Entscheidungsstichwort (Thema)
Neurose
Leitsatz (redaktionell)
1. Zu prüfen ist, ob bei dem Versicherten eine so leicht ansprechbare Anlage zu abartigen psychischen Reaktionen vorlag, daß diese Bereitschaft rechtlich die allein wesentliche Ursache für diese Reaktionen war.
2. Auch wenn eine neue auf einer breiteren tatsächlichen Grundlage durchgeführte rechtliche Würdigung der verschiedenen Ursachen für die psychischen Reaktionen des Versicherten zu dem Ergebnis führt, daß die im unmittelbar zeitlichen Anschluß an den Unfall aufgetretenen psycho-reaktiven Störungen rechtlich wesentlich durch den Unfall verursacht sind, ist doch eine ergänzende Prüfung erforderlich ob und inwieweit auch der weitere Verlauf noch rechtlich wesentlich auf die ursprüngliche Reaktionen zurückzuführen ist und nicht vielmehr Begehrungsvorstellungen oder sonstige aus der Psyche heraus wirkende Kräfte so weit in den Vordergrund getreten sind, daß sie für den weiteren Verlauf die rechtlich allein noch wesentliche Ursache bilden.
Normenkette
RVO § 542 Abs. 1 Fassung: 1942-03-09
Nachgehend
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 5. Februar 1958 mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Der Kläger beansprucht von der Beklagten Entschädigung für die Folgen eines Unfalls vom 5. Januar 1954.
Dem Kläger ist bereits am 15. Oktober 1951 ein Unfall zugestoßen. Er hatte damals einen Graben ausgehoben, in den eine Wasserleitung zu dem Anwesen verlegt werden sollte, auf dem der Kläger mit seiner Ehefrau wohnte. Der Graben stürzte ein und der Kläger wurde bis zur Brust verschüttet, so daß er ausgegraben werden mußte. Nach einem Bericht des Krankenhauses Weißenburg hat der Unfall einen schweren Beckenbruch, eine Symphysensprengung, einen Abbruch des linken Schambeins und Sitzbeins mit Torsion des Schambeins und breiter Diastase der Symphyse, Fraktur des Kreuzbeins und Steißbeins zur Folge gehabt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ist vom Juni 1952 an auf 60 v. H. eingeschätzt worden. In einem späteren Bericht des Krankenhauses vom 23. Februar 1953 ist die MdE auf 40 v. H. geschätzt.
Die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft (BG) Oberfranken und Mittelfranken hat die Entschädigungsansprüche durch Bescheid vom 16. März 1953 mit der Begründung abgelehnt, der Kläger habe bei dem Ausheben des Grabens nicht unter Versicherungsschutz gestanden, weil die Versorgung des -Grundstücks mit einer Wasserleitung den zu gewerblichen Zwecken vermieteten Räumen und der Kleinwohnung gedient habe, nicht aber dem kleinen landwirtschaftlichen Unternehmen. Das Sozialgericht (SG) Nürnberg hat durch Urteil vom 29. März 1955 die Klage abgewiesen. Die Berufung hiergegen ist vom Bayerischen Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 19. November 1956 zurückgewiesen worden. Gegen dieses Urteil, in dem die Revision nicht zugelassen worden ist, hat der Kläger keine Revision eingelegt, so daß das Urteil rechtskräftig geworden ist.
Die Verletzungen durch den schweren Unfall vom 15. Oktober 1951 haben auch eine Rolle für die Ansprüche des Klägers gegen die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) gespielt.
Der Kläger hatte am 28. Dezember 1953 bei der BfA einen Antrag auf Rente wegen Berufsunfähigkeit gestellt. Von der BfA sind mehrere Gutachten beigezogen worden. Außerdem hat sie die in dem Verfahren über den Unfall vom 5. Januar 1954 erstatteten Gutachten verwertet. Durch Bescheid vom 9. Dezember 1954 hat die BfA den Rentenanspruch abgelehnt. Auf die Klage des Klägers hat das SG Nürnberg die Akten über die beiden Unfälle vom 15. Oktober 1951 und 4. Januar 1954 beigezogen und durch Urteil vom 25. Juli 1956 die BfA verurteilt, dem Kläger vom 1. Januar 1954 an Rente zu gewähren. Im Berufungsverfahren gegen dieses Urteil sind vom LSG Gutachten des leitenden Arztes des Nervenkrankenhauses des Bezirks Oberbayern in Gabersee, Med.-Direktor H, sowie der Orthopädischen Universitätsklinik München (Prof. Dr. L, Oberassistent Dr. G) beigezogen worden. Daraufhin hat die BfA den Rentenanspruch anerkannt und dem Kläger durch Bescheid vom 28. Mai 1959 vom 1. Januar 1954 an Rente zuerkannt.
Der Unfall vom 5. Januar 1954, für dessen Folgen der Kläger im vorliegenden Verfahren Entschädigungsansprüche geltend macht, hat sich im Unternehmen der N Z. AG in Nürnberg ereignet, in dem der Kläger als Ankerkontrolleur tätig war. Als er den Kontrollraum verlassen wollte, schlug ihm eine Flügeltür gegen den Kopf, die dadurch in Bewegung gekommen war, daß ein Transportarbeiter mit einem Hubwagen in den Kontrollraum einfahren wollte.
Im Verwaltungsverfahren sind von der Beklagten ua ein Bericht des behandelnden Arztes Dr. L vom 9. Januar 1954, ein Durchgangsarztbericht der Unfallklinik Dr. E in Nürnberg vom 7. Januar 1954, ein nervenfachärztlicher Befundbericht des Dr. H in Nürnberg vom 10. Januar 1954 sowie ein Bericht des Hals-Nasen-Ohren-Arztes Dr. R vom 19. März 1954 beigezogen worden sowie ein Gutachten des Dr. H vom 9. März 1954. Auf Anregung des Dr. H hat die Beklagte eine stationäre Beobachtung des Klägers in der Psychiatrischen und Nervenklinik des Stadtkrankenhauses Nürnberg veranlaßt. Das unter dem 24. Juni 1954 erstattete Gutachten (Prof. Dr. von B, Assistenzarzt Dr. G) kommt zum Ergebnis, es habe allenfalls eine ganz leichte Gehirnerschütterung vorgelegen, für eine Schädigung des Gehirns im Sinne einer Kontusion bestehe kein Hinweis. Der Kläger erscheine aber schwerst psychogen überlagert. Die MdE wird gestaffelt auf 100 v. H., 50 v. H., 25 v. H. und vom 5. April 1954 an auf unter 10 v. H. geschätzt.
Die Beklagte lehnte daraufhin durch Bescheid vom 28. Dezember 1954 die Entschädigungsansprüche mit der Begründung ab, der Unfall habe eine meßbare MdE über die 13. Woche hinaus nicht hinterlassen.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger fristgerecht Klage zum SG Nürnberg erhoben. Dieses hat im Termin den Med.-Rat Dr. B als Sachverständigen gehört und durch Urteil vom 27. Juli 1955 die Klage abgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayerischen LSG eingelegt. Dieses hat eine Untersuchung des Klägers in der Universitätsnervenklinik Würzburg in der Zeit vom 11. bis zum 15. Juli 1957 veranlaßt. Das Gutachten der Klinik vom 26. September 1957 ist von Prof. Dr. Sch und Oberarzt Priv.-Doz. Dr. S unterzeichnet. Dem Gutachten sind Zusatzgutachten der Chirurgischen Universitätsklinik (Dr. F) vom 20. Juli 1957 und der Universitätsklinik für Hals-Nasen-Ohren-Kranke (Oberarzt Prof. Dr. N, Assistent Dr. W) vom 8. August 1957 beigefügt.
Durch Urteil vom 5. Februar 1958 hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte für verpflichtet erklärt, dem Kläger vom Beginn der 14. Woche an die Unfallrente nach einer MdE um 50 v. H. zu gewähren.
Die Revision ist vom LSG zugelassen worden.
Zur Begründung hat das LSG u. a. ausgeführt, der Senat halte zwar grundsätzlich an der Rechtsprechung des Reichsversicherungsamts (RVA) zur Entschädigung von Unfallneurosen fest, habe sich aber in der vorliegenden Sache dem Gutachten der Universitätsnervenklinik angeschlossen und sei der Auffassung, daß im vorliegenden Falle der Unfall wesentliche Ursache für die Neurose gewesen sei. Die dadurch bedingte MdE sei auf 50 v. H. geschätzt worden. Daß das Wesen des Klägers von einer Unfallneurose beherrscht werde, gehe nicht nur aus seinen Rentenstreitigkeiten gegen die Beklagte, die landwirtschaftliche BG Oberfranken und Mittelfranken sowie die BfA hervor sowie aus dem Strafantrag gegen Dr. H sondern auch aus seinen zahlreichen Schreiben an in- und ausländische Behörden und den in ihnen aufgestellten Behauptungen. Im übrigen lägen beim Kläger weder auf neurologischem, chirurgischem oder otologischem Gebiet objektive rentenberechtigende Unfallfolgen über die 13. Woche nach dem Unfall vor. Die Annahme einer MdE von 20 v. H. im Gutachten der Chirurgischen Universitätsklinik Würzburg vom 7. Oktober 1957 werde durch die erhobenen Befunde nicht gestützt. Denn die Gutachter führten selbst aus, daß eine Fraktur sowohl am Schädel als auch im Bereich der Halswirbelsäule auszuschließen seien. Die Wirbelsäulenveränderungen seien aber degenerativer Natur und stünden mit dem Unfall nicht in Zusammenhang. Die Rente nach einer MdE von 50 v. H. sei deshalb dem Kläger allein wegen der Unfallneurose zugesprochen worden. Die Revision sei zugelassen worden, da das Urteil von einer grundsätzlichen Entscheidung des RVA abweiche.
Das Urteil ist dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 19. März 1958 zugestellt worden, die Beklagte hat den Empfang des Urteils unter dem 20. März 1958 bestätigt.
Der Kläger hat unter dem 18. Februar 1958 an das Bayerische LSG geschrieben. Dieses Schreiben ist vom LSG an das Bundessozialgericht (BSG) weitergeleitet worden und dort am 24. Februar 1958 eingegangen. In diesem Schreiben erklärt der Kläger, er habe sich zu dem Entschluß durchgerungen, gegen das Urteil werde sofort Revision eingelegt in Kassel. Im übrigen enthält das Schreiben Ausführungen über seine Leiden, eine Anklage beim Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg und bei der Weltgesundheitsbehörde in Genf sowie über eine illustrierte Zeitung.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 12. April 1958, der am 15. April 1958 beim BSG eingegangen ist, Revision eingelegt und sie zugleich auch begründet.
Sie beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und in Zurückweisung der Berufung gegen das Urteil des SG die Klage abzuweisen,
hilfsweise beantragt sie,
das Urteil aufzuheben und die Sache an das LSG zurückzuverweisen.
Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers beantragt,
die Revision zurückzuweisen und die Beklagte zur Tragung der Kosten des Revisionsverfahrens zu verurteilen,
hilfsweise beantragt er,
die Sache an das LSG zurückzuverweisen.
Er hat vorgetragen, die durch die Unfälle bedingten Folgen hätten sich soweit verschlimmert, daß der Kläger auch ohne Berücksichtigung der Unfallneurose arbeits- und berufsunfähig geworden sei. Deshalb sei eine neue Untersuchung des Klägers durch einen neutralen Sachverständigen erforderlich; hierfür werde Prof. Dr. Z vorgeschlagen.
II
Die durch Zulassung statthafte Revision der Beklagten ist in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden und somit zulässig. Sie hatte auch Erfolg.
Nach den Feststellungen des LSG, die im Revisionsverfahren weder durch die Revision noch durch Rügen des Prozeßbevollmächtigten des Klägers angegriffen worden sind (vgl. §§ 163, 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), hat der Unfall vom 5. Januar 1954 "weder auf neurologischem, chirurgischem oder otologischem Gebiet" über die 13. Woche nach dem Unfall hinaus organische Folgen hinterlassen, die einen Anspruch auf Rente begründen. Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung, an der er, wie sich aus den von ihm selbst unterzeichneten Eingaben ergibt, offenbar auch weiterhin festhält, sind also nach diesen Feststellungen die beim Kläger bestehenden durch organische Veränderungen bedingten erheblichen, die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigenden Gesundheitsstörungen nicht Folgen des Unfalls vom 5. Januar 1954. Inwieweit diese Gesundheitsstörungen, die auch zur Bewilligung einer Rente aus der Angestelltenversicherung geführt haben, Folgen des Unfalls vom 15. Oktober 1951 sind, bedarf im vorliegenden Verfahren keiner Prüfung, da Ansprüche auf Grund dieses Unfalls nicht Gegenstand des Verfahrens sind und überdies durch das - im Klageverfahren gegen die landwirtschaftliche BG Oberfranken - und Mittelfranken ergangene - Urteil des Bayerischen LSG vom 19. November 1956 rechtskräftig entschieden worden ist, daß sich dieser Unfall nicht bei einer unter dem Versicherungsschutz der landwirtschaftlichen Unfallversicherung (UV) stehenden Tätigkeit ereignet hat.
Die vom LSG ausgesprochene Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Rente in Höhe von 50 v. H. der Vollrente beruht auf den Feststellungen, daß beim Kläger eine "echte Unfallneurose" bestehe, deren Grad so erheblich sei, daß sie einer Krankheit gleichkomme, und daß der Unfall vom 5. Januar 1954 diese "Neurose" verursacht habe, sowie auf der rechtlichen Wertung, daß diese ursächliche Verknüpfung rechtlich wesentlich sei.
Die Revision weist zwar zutreffend darauf hin, daß das LSG - wie es auch selbst nicht verkannt hat - bei der Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Unfallereignis vom 5. Januar 1954 und der "Unfallneurose" von den Grundsätzen abgewichen ist, die das RVA in der grundsätzlichen Entscheidung 3238 (AN 1926, 480) aufgestellt hat. Der erkennende Senat hat jedoch im Urteil vom 18. Dezember 1962 (BSG 18, 173) mit näherer Begründung dargelegt, daß diese Grundsätze deshalb nicht mehr uneingeschränkt anwendbar sind, weil die ihnen zugrunde liegende Auffassung, Erscheinungen, die nicht unmittelbar organisch bedingt, sondern "nur psychologisch verständliche Reaktionen" sind, könnten keine Unfallfolgen im Rechtssinne sein, mit dem für das Recht der gesetzlichen UV geltenden Ursachenbegriff nicht vereinbar ist. Der Senat hat in diesem Urteil näher dargelegt, daß auch Vorgänge, die sich im Bereich des Psychischen oder Geistigen abspielen, einen ursächlichen Zusammenhang im Rechtssinn begründen können.
Das LSG konnte also ohne Verstoß gegen den Ursachenbegriff der gesetzlichen UV zu dem Ergebnis gelangen, daß zwischen dem Unfallereignis vom 5. Januar 1954 und den mit der "Unfallneurose" in Zusammenhang stehenden krankhaften seelischen Erscheinungen ein ursächlicher Zusammenhang im Rechtssinne bestehe.
Das LSG hat auch nicht verkannt, daß es einer Prüfung bedarf, ob dieser ursächliche Zusammenhang rechtlich wesentlich ist, d. h. ob die ursächlichen Auswirkungen des Unfallereignisses oder seiner Folgen im Körperlich-Organischen neben den übrigen Ursachen für die psychischen Reaktionen des Klägers rechtlich wesentlich sind oder vielmehr diesen gegenüber als rechtlich unwesentlich in den Hintergrund treten. Die Ausführungen, mit denen das LSG seine Auffassung begründet hat, der Unfall sei eine rechtlich wesentliche Ursache der "Unfallneurose", und insbesondere die in den Ausführungen enthaltenen tatsächlichen Feststellungen reichen jedoch nicht aus, um dem erkennenden Senat eine Nachprüfung dieser rechtlichen Wertung zu ermöglichen.
Das LSG hat zwar im Tatbestand des angefochtenen Urteils einen Teil des Gutachtens der Universitäts-Nervenklinik Würzburg vom 26. September 1957 wörtlich wiedergegeben. Die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Urteils lassen jedoch nicht mit ausreichender Deutlichkeit erkennen, in welchem Umfange das LSG die im Gutachten enthaltenen tatsächlichen Annahmen als festgestellt ansehen wollte. Das LSG hat als eigene Erkenntnis nur ausgeführt: Der Kläger sei seiner Persönlichkeit nach dazu prädestiniert gewesen, daß die seelischen Folgen des Unfalls sich unheilvoll auswirkten und hieraus ein krankhafter Zustand resultierte. Wie der Senat in BSG 18, 173, 176 näher dargelegt hat, darf zwar bei der rechtlichen Wertung der verschiedenen Ursachen für die psychischen Reaktionen eines Verletzten nicht von vornherein darauf abgestellt werden, wie ein "normaler" Verletzter auf das Unfallereignis oder seine Auswirkungen im Körperlich-Organischen reagiert hätte (vgl. hierzu auch BSG 11, 50, 53). Da die Gutachter der Klinik annehmen, der durch den Kampf um eine Entschädigung für die Folgen des schweren Unfalls vom 15. Oktober 1951 verursachte und im Zeitpunkt des neuen Unfalls "wohl nur angestaute Affekt" habe sich an dem neuen Unfall nur "aufs Neue entzündet", hätte es einer eingehenderen Prüfung bedurft, ob die Auswirkungen des Unfallereignisses oder seiner organischen Folgen ihrer Art und vor allem auch ihrer Stärke nach unersetzlich - d. h. z. B. nicht mit anderen alltäglich vorkommenden Ereignissen austauschbar - sind oder ob die nach der Annahme der Klinik vorhandene Anlage zu abartigen psychischen Reaktionen so leicht "ansprechbar" war, daß diese Bereitschaft zu Reaktionen rechtlich die allein wesentliche Ursache für diese Reaktionen ist. Dabei ist neben der Schwere des Unfallereignisses - im Verhältnis zu den später vorliegenden psychischen Auswirkungen betrachtet - auch die vom LSG in der Begründung des Urteils nicht näher erörterte Annahme der Gutachter von Bedeutung, im Zustand des Klägers sei vor dem neuen Unfall eine "Beruhigung" eingetreten gewesen und es sei anzunehmen, daß ohne den neuen Unfall eine weitere Beruhigung eingetreten wäre. Diese Annahme hätte schon deshalb einer Prüfung durch das LSG bedurft, weil im Januar 1954 das Verfahren über die Berufung des Klägers gegen den erst am 16. März 1953 erteilten ablehnenden Bescheid der landwirtschaftlichen BG Oberfranken und Mittelfranken noch in der ersten Instanz anhängig, der Kampf des Klägers um eine Entschädigung für die Folgen des schweren Unfalls vom Jahre 1951 also noch längst nicht beendet war, sondern vielmehr durch das Gerichtsverfahren ein neuer Abschnitt begonnen hatte. Vor allem aber ist zu berücksichtigen, daß im Bereich des Seelischen oder Geistigen verlaufende Entwicklungen nicht in dem Maße von vornherein vorausbestimmt sind, wie das bei Entwicklungen im Bereich mechanischer Abläufe häufig der Fall ist. Wie der Senat in dem einen Selbstmord betreffenden weiteren Urteil vom 18. Dezember 1962 (BSG 18, 163) dargelegt hat, müssen für die rechtliche Betrachtung die Anschauungen ausscheiden, die unter naturwissenschaftlichen oder philosophischen Gesichtspunkten eine echte Entscheidungsfreiheit des Menschen in Zweifel ziehen. Die psychischen Reaktionen eines Verletzten auf einen Unfall sind meist nicht ausschließlich durch aus dem Unbewußten wirkende Kräfte bestimmt, vielmehr wirkt häufig in Gestalt bewußter Überbetonungen und zweckgerichteter unechter Verhaltungsweisen auch der Wille des Verletzten steuernd mit, der überdies auch in Form eines bewußten Sichgehenlassens die Entwicklung der psychischen Reaktionen beeinflussen kann und somit gleichfalls als rechtlich zu wertende Ursache in Frage kommt. Hierbei muß allerdings auch geprüft werden, ob etwa das Unfallerlebnis - z. B. ein hier wohl nicht in Frage kommendes Angst- oder Schreckerlebnis - den Verletzten derart in tieferen Schichten der Persönlichkeit getroffen hat, daß es ihm nicht mehr möglich ist, durch Anspannung des Willens dem Zwang zu neurotischen Reaktionen zu entrinnen (vgl. hierzu auch BGHZ 39, 313).
Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß, selbst wenn eine neue auf einer breiteren tatsächlichen Grundlage durchgeführte rechtliche Würdigung der verschiedenen Ursachen für die psychischen Reaktionen des Klägers zu dem Ergebnis führt, daß die im unmittelbar zeitlichen Anschluß an den Unfall aufgetretenen psychoreaktiven Störungen rechtlich wesentlich durch den Unfall verursacht sind, eine ergänzende Prüfung erforderlich ist, ob und inwieweit auch der weitere Verlauf noch rechtlich wesentlich auf die ursprünglichen Reaktionen zurückzuführen ist und nicht vielmehr Begehrungsvorstellungen oder sonstige aus der Psyche heraus wirkende Kräfte so weit in den Vordergrund getreten sind, daß sie für den weiteren Verlauf die rechtlich allein noch wesentliche Ursache bilden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß das sozialgerichtliche Verfahren über die Entschädigungsansprüche des Klägers für die Folgen des Unfalls vom Jahre 1951 erst im November 1956 rechtskräftig abgeschlossen worden ist. Auch hierzu werden ergänzende tatsächliche Feststellungen erforderlich sein.
Da, wie dargelegt, die Entscheidung des LSG darüber, ob der Unfall vom 5. Januar 1954 und seine körperlichen Auswirkungen eine rechtlich wesentliche Teilursache der psychischen Reaktionen des Klägers sind, auf unzureichenden tatsächlichen Feststellungen beruht und deshalb auch eine Entscheidung des Senats hierüber nicht möglich ist, mußte auf die Revision der Beklagten das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden (§ 170 SGG).
Den vom Kläger selbst unterzeichneten, an das LSG gerichteten Schriftsatz vom 18. Februar 1958 hat der Senat - in Übereinstimmung mit dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers - nicht als Revisionsschrift angesehen.
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen