Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallversicherungsschutz auf Dienst- und Geschäftsreisen

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Beschäftigter, der sich nicht auf einer Dienst- oder Geschäftsreise befindet, sondern auswärts für die Dauer eines arbeitsfreien Wochenendes ein anderes Arbeitsverhältnis eingegangen ist, steht beim Aufstehen nach der Nachtruhe nicht unter Versicherungsschutz, selbst wenn er durch das Wirksamwerden von Gefahrenmomenten des wesentlich aus privaten Gründen benutzten Hotelzimmers seines Arbeitgebers zu Schaden kommt.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Unfallversicherungsschutz auf einer Dienst- oder Geschäftsreise setzt voraus, daß der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber auf die Reise entsandt wird und der Arbeitnehmer diese aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis ausführt.

2. Während einer Dienst- oder Geschäftsreise kann für einen Unfall innerhalb eines Hotels ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang mit der Versicherten Tätigkeit des Reisenden auch bei einer unmittelbar dem privaten Bereich zuzuordnenden Verrichtung gegeben sein, wenn er wegen seiner Unkenntnis der örtlichen Gegebenheiten des fremden Gefahrenbereichs aufgrund besonderer Gefahrenmomente verunglückt.

 

Normenkette

RVO § 548 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30

 

Tenor

Die Revisionen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 28. August 1973 werden zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Im April 1971 beantragte der Kläger bei der Beklagten Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung für die Folgen eines Knochenbruches im linken Mittelfuß, den er sich am 15. Mai 1966 in einem Hotelzimmer zuzog, als er beim Aufstehen auf einem Bettvorleger ausrutschte. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger zur Unfallzeit unter Versicherungsschutz stand.

Von 1959 bis 1967 war der Kläger bei der "Städtischen Brauerei zu G" als Kraftfahrer und Magazinverwalter beschäftigt. Er wohnte in G. In unregelmäßigen Abständen war er nebenher auf Ausstellungen und Messen an den Ausschankständen der Brauerei als Bierzapfer eingesetzt. Bei anderen Gelegenheiten war er für Gastwirte, die Kunden der Brauerei waren, bei Zelt- oder Saalfesten als Zapfer oder Büfettverwalter tätig, und zwar zum Teil auch für eigene Rechnung. Die Brauerei war am Einsatz von Betriebsangehörigen als Zapfer auf solchen Festen interessiert, weil ihr daran lag, ihre Erzeugnisse fachgerecht anzubieten und dadurch auch ihre Kunden besonders an sich zu binden. Am 14. und 15. Mai 1966 (Samstag und Sonntag) fand in dem ca. 75 km von G entfernten Harzort Z ein Feuerwehrfest statt, dessen gastronomische Betreuung der Inhaber des Hotels "B Hof" in Z, der Gastwirt Hermann P übernommen hatte. P hatte sich an den Brauereidirektor Dr. N in G gewandt und um Entsendung des Klägers als Zapfer gebeten. Der Kläger hatte sich hierzu bereitgefunden. Er erhielt, wie es der allgemeinen Übung entsprach, von P einen Stundenlohn von 5,- DM netto und zusätzlich freie Verpflegung und Unterkunft. Von der Brauerei erhielt er hierfür keine Entlohnung oder Entschädigung. Am Umsatz oder sonst am Gewinn war er nicht beteiligt.

Seine Tätigkeit dauerte am 14. Mai 1966 bis in die späten Abendstunden. Am Morgen des 15. Mai 1966 rutschte der Kläger gegen 6.00 Uhr beim Aufstehen in dem Zimmer, das ihm P im Hotel "B Hof" zur Verfügung gestellt hatte, auf einem nicht rutschfest verlegten Bettvorleger aus.

Die aus Anlaß des Unfalls entstandenen Kosten der Krankenbehandlung einschließlich des Krankengeldes in Höhe von mehr als 13.000,- DM hat die beigeladene Ortskrankenkasse getragen.

Die Beklagte lehnte eine Entschädigung durch Bescheid vom 11. Juni 1971 ab, da der Kläger den Unfall bei einer seinen persönlichen Bedürfnissen dienenden Tätigkeit erlitten habe.

Hiergegen hat der Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Hildesheim erhoben.

Das SG hat durch Urteil vom 4. November 1971 den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, Entschädigungsleistungen zu gewähren: Der Hotelaufenthalt des Klägers sei notwendig gewesen, um die versicherte Tätigkeit als Büfettverwalter zu verrichten. Da der Unfall durch das Wirksamwerden besonderer Gefahrenmomente im Bereich der Übernachtungsstätte wesentlich verursacht worden sei, müsse die Beklagte für die Unfallfolgen Entschädigung leisten.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 28. August 1973 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger habe am 14. und 15. Mai 1966 keine Dienste für sein Stammunternehmen - die G Brauerei - verrichtet und sich insbesondere nicht auf einer Dienstreise im Rahmen seines Beschäftigungsverhältnisses zur Brauerei befunden. Zwischen dem Gastwirt P, dem die Brauerei den Kläger lediglich als Arbeitnehmer empfohlen habe, und dem Kläger sei ein auf das Wochenende des 14. und 15. Mai 1966 befristetes Arbeitsverhältnis begründet worden, das nur in Z habe erfüllt werden können. Auf einen Fall dieser Art seien die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über den Versicherungsschutz auf Dienstreisen auch nicht analog anzuwenden. Der erweiterte Versicherungsschutz auf Dienstreisen habe seinen Grund darin, daß die Übernachtung in der fremden Übernachtungsstätte mit der dienstlichen Tätigkeit rechtlich wesentlich zusammenhänge. Nur wegen dieses besonderen Umstandes bestehe während der Übernachtung - bei Gefahrgeneigtheit der Übernachtungsstätte - ausnahmsweise Versicherungsschutz. Die Beschaffung und Benutzung einer neuen Wohn- und Schlafstätte, die bei der Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses erforderlich würden, stünden mit dem neuen Arbeitsverhältnis jedoch lediglich in einem tatsächlichen Zusammenhang; es handele sich insoweit nicht um eine versicherungsrechtlich besonders schutzwürdige Form der Betriebstätigkeit. Demgegenüber sei es unerheblich, daß sich das vom Kläger eingegangene befristete Arbeitsverhältnis in seinem tatsächlichen Verlauf nicht von einem zeitlich befristeten Aufenthalt im Rahmen einer Dienstreise - z.B. eines Kundendienstmonteurs - unterscheide. Es müsse auch unberücksichtigt bleiben, daß der Kläger vornehmlich deshalb in Z übernachtet habe, weil er im Falle der Übernachtung in Göttingen nach anstrengender Arbeit und zu ungünstiger Tageszeit eine Gesamtfahrstrecke von etwa 150 km hätte zurücklegen und dafür einen wesentlichen Teil der Frei- und Erholungszeit hätte verwenden müssen. Der Unfall habe sich jedenfalls während der nicht versicherten Freizeit ereignet. Dem Kläger stünde der geltend gemachte Anspruch aber auch dann nicht zu, wenn die Grundsätze über den erweiterten Versicherungsschutz auf Dienstreisen in Fällen der vorliegenden Art angewendet würden. Denn der Versicherungsschutz entfalle hier schon deshalb, weil der Unfall nicht durch eine Gefahr, "die in ihrer besonderen Eigenart dem Versicherten sonst nicht begegnet wäre" (BSG in SozR Nr. 3 und 5 zu § 548 RVO), wesentlich verursacht worden sei. Es sei unerheblich, daß der Kläger in seiner Wohnung Bettvorleger und kleinere Teppiche rutschfest verlegt habe. Abzustellen sei vielmehr auf die Eigenart der der Übernachtungsstätte in Z allgemein vergleichbaren Verhältnisse. Es sei allgemein bekannt, daß in Hotelzimmern Bettvorleger und kleinere Teppiche häufig nicht rutschfest ausgelegt seien. Die hiervon ausgehenden Gefahrenmomente hätten dem Kläger auch in jedem anderen Hotel oder Privatquartier begegnen können.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Der Kläger und die Beigeladene haben dieses Rechtsmittel eingelegt.

Der Kläger trägt zur Begründung vor: Ohne Zweifel sei der Kläger zur Unfallzeit bei dem Gastwirt P beschäftigt gewesen, der allein die Weisungsbefugnis und die Verpflichtung gehabt habe, den Lohn zu zahlen sowie freie Verpflegung und Unterkunft zu stellen. Für die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses sei das Hotelzimmer die Unterkunft des Klägers im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung gewesen. Das Hotelzimmer des Gastwirts P sei in wesentlichem Umfang für betriebliche Zwecke des Hotels benutzt worden. Da der Kläger einer Gefahr erlegen sei, die von einem Einrichtungsstück des betrieblichen Raumes ausgegangen sei, habe er schon aus diesem Grunde unter Versicherungsschutz gestanden. Ein Zusammenhang zwischen Unfall und betrieblicher Tätigkeit sei aber auch deshalb gegeben, weil der Kläger nicht im eigenen Interesse - aus Bequemlichkeit oder Ersparnisgründen - in dem Hotelzimmer übernachtet habe, sondern deswegen, weil P ein betriebliches Interesse daran gehabt habe, den Kläger jederzeit greifbar in seiner Nähe zu haben (Hinweis auf RVA in AN 1893, 430).

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Hildesheim vom 4. November 1971 zurückzuweisen.

Die Beigeladene stellt denselben Antrag und begründet ihre Revision wie folgt: Das LSG hätte bei Erfüllung seiner Sachaufklärungspflicht und bei der gebotenen Berücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens zu der Auffassung gelangen können, daß die Entsendung des Klägers zur Gastwirtschaft ... derart eng mit den betrieblichen Interessen der Brauerei verbunden sei, daß die Tätigkeit des Klägers im Rahmen eines auftragsähnlichen Verhältnisses zugleich in Erfüllung einer der Brauerei gegenüber bestehenden Verpflichtung ausgeführt worden sei und der Gastwirt P lediglich anstelle der Brauerei für diese das Entgelt, die Kost- und die Unterkunft gewährt habe. Entgegen der Auffassung des LSG sei es dem Kläger nicht zuzumuten gewesen, zur Nachtruhe an seinen Wohnort zurückzukehren. Deshalb müßten die Grundsätze über den Versicherungsschutz auf Geschäftsreisen unmittelbar angewendet werden, zumindest aber analog. Für die Begründung des Versicherungsschutzes komme es allein darauf an, ob dem Kläger die im Hotel P bestehenden gefahrbringenden Umstände zu Hause oder im Betrieb tatsächlich nicht begegnet wären; dies hätte das LSG klären müssen und sich nicht mit einem unzutreffenden Erfahrungssatz begnügen dürfen. Darüber hinaus bestehe ein Versicherungsschutz schon deshalb, weil eine Betriebseinrichtung - der ungeschützte Bodenbelag - zur Entstehung des Unfalls und zur Schwere seiner Auswirkungen wesentlich mitgewirkt habe.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil in Ergebnis und in der Begründung für zutreffend.

Sie beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II

Der Senat hat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

Die Revisionen des Klägers und der Beigeladenen sind nicht begründet. Der Kläger hat am 15. Mai 1966 keinen Arbeitsunfall erlitten; das Ausrutschen auf dem nicht rutschfesten Bettvorleger im Hotelzimmer war kein Unfall, der mit der versicherten Tätigkeit des Klägers in einem ursächlichen Zusammenhang stand (§ 548 der Reichsversicherungsordnung - RVO -).

Während einer Dienst- oder Geschäftsreise kann für einen Unfall innerhalb eines Hotels ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit des Reisenden auch bei einer dem privaten Bereich angehörenden Verrichtung gegeben sein, wenn das Wirksamwerden besonderer Gefahrenmomente im Bereich der Übernachtungsstätte den Unfall wesentlich verursacht hat (vgl. BSG in SozR Nr. 3 und Nr. 5 zu § 548 RVO; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.-8. Aufl., S. 482 i ff, jeweils mit weiteren Nachweisen).

Der Kläger war jedoch zur Unfallzeit nicht auf einer Dienst- oder Geschäftsreise unterwegs.

Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG hat sich der bei der "Städtischen Brauerei zu G" beschäftigte Kläger - freiwillig - bereitgefunden, während seiner arbeitsfreien Zeit am 14. und 15. Mai 1966 (Samstag und Sonntag) für einen Kunden der Brauerei, dem Hotelinhaber P, im "B Hof" in Z als Bierzapfer tätig zu werden. Für seine Arbeit wurde er ausschließlich von P entschädigt; er erhielt einen Stundenlohn sowie freie Kost und Unterkunft im Hotel. Auf Grund dieses Sachverhalts hat das LSG angenommen, der Kläger habe am 14. und 15. Mai 1966 keine Dienstreise für die Brauerei durchgeführt, er sei vielmehr ausschließlich aufgrund eines zwischen ihm und dem Gastwirt P abgeschlossenen befristeten Arbeitsverhältnisses tätig geworden; P allein habe das Weisungsrecht des Arbeitgebers gehabt, und nur gegen ihn habe sich der Anspruch des Klägers auf die vereinbarte Entlohnung gerichtet. Dieser Beurteilung ist beizupflichten. Ihr stimmt auch der Kläger in seiner Revisionsbegründung zu. Er greift die vom LSG zugrundegelegten tatsächlichen Feststellungen nicht an. Da durchgreifende Verfahrensrügen insoweit auch von der beigeladenen Revisionsklägerin nicht erhoben worden sind, ist das Revisionsgericht an diese tatsächlichen Feststellungen gebunden (§ 163 SGG).

Das von der Beigeladenen hervorgehobene - auch vom LSG berücksichtigte - allgemeine Interesse der Brauerei daran, bei Zeltfesten und ähnlichen Veranstaltungen ihre Erzeugnisse von betriebseigenem Personal fachgerecht ausschenken zu lassen und dadurch die Käufer und Wiederverkäufer ihrer Erzeugnisse besonders an sich zu binden, steht nicht der Annahme entgegen, daß die Brauerei im vorliegenden Fall nicht eine Dienstreise des Klägers angeordnet, ihm vielmehr freigestellt hat, ob er während seines arbeitsfreien Wochenendes für den Gastwirt P tätig werden wolle. Die Beigeladene berücksichtigt jedenfalls in einigen ihrer Ausführungen nicht hinreichend, daß die Frage, ob sich der Kläger auf einer Dienstreise für die Brauerei befunden hat, nach den konkreten Umständen des hier vorliegenden Falles und nicht danach zu beantworten ist, ob und in welcher Weise die Brauerei in anderen Fällen Betriebsangehörige - insbesondere während deren Arbeitszeit im Brauereibetrieb - als Zapfer für ihre Kunden auf Dienstreisen geschickt hat. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang der Einwand der Beigeladenen, daß der Kläger in einem Schriftsatz vom 16. Mai 1973 die Bitte des Brauereidirektors, für P tätig zu werden, selbst als "Abordnung" bezeichnet habe, zumal da auch der Kläger mit der Revision nicht von einer angeordneten Dienstreise ausgegangen ist und u.a. in der Klageschrift - wie auch die Beigeladene (Schriftsätze vom 8. September 1971 und vom 8. Februar 1972) - die Einflußnahme der Brauerei als "Vermittlung" angesehen hat. Soweit die Beigeladene Rügen in Bezug auf das Verfahren des LSG vorgebracht hat, kann dahinstehen, ob sie sich auf Tatsachen beziehen, aus denen sich außer dem Interesse der Brauerei an der Tätigkeit des Klägers für den Gastwirt P und dem Grad der Einflußnahme der Brauerei auf seinen Einsatz auch folgern ließe, daß die Brauerei eine Dienstreise angeordnet hat. Denn wesentliche Verfahrensmängel hat die Beigeladene nicht wirksam gerügt. Eine Überschreitung der gesetzlichen Grenzen des Rechts auf freie richterliche Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) liegt nicht schon darin, daß - nach Meinung der Beigeladenen - das LSG zu einem anderen Beweisergebnis hätte gelangen können. Die Rüge, das LSG habe nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens berücksichtigt, weil es außer acht gelassen habe, daß nach dem Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 16. Mai 1973 "sämtliche Absprachen nur unmittelbar zwischen Vertretern der G Brauerei und dem Gastwirt P" getroffen worden seien, entspricht schon nicht den Formerfordernissen des § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG. Danach sind bei der Rüge von Verfahrensmängeln u.a. die Tatsachen, die den Mangel ergeben, zu bezeichnen, d.h. vollständig zu bezeichnen, (vgl. BSG in SozR Nr. 28 zu § 164 SGG). Die Revision hätte deshalb jedenfalls angeben müssen, welchen Inhalt diese Absprachen gehabt haben sollen. Der weiteren Rüge, das LSG hätte durch Vernehmung des Brauereidirektors Dr. N und des Gastwirts P die näheren Umstände der Vereinbarung aufklären müssen, ermangelt es überdies der erforderlichen Angabe, zu welchem Ergebnis die nach Ansicht der Beigeladenen notwendigen Ermittlungen geführt haben würden.

Der Kläger hat den Unfall im Hotelzimmer beim Aufstehen nach beendeter Nachtruhe dadurch erlitten, daß er auf einem nicht rutschfest verlegten Bettvorleger ausrutschte. Die Nachtruhe im Hotel sowie die damit zusammenhängenden Verrichtungen - zB die Vorbereitungen zur Nachtruhe, die Morgentoilette - gehören dem rein persönlichen Lebensbereich des Beschäftigten an und sind deshalb nicht der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der für den Versicherungsschutz erforderliche rechtlich wesentliche Ursachenzusammenhang mit der versicherten Tätigkeit ist in einem Fall der vorliegenden Art, in welchem der Beschäftigte am auswärtigen Ort für die Dauer eines arbeitsfreien Wochenendes ein Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber eingegangen ist, nicht deshalb gegeben, weil der Beschäftigte im Hotelzimmer dieses Arbeitgebers durch das Wirksamwerden dort vorhandener Gefahrenmomente zu Schaden gekommen ist. Dem in der Rechtsprechung zum Versicherungsschutz auf Dienst- und Geschäftsreisen als bedeutsam erachteten Gesichtspunkt, daß der Reisende mit den räumlichen Gegebenheiten seines Nachtquartiers nicht oder nur mangelhaft vertraut ist (vgl. BSG in SozR Nr. 3 zu § 548 RVO), kommt für - wenn auch in tatsächlicher Hinsicht ähnlich oder gleich gelagerte - Verhältnisse, die sich bei der Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses an einem anderen Ort ergeben können, für die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit nicht in demselben Maße Bedeutung zu. Die Auffassung, daß der Dienstreisende im Hotel auch bei einer unmittelbar nur der persönlichen Bedürfnisbefriedigung dienenden unfallbringenden Tätigkeit unter Versicherungsschutz steht, wenn er wegen seiner Unkenntnis der örtlichen Gegebenheiten des fremden Gefahrenbereichs durch das Wirksamwerden besonderer Gefahrenmomente verunglückt, die ihm in ihrer besonderen Eigenart während seines normalen Verweilens am Wohn- oder Betriebsort nicht begegnet wären (vgl. BSG aaO), beruht auf Erwägungen, die auf Fälle der hier vorliegenden Art nicht zutreffen. Die Annahme eines rechtlich wesentlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit eines auf Dienstreise befindlichen Arbeitnehmers und einem Unfall in einer fremden Übernachtungsstätte findet ihre Rechtfertigung darin, daß der Beschäftigte von seinem Arbeitgeber auf die Dienstreise geschickt wird, die Dienstreise aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis ausführen muß und während seines betriebsbezogenen Aufenthalts am fremden Ort zwangsläufig den damit verbundenen besonderen Gefahren der Übernachtungsstätte ausgesetzt ist. Derartige, für den ursächlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit erhebliche Umstände fehlen hier jedoch insofern, als der Beschäftigte für die Dauer eines arbeitsfreien Wochenendes aus freien Stücken bei einem anderen Arbeitgeber auswärts ein Arbeitsverhältnis eingegangen ist. Das Einverständnis des "Stammunternehmers" und sein allgemeines Interesse daran, daß der Arbeitnehmer in seiner Freizeit für einen Kunden des Unternehmens tätig wird, ohne daß damit die Anordnung einer Dienstreise verbunden ist, rechtfertigt nicht die versicherungsrechtliche Gleichbehandlung dieses Falles mit Unfällen, die sich unter den aufgezeigten Voraussetzungen während einer Dienstreise ereignen. Bereits der Entscheidung des erkennenden Senats in seinem - unveröffentlichten - Urteil vom 18. Dezember 1969 (2 RU 185/67) lag die Überlegung zugrunde, daß die Grundsätze über den Versicherungsschutz bei Unfällen in einer fremden Übernachtungsstätte nur anzuwenden sind, wenn die Voraussetzungen einer Dienst- oder Geschäftsreise gegeben sind.

Entgegen dem Revisionsvorbringen ist es für die versicherungsrechtliche Beurteilung nicht erheblich, daß für den Gastwirt P das Hotelzimmer ein für Betriebszwecke genutzter Raum war und der Bettvorleger als "Betriebsgegenstand" angesehen werden kann. Denn dem Kläger diente das Hotelzimmer für die Dauer seines Aufenthalts lediglich als Übernachtungsstätte und gehörte deshalb zu seinem persönlichen unversicherten Bereich. Auch das möglicherweise vorhandene Interesse des Gastwirts, die vereinbarte freie Unterkunft in seinem eigenen Hotel zu gewähren und die damit verbundene, wesentlich dem Kläger zugutekommende Möglichkeit, seinen Arbeitsplatz im Hotel bequem und schnell zu erreichen, genügen nicht für die Annahme eines rechtlich wesentlichen Ursachenzusammenhangs zwischen Unfall und versicherter Tätigkeit. Anders als in dem von der Revision angeführten Fall eines Dreschers, der während der Saisonarbeit wesentlich im Interesse des Betriebsunternehmers im Betriebsbereich übernachten mußte (vgl. RVA in Amtliche Nachrichten 1893, 430 Nr. 1271), lag im vorliegenden Fall das überwiegende, rechtlich allein wesentliche Interesse an der Übernachtung im Hotel beim Kläger.

Die Rechtsprechung über den Versicherungsschutz in betrieblichen (Gemeinschaft-)Unterkünften (vgl. dazu Brackmann aaO S. 486 a) ist hier von der tatsächlichen Gestaltung her nicht anwendbar.

Das LSG hat danach zu Recht einen Versicherungsschutz des Klägers für den Unfall am 15. Mai 1966 verneint. Die Revisionen waren deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und Abs. 4 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 108

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