Leitsatz (amtlich)

1. In der finanzamtlichen Erklärung, ein Behinderter sei wegen erheblicher Gehstörung nach KraftStG 1961 § 3 Abs 1 Nr 2 steuerbegünstigt, liegt keine Feststellung der MdE nach SchwbG § 3 Abs 2.

2. Gleiches gilt für eine "amtsärztliche Bescheinigung", die im Zusammenhang mit der Beurteilung einer Steuererleichterung nach KraftStG 1961 § 3 Abs 1 Nr 2 abgegeben worden ist.

 

Normenkette

SchwbG § 3 Abs 2 Fassung: 1974-04-29; KraftStG § 3 Abs 1 Nr 2, 1961 Fassung: 1961-01-02

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 20.12.1977; Aktenzeichen L 8 Vs 40/77)

SG Oldenburg (Entscheidung vom 14.02.1977; Aktenzeichen S 1 Vs 117/75)

 

Tatbestand

I

Der Kläger beantragte 1974 die Feststellung einer Behinderung und des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sowie eine Schwerbehinderten-Bescheinigung (§ 3 Abs 1 und 4 Schwerbehindertengesetz -SchwbG-). Er bezog sich auf ein als "Auskunft" bezeichnetes Schreiben des Finanzamts V vom 12. März 1970; darin heißt es: "Nach den hier vorliegenden Unterlagen gehören Sie zu dem begünstigten Personenkreis des § 3 Abs 1 Buchst B.2 KraftStG... ... In Ihrem Falle bedeutet dies, daß Sie bei einer festgestellten Gehbehinderung von 50 % und bei einer Jahreslohnsteuerschuld ... 1/4 der Kraftfahrzeugsteuer erlassen bekommen könnten." Der Amtsarzt des Staatlichen Gesundheitsamtes des Landkreises V hatte dem Finanzamt mit Schreiben vom 10. Februar 1970 für diesen Zweck mitgeteilt, beim Kläger bestehe ein "Zustand nach einem nicht achsengerecht verheiltem Unterschenkelbruch mit Beinverkürzung um 3 cm", die MdE betrage 50 vH und es liege eine erhebliche Gehbehinderung vor. Den "Befund" und den Grad der MdE bestätigte der Amtsarzt außerdem in einer selbständigen "amtsärztlichen Bescheinigung" vom selben Tag. Entsprechend einem versorgungsärztlichen Gutachten stellte das Versorgungsamt nach § 3 SchwbG eine ähnlich bezeichnete Behinderung, aber nur einen MdE-Grad von 30 vH fest und lehnte die Ausstellung einer Schwerbehinderten-Bescheinigung ab (Bescheid vom 16. Mai 1975). Die dagegen gerichtete Klage und die Berufung blieben aufgrund eines fachärztlichen Gutachtens erfolglos (Urteil des Sozialgerichts vom 14. Februar 1977 und Urteil des Landessozialgerichts -LSG- vom 20. Dezember 1977). Beide Gerichte haben eine durch die Behinderung bedingte MdE von höchstens 30 vH angenommen. Eine Neufeststellung entsprechend § 62 Bundesversorgungsgesetz (BVG) komme bei dieser ersten Entscheidung nach dem SchwbG nicht in Betracht. Die Feststellung des Versorgungsamts nach § 3 Abs 1 SchwbG entfalle nicht etwa deshalb nach Absatz 2, weil bereits eine anderweitige vorausgegangen sei. Dafür sei ein Verwaltungsakt mit unmittelbarer rechtlicher Wirkung notwendig; dieser Anforderung genüge nicht die Bescheinigung des Gesundheitsamtes, die lediglich der Finanzbehörde als Beweismittel gedient habe.

Der Kläger hat die - vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassene - Revision eingelegt und begründet sie damit, daß die Verwaltung auf seinen Antrag bloß eine Bescheinigung über die Schwerbehinderteneigenschaft hätte ausstellen dürfen und müssen; denn eine maßgebende amtliche Äußerung über den Umfang der MdE habe bereits vorgelegen. Zu Unrecht hätten der Beklagte und die Vorinstanzen der Festsetzung des Gesundheitsamtes deshalb keine verbindliche Wirkung zuerkannt, weil sie außerhalb des Verfahrens nach dem SchwbG zustande gekommen sei. Jeglichem Verwaltungsentscheid mit einer Festsetzung der MdE solle die Kraft innewohnen, nach dem SchwbG zu wirken.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der angefochtenen Urteile und unter Abänderung des Bescheides vom 16. Mai 1975 den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger eine Bescheinigung über die Schwerbehinderteneigenschaft auszustellen.

Der Beklagte beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Er tritt der vom LSG vertretenen Rechtsansicht in vollem Umfange bei.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Wie die Vorinstanzen und die Verwaltung zu Recht entschieden haben, kann der Kläger die Anerkennung als Schwerbehinderter nicht beanspruchen.

Sachvorbringen und Antrag des Klägers sind sinnvoll dahin auszulegen, daß (§ 123 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) er eine "Bescheinigung" über seine Schwerbehinderteneigenschaft erstrebt, und zwar so, wie diese nach § 1 des Gesetzes zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft -SchwbG- in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. April 1974 (BGBl I 1005) vorgesehen ist. Darin möchte er bestätigt haben, daß seine Erwerbsfähigkeit um mindestens 50 vH eingeschränkt ist. Eine solche Bescheinigung, neuerdings als "Ausweis" bezeichnet, hat die Versorgungsverwaltung nach § 3 Abs 4 Satz 1 SchwbG aF (§ 3 Abs 5 Satz 1 SchwbG idF des Art 2 Nr 1 Buchstabe c des 8. Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des BVG vom 14. Juni 1976 -BGBl I 1481 - 8. AnpG-KOV -) aufgrund der Feststellung einer MdE von wenigstens 50 vH (§ 1) auszustellen. Da die bezeichnete Voraussetzung der Schwerbehinderteneigenschaft beim Kläger fehlt, kann er eine derartige Urkunde nicht beanspruchen.

Die vom Versorgungsamt nach § 3 Abs 1 SchwbG vorgenommene Feststellung hat bloß einen MdE-Grad von 30 vH ergeben, der durch die Behinderung bedingt ist. Die dazu ermittelten Tatsachen, welche die Vordergerichte aufgrund der Beweisaufnahme bestätigt gefunden haben, sind für das Revisionsgericht verbindlich festgestellt; der Kläger greift sie nicht an (§ 163 SGG). Auch der Rechtsmaßstab, der bei dieser MdE-Bewertung gemäß § 3 Abs 1 Satz 2 SchwbG iVm § 30 Abs 1 BVG angewandt worden ist, wird vom Kläger nicht beanstandet und ist nicht erkennbar fehlerhaft.

Der Beklagte hat zutreffend die Ablehnung einer Schwerbehinderten-Bescheinigung auf die vom Versorgungsamt getroffene Entscheidung über die MdE gestützt. Zu Unrecht begehrt der Kläger eine Urkunde über seine Schwerbehinderteneigenschaft aufgrund anderer Belege. Ein derartiger Ausweis ist allerdings nach den zitierten Vorschriften außerdem entsprechend der unanfechtbar gewordenen Feststellung einer Behinderung und eines MdE-Grades auszustellen, wenn diese schon in einem Rentenbescheid, in einer entsprechenden Verwaltungsentscheidung oder Gerichtsentscheidung oder in einer vorläufigen Bescheinigung der für diese Entscheidung zuständigen Dienststellen getroffen worden ist. Eine Entscheidung dieser Art erübrigt gemäß § 3 Abs 2 SchwbG eine neue durch die Versorgungsverwaltung nach Absatz 1. Eine derart fortwirkende Feststellung (Abs 2) ist aber weder in der an das Finanzamt gerichteten Mitteilung des Amtsarztes vom 10. Februar 1970, noch in der entsprechenden "amtsärztlichen Bescheinigung" vom selben Tag, noch im Schreiben des Finanzamts vom 12. März 1970 enthalten.

Das Schreiben des Finanzamts an den Kläger kann schon deshalb eine solche Rechtswirkung nicht erzeugen, weil sein Inhalt ausdrücklich als"Auskunft" bezeichnet und gemeint ist. Dementsprechend ist die Mitteilung über einen Teil-Erlaß der Kraftfahrzeugsteuerschuld sprachlich in den Konjunktiv, dh in die Möglichkeitsform, gekleidet. Nach § 3 Abs 2 iVm Abs 4 Satz 1 SchwbG kann aber allein eine echte "Entscheidung" ("Feststellung") einer zuständigen Verwaltungsbehörde oder eines Gerichts, mithin eine den Einzelfall regelnde Anordnung die Grundlage einer Bescheinigung bilden. Sie muß "unanfechtbar" geworden sein, also mit bindender Wirkung festlegen, welche Gesundheitsstörungen als Behinderungen im rechtserheblichen Sinn des § 1 SchwbG anerkannt werden und in welchem Ausmaß sie die Erwerbsfähigkeit gemäß § 3 Abs 1 Satz 2 SchwbG mindern. Das folgt auch aus der Systematik der Absätze 1 bis 4 innerhalb des § 3 SchwbG und aus dem Zweck der "Feststellungen" iS der Absätze 1 und 2. Nach Absatz 4 aF, Absatz 5 nF wird nur bescheinigt, was bereits von einer zuständigen Verwaltungsbehörde hoheitlich entscheiden worden ist. Diese Auffassung ist ebenfalls in der Gesetzesbegründung vertreten worden (BT-Drucks 7/656 - Begründung, B, zu Art I Nr 4, S. 25, betreffend den dem jetzigen § 3 entsprechenden § 2a).

Doch selbst wenn bereits indem Schreiben des Finanzamts eine endgültige Entscheidung über die Steuerermäßigung deshalb wiedergegeben worden sein sollte, weil darin eingangs der Kläger dem nach dem Kraftfahrzeugsteuergesetz (KraftStG) begünstigten Personenkreis zugeordnet wird, vermöchte die beiläufige Äußerung, die eine "Geh"behinderung von 50 vH betrifft, die Feststellung nach § 3 Abs 1 SchwbG nicht zu ersetzen. Diese letztgenannte Nachricht, die erkennbar auf der amtsärztlichen Begutachtung vom 10. Februar 1970 beruhte, hat in dem Zusammenhang, in dem sie steht, keinerlei rechtliche Bedeutung. Das Finanzamt hat die vom Amtsarzt nach den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Versorgungswesen" vorgenommene Bewertung der MdE ersichtlich nicht als selbständige Entscheidung in sein Schreiben an den Kläger übernommen. Allenfalls hat es festgelegt, daß der Kläger nach einer bestimmten - im übrigen unzureichend zitierten - Vorschrift des KraftStG als steuerbegünstigt angesehen werde. Nach der damit gemeinten Bestimmung des § 3 Abs 1 Nr 2 KraftStG (in der Neufassung vom 2. Januar 1961 -BGBl I 1-, die bis zur neuen Bekanntmachung vom 1. Dezember 1972 -BGBl I 2209- nicht einschlägig geändert wurde) setzte aber in solchen Fällen der Erlaß der Steuerschuld, der ganz oder teilweise möglich war, gar nicht einen bestimmten Grad der MdE, der mindestens 50 vH hätte betragen müssen, voraus. Gefordert wurde hingegen eine Körperbehinderung, die den Fahrzeughalter zur Fortbewegung auf die Benutzung eines Personenkraftwagens angewiesen sein ließ. Im Unterschied dazu konnte nach § 3 Abs 1 Nr 1 KraftStG solchen Körperbehinderten, die Schwerbeschädigte iS des BVG oder des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) waren, die Steuer ohne Rücksicht auf ihre wirtschaftlichen Verhältnisse in vollem Umfang erlassen werden. Zu diesem Personenkreis gehört indes der Kläger nicht, auch nicht nach dem Schreiben des Finanzamts; er ist kein Schwerbeschädigter im Sinne des BVG oder ein Verfolgter im Sinne des BEG. Hier wurde eine Vergünstigung ohne das Erfordernis eines MdE-Grades von mindestens 50 vH gewährt. Diese Angabe einer bestimmten Leistungsminderung besaß keine Tragweite. Sie vermag eine Feststellung nach § 3 Abs 1 SchwbG nicht zu ersetzen, weil sie sich nicht präzise auf eine bestimmte Art der Behinderung und auf einen genauen Grad der MdE iS der Absätze 1 und 2 erstreckt. Eine Entscheidung über die Zuordnung zu einem bestimmten Personenkreis kann nicht gleichzeitig verbindlich wirken für die Zugehörigkeit zu einer anderen Personengruppe, die sich mit jener bloß teilweise deckt. Dies hat das BSG bereits für die Anerkennung als "Heimkehrer" nach dem Heimkehrergesetz im Verhältnis zur "Kriegsgefangenschaft" im versorgungsrechtlichen Sinn (§ 1 Abs 2 Buchstabe b BVG) entschieden (BSGE 3, 268, 270; vgl auch BSGE 36, 171, 173 = SozR Nr 70 zu § 1251 RVO im Verhältnis zur Kriegsgefangenschaft im rentenversicherungsrechtlichen Sinn). Eine hoheitliche Äußerung kann im Rahmen ihrer Rechtskraft oder Rechtsverbindlichkeit nur dann zugleich als eine Entscheidung iS des § 3 Abs 2 SchwbG wirken, wenn sich aus ihr ergibt, daß eine Leistung oder sonstige Vergünstigung gerade deshalb zugesprochen wurde, weil ein bestimmter Grad der MdE gegeben war, der für das Schwerbehindertenrecht rechtserheblich sein könnte (vgl die Gesetzesbegründung, aaO; ferner Neubert/ Becke, Schwerbehindertengesetz, 1974, § 3, Anm 3; Jung/Cramer, Das neue Schwerbehindertengesetz, 1974, § 3, Anm 2; Gröninger, Schwerbehindertengesetz, Stand: September 1978, § 3, Anm 5a, (1)). Praktisch wird es sich nach der Rechtsentwicklung um solche früheren Entscheidungen handeln, durch welche die Schwerbeschädigteneigenschaft iS des § 1 Abs 1 Schwerbeschädigtengesetz (zuletzt idF des Art 4 des 2. Gesetzes zur Änderung des Bundesseuchengesetzes vom 25. August 1971 -BGBl I 1401-) anerkannt worden ist (Gröninger, aaO). Dieser Personenkreis war nach Schädigungen abgegrenzt, die durch eine bestimmte Einwirkung verursacht worden sein müssen (Wilrodt/Gotzen/Neumann, Schwerbeschädigtenrecht, 3. Aufl 1973, § 3, Rz 2). Dieser Kreis ist enger als die Gruppe der Schwerbehinderten, die durch das Gesetz zur Weiterentwicklung des Schwerbehindertenrechts vom 24. April 1974 (BGBl I 981) begünstigt werden (Bericht und Antrag des 11. Ausschusses des Deutschen Bundestages zu Drucks 7/656 -BT-Drucks 7/1515, S. 3 f und 8). Wer nicht zu den Schwerbeschädigten in diesem Sinn gehört, kann nach § 3 Abs 2 SchwbG seine Eigenschaft als Schwerbehinderter iS des neuen Rechts allein durch eine Feststellung nachweisen, die inhaltlich auf die Anforderungen des § 1 iVm § 3 Abs 1 Satz 2 abgestellt ist.

Der Auffassung des Klägers steht allein schon der Text der Erklärung entgegen, die ihm das Finanzamt gab. Darin ist an ihn die Mitteilung gerichtet, daß bei ihm eine "Geh"- behinderung von 50 vH bestehe. In dieser Mitteilung ist eine "Entscheidung" über die Voraussetzungen der Schwerbehinderteneigenschaft nicht zu erblicken. Wenn die Geh fähigkeit um die Hälfte gemindert war, so bedeutet dies nicht zwangsläufig eine gleiche Minderung der - gesamten - Erwerbsfähigkeit im allgemeinen Erwerbsleben, wie sie entsprechend § 30 Abs 1 BVG für das Schwerbehindertenrecht allein maßgebend ist (vgl zur Bestimmung der MdE: Urt. des erkennenden Senats in SozR 3870 § 3 Nr 4). Wohl kann diese Auswirkung nach den Rechtsmaßstäben des Schwerbehindertenrechts im Einzelfall gegeben sein. Aber eine Entscheidung, die gemäß § 3 Abs 2 SchwbG eine Feststellung nach Absatz 1 ersetzt, muß inhaltlich genau den Anforderungen des Schwerbehindertenrechts gerecht werden, also einen bestimmten Grad der MdE erkennbar nach den gleichen Maßstäben festlegen, die in diesem Rechtsgebiet gelten. Sonst kann eine bereits vorliegende Entscheidung nicht als eine nach dieser Vorschrift verbindliche "Feststellung" übernommen werden.

Die sachkundige Beurteilung der Behinderung, die das Staatliche Gesundheitsamt im Wege der Amtshilfe für das Finanzamt vorgenommen hat, hat als Beweismittel in einem Verwaltungsverfahren nur behördeninterne Wirkung. Sie ist dann keine "Feststellung" iS des § 3 Abs 2 SchwbG, die statt einer neuen Entscheidung des Versorgungsamts (Absatz 1) die Grundlage einer Bescheinigung bilden könnte (Gröninger, aaO; Jung/ Cramer, aaO).

Die Revision möchte die gesonderte "amtsärztliche Bescheinigung" die - hier - erkennbar auf der Begutachtung für das Finanzamt beruhte, selbständig rechtlich gewürdigt wissen, ordnet sie jedoch unrichtig ein, wenn sie meint, diese habe die Rechtsnatur einer "Feststellung" iS des § 3 Abs 2 SchwbG (vgl ohne nähere Begründung: Wilrodt/Gotzen/Neumann, Schwerbehindertengesetz, 1976, § 3, Rz 26). Grundsätzlich ist es schon sehr fraglich, ob ein Arzt überhaupt eine MdE "feststellen" kann; er hat nur medizinische Gesichtspunkte für eine Beurteilung beizutragen, die sich außerdem an Anforderungen des Erwerbslebens auszurichten hat. Um einen "Rentenbescheid" oder eine "entsprechende Verwaltungs... entscheidung" im oben bezeichneten Sinn handelt es sich bei einer "ärztlichen Bescheinigung" nicht. Diese Urkunde ist auch keine "vorläufige Bescheinigung der für diese Entscheidungen zuständigen Dienststellen". Als solche Entscheidungen, die auch in vorläufigen Attesten während eines schwebenden Verwaltungsverfahrens enthalten sein können (§ 2 der 1. Verordnung zur Durchführung des Schwerbeschädigtengesetzes vom 18. März 1954 -BGBl I 40-), kommen allein diejenigen ärztlichen Beurteilungen in Betracht, die zuständigkeitshalber für eine Verwaltungsbehörde zu dem Zweck abgegeben wurden, eine Behinderung und die durch sie bedingten MdE festzulegen. Nach früheren Richtlinien über Ausweise für Schwerbeschädigte (II, 2 der Richtlinien des Bundesinnenministers vom 11. Oktober 1965 -GMBl 1965 S. 402; vgl dazu Art III § 5 Abs 3 des Gesetzes vom 24. April 1974 -BGBl I 981-) genügten zB als Beweismittel solche Bescheinigungen eines Arztes, der von einer für die Ausweisausstellung zuständigen Behörde bestimmt worden war (vgl dazu Art III § 5 Abs 3 des Gesetzes vom 24. April 1974 idF des 8. AnpG-KOV). Das traf hier jedoch nicht zu. Nach § 65 Abs 3 Satz 2 Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (idF der Bekanntmachung vom 9. Februar 1972 -BGBl I 125-) waren wohl eine Körperbehinderung, die nicht durch einen Schwerbeschädigtenausweis oder Rentenbescheid nachzuweisen war, und die durch sie bedingte MdE für einen nach § 33a Einkommenssteuergesetz (EStG) anzusetzenden Pauschbetrag durch eine Bescheinigung der zuständigen Behörde, praktisch des Amtsarztes, zu belegen. Ein solcher Nachweis hatte für das Finanzamt bindende Wirkung (Bundesverwaltungsgericht -BVerwG-, Bundessteuerblatt 1977 II 300). Einen solchen Tatbestand erfüllte gerade nicht die Beurteilung, die der Amtsarzt im Fall des Klägers im Hinblick auf einen Erlaß der Kraftfahrzeugsteuer besorgte. Sie verfolgte, wie dargelegt, nicht den rechtlichen Zweck, eine Behinderung und die MdE iS des SchwbG anzuerkennen. Infolgedessen kann diese amtsärztliche Beurteilung auch nicht iS einer Feststellung nach § 3 Abs 2 SchwbG wirken. Damit erübrigen sich Erörterungen darüber, ob solche Bekundungen einer Verwaltungsstelle, die für eine andere vorgenommen werden, überhaupt als Verwaltungsakte einzuordnen sind, die rechtsverbindlich wirken können (vgl zB BVerwG Buchholz 310 § 40 VwGO Nr 163; BSG SozR 3100 § 72 Nr 2; andererseits BSGE 38, 232, 233 f = SozR 5850 § 41 Nr 2; BSGE 38, 236, 237 = SozR 5850 § 41 Nr 3).

Hinzukommt, daß eine amtsärztliche MdE-Bewertung auch gegenüber dem Finanzamt nur rechtlich verbindlich ist, wenn sie die Voraussetzung des § 33a EStG erfüllt. Dies trifft nicht zu, wenn die amtsärztliche Stellungnahme auf einen bestimmten Zeitpunkt fixiert ist, statt einen Dauerzustand zu berücksichtigen (BFHE 88, 491, 492; 114, 491, 494).

Da mithin allein die versorgungsärztliche Beurteilung und die darauf beruhende Feststellung des MdE-Grades als Grundlage einer Bescheinigung nach § 3 Abs 4 Satz 1 SchwbG aF maßgebend ist, muß die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1653957

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