Beteiligte
Klägerin, Revisionsbeklagte und Revisionsklägerin |
Beklagte, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I
Die Bundesanstalt für Arbeit macht gegen die beklagte Firma einen Schadensersatzanspruch nach § 145 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) nebst 4% Zinsen geltend, weil sie aufgrund einer ihrer Meinung nach irreführenden Eintragung in einer von der Beklagten ausgestellten Arbeitsbescheinigung (§ 133 AFG) zu viel Arbeitslosengeld (Alg) und zu hohe Beiträge zur Krankenversicherung und Rentenversicherung gezahlt habe.
Der Arbeitnehmer F. war in der Zeit vom 1. August 1978 bis zum 13. März 1983 als Auszubildender im Kfz-Mechaniker-Handwerk bei der Firma M. - Automobile KG - (M. -KG), deren persönlich haftende Gesellschafterin die beklagte O. & E. M. GmbH (M. -GmbH) war, beschäftigt (beide Firmen bestehen inzwischen nicht mehr). Das Ausbildungsverhältnis war zunächst bis 31. Juli 1981 befristet. Es verlängerte sich aber u.a. wegen krankheitsbedingter Unterbrechung in der Zeit vom 3. März 1980 bis 12. April 1981 sowie vom 15. November 1982 bis 13. März 1983 und endete durch Kündigung des Arbeitgebers. Die Abschlußprüfung hat F. nicht abgelegt.
Am 16. März 1983 stellte F. Antrag auf Alg und fügte die Arbeitsbescheinigung seines Arbeitgebers, der Firma M. -GmbH, nach § 133 AFG bei.
Darin ist zunächst auf Seite 1 bescheinigt, daß das Beschäftigungsverhältnis am 13. März 1983 durch Kündigung seitens des Arbeitgebers "nach Beendigung der Lehre" beendet worden sei. Auf Seite 2 unter Nr. 8c des Formulars findet sich die Rubrik:
"Zusätzliche Angaben für Auszubildende, die nach bestandener Abschlußprüfung nicht in ein Dauerarbeitsverhältnis übernommen wurden: Tarifliches Arbeitsentgelt, das im Falle einer Übernahme zugestanden hätte".
Diese Rubrik ist mit "9,61 DM" je Stunde ausgefüllt worden.
Das von der Klägerin zur Erläuterung der Arbeitsbescheinigung herausgegebene Merkblatt enthält zu dieser Rubrik folgende Erläuterung:
"8c ist nur auszufüllen, wenn ein ehemaliger Auszubildender mit bestandener Abschlußprüfung für weniger als 20 Tage Arbeitsentgelt erhalten hat. Als tarifliches Arbeitsentgelt, das im Falle der Übernahme zugestanden hätte, ist das Entgelt derjenigen Beschäftigung anzusehen, für die er ausgebildet worden ist".
Das Arbeitsamt (AA) zahlte dem F. daraufhin Alg, nach einem Bemessungsentgelt gemäß § 112 Abs. 5 Nr. 2 AFG (idF des Vierten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vom 12. Dezember 1977, BGBl. I, 2557). Nach dieser Vorschrift war bei bestandener Abschlußprüfung für die Zeit einer Beschäftigung zur Berufsausbildung 75 v.H. des tariflichen Arbeitsentgelts zugrunde zu legen, das für die Tätigkeit in Betracht kam, für die der Arbeitslose ausgebildet wurde. Demgegenüber wäre beim Kläger, da er die Abschlußprüfung nicht bestanden hatte, von dem Arbeitsentgelt auszugehen gewesen, das er zuvor in seinem Ausbildungsverhältnis tatsächlich erzielt hatte.
Bei Bewilligung des Alg war der Abteilung Arbeitsvermittlung des AA bekannt, daß F. die Abschlußprüfung nicht bestanden hatte. Dem Leistungssachbearbeiter ging am 30. Juni 1983 ein arbeitsamtsärztliches Gutachten zu, aus dem sich dies ebenfalls ergab. Dennoch berücksichtigte das AA erst bei Überprüfung des Anspruchs auf Anschlußarbeitslosenhilfe, daß F. die Abschlußprüfung als Kfz-Mechaniker nicht abgelegt hatte. Es errechnete daraus eine Überzahlung des Alg in Höhe von 3.091,70 DM, an Krankenversicherungsbeiträgen von 966,89 DM sowie an Rentenversicherungsbeiträgen von 564,28 DM und forderte die Firma M. -KG auf, den durch unrichtige Angaben in der Arbeitsbescheinigung entstandenen Schaden von insgesamt 4.622,87 DM zu ersetzen. Nach Ablehnung dieser Forderung wurde Klage auf Schadensersatz in Höhe von 4.622,87 DM nebst 4% Zinsen seit 1. Juni 1984 erhoben.
Das Sozialgericht Detmold (SG) hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 4.300,98 DM nebst 4% Zinsen seit dem 1. Juni 1984 zu zahlen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen (Urteil vom 19. Februar 1987), weil die Klägerin von der Kenntnis des arbeitsamtsärztlichen Gutachtens an für den entstandenen Schaden ein mit 10 Prozent anzusetzendes Mitverschulden treffe.
Die Berufung der Beklagten führte zur Änderung des angefochtenen Urteils dahin, daß der Klägerin nur ein Schadensersatzanspruch von 3.549,89 DM zugesprochen und im übrigen die Klage abgewiesen wurde (Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen -LSG- vom 10. November 1988). Das LSG hat ein Mitverschulden der Klägerin von einem Drittel für die Überzahlungen ab 28. Juni 1983 angenommen und einen Zinsanspruch der Klägerin verneint, den das Gesetz bei einem öffentlich-rechtlichen Schadensersatzanspruch nicht vorsehe.
Gegen dieses Urteil haben beide Beteiligten Revision eingelegt. Die Revision der Klägerin beschränkt sich auf den Zinsanspruch, die Revision der Beklagten zielt auf völlige Abweisung der Klage.
Die Beklagte macht geltend, der Schaden sei nicht durch fehlerhafte Ausfüllung des Formulars, sondern durch dessen Unklarheit entstanden, weil in der entsprechenden Rubrik nicht nach dem Bestehen der Abschlußprüfung, sondern nach den nach bestandener Abschlußprüfung zu zahlenden Leistungen gefragt worden sei. Dies könne durch die Ausfüllungsanleitung nicht ausgeglichen werden. Hierzu komme, daß das AA die Frage des Bestehens der Abschlußprüfung nicht bei der Antragstellung geklärt habe.
Die Beklagte beantragt,
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die Urteile des SG und des LSG aufzuheben, soweit die Beklagte zum Schadensersatz verurteilt worden ist, und auch insoweit die Klage abzuweisen sowie die Revision der Klägerin zurückzuweisen. |
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Die Klägerin beantragt,
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unter Zurückweisung der Revision der Beklagten das Urteil des LSG aufzuheben, soweit es der Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG hinsichtlich des Zinsanspruchs in Höhe von 4% seit dem 1. Juni 1984 stattgegeben hat, und die Berufung auch insoweit zurückzuweisen. |
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Sie macht geltend, der Zinsanspruch ergebe sich aus zivilrechtlichen Vorschriften (§§ 288, 291 BGB), mit denen die im öffentlichen Recht enthaltene Lücke geschlossen werden müsse.
Beide Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, daß der Rechtsstreit durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden wird (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Der Klägerin steht kein Schadensersatzanspruch wegen unrichtiger Ausfüllung einer Arbeitsbescheinigung nach § 145 AFG zu. Daher ist die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Formelle Bedenken gegen Klage und Revision der Klägerin bestehen nicht. Für die geltend gemachte Schadensersatzforderung ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben (BSGE 49, 291; 56, 20, 21). Die Klägerin durfte ihre Forderung auch im Wege der Leistungsklage geltend machen (BSGE 49, 291, 294 ff., S. auch BSGE 56, 20, 21; BSG 16. August 1989 - 7 RAr 82/88). Allerdings ist der erkennende Senat der Auffassung, daß es sich bei dem Schadensersatzanspruch nach § 145 AFG um einen Anspruch aus dem öffentlich-rechtlichen Indienstnahmeverhältnis zwischen Bundesanstalt für Arbeit und Arbeitgeber handelt, der aufgrund der Rechtsnatur dieses Verhältnisses durch Verwaltungsakt geltend zu machen ist. Diese Frage ist jedoch bisher anders entschieden worden. Der 7. Senat des BSG hat die Geltendmachung dieses Schadensersatzanspruchs durch Verwaltungsakt für unzulässig und eine Leistungsklage für erforderlich gehalten. Ebenso hat der 3. Senat des BSG in einem ähnlichen Fall, der die Verletzung der Auskunftspflicht im Rahmen des Krankenversicherungsverhältnisses betraf, eine Leistungsklage für erforderlich gehalten (BSGE 62, 251, 252f). Einer Vorlage an den Großen Senat des BSG zur Klärung dieser Streitfrage bedurfte es im vorliegenden Fall jedoch nicht. Denn auch wenn entgegen dieser Rechtsprechung die Möglichkeit bejaht wird, die Ansprüche aus § 145 AFG im Wege des Verwaltungsakts durchzusetzen, kann das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage hier nicht verneint werden. Die Klägerin konnte im Hinblick auf die vorliegende Rechtsprechung des BSG nicht damit rechnen, daß eine Geltendmachung durch Verwaltungsakt der rechtlichen Nachprüfung standhalten werde (vgl. dazu auch BSG SGb 1984, 161, 162; ferner BVerwGE 28, 155; 29, 310, 312).
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin macht geltend, daß ihr nach § 145 Nr. 1 AFG ein Schadensersatzanspruch zustehe, weil die Beklagte als Arbeitgeberin eine Arbeitsbescheinigung nach § 133 AFG nicht richtig ausgefüllt habe. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen hat aber der Bedienstete der Beklagten, der das Formular der Arbeitsbescheinigung ausgefüllt hat, keine der darin gestellten Fragen unrichtig beantwortet.
Das bestreitet auch die Klägerin nicht. Sie meint allerdings, eine unrichtige Ausfüllung müsse darin gesehen werden, daß der Bedienstete die Frage 8c nach dem tariflichen Arbeitsentgelt für Auszubildende, die nach bestandener Abschlußprüfung nicht in ein Dauerarbeitsverhältnis übernommen wurden, ausgefüllt habe, obwohl F. die Ausbildung nicht abgeschlossen hatte. Dadurch sei der Eindruck entstanden, als habe der Auszubildende F. die Abschlußprüfung abgelegt. Dem vermag der Senat indes nicht zu folgen.
Unrichtig ausgefüllt ist eine Arbeitsbescheinigung immer nur dann, wenn eine der in dem Formular von der Bundesanstalt für Arbeit gestellten Fragen falsch beantwortet worden ist. Eine Frage, ob der Auszubildende die Abschlußprüfung bestanden hat, enthält das Formular der Arbeitsbescheinigung jedoch nicht. Daraus folgt notwendigerweise, daß auch eine falsche Angabe über das Bestehen oder Nichtbestehen der Abschlußprüfung im ausgefüllten Formular der Arbeitsbescheinigung nicht möglich ist. Die Klägerin hätte wegen der Bedeutung für das Bemessungsentgelt (§ 112 AFG) in das Formular der Arbeitsbescheinigung die Frage aufnehmen müssen, ob der zuvor in Ausbildung befindliche Arbeitslose die Abschlußprüfung bestanden hatte oder nicht. Damit wäre den zur Ausfüllung des Formulars verpflichteten Arbeitgebern deutlich gemacht worden, daß der Antwort auf diese Frage rechtliche Bedeutung für die Entscheidung über den Anspruch auf Arbeitslosengeld zukam (§ 133 Abs. 1 AFG). Das ist jedoch nicht geschehen.
Die von der Klägerin beanstandete Eintragung befindet sich demgegenüber in einer Rubrik, die ausdrücklich gekennzeichnet ist als Rubrik für zusätzliche Angaben, wenn der Auszubildende die Abschlußprüfung bestanden hat und nicht in ein Dauerarbeitsverhältnis übernommen worden ist. Solche zusätzlichen Angaben für im Einzelfall nicht vorliegende Fälle können überflüssig sein; sie sind aber nicht falsch, weil sie vorgenommen wurden. Es ist eine typische Technik der Formulargestaltung, daß mehrere für den betreffenden Verwaltungsvorgang bedeutsame Fälle dort aufgeführt werden und der Befragte nur die Rubriken auszufüllen braucht, die seinen Fall oder sein Anliegen betreffen. Niemand rechnet damit und niemand braucht damit zu rechnen, daß Eintragungen in Rubriken, die für den konkreten Fall nicht in Betracht kommen, irgendeine für ihn oder die betreffende Verwaltung schädliche Bedeutung haben können.
Derartiges ergibt sich auch nicht aus den von der Klägerin ausgegebenen Erläuterungen zum Ausfüllen der Arbeitsbescheinigung, zumal das am Anfang der Erläuterungen für den Fall des Nichtzutreffens einer Frage bezeichnete Nein-Feld in der gesamten Rubrik 8 fehlt. Für die Rubrik 8c ist nur angemerkt, sie sei lediglich auszufüllen, wenn ein ehemaliger Auszubildender mit bestandener Abschlußprüfung für weniger als 20 Tage Arbeitsentgelt erhalten habe. Daraus ergibt sich auch nur, daß ein Ausfüllen in anderen Fällen überflüssig ist. Es kann deshalb dahinstehen, ob es überhaupt vertretbar ist, auf dem Wege der Erläuterungen zusätzlichen Angaben im Formular einen anderen Sinn zu geben als er sich unmittelbar aus der Fragestellung ergibt.
Die besondere Verantwortung der Klägerin für eine zweifelsfreie und leicht zu handhabende Gestaltung der Arbeitsbescheinigung ergibt sich überdies aus den Besonderheiten des im Verhältnis zum Arbeitgeber bestehenden öffentlich-rechtlichen Indienstnahmeverhältnisses. Das BSG hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, daß im Rahmen dieses Indienstnahmeverhältnisses dem Arbeitgeber erhebliche Lasten und Risiken aufgebürdet werden, um die Verwaltungsvorgänge zu vereinfachen und das Funktionieren der sozialen Leistungssysteme zu sichern. Aus dieser engen Verknüpfung mit den Verwaltungsaufgaben folgt, daß die Verwaltung, in deren Interesse der Arbeitgeber tätig wird, verpflichtet ist, seine Arbeit so weit als möglich zu unterstützen, ihn vor Risiken und Schäden zu bewahren und auf seine Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen (vgl. BSGE 51, 31, 37; BSGE 17, 173, 175; S. auch BAG, Urteil vom 8. Dezember 1981 - 3 AZR 71/79 - DB 82, 910). Dazu gehört auch, daß die Formulare im Aufbau und in der Fragestellung möglichst klar und einfach gestaltet sein müssen, damit typische Fehler beim Ausfüllen vermieden werden (vgl. dazu auch BSGE 51, 89, 92 f.; BSG SozR 1925 § 5 Nr. 1). Im Rahmen des Indienstnahmeverhältnisses ist daher der Grundgedanke des § 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB 1 entsprechend heranzuziehen (vgl. zur Formulargestaltung im übrigen, Urteil des erkennenden Senats vom 9. November 1989 - 11 RAr 83/88 -; BSGE 64, 233; BSG 9. September 1986 - 7 RAr 77/84 -; BSGE 52, 254, 260; BGH NJW 1983, 2772, 2773; OLG Saarbrücken VersR 1988, 1283).
Da somit der Schadensersatzanspruch aus § 145 AFG hier schon an den tatsächlichen Voraussetzungen der Vorschrift scheitert, ist nicht mehr darauf einzugehen, ob etwa die Aufhebung bzw. Änderung des fehlerhaften Verwaltungsakts und die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs gegen den Leistungsempfänger und den Rentenversicherungsträger vorrangig ist mit der Folge, daß der Arbeitgeber erst in Anspruch genommen werden kann, wenn insoweit keine rechtliche Möglichkeit oder keine Erfolgsaussicht besteht. Dies läge in Bezug auf die Rentenversicherungsbeiträge besonders deshalb nahe, weil aufgrund der zwischen der Klägerin und den Rentenversicherungsträgern getroffenen Regelung der überzahlte Beitrag erstattet wird, wenn und soweit die Leistungsbewilligung aufgehoben worden ist (vgl. Dienstbl BA RdErl 4/83 i.V.m. 80/81).
Ferner kann offen bleiben, ob es für den von der Klägerin geltend gemachten Zinsanspruch eine Rechtsgrundlage gibt oder der Charakter des Indienstnahmeverhältnisses eine enge Beschränkung der Folgen von Fehlleistungen erfordert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.11 RAr 11/89
BUNDESSOZIALGERICHT
Fundstellen