Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesonderte Prüfung der Statthaftigkeit der Berufung bei mehreren prozessualen Ansprüchen
Orientierungssatz
1. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß die selbständige Prüfung der Berufungsfähigkeit zweier prozessualer Ansprüche von einander unabhängige Entscheidungen über die Prozeßvoraussetzungen erfordert, ist nur dann zugelassen, wenn von zwei in einer Klage zusammengefaßten Ansprüchen der vorgreifliche (präjudizielle) Anspruch berufungsfähig ist, der davon abhängige Anspruch hingegen nicht. Nur für diesen Fall bewirkt die Berufungsfähigkeit des ersteren auch die des letzteren (vgl BSG 26.1.1983 1 RA 55/81 = SozR 1500 § 146 Nr 14). Das gilt jedoch nicht für den umgekehrten Fall (vgl BSG 13.9.1978 5 RJ 62/77 = SozR 1500 § 146 Nr 9).
2. Die Berufungsfähigkeit des Erstattungsanspruches gemäß § 149 SGG beseitigt nicht zugleich den Berufungsausschluß des Aufhebungsanspruches nach § 144 Abs 1 Nr 2 SGG.
3. Seit Inkrafttreten des SGB 10 ist ein Wandel in der Rechtslage insoweit eingetreten, als der Vertrauensschutz des Begünstigten in die Bestandskraft einer Leistungsbewilligung nicht mehr - wie früher weitgehend - erst im Rahmen der Rückforderung zu prüfen ist, sondern in der Regel schon und nur bei der Rücknahme bzw Aufhebung der Bewilligung (vgl §§ 45, 48 SGB 10 im Verhältnis zu § 50 SGB 10). Diese Gewichtsverlagerung reicht aber nicht aus, die zum früheren Recht entwickelte Rechtsprechung aufzugeben, denn durch das SGB 10 hat sich weder am Wortlaut noch am Zusammenhang der §§ 144 bis 149 SGG etwas geändert.
Normenkette
SGG § 144 Abs 1 Nr 2, § 149; SGB 10 §§ 45, 48, 50
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 02.08.1985; Aktenzeichen L 1 Ar 73/84) |
SG Lübeck (Entscheidung vom 14.05.1984; Aktenzeichen S 8 Ar 219/82) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger verpflichtet ist, an die Beklagte 1.993,30 DM zurückzuzahlen.
Der Kläger beantragte am 7. Januar 1982 Arbeitslosengeld (Alg) und meldete sich mit Wirkung vom 15. Januar 1982 arbeitslos. Nach einer Zwischenbeschäftigung vom 1. Februar bis 19. März 1982 beantragte er am 19. März 1982 die Wiederbewilligung des Alg. Beide Antragsvordrucke gingen am selben Tage bei dem Arbeitsamt ein. Am 30. März 1982 erhielt der Kläger 3.000,-- DM als Alg-Vorschuß für die Zeit vom 3. Februar 1982 bis 30. März 1982. Für die Zeit vom 16. Januar bis 2. Februar 1982 ruhte der Anspruch auf Alg, weil der Kläger insoweit eine Urlaubsabgeltung erhalten hatte. Mit Bescheid vom 1. April 1982 bewilligte ihm die Beklagte Alg ab 3. Februar 1982 in Höhe von wöchentlich 385,-- DM (64,30 DM je Leistungstag). Daraufhin wurden im April 1982 nochmals 343,60 DM an den Kläger überwiesen, der ab 5. April 1982 wieder in Arbeit stand.
Mit Bescheid vom 7. Mai 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 1982 hob die Beklagte die Bewilligung des Alg für die Zeit vom 3. Februar bis 10. März 1982 auf, weil der Kläger in dieser Zeit nicht arbeitslos gewesen sei, sondern in einer Beschäftigung gestanden und dies pflichtwidrig nicht angezeigt habe. Das insoweit überzahlte Alg von 1.993,30 DM wurde gemäß § 50 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB 10) in monatlichen Raten von 150,-- DM zurückgefordert.
Während des Klageverfahrens änderte die Beklagte mit "Aufhebungsbescheid" vom 31. August 1982 ihre Entscheidungen vom 7. Mai und 2. Juni 1982 insoweit ab, als die Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 1. April 1982 für die Zeit vom 3. Februar bis 10. März 1982 nicht mehr auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB 10, sondern nunmehr auf § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB 10 gestützt werde. Mit einem gleichfalls am 31. August 1982 erlassenen "Erstattungsbescheid" stellte die Beklagte fest, für die Zeit vom 11. März bis 3. April 1982 habe dem Kläger Alg in Höhe von 1.350,30 DM zugestanden. Tatsächlich seien an ihn 3.343,60 DM gezahlt worden, so daß der zu Unrecht gezahlte Betrag in Höhe von 1.993,30 DM gemäß § 42 Abs 2 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB 1) zu erstatten sei. Die Bescheide vom 7. Mai und 2. Juni 1982 würden insoweit aufgehoben.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 14. Mai 1984 abgewiesen und seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Der Kläger habe der Beklagten den Vorschuß in Höhe des für die Zeit vom 3. Februar bis 10. März 1982 gezahlten Alg von 1.993,30 DM zu erstatten (§ 42 Abs 2 SGB 1). In diesem Zeitraum sei er nicht arbeitslos gewesen. Aus dem Bewilligungsbescheid vom 1. April 1982 stehe ihm die Leistung nicht zu. Die Beklagte habe diesen Verwaltungsakt gemäß § 45 Abs 1 iVm Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB 10 zu Recht zurückgenommen. Der Kläger habe die Rechtswidrigkeit jener Bewilligung nach seinem eigenen Vortrag jedenfalls grob fahrlässig nicht gekannt. Die Rückzahlung in monatlichen Raten von 150,-- DM entspreche § 42 Abs 3 SGB 1.
Das SG hat die Berufung nicht ausdrücklich zugelassen. Seine Rechtsmittelbelehrung geht dahin, daß das Urteil mit der Berufung angefochten werden könne.
Mit der Berufung hat der Kläger geltend gemacht, er greife insbesondere die Feststellung des SG an, er habe die erforderliche Sorgfalt in einem besonders schweren Maße verletzt. Gerade das Gegenteil sei der Fall. Nicht umsonst habe er in dem Schriftsatz vom 23. September 1982 detailliert im einzelnen vorgetragen, wie sich seinerzeit die Bewilligung und die Auszahlung des hier in Frage stehenden Betrages abgespielt habe. Wenn das SG außerdem meine, ein Zweifel folge schon aus der Natur des Vorschusses, so sei dem entgegenzuhalten, daß die Beklagte den Vorschuß in der Regel in der Höhe des zu erwartenden Alg vorberechne und auszahle. Auch ein aufmerksamer Empfänger könne in der Regel davon ausgehen, daß der Vorschuß den zu erwartenden Betrag erreiche. Dies gelte hier um so mehr, als der Beklagten sämtliche für die Bemessung des Alg erforderlichen Unterlagen bereits vorgelegen hätten. Wenn dann das SG außerdem daran anknüpfe, daß zumindest eine Überprüfung des Leistungsbewilligungsbescheides den Kläger davon hätte abbringen müssen, das Geld zu verbrauchen, so könne eine solche Schlußfolgerung nur als naiv bezeichnet werden.
Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 2. August 1985 das erstinstanzliche Urteil, die Bescheide der Beklagten vom 31. August 1982, deren Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 1982 und den Bescheid vom 7. Mai 1982 aufgehoben. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die Berufung sei insgesamt zulässig. Sie betreffe zwar hinsichtlich der angefochtenen Aufhebungsentscheidung einen Anspruch auf wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum bis zu 13 Wochen im Sinne des § 144 Abs 1 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der hiernach gegebene Berufungsausschluß wirke sich jedoch nicht aus, da die Berufung wegen des angefochtenen Erstattungsanspruches nach § 149 SGG gegeben sei, weil dieser 1.000,-- DM übersteige. Nach dem Sinnzusammenhang beider Vorschriften komme der Zulässigkeit einer Berufung nach § 149 SGG Vorrang vor dem Berufungsausschluß nach § 144 Abs 1 Nr 2 SGG zu. Dies bewirke auch die Zulässigkeit der Berufung wegen des Aufhebungsanspruches, was des näheren ua unter Hinweis auf die Rechtsweggarantie nach Art 19 Abs 4 Grundgesetz (GG) und das Verhältnis zwischen den Aufhebungs- und Rückforderungsbestimmungen nach §§ 45, 48, 50 SGB 10 ausgeführt wird.
In der Sache hält das LSG die angefochtenen Bescheide für rechtswidrig. Gegenstand der Klage seien zwar nur noch die beiden während des erstinstanzlichen Verfahrens ergangenen Bescheide vom 31. August 1982. Zur Klarstellung würden jedoch die früheren Bescheide gleichfalls aufgehoben. Für den Erstattungsanspruch der Beklagten komme allein § 50 Abs 1 SGB 10 und nicht § 42 Abs 2 SGB 1 in Betracht. Danach seien bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden sei. An dieser Voraussetzung fehle es, weil die Bewilligungsaufhebung keinen Bestand habe.
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten. Sie macht geltend, das angefochtene Urteil verstoße gegen § 144 Abs 1 Nr 2 SGG. Die Berufung des Klägers sei unzulässig, soweit sie die Aufhebung der Bewilligung von Alg betreffe. Das LSG habe danach hierüber nicht in der Sache entscheiden dürfen und hinsichtlich der Rückforderung zur Zurückweisung der Berufung gelangen müssen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 2. August 1985 aufzuheben, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 14. Mai 1984, soweit die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld im Streit steht, als unzulässig zu verwerfen und im übrigen zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich auf seinen Vortrag in den Vorinstanzen und macht sich die Ausführungen des LSG zu eigen.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs 2 SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Urteil des LSG ist aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zum Teil als unzulässig und zum Teil als unbegründet zurückzuweisen.
Gegenstand des Verfahrens sind, wie das LSG zutreffend erkannt hat, gemäß § 96 SGG nur noch die beiden während des Verfahrens vor dem SG ergangenen Bescheide vom 31. August 1982. Mit diesen hat die Beklagte den Bescheid vom 7. Mai 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 1982 aufgehoben und die Aufhebung des Bewilligungsbescheides sowie die Erstattung des Alg auf andere Rechtsgrundlagen gestellt und dadurch die vorstehenden Bescheide ersetzt. Inhalt des Aufhebungsbescheides ist die Aufhebung der Alg-Bewilligung für Ansprüche in der Zeit vom 3. Februar bis 10. März 1982. Mit dem Erstattungsbescheid fordert die Beklagte das für diese Zeit gezahlte Alg in Höhe von 1.993,30 DM zurück.
Hiernach betrifft das Urteil des SG zwei selbständige prozessuale Ansprüche, deren Berufungsfähigkeit jeweils gesondert zu prüfen ist (vgl BSGE 48, 120, 122 = SozR 4100 § 152 Nr 9; BSG SozR 1500 § 146 Nr 18). Diese Prüfung obliegt, da es sich um eine Prozeßvoraussetzung handelt, auch dem Revisionsgericht bei einer zugelassenen Revision von Amts wegen. Sie führt hier zu dem Ergebnis, daß die Berufung des Klägers unzulässig ist, soweit sie die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Alg betrifft.
Die Berufung war insoweit nach § 144 Abs 1 Nr 2 SGG ausgeschlossen, weil die angefochtene Aufhebung der Alg-Bewilligung für die Zeit vom 3. Februar 1982 bis 10. März 1982 einen Zeitraum von weniger als 13 Wochen umfaßt. Das LSG hat zutreffend erkannt, daß der durch § 144 Abs 1 Nr 2 SGG angeordnete Berufungsausschluß für zeitlich begrenzte Ansprüche auch eingreift, wenn nicht die Gewährung dieser Leistung selbst, sondern die Aufhebung einer solchen begrenzt gewährten Leistung bzw die entsprechend begrenzte Aufhebung einer Dauerleistung im Streit ist (stRspr vgl BSGE 48, 120, 123 = SozR 4100 § 152 Nr 9).
Wegen der Aufhebung der Bewilligung der Leistungen war die Berufung entgegen der Auffassung des LSG auch nicht deshalb zulässig, weil sie wegen des Erstattungsanspruches nicht ausgeschlossen war. Letzteres hat das LSG zwar zutreffend bejaht, da der Beschwerdewert 1.000,-- DM übersteigt (§ 149 SGG). Seine Folgerung, daß die Berufungsfähigkeit des Erstattungsanspruches gemäß § 149 SGG zugleich den Berufungsausschluß des Aufhebungsanspruches nach § 144 Abs 1 Nr 2 SGG beseitige, trifft jedoch nicht zu. Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß die selbständige Prüfung der Berufungsfähigkeit zweier prozessualer Ansprüche von einander unabhängige Entscheidungen über die Prozeßvoraussetzungen erfordert, nur dann zugelassen, wenn von zwei in einer Klage zusammengefaßten Ansprüchen der vorgreifliche (präjudizielle) Anspruch berufungsfähig ist, der davon abhängige Anspruch hingegen nicht. Nur für diesen Fall bewirkt die Berufungsfähigkeit des ersteren auch die des letzteren (BSGE 14, 280, 182 = SozR AVAVG § 185 Nr 3; SozR SGG § 149 Nr 4; SozR 1500 § 146 Nrn 4, 14). Das gilt jedoch nicht für den umgekehrten Fall (BSG SozR 1500 § 146 Nr 9; BSGE 47, 241, 243 = SozR 4100 § 134 Nr 11). Eine solche Konstellation ist hier gegeben; berufungsfähig ist nicht der präjudizielle Anspruch (Aufhebung von Alg), sondern lediglich der abhängige Anspruch (Erstattung von Alg). Das BSG hat an dieser Rechtsprechung auch für die Fälle festgehalten, in denen die Aufhebung einer Leistungsbewilligung auf Vorschriften des SGB 10 zu stützen ist. Zwar ist seit Inkrafttreten des SGB 10 ein Wandel in der Rechtslage insoweit eingetreten, als der Vertrauensschutz des Begünstigten in die Bestandskraft einer Leistungsbewilligung nicht mehr - wie früher weitgehend - erst im Rahmen der Rückforderung zu prüfen ist, sondern in der Regel schon und nur bei der Rücknahme bzw Aufhebung der Bewilligung (vgl §§ 45, 48 SGB 10 im Verhältnis zu § 50 SGB 10). Diese Gewichtsverlagerung reicht aber nicht aus, die zum früheren Recht entwickelte Rechtsprechung aufzugeben, denn durch das SGB 10 hat sich weder am Wortlaut noch am Zusammenhang der §§ 144 bis 149 SGG etwas geändert. Es ist ferner nicht ersichtlich, daß der Gesetzgeber des SGB 10 insoweit eine Änderung beabsichtigt hat. Der Senat ist daher bereits in seinem Urteil vom 13. August 1986 - 7 RAr 42/85 - der dementsprechenden Rechtsprechung des 11. und 5. Senats des BSG (BSG SozR 1500 § 146 Nrn 18 und 19; Urteil vom 30. Mai 1985 - 11b/7 RAr 36/84 -) gefolgt.
Die Zulässigkeit der Berufung ergibt sich hier auch nicht aus § 150 SGG. Das SG hat sie nicht zugelassen (§ 150 Nr 1 SGG). Eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung macht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -BSG- (s die Nachweise in BSG SozR SGG § 150 Nr 51) die Berufung nicht statthaft; vielmehr ist hierfür erforderlich, daß insoweit erkennbar eine positive Nebenentscheidung zu dieser Frage getroffen worden ist. Ein hierauf gerichteter Wille des SG ist nicht zu erkennen.
Der Kläger hat auch vor dem LSG keinen wesentlichen Mangel im erstinstanzlichen Verfahren gerügt, der tatsächlich vorliegt (§ 150 Nr 2 SGG). Das hat er in der Revisionserwiderung selbst nicht behauptet; es läßt sich auch seinem Vorbringen in der Berufungsinstanz nicht entnehmen. Die Rüge eines Verfahrensmangels nach § 150 Nr 2 SGG bedarf zwar nicht der besonderen Form der Verfahrensrüge im Revisionsverfahren gemäß § 164 Abs 2 Satz 2 SGG. Tatsachen, die den Verfahrensmangel ergeben, müssen aber genau angegeben werden. Ihnen muß zu entnehmen sein, welcher Mangel im Verfahren des SG gerügt werden soll (BSG SozR 1500 § 150 Nr 18). Hieran fehlt es.
Der Kläger hat zwar im Berufungsverfahren vorgetragen, er greife insbesondere die Feststellung des SG an, er habe die erforderliche Sorgfalt in einem besonders schweren Maße verletzt. Seinem Vorbringen läßt sich jedoch nicht entnehmen, inwieweit das SG hierbei gegen Verfahrensgrundsätze verstoßen hat. Wenn er geltend machen wollte, das SG habe die §§ 103 und 128 SGG verletzt, weil es den Sachverhalt nicht weiter aufgeklärt habe, hätte er auf jeden Fall zunächst vortragen müssen, welche Beweise das SG von seinem materiell-rechtlichen Standpunkt aus hätte erheben müssen. Das ist nicht geschehen. Wenn der Kläger mit seinem Vortrag vor dem LSG die Nichtbeachtung der Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung durch das SG hat rügen wollen, dann läßt sich seinem Vorbringen nicht entnehmen, daß dieser Verfahrensmangel tatsächlich vorliegt. Die Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung könnten im vorliegenden Falle nur dadurch nicht beachtet worden sein, daß das SG gegen allgemeine Erfahrungssätze verstoßen hat oder von einem tatsächlich nicht existierenden Erfahrungssatz ausgegangen ist oder bei seiner Beweiswürdigung gegen Denkgesetze verstoßen hat oder daß es das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ausreichend und umfassend berücksichtigt hat. Erfahrungssätze, gegen die das SG verstoßen haben könnte, lassen sich dem Vorbringen des Klägers in der Berufungsinstanz nicht entnehmen. Das gilt auch für einen Verstoß gegen die Denkgesetze bei der Beweiswürdigung. Es geht aus dem Vorbringen des Klägers nicht hervor, daß die Gedankenführung des SG im Widerspruch zu den Denkgesetzen steht. Tatsachen dafür, daß ein bestimmter Geschehensablauf, von dem das SG ausgegangen ist, nicht denkbar ist, hat der Kläger nicht vorgetragen. Seinem Vorbringen in der Berufungsinstanz ist schließlich auch nicht zu entnehmen, daß das SG das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ausreichend und umfassend berücksichtigt hat. Der Kläger hat insoweit nach seinem Vorbringen lediglich eine andere Beweiswürdigung vorgenommen als das SG. Er hat geltend gemacht, die Beweiswürdigung des SG sei fehlerhaft. Die Rüge einer unrichtigen oder nicht erschöpfenden Beweiswürdigung betrifft jedoch nicht den Gang des Verfahrens, sondern den Inhalt der getroffenen Entscheidung. Eine fehlerhafte Beweiswürdigung ist daher kein Verfahrensmangel, sondern ein Mangel in der Urteilsfindung (BSG SozR SGG § 128 Nr 34).
Hinsichtlich des Erstattungsanspruches war die Berufung des Klägers, wie bereits ausgeführt wurde, zwar nach § 149 SGG zulässig; sie war jedoch nicht begründet. Da seine Berufung hinsichtlich des Aufhebungsbescheides unzulässig war, ist die Entscheidung des SG hierzu insoweit rechtskräftig geworden, als die Klage gegen den Aufhebungsbescheid abgewiesen worden ist. Dies hat zur Folge, daß für die Beteiligten bindend feststeht, daß der Bescheid vom 1. April 1982 insoweit aufgehoben worden ist, als dem Kläger Alg für die Zeit vom 3. Februar bis 10. März 1982 bewilligt worden war. Damit liegen die Voraussetzungen für die Erstattung der für diesen Zeitraum erbrachten Leistungen vor. Rechtsgrundlage hierfür ist, wie das LSG zutreffend erkannt hat, § 50 Abs 1 SGB 10 und nicht § 42 Abs 2 SGB 1, wie die Beklagte in ihrem Erstattungsbescheid meint. Es geht hier nicht um die Erstattung von Vorschüssen, sondern um die Rückzahlung einer Leistung, die aufgrund des Bescheides vom 1. April 1982 bewilligt worden war und auf die der Vorschuß angerechnet worden ist. Der § 42 Abs 1 Satz 1 SGB 1 geht davon aus, daß ein Anspruch auf Geldleistungen dem Grunde nach besteht. Im vorliegenden Falle ist jedoch durch die teilweise Rücknahme des Bescheides vom 1. April 1982 nachträglich der Rechtsgrund für die Leistung weggefallen, für die dem Kläger allerdings zunächst ein Vorschuß gezahlt worden war. Dieser hatte sich jedoch infolge des Bewilligungsbescheides vom 1. April 1982 in eine endgültige Leistung umgewandelt (§ 42 Abs 2 Satz 1 SGB 1). Daher richtet sich der Erstattungsanspruch der Beklagten nach § 50 Abs 1 SGB 10, dessen Voraussetzungen hier vorliegen. Die Beklagte hat den Verwaltungsakt, aufgrund dessen Leistungen erbracht worden sind, teilweise aufgehoben. Die Höhe des Erstattungsanspruches ist zutreffend festgesetzt.
Daß die Beklagte im Gegensatz zu dem ursprünglich angefochtenen Bescheid vom 7. Mai 1982 dem Kläger in dem Erstattungsbescheid keine Ratenzahlung mehr eingeräumt hat, ist unerheblich. Eine Stundung, Niederschlagung und der Erlaß einer Rückforderung kommt erst in Betracht, wenn feststeht, daß der Leistungsempfänger zur Rückzahlung des geltend gemachten Erstattungsbetrages verpflichtet ist. Da dies der Fall ist, hat die Beklagte gemäß § 152 Abs 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) iVm der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über Stundung, Niederschlagung und Erlaß von Rückforderungen vom 18. Dezember 1969 (ANBA 1970 S 220) nunmehr darüber zu entscheiden, ob, inwieweit und in welcher Weise sie ihren Anspruch durchsetzen will.
Die Revision der Beklagten muß nach allem Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen