Entscheidungsstichwort (Thema)
Honorarkürzung. notwendige Beiladung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung
Orientierungssatz
1. Honorarkürzungsbescheide sind Verwaltungsakte mit Doppelwirkung. Sie regeln das Rechtsverhältnis zwischen dem Kassenzahnarzt und der Kassenärztlichen Vereinigung, denn diese ist Schuldnerin der Honorarforderungen des Arztes.
2. Zu dem Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit eines Kürzungsbescheides ist die Kassenzahnärztliche Vereinigung notwendig beizuladen, denn sie ist an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Die zu erwartende Entscheidung über das Rechtsverhältnis greift zugleich in die Rechtssphäre der Kassenzahnärztlichen Vereinigung unmittelbar ein (vgl BSG vom 23.3.1983 3 RK 13/82 = SozR 1500 § 75 SGG Nr 48; Urteil vom 15.4.1986 6 RKa 27/84).
3. Die Notwendigkeit der Beiladung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung wird nicht durch die Verfahrensordnung für die Prüfungsinstanzen gemäß § 22 Abs 6 ZÄBMV ausgeschlossen.
Normenkette
SGG § 75 Abs 2; RVO § 368n Abs 5; BMV-Z § 22 Abs 6; RVO § 368f Abs 1 S 2, § 368n Abs 4 S 1
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 14.02.1985; Aktenzeichen L 6 Ka 14/83) |
SG Kiel (Entscheidung vom 29.06.1983; Aktenzeichen S 8 Ka 25/81) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Honorarkürzungen für die Quartale I/79 bis IV/80.
Der RVO-Prüfungsausschuß beschloß am 20. Mai 1981, bei der Abrechnung des Klägers für das Quartal IV/80 das Honorar für die Positionen 8 a und 8 b auf den Landesdurchschnitt mit einem 100%igen Zuschlag, das Honorar für die Position 105 ebenfalls auf den Landesdurchschnitt mit einem 100%igen Zuschlag und das Honorar für die Position 23 a auf den Landesdurchschnitt mit einem 200%igen Zuschlag zu kürzen. In diese Kürzung sollten die zurückliegenden Quartale von I/79 bis III/80 einbezogen werden. Der Rückrechnungsbetrag belief sich insgesamt auf 12.705,60 DM. Mit Bescheid vom 4. Juni 1981 übersandte die Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZÄV) dem Kläger Niederschriften über die Sitzungen des Prüfungsausschusses und teilte die Rückrechnung mit. Der Beklagte wies mit Beschluß vom 12. August 1981 (Bescheid vom 22. Oktober 1981) die Beschwerde des Klägers zurück und entschied, die Rückrechnung betrage 12.705,60 DM.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG, den Bescheid des RVO-Prüfungsausschusses vom 20. Mai 1981 und den Bescheid des Beklagten vom 22. Oktober 1981 aufgehoben. Das LSG hat in den Entscheidungsgründen ausgeführt, die Kürzungsbescheide seien rechtswidrig. Hinsichtlich der Position 23 a des Bewertungsmaßstabs für kassenzahnärztliche Leistungen (Bema) werde dem Kläger von den Prüfungsinstanzen keine unwirtschaftliche sondern eine unrichtige Abrechnung vorgeworfen. Es sei deshalb im Einzelfall festzustellen, ob bzw daß Positionen zu Unrecht abgerechnet worden sind. Da der Kläger für das Quartal IV/80 selbst insgesamt 24 fehlerhaft abgerechnete Fälle eingeräumt habe, könne für dieses Quartal hiervon ausgegangen werden. Für die übrigen zurückliegenden Quartale könne indessen auf eine "Einzelfallprüfung" nicht verzichtet werden. Die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide beschränke sich indessen nicht auf die Kombination der Überprüfung von Unwirtschaftlichkeit und Unrichtigkeit der Abrechnungen. Der Senat sehe einen wesentlichen Rechtsfehler der angefochtenen Bescheide darin, daß für die streitigen acht Quartale nur eine Längsschnittbetrachtung der einschlägigen Kürzungspositionen vorgenommen worden sei, ohne daß die Quartale jeweils einzeln geprüft worden seien. Diese Längsschnittbetrachtung verstoße gegen das geltende Abrechnungsprinzip, das als Abrechnungszeitraum das jeweilige Quartal zugrunde lege.
Mit der Revision rügen der Beklagte und der Beigeladene zu 1), das LSG habe es unterlassen, die KZÄV Schleswig-Holstein zum Verfahren beizuladen und dadurch § 75 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verletzt. Verletzt sei auch § 368n Abs 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) iVm § 22 Abs 6 des Bundesmantelvertrages-Zahnärzte (BMV-Z) und § 3 der aufgrund dieser Vorschrift erlassenen Verfahrensordnung. Die Längsschnittbetrachtung sei zulässig. Im vorliegenden Fall sei der Kläger im übrigen durch diese Betrachtung nicht beschwert.
Der Beklagte und der Beigeladene zu 1) beantragen, das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 14. Februar 1985 - L 6 Ka 14/83 - aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 29. Juni 1983 - S 8 Ka 25/81 - zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Er hält die Rüge einer Verletzung des § 75 Abs 2 SGG für unbegründet und macht geltend, Herr Assessor P. von der KZÄV Schleswig-Holstein habe den Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG wahrgenommen und dort sehr wohl auch die Interessen der KZÄV vertreten. Damit habe diese die Stellung eines Beteiligten/Beigeladenen gehabt.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen sind im Sinn der Zurückverweisung der Sache an das LSG zu neuer Verhandlung und Entscheidung begründet. Das Urteil des LSG ist aufzuheben, denn es beruht auf einem wesentlichen Verfahrensmangel, den der Senat zu beachten hat.
Mit Recht rügen der Beklagte und der Beigeladene zu 1) eine Verletzung des § 75 Abs 2 SGG. Zu dem Rechtsstreit hätte die KZÄV Schleswig-Holstein notwendig beigeladen werden müssen, denn sie ist an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Die zu erwartende Entscheidung über das Rechtsverhältnis greift zugleich in die Rechtssphäre der KZÄV unmittelbar ein (vgl BSG SozR 1500 § 75 SGG Nr 48; Urteil des Senats vom 15. April 1986 - 6 RKa 27/84 -). Bei dem angefochtenen Bescheid handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Doppelwirkung. Der Beklagte hat damit das Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der KZÄV geregelt, denn diese ist Schuldnerin der Honorarforderungen des Arztes (§ 368f Abs 1 Satz 2 RVO, § 368n Abs 4 Satz 1 RVO).
Die Notwendigkeit der Beiladung wird nicht durch die Verfahrensordnung für die Prüfungsinstanzen gemäß § 22 Abs 6 BMV-Z ausgeschlossen. Danach ist allerdings ein Beschwerderecht der KZÄV gegen Entscheidungen des Prüfungsausschusses nicht vorgesehen. Die Verfahrensordnung vom 1. Juli 1962 (abgedruckt in der Fassung vom 15. September 1964 bei Sixtus/Haep, Zahnärztliches Gebühren- und Vertragsrecht, Stand: 1. Juli 1972, Teil 5 Seite 26 ff) regelt in der heute noch geltenden Vorschrift des § 10 vielmehr nur ein Beschwerderecht der Kassenzahnärzte und der Krankenkassen, die durch die Entscheidungen des Prüfungsausschusses beschwert sind. Nach § 22 Abs 6 des BMV-Z vom 2. Mai 1962 (abgedruckt mit Stand vom 1. Januar 1972 bei Sixtus/Haep aaO, Teil 5 Seite 3) waren die Entscheidungen der Prüfungseinrichtungen den Betroffenen (Kassenzahnarzt und Krankenkassen) mitzuteilen. Eine Begründung für den Ausschluß des Beschwerderechts der KZÄV findet sich in der Regelung des § 368n Abs 4 Satz 2 RVO idF des Gesetzes über Kassenarztrecht vom 17. August 1955 - BGBl I 513 (= § 368n Abs 5 RVO idF des Krankenversicherungs-Weiterentwicklungsgesetzes -KVWG- vom 28. Dezember 1976, BGBl I 3871). Danach errichteten die KZÄV'en nach näherer Bestimmung der Satzung Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse. Die Krankenkassen konnten zu den Ausschüssen einen von ihnen beauftragten Arzt entsenden, der beratend mitwirkte. Gegen die Entscheidungen der Prüfungsausschüsse konnte der betroffene Arzt den Beschwerdeausschuß anrufen. Diese Bestimmung ist aber durch 1977 (BGBl I 1069) geändert worden dahin, daß nunmehr den Ausschüssen Vertreter der Ärzte und Krankenkassen in gleicher Zahl angehören und daß den Beschwerdeausschuß nicht nur der betroffene Arzt sondern auch die Landesverbände der Krankenkassen und die KZÄV'en anrufen können.
Während nach den genannten Bestimmungen die Prüfungsinstanzen früher als Einrichtungen der KZÄV'en angesehen werden konnten, die insoweit in eigener Sache über die Honorarforderungen der Kassenzahnärzte entschieden, sind die Prüfungsinstanzen heute gegenüber der KZÄV selbständig. Die KZÄV braucht die Entscheidungen der Prüfungsinstanzen nicht hinzunehmen als ob sie selbst entschieden hätte. Mit der Einräumung des Beschwerderechts wird vielmehr deutlich, daß die Entscheidungen der Prüfungsinstanzen im Sinn der Beiladungsvorschrift die Rechtssphäre der KZÄV berühren, die nur sie selbst wahrzunehmen hat.
Das LSG wird aus diesen Gründen die Beiladung der KZÄV nachzuholen und aufgrund seiner neuen Verhandlung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen