die Beigeladene zu 1) die eheliche Wohnung und nahm die beiden Kinder mit. Seitdem bewohnte sie mit den Kindern eine 2 1/2-Zimmer-Wohnung (etwa 62 qm) in der Nachbarschaft ihrer Eltern.
Der 1940 geborene Kläger war Pfarrer der Evangelischen Kirche im Rheinland und bezog eine Besoldung, die der für Beamte in der Besoldungsgruppe A 14 entsprach. Anstelle des Ortszuschlages wurde ihm kostenfrei eine Dienstwohnung zur Verfügung gestellt. Seit dem 1. Juni 1977 ist der Kläger im Ruhestand und erhält Versorgung in Höhe von 59 vH des Endgehalts.
Die Beigeladene zu 1) ist ausgebildete Krankengymnastin. Schon im Sommersemester 1974 hatte sie ein Studium der Erziehungswissenschaft begonnen. Vom 10. Januar 1975 bis zum 19. Februar 1978 war sie als Krankengymnastin beschäftigt. Ihr Dienstherr, der Beigeladene zu 2) zahlte ihr ein Entgelt nach den Vorschriften des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) und auch Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG). Von April bis Oktober 1978 war die Beigeladene zu 1), die ihr Studium mit dem Sommersemester 1977 abgeschlossen hatte, ganztägig als Diplom-Pädagogin tätig und hatte eine 3-Zimmer-Dienstwohnung (etwa 60 - 70 qm) inne. Ab 1. November 1978 bezog sie Arbeitslosengeld. Vom 23. April bis 30. September 1979 arbeitete sie werktäglich von 8 bis 15 Uhr wieder als Krankengymnastin in einem Krankenhaus in S. Seit dem 1. Oktober 1979 ist sie mit einer Arbeitszeit von 30 Stunden wöchentlich beim dortigen D p W beschäftigt. Ihre Wohnung in S ist etwa 60 qm groß und hat drei Zimmer.
Der Kläger beantragte am 31. Januar 1975, ihm Kindergeld zu gewähren: Er leiste den Kindern Unterhalt in Höhe eines Sechstels seines verfügbaren Nettoeinkommens. Anfangs hat es sich nach seinen Angaben um jeweils 160,-- DM, später um 180,-- DM gehandelt. Seine Ehefrau könne zum Unterhalt der Kinder nicht beitragen, weil ihr Verdienst nicht einmal zur Deckung ihres eigenen Lebensbedarfs ausreiche. Er halte für die Kinder Zimmer in seiner Dienstwohnung bereit. Er beabsichtige, die Kinder in seinen Haushalt zurückzuführen, sobald er seine schwere Krankheit überwunden habe.
Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers ab (Bescheid vom 2. Januar 1976) und wies den Widerspruch mit dem Widerspruchsbescheid vom 4. März 1976 zurück, weil die Betreuungsleistungen der Beigeladenen zu 1) für die Kinder höher zu veranschlagen seien als die Baraufwendungen des Klägers, so daß die Kinder von ihr überwiegend unterhalten würden. Das Sozialgericht Duisburg (SG) hat die hiergegen erhobene Klage mit Urteil vom 27. September 1976 abgewiesen, weil die Mutter die Kinder überwiegend unterhalte. Pflegegelder, die Gemeindeverwaltungen für die Aufnahme von Pflegekindern zahlten, seien erheblich höher als die Barleistungen des Klägers, wie er sie mit der Klage im einzelnen behauptet habe.
Das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG) hat die Bescheide der Beklagten abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab September 1979 für die beiden Kinder Kindergeld zu gewähren. Im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 28. April 1980). Es hat ebenfalls festgestellt, die Beigeladene zu 1) habe die beiden Kinder bis August 1979 überwiegend im Sinne von § 3 Abs 3 BKGG unterhalten. Der Wert der persönlichen Betreuungsleistungen sei nämlich in dieser Zeit höher als die Barleistungen des Klägers gewesen. Es ist dabei von einer Betreuung von monatlich 90 Stunden ausgegangen und hat sie entsprechend den Vergütungen der Lohngruppe IV, ab 1. August 1978 der Lohngruppe V des in Baden-Württemberg geltenden Lohn- und Gehaltstarifs für Arbeitnehmer in Privathaushaltungen bewertet. Erst nachdem der Kläger seine Barleistungen ab September 1979 auf 1.000,-- DM monatlich erhöht habe, übersteige dieser Betrag den Wert der Betreuungsleistungen der Beigeladenen zu 1).
Der Kläger hat Revision eingelegt. Er rügt eine Verletzung des Art 103 Abs 1 des Grundgesetzes (GG), des § 31 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG), des Art 20 Abs 3 GG, des § 1360a Abs 1 und 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), des § 3 Abs 3 Satz 2 erster Halbsatz BKGG, des Art 3 Abs 1 und 2 GG, des § 1606 Abs 3 BGB, des § 1615g Abs 1 BGB, des Art 6 Abs 1 GG und eine fehlerhafte Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen vom 28. April 1980, soweit
darin über die Gewährung von Kindergeld vom
1. Januar 1975 bis 31. August 1979 entschieden
ist, sowie das Urteil des Sozialgerichts Duisburg
vom 27. September 1976 und die Bescheide der
Beklagten vom 2. Januar 1976 und 4. März 1976
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem
Kläger auch für die Zeit vom 1. Januar 1975 bis
31. August 1979 Kindergeld für die Kinder A - G
und M V zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen.
Das Landessozialgericht (LSG) hat zutreffend einen Kindergeldanspruch des Klägers für die hier allein noch streitige Zeit vom 1. Januar 1975 bis 31. August 1979 verneint und die Berufung gegen das klagabweisende Urteil des Sozialgerichts (SG) insoweit zurückgewiesen. Soweit das LSG die Beklagte verurteilt hat, ab September 1979 Kindergeld an den Kläger zu zahlen, ist das angefochtene Urteil rechtskräftig.
Die mit der Revision erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.
Wenn der Kläger behauptet, sein Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 des Grundgesetzes -GG-; § 62 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) sei verletzt, weil das LSG sich mit wesentlichen Teilen seines rechtlichen Vortrages nicht auseinandergesetzt habe, trägt er damit nicht substantiiert vor, welche Rechtsausführungen im einzelnen unberücksichtigt geblieben sind und weshalb das angefochtene Urteil darauf beruhen kann. Im übrigen führt eine Nichtbeachtung von Rechtsausführungen nicht grundsätzlich zur Aufhebung eines Urteils in der Revisionsinstanz. Es ist Aufgabe des Revisionsgerichts, die angefochtene Entscheidung auf Rechtsverletzungen, insbesondere auch auf ihre Vereinbarkeit mit dem materiellen Recht zu überprüfen und sodann selbst zu entscheiden. Die Revision ist auch dann zurückzuweisen, wenn die Entscheidungsgründe der Vorinstanz eine Gesetzesverletzung ergeben, die Entscheidung aber aus anderen Gründen richtig ist (§ 170 Abs 2 SGG).
Zu Unrecht rügt die Revision eine Verletzung des § 31 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG). Abgesehen davon, daß das LSG keineswegs auf Seite 18 oben und unten des angefochtenen Urteils davon ausgegangen ist, das BVerfG habe entschieden, § 3 Abs 3 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) sei insgesamt mit dem Grundgesetz vereinbar, wäre eine solche Verkennung der Wirkungen einer Entscheidung des BVerfG ein Rechtsirrtum und kein Verfahrensfehler.
Schließlich sind die am Ende der Revisionsbegründung unter Nr 10 vorgetragenen Rügen einer fehlerhaften Beweiswürdigung nicht substantiiert. Die Revision trägt nicht vor, inwieweit das LSG in den genannten Punkten etwa einem Denkfehler erlegen ist oder gegen anerkannte Erfahrungssätze verstoßen hat. Im übrigen trägt die Revision nicht vor, inwieweit das angefochtene Urteil auf einer derartigen fehlerhaften Beweiswürdigung beruhen kann, insbesondere nicht, weshalb das LSG auch unter Beachtung seiner Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) zu einem anderen Sachlichen Ergebnis gekommen wäre.
Rechtsgrundlage für den streitigen Kindergeldanspruch ist allein das BKGG, insbesondere sein § 3 Abs 3. Nach § 1 BKGG haben nach den Vorschriften dieses Gesetzes Anspruch auf Kindergeld für ihre Kinder die unter den Nrn 1 und 2 genannten Personen. Als Kinder im Sinne des BKGG werden ua eheliche Kinder berücksichtigt (§ 2 Abs 1 Nr 1 BKGG). Da für jedes Kind nur einer Person Kindergeld gewährt wird (§ 3 Abs 1 BKGG) wird in § 3 Abs 3 für den Fall, daß für ein Kind Vater und Mutter die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen, eine Regelung, wem von ihnen das Kindergeld zu gewähren ist, getroffen. Grundsätzlich ist das derjenige, den Vater und Mutter zum Berechtigten bestimmen. Solange eine solche Bestimmung nicht getroffen ist, wird das Kindergeld demjenigen gewährt, der das Kind überwiegend unterhält; es wird jedoch der Mutter gewährt, wenn ihr die Sorge für die Person des Kindes allein zusteht. Ist also eine Personensorgeregelung getroffen, so ist es rechtlich ebenso wie bei einer Bestimmung des Berechtigten unerheblich, wer von den beiden Eltern das Kind überwiegend unterhält. Der Kläger und die Beigeladene zu 1) hatten eine Bestimmung in diesem Sinne während der streitigen Zeit nicht getroffen, und die Personensorge war auch, abgesehen von einer kurzzeitigen Regelung, keinem von ihnen übertragen worden. Maßgebend für den streitigen Kindergeldanspruch des Klägers ist also, ob er die Kinder während der streitigen Zeit überwiegend unterhalten hat. Diese Anspruchsvoraussetzung erfüllte der Kläger nicht.
Das BKGG enthält keine eigene Begriffsbestimmung des "Unterhalts". Es muß daher insoweit wie auch im übrigen Sozialversicherungsrecht auf die Regelungen des bürgerlichen Rechts zurückgegriffen werden. Die Umgestaltung des bürgerlichen Familienrechts durch das Gleichberechtigungsgesetz vom 18. Juni 1957 (BGBl I S 609), mit dem der alte Rechtszustand an Art 3 Abs 2 GG angepaßt wurde, hat sich voll auf das Sozialversicherungsrecht ausgewirkt, wo immer dieses auf entsprechende Begriffe des bürgerlichen Rechts verweist (BVerfGE 17, 1, 12 zu § 43 des Angestelltenversicherungsgesetzes -AVG-; BSGE 20, 148, 152 zu § 182, 186 der Reichsversicherungsordnung -RVO-; BSGE 28, 1, 2 zu § 12 BKGG aF; BSGE 32, 141, 142 zu §§ 1262, 1267 RVO; BSGE 33, 270, 275 mwN zu § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 7 BKGG aF; BSGE 46, 158, 164 zu § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 3 BKGG). In der hier maßgebenden Frage der Bewertung des Unterhalts, den Ehegatten sich gegenseitig oder ihren Kindern leisten, ist das Bundessozialgericht stets von dem vom Bundesverfassungsgericht -BVerfG- (BVerfGE 17, 1, 12 ff) für Art 3 Abs 2 GG geboten erklärten Grundsatz ausgegangen, die Arbeit der Frau als Mutter, Hausfrau und Mithelfende sei mit ihrem tatsächlichen Wert als Unterhaltsleistung zu berücksichtigen. Das BVerfG hat dem Begriff des Unterhalts allgemeingültig auch die unmittelbaren Leistungen der Mutter und Hausfrau zugeordnet. Damit kommt schlechthin ein Grundgedanke zum Ausdruck, der nicht nur für die Frage des überwiegenden Unterhalts als Voraussetzung einer Witwerrente (§§ 43 AVG, 1266 RVP), sondern ebenso im allgemeinen Unterhaltsrecht und im Sozialversicherungsrecht maßgebend ist. So wird auch im Familien- und Unterhaltsrecht in Schrifttum und Rechtsprechung seit der Gleichstellung von Mann und Frau (Art 3 Abs 2 GG) übereinstimmend und ohne Gegenstimmen dieselbe Rechtsauffassung vertreten (ua BGH-Urteil vom 2. Juli 1980 in NJW 1980, 2306; Urteil vom 10. April 1979 in NJW 1979, S. 1501; Staudinger, Kommentar zum BGB 10./11. Aufl, § 1606 RdNrn 28, 29, 31, 32; Reichsgerichtsrätekommentar - Das Bürgerliche Gesetzbuch -, § 1606 RdNr 8 und Ergänzungsband zu § 1606 RdNr 11; Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts, 3. Aufl, § 42 II 2, 3; Scheffler, Zeitschrift für Sozialreform 1967, 24 ff; Schacht, FamRZ 1980, 107). Demgegenüber vermag der Senat den Ausführungen der Revision nicht zu folgen, bei der Feststellung des überwiegenden Unterhalts im Sinne von § 3 Abs 3 BKGG seien die einem Kind zugewendeten persönlichen Betreuungsleistungen nicht zu berücksichtigen, sondern allein die finanziellen Unterhaltsleistungen. Es besteht kein Anlaß, dem Begriff des "Unterhalts" in dieser Vorschrift einen anderen Inhalt zu geben als in anderen Regelungen des BKGG, des übrigen Sozialversicherungsrechts und des Familienrechts. Die Meinung des Klägers hat weder in Art 20 GG, in der allgemeinen Zielsetzung des Kindergeldrechtes noch in dem besonderen Sinn und Zweck der Regelung der Bezugsberechtigung in § 3 Abs 3 BKGG eine Stütze.
Das Kindergeld nach dem BKGG dient nicht, wie die Revision meint, allein dem Ausgleich wirtschaftlich-finanzieller Belastungen. Schon der Kreis der Bezugsberechtigten (§§ 2 Abs 1 und 3 Abs 2 BKGG) zeigt, daß neben Personen, die gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet sind, auch solche anspruchsberechtigt sind, bei denen keine gesetzliche Unterhaltspflicht besteht, etwa Pflegeeltern, Stiefeltern, Großeltern und Geschwister. Hier knüpft das Gesetz die Anspruchsberechtigung daran, daß die Kinder in den Haushalt aufgenommen sind, und zwar bei den letzteren lediglich alternativ, daß sie überwiegend unterhalten werden. Stiefeltern, Pflegeeltern, Großeltern oder Geschwister sind daher auch dann bezugsberechtigt, wenn der finanzielle Unterhalt des Kindes von anderer Seite, etwa durch die leiblichen Eltern, sichergestellt ist. Das BKGG schließt den Kindergeldanspruch gerade nicht bei fehlender finanzieller Belastung des Berechtigten, etwa wegen ausreichenden Einkommens oder Vermögens des Kindes grundsätzlich aus, sondern nur in den im Gesetz ausdrücklich genannten Fällen des § 2 Abs 2 Sätze 1 und 2 und Abs 4a BKGG (vgl BSG SozR 5870 § 2 Nr 12). So hat auch das BVerfG (BVerfGE 22, 163, 169, 173; 23, 258, 263, 264) den maßgebenden Gesichtspunkt für die Kindergeldregelung nicht in der Entlastung des Unterhaltspflichtigen, sondern in der Begünstigung der Familie gesehen, in der das Kind dauernd lebt; derjenige, der dem Kind eine Heimstatt biete und sich um sein persönliches Wohl sowie um seine Erziehung kümmere, solle für die damit verbundenen finanziellen, mindestens aber persönlichen Opfer einen Ausgleich von der Gesellschaft erhalten. Das BVerfG hat deshalb die Nichtberücksichtigung von im Ausland lebenden Kindern (§ 2 Abs 5 BKGG), die aber von ihren im Inland lebenden Eltern finanziell unterhalten werden, für verfassungskonform erachtet. Insbesondere auch in der Regelung des § 3 Abs 3 BKGG kommt dieser Gesichtspunkt deutlich zum Ausdruck, wenn dort die Mutter zur Anspruchsberechtigten bestimmt wird, wenn ihr die Sorge für die Person des Kindes allein zusteht, und zwar auch dann, wenn der Vater den finanziellen Unterhalt allein trägt. Eine solche Berücksichtigung der persönlichen Betreuungsleistungen gegenüber dem Kind ist schließlich nicht zuletzt dadurch gerechtfertigt, daß der Betreuende während der Zeit, die er für die Betreuung aufwenden muß, darauf, seine Arbeitskraft zu Erwerbszwecken zu verwerten und damit auf finanzielle Vorteile verzichtet. In seinem Beschluß vom 8. Juni 1977 (BVerfGE 45, 104 ff) hat das BVerfG zwar nicht mit Gesetzeskraft entschieden, daß § 3 Abs 3 BKGG insgesamt verfassungskonform sei. Es hat jedoch die vorrangige Bezugsberechtigung des Elternteils gebilligt, dem die Personensorge zusteht; der Gesetzgeber habe nämlich die durch die persönliche Nähe von Eltern und Kindern hergestellte Anknüpfung höher bewerten können als die reine Unterhaltslast. Den Sorgeberechtigten treffe neben der Verpflichtung zur persönlichen Betreuung des Kindes das Risiko, daß Unterhaltsforderungen des Kindes gegenüber dem anderen Elternteil nicht oder erst verspätet realisierbar seien (aaO 131, 132). Auch hieraus folgt, daß auch im Rahmen des § 3 Abs 3 BKGG die persönliche Betreuungsleistung gegenüber dem Kind zu berücksichtigen ist.
Bei der Bewertung der finanziellen Unterhaltsleistungen einerseits und der Betreuungsleistungen andererseits, geht das Unterhaltsrecht in § 1606 Abs 3 BGB grundsätzlich von der Gleichwertigkeit der Unterhaltsleistungen durch Zahlung von Geldbeträgen und durch persönliche Betreuung aus (BVerfGE 26, 265, 273; 45, 104, 131). Der Bundesgerichtshof (BGH hat in seinem Urteil vom 2. Juli 1980 (NJW 1980, 2306) im allgemeinen keine Bedenken gegen die Gleichwertigkeit zwischen der von der Mutter ausgeübten Pflege und Erziehung sowie den finanziellen Leistungen des Vaters, wenn sich dessen Unterhaltszahlungen in einem durchschnittlichen Rahmen halten. Daran ändert sich nach Auffassung des BGH grundsätzlich auch nichts, wenn die Mutter erwerbstätig ist, solange sie die Kinderbetreuung weiterhin in vollem Umfang wahrnimmt.
Erkennbar geht das BKGG in § 3 Abs 3 aber gerade nicht von einer grundsätzlichen Gleichwertigkeit dieser Unterhaltsleistungen aus. Es regelt nämlich die Bezugsberechtigung im Falle der Gleichwertigkeit der Unterhaltsleistungen nicht, sondern nur bei überwiegendem Unterhalt. Wenn jedoch nach dem Unterhaltsrecht in der Regel die finanziellen und persönlichen Unterhaltsleistungen gleichwertig sind, besteht in § 3 Abs 3 BKGG keine ausfüllungsfähige Gesetzeslücke. Vielmehr kann der "überwiegende Unterhalt" als Anspruchsvoraussetzung nur dadurch festgestellt werden, daß der Geldwert der Betreuungsleistungen ermittelt und den finanziellen Unterhaltsleistungen des anderen Elternteils gegenübergestellt wird. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 24. Juli 1963 (BVerfGE 17, 1, 16) diese Art der Ermittlung des überwiegenden Unterhalts im Sinne von § 43 AVG (= § 1266 RVO) für sachgerecht gehalten und ausgeführt, der wirtschaftliche Wert der Leistungen der Mutter sei in voller Höhe anzurechnen, wobei ein natürlicher Anhaltspunkt für die Bewertung sich aus den Mitteln ergebe, die üblicherweise für häuslichen oder außerhäuslichen Ersatz der fortgefallenen Leistungen aufgewandt werden müßten. Nur in dieser Weise könnten ungleichartige Leistungen zueinander in Beziehung gesetzt werden. Für § 3 Abs 3 BKGG kann insoweit nichts anderes gelten (vgl auch das Urteil des BGH vom 10. April 1979, NJW 1979, 1501, 1502 zur Bewertung der Unterhaltsleistungen einer Ehefrau und Mutter im Rahmen des § 844 Abs 2 BGB; ebenso Scheffler in Zeitschrift für Sozialreform 1967, 24 ff).
Die Feststellungen des LSG über den finanziellen Wert der persönlichen Betreuung, die die Beigeladene zu 1) den Kindern in der streitigen Zeit zugewendet hat, greift die Revision ebensowenig mit durchgreifenden Rügen an, wie diejenigen über den von dem Kläger in Geld geleisteten Unterhalt. Wenn der Kläger in diesem Zusammenhang meint, seinen Unterhaltsleistungen müsse auch der Wert des Wohnraumes seiner Wohnung zugerechnet werden, den er für die Kinder bereithalte, um sie, wenn ihm das wieder möglich sein werde, zu sich nehmen zu können, kann ihm darin nicht gefolgt werden. Maßgebend ist allein der tatsächlich während der streitigen Zeit geleistete Unterhalt, sei es in Form von Barleistungen oder persönlichen Betreuungsleistungen, die den Kindern unmittelbar zugute kommen. Ob auch ein Teil des Mietzinses einer Wohnung bei der Feststellung der Höhe des geleisteten Unterhalts zu berücksichtigen ist, könnte allenfalls von Bedeutung sein, wenn die Kinder diesen Wohnraum tatsächlich benutzt hätten. Das war aber nicht der Fall.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen