Leitsatz (amtlich)
Zum Unfallversicherungsschutz eines Unternehmers bei der Teilnahme an einer Versammlung seiner Berufsorganisation.
Normenkette
RVO § 548 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1963-04-30
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 12. Juli 1967 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger ist Steuerbevollmächtigter. Er ist bei der Beklagten gegen Arbeitsunfall freiwillig versichert.
Am 30. April 1964 nahm der Kläger an der Bezirksversammlung der Kammer der Steuerbevollmächtigten Südbaden, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, in R teil. Wegen der Größe des Kammerbezirks hält die Kammer außer der Hauptversammlung jährlich 3 oder 4 Bezirksversammlungen ab. Diese dienen der Vorbereitung der Vorstandswahl, der Beratung des Haushaltsplans und der Information der Mitglieder über neue Gesetze und die neueste Rechtsprechung. Außer der Sondermitteilung der Kammer vom 16. April 1964 über die Einladung zu jener Bezirksversammlung waren den Mitgliedern die Jahresbilanz, die Gewinn- und Verlustrechnung, die Haushaltsabrechnung des Jahres 1963 sowie der Haushaltsvoranschlag des Vorstandes für das Jahr 1964 mit der Beitragstabelle mit dem Hinweis übersandt worden, daß diese auf der Bezirksversammlung besprochen werden sollten. Die Versammlung begann um 16.00 Uhr und endete gegen 18.45 Uhr. Etwa die Hälfte dieser Zeit wurde für die Beratung des Haushaltsplans benötigt. In der anschließenden allgemeinen Diskussion wurden, wie bei diesen Versammlungen üblich, Fachfragen wie die neuen Abschreibungssätze für Abnutzung bei Haus- und Grundbesitz behandelt. Vom Kläger wurden Zweifelsfragen zu höchstrichterlichen Entscheidungen aufgeworfen und von den Versammlungsteilnehmern geklärt. Außerdem wurden Fragen des Lehrlingswesens, des standesüblichen Verhaltens, des Rechtsberatungsmißbrauchs, der Berufsgerichtsbarkeit, der Berufshaftpflichtversicherung und der Gebührenordnung erörtert. An der Besprechung dieser beiden Punkte nahm der Kläger nicht mehr teil, weil sie ihn nicht interessierten und er seinen Zug um 18.05 Uhr erreichen wollte. Auf der Bahnhofstreppe in Radolfzell kam er zu Fall und erlitt Kopfverletzungen.
Die Beklagte versagte durch Bescheid vom 26. Oktober 1964 die begehrte Unfallentschädigung, weil die Kammerversammlung keine Angelegenheit betroffen habe, welche für das Unternehmen des Klägers von unmittelbarer Bedeutung gewesen, somit der erforderliche innere Zusammenhang mit dem Unternehmen nicht gegeben sei.
Das Sozialgericht (SG) Konstanz hat, nachdem der Kläger eine Erklärung der Kammer der Steuerbevollmächtigten Südbaden über die Bedeutung der Kammerversammlungen für ihre Mitglieder vorgelegt hatte, von der Kammer eine Auskunft über die Punkte, welche in der Bezirksversammlung vom 30. April 1964 besprochen worden waren, eingeholt und den Leiter dieser Versammlung als Zeugen gehört. Der Kläger hat mit Schreiben vom 28. Juli 1965 sich dazu im einzelnen geäußert. Durch Urteil vom 29. Juli 1965 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides verpflichtet, dem Kläger "wegen des Wegeunfalls vom 30. April 1964 die zustehenden Leistungen zu gewähren".
Im Berufungsverfahren hat die Kammer zur "Erhärtung" ihrer Erklärung, daß auf den Kammerversammlungen stets auch die Mitglieder unmittelbar interessierende Fachfragen erörtert worden seien, Fotokopien von Einladungen zu Bezirksversammlungen vorgelegt, welche vor und nach der Versammlung vom 30. April 1964 stattgefunden haben.
Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat durch Urteil vom 12. Juli 1967 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und auf die Anschlußberufung des Klägers das erstinstanzliche Urteil dahin geändert, daß die Beklagte dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens zu erstatten hat.
Zur Begründung hat das Berufungsgericht im wesentlichen ausgeführt:
Der Unfallversicherungsschutz sei bei der Teilnahme an Versammlungen der Berufsorganisation gegeben, wenn dadurch Kenntnisse vermittelt würden, welche die Teilnehmer in ihren Unternehmen verwenden könnten und sollten, ohne daß ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem Unternehmen nachzuweisen sei. Es müsse genügen, wenn der Versammlungsteilnehmer sich über Fragen unterrichte, welche auf seine gegenwärtige oder künftige Arbeitsweise im Unternehmen Bezug hätten. Für die Tätigkeit eines Steuerbevollmächtigten sei es angesichts der häufigen Änderungen der steuerlichen Bestimmungen unerläßlich, daß er sich darüber sowie über die Steuerrechtsprechung orientiere. Die Berufsorganisation bilde dabei eine wesentliche Hilfe. Da die Kammer der Steuerbevollmächtigten Südbaden eine öffentlich-rechtliche Körperschaft sei, bestehe ein gewisses öffentliches Interesse daran, daß die ihr angehörenden Steuerbevollmächtigten ihrem Beruf in Übereinstimmung mit den Steuergesetzen nachgingen. Die Kenntnisse, die dem Kläger durch den Besuch der Kammerversammlung vom 30. April 1964 vermittelt worden seien, hätten zwar auch seiner - unversicherten - persönlichen Weiterbildung gedient, in erster Linie und ganz überwiegend seien sie jedoch im Interesse des Unternehmens erworben worden, um dessen Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und zu fördern sowie die zutreffende Anwendung der komplizierten steuerlichen Bestimmungen sicherzustellen. Ein innerer Zusammenhang mit dem Unternehmen liege allerdings nicht bereits vor, wenn der Versammlungsteilnehmer lediglich die begründete Erwartung haben durfte, daß auch Angelegenheiten erörtert würden, welche seiner konkreten Berufsausübung dienlich seien. So liege die Sache des Klägers jedoch nicht. Nach der Sondermitteilung der Kammer vom 16. April 1964 hätten auf der Tagesordnung der Bezirksversammlung vom 30. April 1964 Haushaltsangelegenheiten gestanden. Wie sich aus den von der Kammer vorgelegten Einladungen zu früheren und späteren Kammerversammlungen ergebe, seien auf den Bezirksversammlungen auch Angelegenheiten erörtert worden, welche mit der Tätigkeit eines Steuerbevollmächtigten in innerem Zusammenhang stünden. Nach der Zeugenaussage des Versammlungsleiters habe die Bezirksversammlung vom 30. April 1964 zu gleichen Teilen der Beratung des Haushaltsplans sowie der fachwissenschaftlichen Information und Beratung der Mitglieder gedient. Der Einwand der Beklagten, daß der Kläger die Versammlung vorzeitig verlassen habe, sei nicht stichhaltig, denn nach seinen glaubhaften Angaben sei der Kläger noch anwesend gewesen, als höchstrichterliche Entscheidungen besprochen worden seien. Er habe die Versammlung erst verlassen, als Themen erörtert worden seien, welche ihm bekannt und für ihn nicht mehr von Interesse gewesen seien. In der Versammlung seien also nicht nur Haushaltsangelegenheiten, welche versicherungsrechtlich mit dem Unternehmen des Klägers nicht in Zusammenhang gebracht werden könnten, beraten worden. Der Kläger habe sich, als er auf der Treppe des Bahnhofs R den Unfall erlitten habe, auf einem Betriebsweg befunden. Es liege somit ein Arbeitsunfall vor.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Beklagte hat dieses Rechtsmittel eingelegt. Sie hat es im wesentlichen wie folgt begründet: Auch bei einem Unternehmer stünden nur solche Handlungen unter Versicherungsschutz, welche einen unmittelbaren Bezug zu seinem Unternehmen hätten. Ein Unternehmer müsse im Interesse seines Betriebes an vielfältigen Veranstaltungen teilnehmen, ohne daß diese eine solche unmittelbare Beziehung herstellten. Maßnahmen zur beruflichen Fortbildung, zur Information und Unterrichtung seien allein dann unfallgeschützt, wenn besondere konkrete, unmittelbar eingreifende und sich auf das Unternehmen auswirkende Beziehungen gegeben seien. Die Tatsachenfeststellungen, aus denen das Berufungsgericht diesen Schluß gezogen habe, seien verfahrensmäßig nicht rechtsirrtumsfrei zustande gekommen. Den Inhalt von Rundschreiben zu anderen Kammerveranstaltungen hätte das LSG nicht berücksichtigen dürfen, da es auf die Tagesordnung der Bezirksversammlung vom 30. April 1964 ankomme. Die Aussage des Versammlungsleiters, auf die das Berufungsgericht sein Urteil wesentlich gestützt habe, sei ihr - der Beklagten - nicht durch Übersendung einer Niederschrift mitgeteilt worden. Sie sei viel zu unklar, als daß man aus ihr eine spezielle betriebliche Beziehung zwischen den Besprechungsgegenständen der Versammlung und dem Unternehmen des Klägers entnehmen könne. Die in der Zeugenaussage erwähnten speziellen Themen der Erörterung ließen nicht erkennen, daß der Kläger an ihnen ein unmittelbares betriebliches Interesse gehabt haben könne; im übrigen hätten sie lediglich Fragen allgemeiner Art betroffen. In der Einladung zur Bezirksversammlung seien nur Besprechungsgegenstände angekündigt worden, welche in keiner unmittelbaren Beziehung zum Unternehmen des Klägers stünden. Nach den Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts könne man nicht einmal davon ausgehen, daß der Kläger gerade wegen der Erörterung von Problemen, welche nicht in der Tagesordnung aufgeführt gewesen seien, die Versammlung besucht habe. Unfallversicherungsschutz habe somit, falls überhaupt, nur während der Zeit bestanden, als Fragen besprochen worden seien, welche in unmittelbarer Beziehung zum Unternehmen des Klägers gestanden hätten. Dieser habe die Versammlung sogar vorzeitig verlassen. Eindeutig stehe lediglich fest, daß der Kläger an der Versammlung teilgenommen habe, als der Haushaltsplan beraten worden sei. Ob die im Anschluß daran erörterten höchstrichterlichen Entscheidungen irgendeinen speziellen Belang für das Unternehmen des Klägers, etwa für eine von ihm gerade behandelte Steuersache, gehabt hätten, habe das LSG nicht geklärt. Eine Aufklärung hätte, wie erfahrungsgemäß zu vermuten sei, ein gegenteiliges Ergebnis gehabt.
Der Kläger hält die Verfahrensrügen der Revision für unbegründet und das angefochtene Urteil für zutreffend. Entscheidend sei, daß die Kammer der Steuerbevollmächtigten eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sei, welcher er zwangsweise angehöre. Die Mitarbeit als Mitglied in der Kammer sei nicht nur Ausfluß der Standespflicht, sondern unmittelbare Berufsausübung, so daß der Versicherungsschutz für diese Tätigkeit gegeben sei.
Die Beklagte beantragt,
die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision ist nicht begründet.
Ihre gegen die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts erhobenen Verfahrensrügen treffen nicht zu. Ein wesentlicher Mangel des Verfahrens liegt nicht darin, daß der Beklagten nach ihrer Behauptung - entgegen der richterlichen Verfügung - keine Abschrift der Niederschrift der Aussage des vom SG als Zeugen gehörten Leiters der Kammerversammlung vom 30. April 1964 übersandt worden ist. Die Beklagte war in der mündlichen Verhandlung vor dem Erstgericht vertreten. Sie hätte sich eine Abschrift der Niederschrift jederzeit besorgen können. Auf den Inhalt der Zeugenaussage ist sie überdies in ihrer Berufungsschrift im einzelnen eingegangen. Ihre Rüge, § 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sei verletzt, ist unbeachtlich, denn die tatsächlichen Feststellungen des LSG, denen insbesondere die schriftliche Tagesordnung der Kammerversammlung vom 30. April 1964, die Aussage des als Zeugen gehörten Versammlungsleiters sowie - durch Bezugnahme auf den Inhalt der gesamten Akten - die Ausführungen des Klägers, vor allem dessen Schreiben vom 28. Juli 1965 (Bl. 28 SG-Akten), zugrundeliegen, reichen für die vom Berufungsgericht getroffene Entscheidung aus.
Entgegen der Behauptung der Revision beschränkte sich die Beratung der Kammerversammlung nicht allein auf Fragen des Haushalts, sie befaßte sich vielmehr zu einem erheblichen Teil auch mit Fragen, mit denen die Mitglieder in ihrer täglichen Praxis sich auseinanderzusetzen haben. Es handelte sich u.a. um aktuelle Fragen wie die - damals - neuen Abschreibungssätze für Abnutzung bei Haus- und Grundbesitz und um die Anwendbarkeit höchstrichterlicher Entscheidungen im Einzelfall. Insoweit waren nach den von der Revision nicht rechtswirksam angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts beim Kläger gewisse Zweifel entstanden, welche er den Kollegen in der Versammlung vortrug und die von den Versammlungsteilnehmern geklärt wurden. Das LSG hat aufgrund der ihm vorgelegten Tagesordnungen früherer und späterer Kammerversammlungen sowie der Aussage des Zeugen als erwiesen angesehen, daß derartige Fachfragen stets auf den Versammlungen besprochen worden sind, der Kläger zur Versammlung am 30. April 1964 also nicht, wie die Revision behauptet, in dem Bewußtsein hingefahren ist, es würden dort allein die in der Einladung zu dieser Versammlung aufgeführten Themen über die Gestaltung des Haushalts erörtert, so daß der Kläger nur mit der Möglichkeit habe rechnen dürfen, daß auch seine unternehmerische Tätigkeit berücksichtigende Fachfragen behandelt würden.
Die von der Kammerversammlung vom 30. April 1964 besprochenen Fachfragen waren nicht so allgemeiner Art, daß ein rechtlich wesentlicher innerer Zusammenhang mit dem Unternehmen des Klägers verneint werden müßte (vgl. z.B. das Urteil des erkennenden Senats vom 29. März 1963, SozEntsch. BSG IV § 542 (a) Nr. 48).
Das Reichsversicherungsamt (RVA) hat allerdings die Teilnahme an der Versammlung einer Berufsorganisation nur dann dem Unternehmen des Versicherten zugerechnet, wenn sie für den Betrieb des Unternehmers von unmittelbarer Bedeutung war, sei es, daß eine gerade den Betrieb des Versicherten betreffende Angelegenheit zur Erörterung stand, sei es, daß von dem Versicherten bei Gelegenheit oder aus Anlaß der Zusammenkunft eine sich auf den Betrieb beziehende Maßnahme oder Handlung vorgenommen worden ist (EuM 28, 46; 39, 4; 41, 489; 44, 20; Breithaupt 1935, 395; 1936, 352). Der erkennende Senat hat im Urteil vom 21. Oktober 1958 (BSG 8, 170, 174) die Frage offengelassen, ob an dieser Rechtsprechung, durch welche die Grenzen des Versicherungsschutzes in Fällen dieser Art eng gezogen worden sind, festzuhalten ist. Er hat sie im - nicht veröffentlichten - Urteil vom 28. Oktober 1966 (2 RU 21/66), in dem die Frage des Versicherungsschutzes eines Arbeitnehmers beim Besuch einer Gewerkschaftsversammlung mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des Berufungsgerichts nicht abschließend entschieden werden konnte, insofern modifiziert, als er es für den Versicherungsschutz als unschädlich erachtet hat, wenn in einer solchen Versammlung erörterte betriebsbezogene Vorgänge nicht nur einzelne bestimmte Betriebe, sondern die Interessen ganzer Betriebsgruppen betrafen. An der Rechtsprechung des RVA ist zwar auch nach 1945 vereinzelt festgehalten worden (Entscheidung des OVA Hannover vom 30.11.1950, auszugsweise wiedergegeben in Wagner, Der Arbeitsunfall, 4. Aufl., Stand 2.4.1967, S. 94/1 ff; LSG Niedersachsen, Breithaupt 1959, 897). In der Rechtsprechung und im Schrifttum hat sich jedoch immer mehr die Ansicht durchgesetzt, daß die Teilnahme an Versammlungen des Berufsverbandes dem Unfallversicherungsschutz unterliegt, wenn dadurch Kenntnisse vermittelt werden, welche die Teilnehmer, wenn auch nicht sogleich, für ihren Betrieb verwenden sollen und können (OVA Stade, BG 1953, 78; Bayer. LVAmt, Breithaupt 1953, 1147; LSG Baden-Württemberg, Lauterbach, Kartei Nr. 5105 zu § 548 RVO; Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., Stand März 1969, S. 113, 220/1; Demiani, BB 1950, 904; Spiecker, WzS 1953, 43; Podzun, SozVers. 1959, 315; Bley, SGb 1965, 105 sowie zur - rechtsähnlichen - Frage des Unfallversicherungsschutzes beim Besuch von Ausstellungen: Schönberger, BG 1958, 504).
Angesichts der im modernen Wirtschaftsleben immer mehr um sich greifenden Spezialisierung, welche für den einzelnen Unternehmer zu einer Unüberschaubarkeit des Gesamtgebiets des Wirtschaftslebens geführt hat, so daß es für ihn stets schwieriger wird, sich eine Übersicht zu verschaffen und diese zu behalten, haben für ihn die Organisationen der Wirtschaft (z.B. Innungen, Kammern, Berufsverbände) eine zunehmende Bedeutung gewonnen. Diese sind im Laufe der Zeit durch Ausbau ihrer Organisation, für die der einzelne Unternehmer seinen Beitrag leistet, mehr und mehr dazu übergegangen, dem Unternehmer die Informationen zu vermitteln, deren unmittelbare Aneignung ihm nur noch unter mehr oder minder großen Schwierigkeiten möglich ist. Nimmt ein Unternehmer an einer solchen Versammlung seiner Berufsorganisation teil, so ist angesichts der heutigen Gegebenheiten des Wirtschaftslebens ein den Unfallversicherungsschutz begründender innerer Zusammenhang zu bejahen. Er ist allerdings zu verneinen, wenn die Pflege gesellschaftlicher Beziehungen, auch wenn sie für das Unternehmen wertvoll sind, und Gründe der Repräsentation des Unternehmens für den Besuch solcher Veranstaltungen maßgebend sind (BSG 1, 258; Urteil des erkennenden Senats vom 27. Oktober 1967 - 2 RU 101/64).
Dies war allerdings nicht der Beweggrund, der den Kläger veranlaßt hat, an der Bezirksversammlung seiner Kammer am 30. April 1964 teilzunehmen. Ob, wie sein Prozeßbevollmächtigter meint, ein versicherungsrechtlich bedeutsamer innerer Zusammenhang mit seinem Unternehmen bereits aus dem Grund vorliegt, weil er als Steuerbevollmächtigter durch gesetzlichen Zwang Mitglied der als öffentlich-rechtliche Körperschaft gebildeten Kammer der Steuerbevollmächtigten ist, seine Mitarbeit in der Kammer, u.a. durch Besuch der Kammerversammlungen, also nicht nur Ausfluß der Standespflicht, sondern unmittelbare Berufsausübung sei, kann dahingestellt bleiben. Der Kläger wollte aus der Versammlung vom 30. April 1964 u.a. durch Bereicherung seiner Kenntnisse über die Auslegung neuer steuerrechtlicher Bestimmungen sowie über die Anwendung höchstrichterlicher Entscheidungen für sein Unternehmen Nutzen ziehen. Der Erörterung von Fachfragen im Rahmen dieser Versammlung neben der Beratung anderer Themen, welche - wie Haushaltsfragen - für das Unternehmen des Klägers zwar von Interesse, aber nicht von wirtschaftlichem Nutzen gewesen sind, kam, wie sich aus den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt, im Verhältnis zu der in der Einladung zur Versammlung angekündigten Tagesordnung nicht etwa nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Dies geht schon daraus hervor, daß diese Besprechungsgegenstände nur die Hälfte der von der Versammlung aufgewendeten Zeit beansprucht haben. Entgegen der Ansicht der Revision ist die Tatsache, daß der Kläger an der Kammerversammlung nicht bis zu ihrem Ende teilgenommen hat, für die Begründung des Versicherungsschutzes unerheblich, weil er die Versammlung erst zu einem Zeitpunkt verlassen hat, als die ihn interessierenden Fachfragen erörtert waren.
Der Kläger hat somit bei der Teilnahme an der Bezirksversammlung seiner Kammer am 30. April 1964 unter Unfallversicherungsschutz gestanden. Er war deshalb auf seiner an den Versammlungsort angetretenen Fahrt, bei der es sich um eine Geschäftsreise gehandelt hat (Lauterbach, aaO, Anm. 65 zu § 548 RVO), nach § 548 RVO versichert, so daß die Beklagte seinen auf der Rückreise eingetretenen Unfall als Arbeitsunfall zu entschädigen hat. Die Voraussetzungen für ein Grundurteil nach § 130 Satz 1 SGG hat das LSG zutreffend bejaht (SozR Nr. 4 zu § 130 SGG).
Daher war die Revision der Beklagten als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1670121 |
BSGE, 284 |