Leitsatz (amtlich)

Ländliche Hauswirtschaftslehrlinge sind in der Arbeitslosenversicherung nur versicherungsfrei, soweit die Voraussetzungen des AVAVG 1927 § 74 erfüllt sind.

 

Leitsatz (redaktionell)

Beim Einzug des Gesamtsozialversicherungsbeitrages durch die Krankenkasse ist die Krankenkasse auch dann Beklagte, wenn lediglich die Arbeitsversicherungsbeiträge im Streit sind.

 

Normenkette

AVAVG § 70; AVAVG 1927 § 70; AVAVG § 71; AVAVG 1927 § 71; AVAVG § 72; AVAVG 1927 § 72; AVAVG § 74; AVAVG 1927 § 74

 

Tenor

Auf die Revision wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 29. Juni 1955 aufgehoben; die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I.

Die Beigeladene Brigitte P… war vom 1. April 1953 bis zum 15. März 1954 bei dem Kläger als ländlicher Hauswirtschaftslehrling; der Lehrvertrag wurde für ein Jahr abgeschlossen. Die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK.) Hofgeismar forderte vom Kläger am 16. Dezember 1953 für L. "Beiträge zur Sozialversicherung in Beitragsgruppe A." (Krankenversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung). Lehrlinge seien nach § 74 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) nur versicherungsfrei, wenn ein schriftlicher Lehrvertrag von mindestens zwei Jahren vorliege; § 70 AVAVG gelte nur für landwirtschaftliche Beschäftigungen.

Den Widerspruch des Klägers wies die Widerspruchsstelle der AOK. am 12. April 1954 zurück. Am 14. Juni 1954 erhob der Kläger Klage gegen die AOK. Er beantragte, den Widerspruchsbescheid aufzuheben und festzustellen, dass der landwirtschaftliche Hauswirtschaftslehrling L. nicht der Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung unterliege. Die Kammer IV/V des Sozialgerichts (SG.) Kassel veranlasste den Kläger am 6. Juli 1954 zu prüfen, ob "der Präsident des Landesarbeitsamts Hessen" als Beklagter bezeichnet werden müsse; die AOK. könne als Einzugsstelle nicht über die Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung entscheiden. Durch Beschluss vom 16. Februar 1955 wurde L. "nach § 106 Abs. 3 Ziff. 6 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beigeladen, weil ihre rechtlichen Interessen durch die Entscheidung in diesem Verfahren berührt werden." Der Beschluss wurde dem Kläger, der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (BfArb.) und der Beigeladenen zugestellt. Der AOK. wurde am 16. Februar 1955 Abschrift der Klage übersandt mit der Anfrage, ob Beiladung gewünscht werde; als Beklagte gelte die BfArb. Mit schreiben vom 17. Februar 1955 begründete der Kläger die Klage "in Sachen S. gegen die Bundesanstalt". Abschrift der Begründung wurde dem Präsidenten des Landesarbeitsamts (LArbA.) Hessen am 18. Februar 1955 übersandt; die Klage war ihm nicht mitgeteilt worden. Dieser äußerte sich zur Sache und beantragte, die Klage abzuweisen. Durch Beschluss vom 16. März 1955 wurde die AOK. beigeladen. Der Beschluss wurde gleichzeitig mit der Nachricht über den Termin der mündlichen Verhandlung des SG. dem Kläger, dem Präsidenten des LArbA. Hessen als Vertreter der Beklagten und der Beigeladenen zugestellt.

In der Sitzung beantragte der Vertreter des Präsidenten des LArbA., die Klage abzuweisen, der Direktor der AOK. nahm Bezug auf den Widerspruchsbescheid. Durch Urteil vom 31. März 1955 wies das SG. die Klage ab. Die Ausbildung ländlicher Hauswirtschaftslehrlinge diene dazu, die ländliche Hauswirtschaft zu erlernen; der Ausbildung gäben die Arbeiten in der Hauswirtschaft das Gepräge, die auch überwögen. Die Beigeladene L. sei daher nicht versicherungsfrei in der Arbeitslosenversicherung gewesen. Die Frage, wer die richtige Beklagte ist, wurde weder im Termin, noch im Urteil des SG. erörtert.

Gegen dieses Urteil legte der Kläger am 3. Mai 1955 Berufung ein. Er beantragte, das Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen; hilfsweise beantragte er festzustellen, dass das Lehrverhältnis nicht der Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung unterliege. Das SG. hätte die Lehrfrau und den Lehrling vernehmen müssen; diese Vernehmung hätte ergeben, dass L. in erster Linie mit landwirtschaftlichen Arbeiten beschäftigt gewesen sei. Der Präsident des LArbA. beantragte am 10. Juni 1955, die Berufung zurückzuweisen und festzustellen, dass die Beschäftigung der L. als ländlicher Hauswirtschaftslehrling versicherungspflichtig in der Arbeitslosenversicherung gewesen sei. Nach dem Ausbildungsziel und den Ausbildungsvorschriften sei die Erlernung der ländlichen Hauswirtschaft ausschlaggebend; eine landwirtschaftliche Beschäftigung im Sinne des § 71 AVAVG liege nicht vor. Die beigeladene AOK. beantragte ebenfalls, die Berufung zurückzuweisen.

In der Sitzung vom 29. Juni 1955 nahm der Vertreter der Beklagten Bezug auf den Antrag vom 10. Juni 1955; die beigeladene L. stellte keine Anträge.

Das Landessozialgericht (LSG.) hob durch Urteil vom 29. Juni 1955 das Urteil des SG., den Widerspruchsbescheid und den Bescheid der AOK. vom 16. Dezember 1953 auf. Die Prozessvoraussetzungen des Verfahrens vor dem SG. seien erfüllt, das Vorverfahren sei ordnungsgemäß durchgeführt. Nach § 17 der Zweiten Lohnabzugsverordnung vom 24. April 1942 (RGBl. I S. 252) sei die AOK. Einzugsstelle für die Beiträge der Arbeitslosenversicherung; sie erlasse den Verwaltungsakt über die Beiträge, vertrete insoweit gesetzlich die Beklagte, dürfe daher auch den Widerspruchsbescheid erlassen. Ob sie die Beklagte auch in dem sozialgerichtlichen Verfahren habe vertreten dürfen, könne dahingestellt bleiben. Das SG. habe bei den Beteiligten angeregt, die Klage zu ändern und gegen die BfArb. zu richten. Zwar hätten sich der Kläger und die AOK. nicht ausdrücklich dazu geäußert; sie hätten aber in ihren Schriftsätzen die BfArb. als Beklagte angesehen und sich ebenso wie diese vorbehaltlos auf die Klageänderung eingelassen. Damit sei die Einwilligung in die Klageänderung zu vermuten. Die BfArb. sei sonach in die Rolle der Beklagten eingetreten; einen neuen Widerspruchsbescheid habe diese nicht zu erlassen brauchen, das Vorverfahren sei bereits ordnungsgemäß durchgeführt gewesen.

Die Tätigkeit der Beigeladenen L. als ländlicher Hauswirtschaftslehrling sei als landwirtschaftliche Beschäftigung im Sinne des § 71 AVAVG anzusehen. Nach den Bestimmungen des Hessischen Ministers für Arbeit, Landwirtschaft und Wirtschaft über die praktische Ausbildung zur Landfrau vom 9. Januar 1950 diene eine landwirtschaftliche Haushaltslehre der Ausbildung zum tüchtigen Berufsangehörigen sowie der Erziehung und Ausbildung der zukünftigen Hausfrau, Mutter und Staatsbürgerin. Die landwirtschaftliche Ausbildung stehe der hauswirtschaftlichen nicht nach. Insbesondere die Prüfungsfächer (neben der Pflege und Instandhaltung von Wäsche, Kleidung und Hausrat die Beherrschung der Gartenarbeit und der Tierhaltung) wiesen auf eine überwiegend landwirtschaftliche Tätigkeit hin; die Prüfung berücksichtige ausschließlich ländliche Verhältnisse. Die Tätigkeit sei vorwiegend auf die unmittelbare Gewinnung und Erhaltung landwirtschaftlicher Naturprodukte gerichtet; es komme daher nicht darauf an, ob L. überwiegend im Haushalt oder in der Landwirtschaft mitgearbeitet habe, ausschlaggebend sei das Ziel der Ausbildung. Die Revision wurde zugelassen.

Das Urteil wurde dem Präsidenten des LArbA. am 29. September 1955 zugesandt; am 27. Oktober 1955 legte der Präsident der BfArb. Revision ein und beantragte, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen. Beklagte sei nicht die BfArb., sondern die AOK.; die Änderung der Parteien sei nicht als Klageänderung, sondern als neuer Prozess anzusehen. Die BfArb. sei auch nicht passiv legitimiert; die Anfechtungsklage könne sich nur gegen die AOK. richten; sie habe den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen.

Die Versicherungsfreiheit der Lehrlinge sei in § 74 AVAVG abschließend geregelt. Die §§ 70 bis 72 AVAVG bezögen sich nicht auf Lehrverhältnisse; eine landwirtschaftliche Beschäftigung (§ 71 AVAVG) liege auch nur vor, wenn sie von Arbeitern oder Angestellten ausgeübt würde und der unmittelbaren Gewinnung landwirtschaftlicher Naturprodukte diene. Ländliche Hauswirtschaftslehrlinge bildeten eine besondere Gruppe neben Arbeitern und Angestellten; ihre Tätigkeit diene der Ausbildung in den der Hausfrau vorbehaltenen Aufgaben, nicht der unmittelbaren Gewinnung landwirtschaftlicher Naturprodukte.

Die beigeladene AOK. schloss sich der Revisionsbegründung an, verwies auf die Akten und bat um entsprechende Entscheidung. Die Beigeladene L. stellte keine Anträge. Der Kläger beantragte, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist zulässig. Das LSG. hat sie nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG zugelassen; die Revisionsklägerin, die beschwert ist, hat sie in der gesetzlichen Frist formgerecht eingelegt und begründet. Auch bei einer zulässigen Revision ist vor der sachlich -rechtlichen Würdigung des Streites von Amts wegen zu prüfen, ob die allgemeinen Prozessvoraussetzungen, soweit sie unverzichtbar sind, die besonderen Prozessvoraussetzungen des vorausgehenden Berufungsverfahrens und die Voraussetzungen für eine entscheidende Tätigkeit des Revisionsgerichts erfüllt sind (vgl. BSG. 2, 225 [227]; 3, 124 [126]; 4, 70 [72] und 281 [284]). Zu den Prozessvoraussetzungen für die Klage gehört das Prozessführungsrecht. Dies ist das Recht, einen bestimmten Prozess als richtige Partei zu führen. Das Prozessführungsrecht ist Prozessvoraussetzung und vor der Sachbefugnis zu prüfen; fehlt es, so ist die Klage prozessual unzulässig (vgl. Baumbach-Lauterbach, Zivilprozessordnung (ZPO), 24. Auflage, Grundzüge Nr. 4 vor § 50 ZPO und Nr. 3 vor § 253 ZPO). Das LSG. hat das Prozessführungsrecht der BfArb. verkannt.

Der Kläger hat Klage gegen die AOK. Hofgeismar erhoben. Er begehrt die Aufhebung des Beitragsbescheids der AOK. in der Fassung des Widerspruchsbescheids und die Feststellung, dass die Beschäftigung der Beigeladenen L. nicht der Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung unterliegt. Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG kann durch Klage die Aufhebung eines Verwaltungsaktes oder seine Abänderung begehrt werden. Eine solche "Aufhebungsklage" hat der Kläger erhoben. Die Entscheidung der AOK. in der Fassung des Widerspruchsbescheids sieht er mit Recht als Verwaltungsakt an. Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Anordnung oder sonstige Maßnahme, die eine Verwaltungsbehörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts trifft. Diesem Begriff entspricht die Entscheidung der AOK. Sie regelt einen Einzelfall auf dem Gebiet der Sozialversicherung und der Arbeitslosenversicherung, die dem öffentlichen Recht angehören, und ist durch die Verwaltung erlassen. Eine Klage auf Aufhebung eines belastenden Verwaltungsakts ist in der Regel gegen die Stelle zu richten, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Grundsätzlich ist der Beklagte "identisch" mit dem Rechtssubjekt, dessen Verwaltungsakt gerichtlicher Kontrolle unterworfen wird (Menger, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, 1954 S. 150), auch wenn er nicht "der sachliche Gegenspieler" ist (Menger a.a.O. S. 152). Beklagte ist daher die AOK. Hofgeismar. Für Versicherte, die, wie die Beigeladene L., für den Fall der Krankheit pflichtversichert sind, werden die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung mit den Beiträgen zur Krankenversicherung und zur Rentenversicherung in einem Betrage entrichtet (§ 145 Abs. 1 Nr. 1 AVAVG in der Fassung des § 17 der Zweiten Lohnabzugsverordnung vom 24. April 1942 - RGBl. I S. 252 -). Einzugsstelle für die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung ist allein die AOK. Sie entscheidet darüber, ob und in welchem Umfange Beiträge zu entrichten sind; ihre Widerspruchsstolle ist für Entscheidungen über den Widerspruch gegen einen Beitragsbescheid zuständig. Gegen sie richtet sich auch die Klage, wenn die Aufhebung ihres Beitragsbescheids begehrt wird. Die Klage ist daher zu Recht gegen die AOK. Hofgeismar gerichtet worden, auch wenn nur die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung strittig sind (vgl. auch LSG. Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.3.1957 - WzS. 1957 S. 152).

Ist die AOK. als die richtige Beklagte anzusehen, weil ihr Verwaltungsakt angefochten ist, so kann dahingestellt bleiben, ob § 1399 Reichsversicherungsordnung (RVO) n.F., der am 1. Januar 1957 in Kraft getreten ist und als verfahrensrechtliche Vorschrift auch für schwebende Fälle gilt (vgl. 6 RKa 11/55 vom 23.1.1957, BSG. 4, 247, und 3 RK 80/55 vom 15. Oktober 1957, BSG. 6, 47), auch dann anzuwenden ist, wenn für einen Versicherten - wie hier - Beiträge zur Krankenversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung verlangt, aber nur die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung bestritten werden. Es Kann auch die Frage auf sich beruhen, ob insoweit § 12 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften der Zweiten Verordnung über die Vereinfachung des Lohnabzugs vom 15. Juni 1942 (RGBl. I S. 403, 448) anzuwenden ist, wonach bei Streit über die Beitragsleistung der Träger der Krankenversicherung, an den die Beiträge zu entrichten sind, die beteiligten Träger der Rentenversicherung im Streitverfahren vertritt, soweit diese ihr Recht im Streitverfahren nicht selbst wahrnehmen. In jedem Fall ist nämlich die AOK. die richtige Beklagte, da ihr Verwaltungsakt angefochten ist.

Daran hat sich auch dadurch nichts geändert, daß der Kläger auf Anregung des SG. in der Begründung seiner Klage nicht mehr die AOK., sondern die BfArb. als Beklagte bezeichnet hat und daß der Präsident des LArbA. Hessen sich darauf eingelassen hat. Eine Abschrift der Klageschrift ist ihm nicht zugestellt worden; er hat nicht wissen können, dass die Klage gegen die AOK. gerichtet war. Das SG. hat seine Auffassung, dass nicht die AOK., sondern die BfArb. als Beklagte anzusehen sei, auch nicht den Beteiligten mitgeteilt, wie das LSG. angenommen hat, sondern nur dem Kläger und der AOK. Sie haben nach diesem Hinweis in ihren Schriftsätzen die BfArb. als Beklagte behandelt. Nach feststehender Rechtsprechung ist der Wechsel der Parteien Klagänderung (Baumbach-Lauterbach, ZPO, 24. Auflage, § 264, Anm. 2 C; BSG. 1 S. 17 [19]). Eine Änderung der Klage ist nach § 99 Abs. 1 SGG zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält; die Einwilligung der Beteiligten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn sie sich, ohne der Änderung zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen haben (§ 99 Abs. 2 SGG). Eine solche Einwilligung ist im Gegensatz zum LSG. nicht anzunehmen; denn die BfArb. hat sich ohne Kenntnis der Änderung in ihren Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung auf die Klage eingelassen. Unabhängig davon ist aber die BfArb. nicht die richtige Beklagte; ihr fehlt die Prozessführungsbefugnis als Beklagte in einer Anfechtungsklage, mit der die Aufhebung eines Verwaltungsakts der AOK. begehrt wird. Das LSG. hat allein schon wegen der Klagänderung die BfArb. auch für die richtige Beklagte gehalten; diese ist jedoch in Wirklichkeit die AOK. Wenn das LSG. entgegen dieser Rechtslage ein Urteil gegen die BfArb. erlassen hat, so hat es die Prozessführungsbefugnis und damit eine Prozessvoraussetzung verkannt. Der Mangel der Prozessführungsbefugnis ist von Amts wegen und in jeder Lage des Verfahrens zu berücksichtigen; Zweifel darüber sind von Amts wegen aufzuklären (Rosenberg, Lehrbuch des Deutschen Zivilprozessrechts, 7. Auflage, § 45 III, 5 S. 192). Das Urteil des LSG. beruht deshalb auf einem wesentlichen Mangel des Verfahrens; es ist daher aufzuheben. Gleichzeitig ist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG. zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).

Das LSG. wird nunmehr nach § 106 SGG darauf hinzuwirken haben, dass die AOK. als Beklagte an dem Verfahren beteiligt wird. In der Sache selbst ist zu beachten, dass ländliche Hauswirtschaftslehrlinge nicht die Voraussetzungen der Versicherungsfreiheit des § 70 AVAVG a.F. erfüllen, die stets eine den Merkmalen des § 71 entsprechende landwirtschaftliche Beschäftigung in einem landwirtschaftlichen Betriebe im Sinne des § 72 voraussetzt. Ziel der ländlichen Hauswirtschaftslehre ist die Ausbildung in der ländlichen Hauswirtschaft; sie dient der praktischen Ausbildung zur Landfrau und bildet die Grundlage für ländliche hauswirtschaftliche Berufe. Die ländliche Hauswirtschaft erfüllt aber daher nicht die Merkmale eines landwirtschaftlichen Betriebes im Sinne des § 72 AVAVG a.F.; sie ist nicht unmittelbar auf die erwerbsmäßige Gewinnung landwirtschaftlicher Naturprodukte gerichtet. Die Beschäftigung zur Ausbildung der ländlichen Hauswirtschaftslehrlinge entspricht nicht den Merkmalen der landwirtschaftlichen Beschäftigung im Sinne des § 71; sie dient nicht unmittelbar der Gewinnung landwirtschaftlicher Naturprodukte, sondern vollzieht sich im ländlichen Haushalt, auch wenn die Hauswirtschaftslehrlinge zeitweise in der Landwirtschaft mitarbeiten. Sie sind sonach in der Arbeitslosenversicherung nur versicherungsfrei, soweit die Voraussetzungen des § 74 AVAVG erfüllt sind.

Die Entscheidung über die Kosten ist dem Schlussurteil vorzubehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI926622

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge