Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung von Verfolgungsersatzzeiten. zwangsweise Unterbringung geistig Behinderter im Nationalsozialismus. Zwangssterilisation. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Die zwangsweise Unterbringung geistig Behinderter im Nationalsozialismus stellt auch dann keine Ersatzzeit dar, wenn sie zum Zwecke einer Zwangssterilisation nach dem Erbgesundheitsgesetz vorgenommen wurde; dies ist auch nicht verfassungswidrig.
Normenkette
SGB 6 § 250 Abs. 1 Nr. 4; RVO § 1251 Abs. 1 Nr. 4; BEG §§ 1, 43, 47, 171; AKG § 5; SGB 10 § 44; ErbKrG; GG Art. 3; SGB 6 § 250 Abs 1 Nr 4; RVO § 1251 Abs 1 Nr 4; GG Art 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger begehrt höhere Altersrente unter Berücksichtigung von Zeiten der zwangsweisen Unterbringung in Heil- und Pflegeanstalten bis zu seiner zwangsweisen Sterilisierung während des Dritten Reiches als Ersatzzeiten.
Der am 31.5.1924 geborene Kläger wurde am 13.1.1933 unter der Diagnose "Imbecillitas minor (1a)" in eine Heil- und Pflegeanstalt verbracht und danach in verschiedenen Anstalten festgehalten. Am 14.12.1943 wurde er entlassen, nachdem er auf Grund eines Beschlusses des Erbgesundheitsgerichts Dortmund vom 30.4.1943 am 24.11.1943 "wegen angeborenem Schwachsinn" sterilisiert worden war.
Seinen Antrag auf Entschädigungsleistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) lehnte der Regierungspräsident Detmold mit Bescheid vom 29.8.1958 ab, weil die Antragsfrist des § 189 Abs 1 BEG versäumt sei; abgesehen davon seien die allgemeinen Voraussetzungen gemäß § 1 Abs 1 BEG nicht erfüllt; Unfruchtbarmachungen auf Grund von Beschlüssen des Erbgesundheitsgerichts stellten grundsätzlich keine nationalsozialistische Gewaltmaßnahme iS des Gesetzes dar.
Auf Grund einer Vereinbarung vom 20./28.5.1986 des Klägers mit der Oberfinanzdirektion (OFD) Münster wurde eine einmalige Beihilfe iHv DM 5.000,-- bewilligt. Zur Begründung wurde ausgeführt, zur Abfindung der durch die Zwangssterilisierung erlittenen Nachteile zahle der Bund ohne Anerkennung einer Rechtspflicht dem Antragsteller eine einmalige Entschädigung. Mit Bescheid vom 21.8.1990 gewährte die OFD Münster ab Juli 1990 eine laufende Beihilfe von zunächst monatlich DM 100,--; die Bewilligung erfolge nach den Richtlinien der Bundesregierung über Härteleistungen an Opfer von nationalsozialistischen Unrechtsmaßnamen im Rahmen des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes ≪AKG≫ (AKG-Härterichtlinien) in der damaligen Fassung; der gegenwärtige Zahlbetrag beträgt € 120,--/Monat. Mit Bescheid vom 15.10.2003 erkannte die OFD Köln auf Grund der AKG-Härterichtlinien darüber hinaus eine einmalige Härtebeihilfe iHv € 2.556,46 zu. Sie begründete ihre Entscheidung damit, dass dem Kläger diese weitere einkommensunabhängige Beihilfe zu bewilligen sei, weil neben der erlittenen und bereits entschädigten Zwangssterilisierung eine weitere NS-Unrechtsmaßnahme, der Freiheitsentzug gemäß § 5 AKG, vorliege.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 15.6.1978 bzw 1.9.1978 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Sie bewertete die Zeit vom 31.5.1938 bis 20.12.1943, ebenso wie bei der Umwandlung dieser Rente in das ab 1.6.1989 gewährte Altersruhegeld ≪ARG≫ (Bescheid vom 15.3.1989), als "nicht versichert".
Im April 2003 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Neuberechnung seiner Altersrente; die Zeit seiner haftähnlichen Unterbringung müsse berücksichtigt werden. Die Beklagte lehnte diesen Antrag durch Bescheid vom 20.8.2003 mit der Begründung ab, die Entschädigungsbehörde Detmold habe mit Bescheid vom 29.8.1958 über die Verfolgteneigenschaft entschieden, danach erfülle der Kläger die Voraussetzungen des § 1 BEG nicht. Die Beklagte wies auch den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 20.1.2004). Sie führte zur Begründung aus, der Kläger sei zwar von NS-Unrecht betroffen, gehöre aber nicht zum Personenkreis des § 1 BEG. Bei den gewährten Beihilfen habe es sich um Zahlungen gehandelt, die auf Grund von Richtlinien über Härteleistungen zu Gunsten von Opfern nationalsozialistischer Gewaltmaßnahmen geleistet worden seien, die nicht die Voraussetzungen nach §§ 1 und 2 BEG erfüllten.
Das Sozialgericht Detmold (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 29.4.2005). Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) hat die Berufung mit Urteil vom 12.5.2006 zurückgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Berücksichtigung der Zeit vom 31.5.1938 bis 20.12.1943, weil es sich nicht um eine Verfolgungsersatzzeit iS von § 250 Abs 1 Nr 4 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) handele. Zwar sei der Kläger in dem streitigen Zeitraum nach Vollendung seines 14. Lebensjahres zwangsweise in Heil- und Pflegeanstalten untergebracht gewesen. Ihm sei damit in Haftstätten iS von § 7 AKG-Härterichtlinien die Freiheit entzogen worden. Es fehle jedoch an der Verfolgteneigenschaft iS von § 1 BEG. Der Kläger sei weder politisch Verfolgter noch Verfolgter aus Gründen der Rasse iS von § 1 BEG. Weder die Freiheitsentziehung noch die spätere Zwangssterilisierung seien aus Gründen der Rasse iS von § 1 Abs 1 BEG erfolgt. Der Kläger sei untergebracht worden, um ihn als vermeintlich Erbkranken unfruchtbar zu machen; denn die Sterilisierung sei Voraussetzung seiner Entlassung gewesen. Wer aus erbbiologischen Gründen sterilisiert worden sei, habe nicht zu den rassisch Verfolgten gehört, selbst wenn die Sterilisierung zur Reinhaltung der Rasse von fehlerhaften Erbmerkmalen durchgeführt wurde; einer niederen Menschenrasse sei der Sterilisierte nicht zugeordnet worden. Diese Auffassung entspreche nicht nur der Rechtsprechung der Entschädigungsgerichte, sondern auch der Literatur zum BEG. Allein diese Auslegung sei auch mit der Systematik des BEG zu vereinen (§ 1 BEG einerseits, § 171 BEG andererseits) . Richtig sei, dass gegenüber der in den Nachkriegsjahren nicht nur von den Besatzungsmächten, sondern später auch vom bundesdeutschen Gesetzgeber und der Rechtsprechung einhellig vertretenen Auffassung, das Erbgesundheitsgesetz nicht als ein typisch nationalsozialistisches Gesetz anzusehen, ein Verständniswandel eingetreten sei. Dies drücke sich auch in den dem Kläger bewilligten Leistungen aus. Dieser angesprochene Verständniswandel führe jedoch nicht zur Einbeziehung der Zwangssterilisierten und der in rechtsstaatswidrigen Anstalten Untergebrachten in den Verfolgungsbegriff des § 1 BEG. Der Gesetzgeber habe nach wie vor die Zwangssterilisierten wie auch andere Gruppen von Opfern nationalsozialistischen Unrechts (zB Homosexuelle, sog Asoziale, sog Landstreicher) nicht als Verfolgte iS des § 1 BEG anerkannt.
Die Berücksichtigung einer solchen Zeit nur unter den Voraussetzungen des § 1 BEG, wie dies bei den Sinti und Roma erfolge, sei auch nicht verfassungswidrig. Das Tatbestandsmerkmal der Verfolgteneigenschaft sei ein sach- und systemgerechter Anknüpfungspunkt für die Gewährung der rentenrechtlichen Vergünstigung einer Ersatzzeit wegen bestimmter Formen staatlich veranlassten oder verursachten Unrechts. Das Kriterium ermögliche zudem im Regelfall die Anknüpfung an zeitnahe, zum Kriegsende getroffene Feststellungen der Entschädigungsbehörden. Dass der Gesetzgeber sich außerhalb des BEG zu bestimmten Entschädigungsleistungen für die nach dem Erbgesundheitsgesetz Zwangssterilisierten entschieden habe, zwinge ihn nicht zur völligen Gleichstellung dieses Personenkreises mit dem der Verfolgten, auch nicht in Bezug auf die Ersatzzeitenregelung. Der Gesetzgeber bewege sich hier innerhalb des ihm vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zugestandenen sozialpolitischen Ermessensspielraums.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 250 Abs 1 Nr 4 SGB VI iVm § 1 BEG sowie Art 3 des Grundgesetzes (GG). Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14.7.1933 habe am Anfang der nationalsozialistischen Rassegesetzgebung gestanden. Die Entschädigungsgerichte hätten anfangs die Auffassung vertreten, dass die Sterilisierung aus eugenischen Gründen keine nationalsozialistische Verfolgungsmaßnahme darstelle, weil derartige Eingriffe auch in anderen - demokratisch regierten - Ländern angeordnet würden. Im Laufe der Zeit habe jedoch ein Verständniswandel eingesetzt. 1974 sei das NS-Erbgesundheitsgesetz für das ganze Bundesgebiet außer Kraft gesetzt worden. Am 5.5.1988 habe der Deutsche Bundestag festgestellt, dass die in dem Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vorgesehenen und auf der Grundlage dieses Gesetzes während der Zeit von 1933 bis 1945 durchgeführten Zwangssterilisierungen nationalsozialistisches Unrecht seien. Diesen Beschluss habe der 12. Deutsche Bundestag am 29.6.1984 bekräftigt. Der Bundesrat habe beide Beschlüsse zum Anlass genommen, eine entsprechende Entschließung zu fassen. Der Bewertungswandel habe seinen Niederschlag in der Entscheidung der Bundesregierung von 1980 gefunden, Zwangssterilisierten auf Antrag eine Zuwendung von DM 5.000,-- zu leisten. Darüber hinaus hätten sie nach den AKG-Härterichtlinien laufende Leistungen von zunächst monatlich DM 100,-- erhalten. Ferner sei eine einmalige Beihilfe nach den Richtlinien der Bundesregierung über Härteleistungen an Opfer von nationalsozialistischen Unrechtsmaßnahmen im Rahmen des AKG vom 7.3.1988 gezahlt worden. Er, der Kläger, sei zur Erhaltung einer erbgesunden Rasse verfolgt worden. Im Gegensatz zur Auffassung der Vorinstanzen stehe dieser Auffassung nicht die Systematik des BEG entgegen, weil Zwangssterilisierte nach vorausgegangenem Gerichtsverfahren nicht unter das BEG gefallen seien. Dass sich der Verständniswandel nicht in einer Änderung des Verfolgungsbegriffs nach § 1 BEG niedergeschlagen habe, sei im Zusammenhang mit dem BEG-Schlussgesetz zu sehen, wonach nach dem 31.12.1969 keine Ansprüche mehr angemeldet werden konnten.
Im Übrigen sei aber auch eine verfassungskonforme Auslegung des § 250 Abs 1 Nr 4 SGB VI geboten. Der Gleichheitssatz verlange, ihn, den Kläger, mit der Verfolgtengruppe der Sinti und Roma gleichzustellen. Seine Inhaftierung bis nach seiner Sterilisierung stelle einen außergewöhnlichen, von ihm nicht zu vertretenden Umstand dar, der dazu geführt habe, dass seine Beitragsleistungen in der streitigen Zeit unterblieben seien. Die in § 1 BEG aufgeführten Gründe der Verfolgung seien unwesentliche Merkmale für die Feststellung der Gleichheit der Sachverhalte.
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Der Kläger beantragt sinngemäß, |
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das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 12.5.2006 sowie das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 29.4.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.3.1989 sowie des Bescheides vom 20.8.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.1.2004 zu verurteilen, ihm ab 1.1.1999 höhere Altersrente unter Berücksichtigung der Zeit vom 31.5.1938 bis 20.12.1943 als Ersatzzeit zu gewähren. |
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Die Beklagte beantragt, |
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die Revision zurückzuweisen. |
Sie hält die Urteile der Vorinstanzen für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Auf Grund des Einverständnisses nach § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung.
Die Revision ist unbegründet. Zu Recht haben das SG die Klage mit Urteil vom 29.4.2005 abgewiesen und das LSG die Berufung mit Urteil vom 12.5.2006 zurückgewiesen. Der ARG-Bescheid der Beklagten vom 15.3.1989 sowie der Bescheid vom 20.8.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.1.2004 sind nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung höherer Rente unter Berücksichtigung der geltend gemachten Ersatzzeit.
Streitgegenstand ist der Anspruch des Klägers auf höhere Rente auf Grund der Berücksichtigung der Zeit seiner zwangsweisen Unterbringung in Heilanstalten in dem Zeitraum vom 31.5.1938 bis zum 20.12.1943.
Verfahrensrechtlich ist der Anspruch des Klägers nach § 44 Abs 1 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) zu beurteilen, weil er die Anerkennung der Ersatzzeit unter Aufhebung der Ablehnung dieser Zeit in dem Bescheid vom 15.3.1989 (hinsichtlich der Gewährung von ARG) sowie rückwirkende Leistung für vier Jahre vor seinem Antrag auf Neuberechnung der Rente von April 2003 begehrt, dh ab 1.1.1999. Nach der genannten Vorschrift ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind (Abs 1) . Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren vor der Rücknahme bzw vor dem Antrag erbracht (Abs 4 Satz 1 und 3) . Prüfungsmaßstab für den Anspruch des Klägers nach § 44 SGB X sind die zur Zeit des Rentenbescheides von 1989 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO).
Die streitigen Zeiten sind jedoch keine Ersatzzeiten iS von § 1251 RVO. § 1251 Abs 1 RVO in der maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Vorschriften über die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung vom 22.12.1970 (BGBl I 1846) lautet (soweit hier in Betracht kommend):
"Für die Erfüllung der Wartezeit werden als Ersatzzeiten angerechnet: ... Nr. 4: Zeiten der Freiheitsentziehung und der Freiheitsbeschränkung im Sinne der §§ 43 und 47 des Bundesentschädigungsgesetzes ..., wenn der Versicherte Verfolgter im Sinne § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes ist, ...".
Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch scheitert bereits daran, dass er nicht Verfolgter iS von § 1 BEG ist.
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§ 1 BEG lautet: |
"(1) Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung ist, wer aus Gründen politischer Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus oder aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen verfolgt worden ist und hierdurch Schaden an Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum, Vermögen, in seinem beruflichen oder in seinem wirtschaftlichen Fortkommen erlitten hat (Verfolgter). |
(2) Dem Verfolgten im Sinne des Absatzes 1 wird gleichgestellt, wer durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen verfolgt worden ist, |
1. weil er auf Grund eigener Gewissensentscheidung sich unter Gefährdung seiner Person aktiv gegen die Missachtung der Menschenwürde oder gegen die sittlich, auch durch den Krieg nicht gerechtfertigte Vernichtung von Menschenleben eingesetzt hat; |
2. weil er eine vom Nationalsozialismus abgelehnte künstlerische oder wissenschaftliche Richtung vertreten hat; |
3. weil er einem Verfolgten nahegestanden hat. |
(3) ...". |
Bereits vom Wortlaut her handelt es sich in § 1251 Abs 1 Nr 4 RVO um eine Verweisung auf sämtliche in § 1 BEG genannten Tatbestandsvoraussetzungen, weil dort der Begriff "Verfolgter" zur näheren Bestimmung ausdrücklich auf die Definition im BEG verweist. Über die Zugehörigkeit zum Personenkreis des § 1 BEG ist von den Gerichten in eigener Zuständigkeit und ohne Bindung an die Entscheidungen der Entschädigungsbehörden zu befinden (Klattenhoff in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 250 RdNr 202; Niesel in Kasseler Komm, SGB VI, § 250 RdNr 82, jeweils mwN) . Keine Bindung bewirkt somit der Ablehnungsbescheid des Regierungspräsidenten Detmold vom 29.8.1958.
Nach den Feststellungen des LSG wurde der Kläger in die Heil- und Pflegeanstalten unter der Annahme verbracht, bei ihm liege eine Imbezillität (veralteter Begriff für die mittelgradige Intelligenzstörung, mittelgradige Oligophrenie, vgl Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Aufl, Stichwort: Behinderung, geistige) vor. Durch die Zeit unter haftähnlichen Bedingungen hat er zwar einen Schaden hinsichtlich seiner Freiheit und durch die Sterilisierung einen Körperschaden erlitten, er ist jedoch nicht aus den in § 1 Abs 1 BEG genannten Gründen durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen verfolgt worden. Für eine Verfolgung auf Grund politischer Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus, des Glaubens oder der Weltanschauung sind nach den bindenden Feststellungen des LSG keine Anhaltspunkte ersichtlich. Der Kläger ist aber auch nicht aus Gründen der Rasse verfolgt worden.
Schon der Wortlaut des § 1 BEG spricht dagegen, Verfolgung wegen einer Intelligenzstörung als Verfolgung aus Gründen der Rasse zuzuordnen. Unter Rasse wird allgemein eine Gruppe von Lebewesen verstanden, die sich durch ihre gemeinsamen Erbanlagen von anderen Artangehörigen unterscheiden (vgl Brockhaus, Die Enzyklopädie, 20. Aufl, unter "Rasse") bzw eine Formengruppe mit kennzeichnenden, gleichen Merkmalen (Meyers Enzyklopädisches Lexikon, 9. Aufl, unter "Rasse") . Hierunter sind geistig behinderte bzw minderbegabte Menschen nicht einzuordnen, weil sie sich grundsätzlich bei allen Rassen finden, aber nicht zur Unterscheidung der Rassen untereinander dienen könne.
Zwar beruhte die Fortdauer der Unterbringung auch auf rassenideologischen Vorstellungen, sollte doch die Zwangssterilisierung der "Verhütung erbkranken Nachwuchses" und damit der "Reinhaltung" der ("arischen") Rasse dienen. Der Begriff Verfolgung aus Gründen der Rasse umfasst aber nicht alle Maßnahmen, denen rassenpolitische Erwägungen zu Grunde lagen (so bereits die stRspr des BGH, vgl zB RzW 1968, 115 mwN) . Vielmehr wurde nur derjenige aus Gründen der Rasse iS des § 1 BEG verfolgt, der allein wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten, als "minderwertig" betrachteten Rasse verfolgt wurde. Als solche kamen nach nationalsozialistischer Auffassung, auf die dabei abzustellen ist, in Europa regelmäßig nur "Juden", "jüdische Mischlinge" und "Zigeuner" in Betracht (BSG SozR 3-2200 § 1251 Nr 7 S 43) . Somit spricht bereits der Wortlaut der Vorschrift dagegen, dass Personen mit geistiger Behinderung - wie beim Kläger angenommen - als rassisch Verfolgte anzusehen sind.
Dass die Verfolgung wegen geistiger Behinderung nicht als Verfolgung aus Gründen der Rasse aufzufassen ist, entspricht auch dem Werdegang der Gesetzgebung zur Entschädigung von Zwangshaft im NS-Regime. Ein Gesetz zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts (Entschädigungsgesetz) fand sich zunächst nur in einzelnen Bundesländern (vgl die Aufhebungsvorschrift des § 228 BEG) . Bereits die Begriffsbestimmung in § 1 des Gesetzes über die Behandlung der Verfolgten des Nationalsozialismus in der Sozialversicherung vom 22.8.1949, das im Vereinigten Wirtschaftsgebiet (der "Bizone") galt (vgl WiGBl 263) , beschränkte sich auf die wegen ihrer politischen Haltung, ihres Glaubens, ihrer Weltanschauung oder ihrer Rasse Verfolgten; nur für diese waren Ersatzzeiten vorgesehen (§ 3 des Gesetzes) . Angesichts der unterschiedlichen Regelungen in der Gesetzgebung der Länder wurden Forderungen nach einer bundeseinheitlichen Regelung laut. Der Entwurf eines Gesetzes zur Anerkennung des deutschen Widerstands und zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts (BT-Drucks 1/3472) wurde nicht übernommen; nach der weiten Formulierung in dessen § 2 wäre als Verfolgter definiert worden, wer durch nationalsozialistische Verfolgungs- oder Unterdrückungsmaßnahmen, die sich gegen die Menschen- und Bürgerrechte - insbesondere die Freiheit der Meinung, des Glaubens und der Person, sowie die Gleichheit vor dem Gesetz - richteten, Unrecht erlitten habe.
Als erstes Bundesgesetz verabschiedet wurde das Bundesergänzungsgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung vom 18.9.1953 (BGBl I 1387) . Dieses regelte in seiner Präambel sowie in § 1 die Gründe für die Entschädigung, insbesondere für Personen nach Verfolgung wegen ihrer politischen Überzeugung oder aus Gründen der Rasse. Ein Entschädigungsgrund wegen Zwangsunterbringung auf Grund geistiger Behinderung war nicht erwähnt. § 79 des Gesetzes sah Härteregelungen vor, darunter in Nr 7 für Betroffene, die ohne vorausgegangenes Verfahren nach dem Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses sterilisiert worden waren. An Stelle des Bundesergänzungsgesetzes trat am 29.6.1956 das BEG (BGBl I 562) , das rückwirkend ab 1.10.1953 in Kraft trat (§ 241 BEG) . Hinsichtlich der Präambel und der Verfolgungstatbestände gab es keine einschlägigen Veränderungen. Die Härteregelung für ohne Gerichtsverfahren Zwangssterilisierte ergab sich nunmehr aus § 171 Abs 3 Nr 1 BEG.
Bereits hieraus folgt, dass der Gesetzgeber des BEG weder die Zwangsunterbringung geistig behinderter Menschen noch die Zwangssterilisierung nach vorherigem Gerichtsbeschluss als Verfolgungstatbestand angesehen hat. Hieran hat sich auch in der Folgezeit nichts geändert.
Im Gegensatz zur Auffassung des Klägers kann nicht von einem Verständniswandel zu Gunsten der Einbeziehung seines Personenkreises in die Ersatzzeittatbestände ausgegangen werden. Zwar hat sich das Verständnis insoweit gewandelt, als die Zwangssterilisierung von geistig behinderten Menschen auch auf Grund eines gesetzlichen Verfahrens nunmehr allgemein als NS-Unrecht angesehen wird. Nicht jedoch ist ein maßgeblicher Verständniswandel hinsichtlich des Begriffs der Verfolgung aus rassischen Gründen eingetreten. Vielmehr besteht insoweit Einigkeit, dass diese Problematik nicht rentenrechtlich, sondern auf sonstige Weise zu berücksichtigen ist. So hat schon der Gesetzgeber des AKG vom 5.11.1957 (BGBl I 1747) vom BEG gelassene Lücken gefüllt und Versorgungs- und Schadensersatzansprüche ua für eine Verletzung der Freiheit vorgesehen. Entsprechend hat auch der Kläger eine einmalige Leistung nach § 5 AKG als Entschädigung für den Freiheitsentzug erhalten (Bescheid der OFD Köln vom 15.10.2003). Für die Entschädigung Zwangssterilisierter, die die Voraussetzungen für Entschädigungsleistungen nach dem BEG oder nach § 5 AKG nicht erfüllen, gab es auch im weiteren Verlauf keine gesetzlichen Vorschriften. Auf Grund einer Härteregelung von 1980 wurden mit Zwangssterilisierten Vereinbarungen über einmalige Zuwendungen von je DM 5.000,-- geschlossen (s Unterrichtung durch die Bundesregierung vom 31.10.1986, BT-Drucks 10/6287, S 37) ; für den Kläger wurde dies mit der Vereinbarung vom 20./28.5.1986 umgesetzt.
Die Entschließung des Deutschen Bundestags vom 3.12.1987 (Plenarprotokoll 11/46, S 3193 iVm BT-Drucks 11/1392 und 11/1415) forderte die Bundesregierung ua auf, die bestehenden Leistungen an Zwangssterilisierte durch laufende Beihilfen an solche Betroffenen zu ergänzen, die einen nachhaltigen Gesundheitsschaden erlitten hätten. In einer weiteren Entschließung vom 5.5.1988 (Plenarprotokoll 11/77, S 5185 ≪B≫ iVm BT-Drucks 11/1714; hierzu Ganssmüller, NJW 1988, 2867) stellte der Deutsche Bundestag ua fest, dass die nach dem Erbgesundheitsgesetz durchgeführten Zwangssterilisierungen nationalsozialistisches Unrecht waren und forderte die Bundesregierung auf, in Richtlinien bei Bedürftigkeit der Opfer auch laufende Leistungen vorzusehen. Bereits am 7.3.1988 hatte die Bundesregierung die AKG-Richtlinien für diejenigen beschlossen, die nicht die Voraussetzungen nach den §§ 1 und 2 BEG erfüllen (BAnz S 1277 ; Richtlinien am 1.9.2004 neu gefasst ; vgl Präambel der Richtlinien vom 1.9.2004 ≪BAnz vom 23.9.2004, S 20921≫, zuletzt geändert am 13.9.2005 ≪BAnz vom 29.10.2005, S 15698≫) . Nach § 1 Abs 1 der Richtlinien erhalten Leistungen durch NS-Unrecht geschädigte Personen, die wegen ihrer körperlichen oder geistigen Verfassung oder wegen ihres gesellschaftlichen oder persönlichen Verhaltens vom NS-Regime als Einzelne oder als Angehörige von Gruppen angefeindet wurden und denen deswegen Unrecht zugefügt wurde. Hierzu zählen ua Euthanasieopfer, Zwangssterilisierte und Homosexuelle. Nach § 2 Abs 1 der Richtlinien sind Leistungen ua ausgeschlossen für Personen, die Verfolgte iS des BEG sind oder Leistungen nach § 5 AKG erhalten haben. Als Leistungen werden ua laufende Leistungen gewährt, wie sie der Kläger seit 1990 erhält.
Auch die Entschließung vom 5.5.1988 aber macht deutlich, dass der Bundestag nicht der Auffassung war, dass Zwangssterilisierten bereits als wegen der Rasse Verfolgten eine Entschädigung zugestanden hätte und auch keinen Anlass gesehen hat, weitere Leistungen als nach den AKG-Härterichtlinien zuzuerkennen.
Nichts anderes ergibt sich endlich aus dem Beschluss des Bundestags vom 24.5.2007 (Plenarprotokoll 16/100, S 10285 ≪B≫) , mit dem dieser den Antrag zur Ächtung des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14.7.1933 (BT-Drucks 16/3811) angenommen hat. Auch hiermit wurden die Zwangssterilisierten nicht iS des Renten- oder Entschädigungsrechts als rassisch verfolgte Opfergruppe anerkannt. Dies kann insbesondere nicht aus den Ausführungen des Beschlusses gefolgert werden, das Gesetz sei "Ausdruck der nationalsozialistischen Ideologie, welche die unantastbare Würde jedes Menschen verneint, indem sie den Einzelnen der rassistischen Wahnidee der 'Reinigung des Volkskörpers' unterordnet und als letzte Konsequenz 'ausmerzt'." (aaO S 3) . Bereits oben hat der Senat darauf hingewiesen, dass der Begriff Verfolgung aus Gründen der Rasse nicht alle Maßnahmen umfasst, denen rassenpolitische Erwägungen zu Grunde lagen. Dies ist auch die Sichtweise des Bundestags. Denn der Beschluss bezieht sich in seinen weiteren Ausführungen nicht etwa auf die Vernichtung der Juden und anderer Volksgruppen; vielmehr begreift er die Zwangssterilisierung nach dem Erbgesundheitsgesetz als "Vorstufe des 'Euthanasie'-Massenmordes". Erst recht kann dem Beschluss nicht der Wille des Bundestags entnommen werden, den Zwangssterilisierten nunmehr weitere Leistungen zu gewähren. Vielmehr nimmt er im Schlusssatz des Beschlusses an, "durch die nun erfolgte Ächtung des 'Erbgesundheitsgesetzes' selbst jegliche Zweifel an seinem Willen zu einer umfassenden Genugtuung und Rehabilitierung der Betroffenen beseitigt zu haben".
Aus alledem ergibt sich, dass zwar ein Bewertungswandel insoweit eingetreten ist, als nunmehr die Zwangssterilisierung wohl allgemein als Unrecht des Nationalsozialismus angesehen wird. Dies hat sich aber nicht auf die Erfassung dieses Personenkreises durch das BEG ausgewirkt. Der Gesetzgeber hat insoweit mit dem BEG-Schlussgesetz vom 14.9.1965 (BGBl I 1315) einen Schlusspunkt gesetzt. Er hat insbesondere in Art VIII des Gesetzes geregelt, dass nach dem 31.12.1969 keine Ansprüche nach dem BEG und diesem Gesetz mehr angemeldet werden konnten. Gleichzeitig hat er abschließende Sonderregelungen (zB für die Nationalgeschädigten, vgl Art VI des Gesetzes ) getroffen. Daraus ist abzuleiten, dass die Vorschriften der RVO bzw des SGB VI, die auf das BEG verweisen, diesen abgeschlossenen Rechtszustand in Bezug nehmen. Sie können bereits deshalb nicht erweiternd ausgelegt werden.
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Personen, die wegen geistiger Behinderung unter dem Nationalsozialismus verfolgt und zwangssterilisiert wurden, sind auch nicht nach Erlass des BEG-Schlussgesetzes in die maßgeblichen Vorschriften der RVO über Ersatzzeiten einbezogen worden. Das SGB VI hat zum 1.1.1992 die hier maßgebliche Ausgangsregelung des § 1251 Abs 1 Nr 4 RVO mit ihrem Bezug auf das abgeschlossene BEG nicht geändert, sondern im Wesentlichen übernommen. § 250 Abs 1 SGB VI lautet: |
"Ersatzzeiten sind Zeiten vor dem 1. Januar 1992, in denen Versicherungsfreiheit nicht bestanden hat und Versicherte nach vollendetem 14. Lebensjahr |
... Nr. 4: in ihrer Freiheit eingeschränkt gewesen oder ihnen die Freiheit entzogen worden ist (§§ 43 und 47 Bundesentschädigungsgesetz) ..., wenn sie zum Personenkreis des § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes gehören (Verfolgungszeit), ...". |
Für eine analoge Anwendung des § 1251 Abs 1 Nr 4 RVO (oder § 250 Abs 1 Nr 4 SGB VI) auf Fälle von Zwangseinweisung von Personen mit geistigen Behinderungen in der NS-Zeit bleibt nach alledem kein Raum. Der Gesetzgeber hat die Gruppe, der der Kläger angehört, durchaus im Auge gehabt; er wollte deren Entschädigung jedoch nicht in dieser Vorschrift, sondern auf andere Weise geregelt wissen.
Dies verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz ist verletzt, wenn eine Personengruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten ohne sachlichen Grund anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass diese die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 110, 412 mwN) ; dh die vom Gesetzgeber getroffene rechtliche Unterscheidung darf in sachlichen Unterschieden keine ausreichende Stütze finden.
Zwar wird die Gruppe der wegen geistiger Behinderung in der NS-Zeit zwangsweise Untergebrachten und Zwangssterilisierten gegenüber den in § 1 BEG genannten Gruppen (insbesondere politisch und wegen ihrer Rasse bzw Religion Verfolgten) ungleich behandelt. Bei dieser Gruppe werden entsprechende Zeiten nicht rentensteigernd berücksichtigt. Hierdurch wird der Gleichheitssatz jedoch nicht verletzt. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers im Zusammenhang mit der Wiedergutmachung sowie der Bewältigung von Kriegs- und Kriegsfolgeschäden (vgl BVerfGE 13, 31, 36; 13, 39, 42 f; 27, 253, 286; 102, 254, 298) . Der Gesetzgeber durfte sich im Rahmen seines Gestaltungsspielraums dafür entscheiden, nur jene Gruppen von Verfolgten auch rentenrechtlich zu entschädigen, die als Folge von NS-Unrechtstatbeständen ein typischerweise besonders schweres Verfolgungsschicksal erlitten haben.
Auch andere von NS-Unrecht durch rechtsstaatswidrige Freiheitsentziehungen betroffene Gruppen, wie zB Homosexuelle, Deserteure, sog Asoziale und Landstreicher, die zwangsweise inhaftiert waren, erhalten keinen rentenrechtlichen Ausgleich; Entsprechendes gilt für die sog Nationalgeschädigten iS von Art VI Nr 1 BEG-Schlussgesetz (BSG SozR 2200 § 1251 Nr 14; BSG SozR 3-2200 § 1251 Nr 7; vgl auch Klattenhoff in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 250 RdNr 202; Niesel in Kasseler Komm, SGB VI, § 250 RdNr 81) . Nach Art VI Nr 1 Abs 1 Satz 2 BEG-Schlussgesetz ist derjenige aus Gründen der Nationalität geschädigt, bei dem die Zugehörigkeit zu einem fremden Staat oder zu einem nichtdeutschen Volkstum ganz oder wesentlich den Grund für die schädigende Maßnahme gebildet hat. Die Nationalgeschädigten erhielten die in Art VI des BEG-Schlussgesetzes vorgesehene Entschädigung. Hieraus ergibt sich, dass auch die Angehörigen der slawischen Völker nicht iS des § 1 BEG "aus Gründen der Rasse" verfolgt wurden; damit sind auch Zeiten der Zwangsarbeit als "Ostarbeiter" keine Ersatzzeiten (vgl BSG SozR 3-2200 § 1251 Nr 7) . Dass für nicht von § 1 BEG erfasste Gruppen andere Entschädigungslösungen gewählt wurden, stand insgesamt im Rahmen des Ermessens des Gesetzgebers.
Eine sonstige Grundlage für den Anspruch des Klägers besteht nicht. § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 1a SGB VI, wonach Anrechnungszeiten Zeiten sind, in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. und vor dem vollendeten 25. Lebensjahr mindestens einen Kalendermonat krank gewesen sind, soweit die Zeiten nicht mit anderen rentenrechtlichen Zeiten belegt sind, ist von vornherein auf ihn nicht anwendbar. Die ab 1.1.2002 in Kraft befindliche Vorschrift (vgl Art 1 Nr 12 Buchst aaa und Art 12 Abs 1 des Altersvermögensergänzungsgesetzes vom 21.3.2001, BGBl I 403, 404, 417) gilt nicht für - wie hier - bereits vorher begonnene Renten (§ 306 SGB VI) .
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1982788 |
BSGE 2009, 232 |
NZS 2008, 604 |
HzA aktuell 2008, 44 |