Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld. Widerruf der Berechtigtenbestimmung. Überwiegender Unterhalt
Leitsatz (amtlich)
Die einvernehmliche Bestimmung des Elternteils, dem Kindergeld zu gewähren ist, kann vom nicht begünstigten Elternteil frei widerrufen werden (Bestätigung von BSG vom 16.3.1973 - 7 RKg 9/71 = SozR Nr 4 zu § 3 BKGG).
Orientierungssatz
Bei dem im Rahmen des § 3 Abs 3 BKGG anzustellenden Vergleich zwischen den Unterhaltsleistungen der Mutter einerseits und des Vaters andererseits kommt es auf das Verhältnis der beiderseitig tatsächlich erbrachten Leistungen zum vorhandenen Lebensbedarf an. Nur Leistungen, die dem Unterhaltsaufwand dienen und nicht über den Unterhaltsbedarf hinausgehen, sind im Rahmen des § 3 Abs 3 BKGG zugunsten desjenigen, der sie erbringt, zu berücksichtigen.
Normenkette
BKGG § 3 Abs. 3 Sätze 1-2; BGB § 1610 Abs. 1-2
Verfahrensgang
SG Duisburg (Entscheidung vom 19.02.1990; Aktenzeichen S 6 Kg 46/89) |
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 29.10.1991; Aktenzeichen L 13 Kg 43/90) |
Tatbestand
Die Ehe der Klägerin mit dem Beigeladenen zu 1) wurde im Jahre 1977 geschieden. Durch Gerichtsbeschluß wurde der Klägerin die elterliche Gewalt für den gemeinsamen Sohn Christian (Ch.) übertragen. In einem anläßlich des Scheidungstermins geschlossenen gerichtlichen Vergleich hatten die Klägerin und der Beigeladene zu 1) sich über die Höhe des von ihm zu zahlenden Kindesunterhalts geeinigt sowie darüber, daß die Klägerin das volle Kindergeld erhalten solle.
Der inzwischen volljährige Sohn Ch. bestand im Sommer 1988 das Abitur. Im Juli 1988 zog er zu seinem Vater; seit Oktober 1988 wohnt und studiert er in Clausthal-Zellerfeld. Auf seinen Antrag vom 7. Juli 1988 erhält der Beigeladene zu 1) von seinem Arbeitgeber, dem Beigeladenen zu 2), seit August 1988 Kindergeld für Ch. Mit Schreiben vom 1. August 1988 unterrichtete das beklagte Land die Klägerin von der Antragstellung des Beigeladenen zu 2); das Kindergeld könne ihr ab August 1988 nicht mehr gewährt werden, da Ch. nicht mehr in ihrem Haushalt lebe. Es hob mit Bescheid vom 9. September 1988 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 1989 gemäß § 48 Abs 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) die Entscheidung über die Bewilligung von Kindergeld für Ch. mit Wirkung ab August 1988 auf. Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Duisburg vom 19. Februar 1990, Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29. Oktober 1991). Die Berechtigtenbestimmung habe der Beigeladene zu 1) einseitig widerrufen dürfen (Hinweis auf Bundessozialgericht ≪BSG≫ vom 16. März 1973, SozR Nr 4 zu § 3 Bundeskindergeldgesetz ≪BKGG≫). Im Sinne des § 3 Abs 3 Satz 2 1. Halbs BKGG aber unterhalte der Beigeladene zu 1) das Kind Ch. überwiegend. Seit August 1988 leiste die Klägerin für Ch. im wesentlichen nur Naturalunterhalt in Form von Verköstigung während der - nicht allzu häufigen - Besuche, wobei Ch. bei längeren Aufenthalten immer ca die Hälfte der Verpflegungskosten selbst getragen habe. Die "Vorhaltekosten" für das ehemalige Kinderzimmer könne die Klägerin nicht mehr als Naturalunterhalt einsetzen, weil Ch. seinen Lebensmittelpunkt dort nicht mehr habe. Demgegenüber habe der Beigeladene zu 1) ab Juli 1988 den überwiegenden Lebensunterhalt seines Sohnes getragen. Er habe insoweit ab August 1988 den vollen Unterhalt einschließlich Unterbringung und Verköstigung in seinem Haushalt erbracht sowie ab Oktober 1988 die Miete für dessen Wohnung am Studienort und - teilweise von der Mutter des Beigeladenen zu 1) gezahlt - Unterhaltszahlungen zwischen DM 450,-- und DM 700,--/ Monat. Auch die Zahlungen, die die Mutter des Beigeladenen zu 1) bis Ende August 1989 direkt an dessen Sohn, ihren Enkel, geleistet habe, seien dem Beigeladenen zu 1) zuzurechnen. Nach dem Beweisergebnis habe es sich hierbei um Leistungen gehandelt, die sie dem Beigeladenen zu 1) als Schenkungen zugute kommen lassen wollte, um diesem die Unterhaltsverpflichtungen zu erleichtern. Das beklagte Land habe somit die Kindergeldbewilligung ab August 1988 gegenüber der Klägerin aufheben müssen. Der Klägerin sei der rechtliche Sachverhalt durch das Schreiben des Beklagten vom 1. August 1988 bekanntgemacht worden; mit ihren Gegenargumenten habe sie nicht durchdringen können.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision. Sie rügt eine Verletzung des § 3 Abs 3 Satz 1 BKGG und vertritt unter Hinweis auf Timm (FamRZ 1974, 177) die Auffassung, daß die Berechtigtenbestimmung als Übereinkunft vertragsähnlichen Charakters nicht ohne weiteres von einer Seite widerrufen werden könne. Ohne erneute Einigung der Eltern obliege allein dem Vormundschaftsgericht nach § 3 Abs 4 BKGG die Bestimmung eines neuen Berechtigten. Im übrigen unterhalte nicht der Beigeladene zu 1), sondern die Klägerin den Sohn Ch. überwiegend. Denn nach den Aussagen der vom LSG als Zeugin vernommenen Mutter des Beigeladenen zu 1) seien ihre Leistungen ua mit dessen Unterhaltszahlungen an seinen Sohn begründet. Damit könnten diese Leistungen nicht mehr als unabhängig von der Tatsache der Unterhaltsgewährung des Beigeladenen zu 1) angesehen werden; entfiele diese, bestünde auch kein Grund mehr für die Zeugin, "freiwillige" Leistungen an ihren Sohn zu erbringen. Unrichtig sei ferner die Ansicht des LSG, daß die Kosten für das ehemalige Kinderzimmer nicht mehr als Naturalunterhalt der Klägerin für ihren Sohn gewertet werden könnten. Denn das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) sehe in ständiger Rechtsprechung zum Wohngeldgesetz studierende Familienmitglieder nur als vorübergehend abwesend an. Damit habe der Sohn der Klägerin an seinem Wohnort keine Wohngeldberechtigung, sei jedoch bei einem Wohngeldantrag der Klägerin noch zu ihrem Haushalt zu rechnen. Dies müsse auch im Kindergeldrecht gelten.
Die Klägerin beantragt sinngemäß (nach Anerkennung ihres Kindergeldanspruchs auch für August und September 1988 durch das beklagte Land),
die Urteile der Vorinstanzen und den Bescheid des beklagten Landes vom 9. September 1988 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. März 1989 aufzuheben, soweit sie einer Weitergewährung des Kindergelds für den Sohn Christian auch über den Monat September 1988 hinaus entgegenstehen.
Das beklagte Land sowie der Beigeladene zu 2) haben keinen Sachantrag gestellt.
Der Beigeladene zu 1) beantragt sinngemäß,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Er trägt vor, er habe die Berechtigtenbestimmung nicht willkürlich widerrufen. Vielmehr entspreche dieser Widerruf den grundlegenden Änderungen der Lebens- und Unterhaltsverhältnisse seines Sohnes. Nach Abitur und Studienentscheidung trage nunmehr er, der Beigeladene zu 1), die Hauptlast von dessen Unterhalt. Wären diese Umstände bei Abschluß des Scheidungsfolgenvergleichs bedacht worden, wäre der Übergang der Bezugsberechtigung auf ihn, den Beigeladenen zu 1), vereinbart worden.
Entscheidungsgründe
Im Einverständnis der Beteiligten hat der Senat ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Die zulässige Revision der Klägerin ist hinsichtlich des noch streitigen Kindergeldanspruchs ab Oktober 1988 nicht begründet.
Die Beklagte war berechtigt, der Klägerin das Kindergeld wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse iS des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X zu entziehen: Nach Widerruf der Berechtigtenbestimmung durch ihren geschiedenen Ehemann (hierzu im folgenden unter 1) unterhält dieser das Kind iS des § 3 Abs 3 Satz 2 BKGG überwiegend (hierzu im folgenden unter 2). Die Entziehung war jedenfalls mit Wirkung ab Oktober 1988 zulässig (hierzu im folgenden unter 3).
(1)
Nach § 3 Abs 2 Satz 1 Nr 3 BKGG steht das Kindergeld beiden Elternteilen zu. Ob es dem Vater oder der Mutter zu gewähren ist, hängt vorrangig von der gemeinsamen Berechtigtenbestimmung beider Elternteile ab (§ 3 Abs 3 Satz 1 BKGG). "Solange sie diese Bestimmung nicht getroffen haben" (§ 3 Abs 3 Satz 2 1. Halbsatz BKGG), ist nach Volljährigkeit des Kindes (wenn also die Alternative nach § 3 Abs 3 Satz 2 2. Halbsatz BKGG entfällt) das Kindergeld demjenigen zu gewähren, der das Kind überwiegend unterhält (insoweit unveränderter Gesetzeswortlaut seit Erlaß des BKGG im Jahre 1964). Der Senat hält an der Rechtsprechung des BSG fest, wonach eine derartige Berechtigtenbestimmung nur Wirkung entfalten kann, solange zwischen den Eltern insoweit noch Einverständnis besteht. Dies ist jedoch dann nicht mehr der Fall, wenn ein Elternteil die Berechtigtenbestimmung durch Erklärung gegenüber der Kindergeldkasse oder der nach § 45 BKGG zuständigen Stelle widerruft. Die Gründe dieses Widerrufs sind dabei nicht zu überprüfen. Damit kommt es nicht darauf an, inwieweit sich die persönlichen oder Unterhalts-Verhältnisse des Kindes geändert haben, oder ob der widerrufende Elternteil an eine vertragliche Übereinkunft - zB in einem Scheidungsfolgenvergleich - gebunden ist oder nicht (hierzu im einzelnen BSG vom 16. März 1973, SozR Nr 4 zu § 3 BKGG).
Die ausführliche Begründung im zitierten Urteil hält auch den Angriffen der Revision stand.
Weder aus dem Wortlaut der Vorschrift ("bestimmen") noch aus dem in § 3 Abs 4 BKGG vorgezeichneten Zuständigkeitsbereich des Vormundschaftsgerichts läßt sich eine Bindungswirkung einzelner Elternteile an die Berechtigtenbestimmung herleiten. Soweit sich der zur Begründung der Revision herangezogene Aufsatz von Timm (FamRZ 1974, 177) auf die Gesetzgebungsmaterialien bezieht, zitiert er diese unrichtig. Denn hierin heißt es:
"Dem Grundsatz der Gleichberechtigung und dem Wesen der Ehe entspricht es am besten, wenn Vater und Mutter sich darüber einigen müssen, wem von ihnen das Kindergeld zustehen soll. Nach der Unterhaltsgewährung sollte sich die Rangfolge nur dann richten, wenn eine Einigung der Eltern noch nicht oder nicht mehr vorliegt. In diesen Fällen soll jedoch das Vormundschaftsgericht die Möglichkeit haben, nach Abs 4 das Kindergeld im Interesse des Wohles des Kindes auch dem Elternteil zuzusprechen, der das Kind nicht überwiegend unterhält." (BT-Drucks IV/1961, S 3).
Hieraus kann (mit BSG vom 16. März 1973, SozR Nr 4 zu § 3 BKGG) nur gefolgert werden, daß die Rangfolge nach § 3 Abs 3 Satz 2 BKGG (Berechtigter ist derjenige, der das Kind überwiegend unterhält, jedoch - Fassung bis 2. Oktober 1990 - die Mutter, wenn ihr das Sorgerecht allein zusteht) auch dann maßgebend ist, wenn nach vorheriger einvernehmlicher Berechtigtenbestimmung zwischen den Eltern keine Einigkeit mehr besteht. Wenn Timm (FamRZ 1974, 177, 178) aus den zitierten Ausführungen der Materialien die Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichts bei dieser Fallgestaltung ableiten will, so dürfte dies darauf beruhen, daß er aus der Zitatstelle das letzte "nicht" (oben - im Gegensatz zum Urtext - hervorgehoben) wegläßt, wodurch sich in der Tat die Aussage des Satzes ändert. Nach § 3 Abs 4 Satz 2 BKGG hat das Vormundschaftsgericht nur die Möglichkeit, in Abweichung von den Regeln des § 3 Abs 3 BKGG auf Antrag einen anderen Berechtigten zu bestimmen.
Für die freie Widerrufbarkeit der Berechtigtenbestimmung nach § 3 Abs 3 BKGG durch einen Elternteil spricht auch die Neuregelung in dem ab 1. Januar 1986 geltenden Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG). Dessen § 3 Abs 2 Satz 1 hat folgenden Wortlaut (entsprechend § 3 Abs 3 Satz 1 BKGG): "Erfüllen beide Ehegatten die Anspruchsvoraussetzungen, so wird das Erziehungsgeld demjenigen gewährt, den sie zum Berechtigten bestimmen." Abweichend vom BKGG sind jedoch im BErzGG die Voraussetzungen für einen Widerruf dieser Berechtigtenbestimmung ausdrücklich gesondert und einschränkend geregelt: "Die Bestimmung nach Abs 2 kann nur geändert werden, wenn aus einem wichtigen Grund die Betreuung und Erziehung des Kindes durch die Person, die Erziehungsgeld bezieht, nicht mehr sichergestellt werden kann" (§ 3 Abs 3 BErzGG). Durch diese Bestimmung soll verhindert werden, daß ein ständiger Wechsel der Betreuungsperson stattfinden kann (Amtl Begründung, BR-Drucks 350/85, S 16). Ähnliche Gründe, die einer freien Widerrufbarkeit der Berechtigtenbestimmung beim Kindergeld entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. Denn der Bezug der finanziellen Ausgleichsleistung des Kindergeldes hat keinen unmittelbaren Einfluß auf die Betreuungs- und Erziehungssituation des Kindes.
(2)
Nachdem aber im vorliegenden Fall durch den Kindergeldantrag des Beigeladenen zu 1) die einvernehmliche Berechtigtenbestimmung nach § 3 Abs 3 Satz 1 BKGG entfallen war und zwischen den Eltern (der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) keine neue Einigung erzielt wurde, war Kindergeld nunmehr dem Elternteil zu gewähren, der das Kind überwiegend unterhält (§ 3 Abs 3 Satz 2 1. Halbsatz BKGG; die 2. Alternative dieser Vorschrift kann nach Volljährigkeit des Kindes nicht mehr eingreifen).
Dies war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts der Beigeladene zu 1) selbst dann, wenn ihm die direkt an seinen Sohn erfolgten Zahlungen seiner Mutter nicht zuzurechnen wären.
Denn die Klägerin kann die "Vorhaltung" seines ehemaligen Kinderzimmers für ihren Sohn nicht als Unterhaltsleistung an diesen geltend machen. Bei dem im Rahmen des § 3 Abs 3 BKGG anzustellenden Vergleich zwischen den Unterhaltsleistungen der Klägerin einerseits und des Beigeladenen zu 1) andererseits kommt es auf das Verhältnis der beiderseitig tatsächlich erbrachten Leistungen zum vorhandenen Lebensbedarf an. Nur Leistungen, die dem Unterhaltsaufwand dienen und nicht über den Unterhaltsbedarf hinausgehen, sind im Rahmen des § 3 Abs 3 BKGG zugunsten desjenigen, der sie erbringt, zu berücksichtigen. Dies folgt insbesondere aus § 1610 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Diese Vorschrift bestimmt das Maß des zu gewährenden Unterhalts; in ihr sind die Obergrenzen der Unterhaltsberechtigung und -verpflichtung festgelegt. Demzufolge sind Bar- oder Sachleistungen kein Unterhalt mehr, wenn sie diese Grenze überschreiten, also über den angemessenen gesamten Lebensbedarf (§ 1610 Abs 1 und 2 BGB) des Berechtigten hinausgehen. Sie sind Vergünstigungen anderer Art (BSG vom 17. Mai 1988, SozR 5870 § 3 Nr 6 S 18 mwN). Damit aber können die Aufwendungen der Klägerin für eine Unterkunftsmöglichkeit ihres Sohnes, die er nicht in Anspruch nimmt, nicht als Unterhalt in diesem Sinne berücksichtigt werden. Auf Rechtsprechung zum Wohngeldrecht (die im übrigen in der von der Klägerin vorgetragenen Form nicht ersichtlich ist: vgl Hess VGH vom 29. April 1986, NJW 1987, 1056 mwN auch aus der Rechtsprechung des BVerwG) kann es in dieser Hinsicht nicht ankommen.
Bei der Prüfung der überwiegenden Unterhaltsgewährung im Rahmen des § 3 Abs 3 Satz 2 1. Halbsatz BKGG schlägt mithin nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG für den noch streitigen Zeitraum ab Oktober 1988 - auch ohne Berücksichtigung der Zahlungen der Mutter des Beigeladenen zu 1) - für den Beigeladenen zu 1) jedenfalls die Miete für die Wohnung seines Sohnes am Studienort als Unterhaltsleistung zu Buche, während die Klägerin insoweit nur für dessen Unterkunft und - teilweise - Verpflegung während seltener Besuche aufgekommen ist. Auch auf dieser Grundlage aber hat der Senat keine Bedenken, der Feststellung des LSG zu folgen, daß nicht die Klägerin, sondern der Beigeladene zu 1) im streitigen Zeitraum den überwiegenden Unterhalt bestritten hat.
(3)
Das beklagte Land war auch berechtigt, der Klägerin das Kindergeld mit Wirkung ab Oktober 1988 zu entziehen.
Eine solche Entziehung ist erst ab dem Zeitpunkt der wesentlichen Änderung der Verhältnisse iSd § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X möglich. Diese Änderung liegt im Widerruf der Berechtigtenbestimmung. Der Widerruf ist jedoch erst im August 1988 wirksam geworden. Ebenso wie bei der Bestimmung des Bezugsberechtigten durch das Vormundschaftsgericht (§ 3 Abs 4 Satz 2 BKGG; hierzu BSG vom 28. Februar 1980, SozR 5870 § 3 Nr 2) kann auch der Widerruf einer Berechtigtenbestimmung einen Wechsel der Rangfolge für das Kindergeld erst bewirken, wenn er allen Beteiligten bekannt geworden ist. Die Bekanntgabe an die Klägerin geschah jedoch erst mit dem Schreiben des beklagten Landes vom 1. August 1988. Damit aber steht ihr als der ursprünglich Kindergeldberechtigten jedenfalls für den laufenden Kalendermonat noch Kindergeld zu (§ 9 Abs 1, 2. Halbsatz BKGG; ob nach § 9 Abs 1 1. Halbsatz BKGG dem Beigeladenen zu 1) zu Recht bereits ab August 1988 seinerseits Kindergeld gezahlt wurde, kann hier unentschieden bleiben).
Der Klägerin konnte demnach - entgegen der Auffassung des LSG - das Kindergeld nicht bereits ab August, sondern allenfalls ab September 1988 entzogen werden ("mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse": § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X). Offenbleiben kann, ob die Klägerin, wie für eine solche Aufhebung durch den erst im September 1988 ergangenen angefochtenen Bescheid erforderlich, darüber hinaus iS des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X bösgläubig war. Denn streitig ist lediglich noch die Zeit ab Oktober 1988. Eine Aufhebung zu diesem Zeitpunkt aber war in jedem Fall ("für die Zukunft": § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X) gerechtfertigt.
Die auf § 193 SGG beruhende Kostenentscheidung berücksichtigt - anders als die Vorinstanzen - den Erstattungsanspruch des Beigeladenen zu 1) gegen die Klägerin. Der Senat konnte die für diesen ungünstige Kostenentscheidung ändern, obwohl nur die Klägerin Revision eingelegt hat. Insoweit gilt das ansonsten dem Revisionskläger zugute kommende Verböserungsverbot nicht (BSG vom 10. September 1987, BSGE 62, 131, 136 mwN = SozR 4100 § 141b Nr 40). Der - gemessen am insgesamt streitigen Kindergeldanspruch - geringe Teilerfolg der Klägerin durch die Anerkennung ihres Leistungsanspruchs noch für die Monate August und September 1988 fiel für die Entscheidung über die Kosten nicht ins Gewicht.
Fundstellen