Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 20. Dezember 1994 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über die Aufhebung eines Bescheides, mit dem dem Kläger eine sog befristete erweiterte Versorgung zuerkannt worden ist, und um die Rückforderung der nach Auffassung der Beklagten im Hinblick hierauf für Dezember 1991 und Januar 1992 zuviel gezahlten Beträge.
Der 1937 geborene Kläger gehörte von 1957 bis 30. September 1990 der Zollverwaltung an, zuletzt als Zollhauptkommissar; von 1976 bis November 1989 war er als hauptberuflicher Mitarbeiter verdeckt für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit (MfS/AfNS) tätig. Mit Bescheid Nr. 408/90 wurde ihm vom Ministerrat der ehemaligen DDR – Ministerium für Finanzen – ab 1. Oktober 1990 und mit Änderungsbescheid vom 29. November 1990 von der Beklagten eine befristete erweiterte Versorgung in Höhe von 1.334,00 DM monatlich (auf der Basis von 63 % der beitragspflichtigen Jahresbruttobesoldung in der Zeit von Oktober 1989 bis September 1990 in Höhe von 25.400,00 DM) zuerkannt. Zugleich wurde in dem zuletzt genannten Bescheid darauf hingewiesen, die gewährten Leistungen stünden unter dem Vorbehalt der „Änderung in Ausführung des Einigungsvertrages”; über „vorzunehmende Änderungen” werde er umgehend informiert. Im Dezember 1991 übersandte die Beklagte dem Kläger ein Formular, in dem u.a. angefragt worden war, ob er in der Vergangenheit, ggf. zeitweise, als Offizier im besonderen Einsatz (OibE) für das MfS/AfNS tätig gewesen sei oder in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis zu diesem Ministerium gestanden habe; der Kläger kreuzte insoweit die vorgegebene Rubrik „nein” an und versicherte am 25. Dezember 1991 mit seiner Unterschrift, daß die Angaben richtig seien und ihm u.a. bekannt sei, daß die weitere Gewährung der Versorgungsleistungen unter dem Vorbehalt einer rückwirkenden Änderung stehe, wenn seine Angaben unvollständig oder unrichtig seien.
Mit Schreiben vom 29. Januar 1992 teilte die Beklagte dem Kläger mit, nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebietes (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz ≪AAÜG≫ i.d.F. des Art. I des Gesetzes zur Änderung des Renten-Überleitungsgesetzes vom 18. Dezember 1991 ≪BGBl. I S. 2207≫), verkündet am 24. Dezember 1991, (seither mehrfach geändert, zuletzt durch das Zweite SED-Unrechtsbereinigungsgesetz vom 23. Juni 1994, BGBl. I 1311) sei die gemäß den Bestimmungen der Versorgungsordnung der Zollverwaltung gewährte befristete erweiterte Versorgung einzustellen, wenn diesen Versorgungsleistungen, wie bei ihm, auch Zeiten einer verdeckten Tätigkeit als hauptberuflicher Mitarbeiter des MfS/AfNS zugrunde liegen würden; es sei beabsichtigt, die Zahlung der befristeten erweiterten Versorgung mit Wirkung ab dem 1. Dezember 1991 einzustellen, den Bescheid Nr. 408/90 über die Bewilligung der Versorgungsleistung rückwirkend zum 1. Dezember 1991 nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aufzuheben und die seit 1. Dezember 1991 gezahlten Versorgungsleistungen nach § 50 Abs. 1 SGB X zurückzufordern; die Zahlung ab 1. Dezember 1991 erfolge unter dem Vorbehalt der Rückforderung; er, habe Gelegenheit, hierzu bis zum 21. Februar 1992 Stellung zu nehmen. Hierauf machte der Kläger geltend, seine Ansprüche für den gesamten Zeitraum beruhten allein auf den Bestimmungen der Versorgungsordnung der Zollverwaltung der DDR; auch in der Zeit von 1976 bis November 1989 habe er sämtliche Weisungen von dem Leiter der Zollverwaltung erhalten; die Aberkennung der Leistungen sei willkürlich und politisch motiviert; die Rückforderung aufgrund eines mit Rückwirkung ausgestatteten Gesetzes vom 18. Dezember 1991 sei mit dem Recht der Bundesrepublik Deutschland nicht zu vereinbaren; die neuen Rechtsvorschriften seien erst Mitte Januar 1992 zugänglich gewesen; im übrigen sei er erst ab 6. Februar 1992 in der Lage gewesen, sich arbeitslos zu melden, so daß er – sofern der Bescheid rechtmäßig wäre – in der Zeit vom 1. Dezember 1991 bis 6. Februar 1992 schuldlos ohne Einkommen gewesen sei.
Mit Bescheid vom 27. Februar 1992 und bestätigendem Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 1992 hob die Beklagte den Bewilligungsbescheid Nr. 408/90 ab 1. Dezember 1991 auf, stellte die Zahlungen ab diesem Zeitpunkt ein und forderte die sich hieraus bis einschließlich März 1992 ergebende Überzahlung von 5.170,40 DM zurück.
Die Leistungen für die Monate Februar und März 1992 (2.585,20 DM) hat der Kläger zwischenzeitlich zurückgezahlt.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat durch Urteil vom 14. April 1994 die Klage abgewiesen und die Auffassung vertreten, § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG verstoße nicht gegen geltendes Recht; Aufhebung und Rückforderung seien rechtmäßig; § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X enthalte keinen Rechtssatz, der eine rückwirkende Aufhebung von Verwaltungsakten mit Dauerwirkung verbiete. Das Landessozialgericht (LSG) Berlin hat auf die Berufung des Klägers mit Urteil vom 20. Dezember 1994 das erstinstanzliche Urteil sowie die angefochtenen Bescheide insoweit aufgehoben, als die befristete erweiterte Versorgung für Dezember 1991 und Januar 1992 zurückgefordert worden ist. Es hat im wesentlichen ausgeführt: Die Einstellung der befristeten erweiterten Versorgung zum 1. Dezember 1991 sei gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 d AAÜG gerechtfertigt, da der Leistung Zeiten zugrunde gelegen hätten, in denen der Kläger als hauptberuflicher Mitarbeiter verdeckt für das MfS/AfNS tätig gewesen sei. Die Rechtmäßigkeit der Leistungseinstellung habe jedoch nicht zur Folge, daß die Leistungen ohne weiteres zurückgefordert werden könnten. Hier greife zugunsten des Klägers § 9 Abs. 2 der Verordnung über nicht überführte Leistungen der Sonderversorgungssysteme der DDR (SVersLV) vom 26. Juni 1992 (BGBl. I S. 1174) ein, obwohl die Vorschrift erst zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft getreten sei. Danach könne von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise abgesehen werden. Da die Beklagte insoweit keine Ermessenserwägungen angestellt habe, seien die Bescheide infolgedessen in dem genannten Umfang rechtswidrig und aufzuheben.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG sowie von §§ 45 ff SGB X und trägt vor: § 9 Abs. 2 SVersLV finde keine Anwendung, da der Bescheid vom 27. Februar 1992 vor dem Erlaß dieser Verordnung ergangen sei. Rechtsgrundlage für die Aufhebung des die Leistung bewilligenden Bescheides und für die Rückforderung sei allein § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG. Die Bestimmung sei eine abschließende Spezialermächtigung zur Herabsetzung, Entziehung und Feststellung des Erlöschens von Zahlungsansprüchen sowie für die Rückforderung der durch die Einstellung überzahlten Leistungen. Ebenso wie §§ 10 und 11 AAÜG bringe § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG den Willen des Gesetzgebers zum Ausdruck, daß die zum Ersten des auf die Verkündung des Gesetzes folgenden Monats in Kraft getretenen Änderungen pünktlich durch Verwaltungsakt umzusetzen seien. Es sei kein sachlicher Gesichtspunkt erkennbar, daß die Verweisungen in § 10 Abs. 5 Satz 3 und § 11 Abs. 5 Satz 5 AAÜG a.F. auf § 8 Abs. 3 Satz 2 AAÜG und damit auf die Vorschriften des Dritten Abschnitts des Ersten Kapitels des SGB X nicht auch bei der Umsetzung der Rechtsänderungen infolge des § 13 AAÜG gelten sollten; bei der Nichterwähnung der Vorschriften handele es sich um eine gesetzliche Lücke, die entsprechend den o.g. Bestimmungen zu schließen sei; ein Ermessen sei ihr mithin nicht eingeräumt worden. Selbst wenn § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG allein die Einstellung, nicht aber die Rückforderung der überzahlten Beträge regele, ergebe sich der Anspruch auf Rückzahlung aus § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 20. Dezember 1994 aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.
Er trägt vor:
Streitig sei sein Anspruch auf Weitergewährung der erweiterten Versorgung für die Zeit vom 1. Dezember 1991 bis 31. Januar 1992. Der Bescheid Nr. 408/90 sei nicht kraft Gesetzes zum 1. Dezember 1991, sondern erst durch den Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 1992 wegen Änderung der Rechtslage durch § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG aufgehoben worden. Entgegen der Auffassung des LSG habe es eines besonderen Verweises auf die Vorschriften des SGB X nicht bedurft. Hätte das SGB X keine Anwendung finden sollen, so wäre – im Gegenteil – ein ausdrücklicher Hinweis des Gesetzgebers erforderlich gewesen. Die Rechtsprechung zu § 10 AAÜG, wonach in diesen Fällen § 48 SGB X keine Anwendung finde, sei nicht heranzuziehen. § 10 AAÜG behandele lediglich die Kürzung von Leistungen, während in § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG der. Wegfall einer Sozialleistung geregelt sei. Im Hinblick hierauf seien die Anforderungen an die Wirksamkeit der Einstellung höher, da der Betroffene sich mit der Einstellung auch um eine alternative Sozialleistung habe bemühen müssen. Da § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG demnach keine abschließende Spezialermächtigung enthalte, habe die Beklagte § 48 SGB X anwenden und die Frage beantworten müssen, ab wann er die notwendige Kenntnis, von der ihm belastenden Regelung hätte haben müssen. Er sei nicht verpflichtet gewesen, die Rechtsentwicklung zu verfolgen. Denn die Zuerkennung eines Anspruchs durch Bescheid begründe ein schutzwürdiges Vertrauen. Der Vertrauensschutz ende erst, wenn davon ausgegangen werden könne, daß der Betroffene mit Sicherheit von der Änderung Kenntnis erlangt habe. Infolgedessen habe er, was den fraglichen Zeitraum anbelange, nicht in besonders schwerem Maße gegen die Sorgfaltspflicht i.S. von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X verstoßen.
Selbst wenn man im übrigen im Hinblick auf § 16 Abs. 3 AAÜG annehmen würde, daß der Gesetzgeber eine Anwendung des SGB X im Rahmen dieses Gesetzes habe ausschließen wollen, so fehle es an einer Rechtsgrundlage für die Rückforderung der bis zum Zugang des Einstellungsbescheides gezahlten Leistungen. Denn die aufgrund des § 16 Abs. 3 AAÜG ergangene Verordnung über die nicht überführten Leistungen aus Sonderversorgungssystemen der DDR gelte erst seit dem 1. Juli 1992 und könne daher als Grundlage für die im Bescheid vom 27. Februar 1992 geltend gemachte Rückforderung nicht herangezogen werden. Aber auch wenn man schließlich – wie das LSG – § 9 SVersLV anwende, sei eine Rückforderung nicht zulässig, da eine Ermessensprüfung nicht stattgefunden habe.
Die Beteiligten haben, sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 27. Februar 1992, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides, in dem die Beklagte sowohl die Bewilligung einer befristeten erweiterten Versorgung u.a. für die Bezugszeiten vom 1. Dezember 1991 bis 31. Januar 1992 aufgehoben als auch – hiervon unabhängig – den Kläger verpflichtet hat, den Wert der in diesem Zeitraum erbrachten Leistungen zu erstatten.
A. Im Rahmen der Revision der Beklagten hat das Bundessozialgericht (BSG) beide von dem Kläger zur gerichtlichen Entscheidung gestellten Streitgegenstände in vollem Umfang zu prüfen. Die vorinstanzlichen Urteile lassen erkennen, daß über beide Streitgegenstände entschieden worden ist. Die durch die Zurückweisung ihrer Berufung formell beschwerte Beklagte kann daher mit ihrer Revision nur Erfolg haben, wenn beide in dem streitigen Bescheid enthaltenen Verwaltungsakte, soweit sie den hier noch streitigen Zeitraum vom 1. Dezember 1991 bis 31. Januar 1992 betreffen, rechtmäßig sind.
Gegenstände (i.S. von § 95 SGG) revisionsgerichtlicher Prüfung sind die beiden in dem streitigen Bescheid vom 27. Februar 1992 enthaltenen Verwaltungsakte. Sie enthalten zwei rechtliche Regelungen und außerdem eine Verhaltensankündigung. Mit der Erklärung, sie werde die Zahlung der Leistung „einstellen”, hat die Beklagte lediglich ein schlichtes Verwaltungshandeln angekündigt, nämlich ein „reales Unterlassen”; dieses besteht nur darin, die für die Überweisung des Geldbetrages erforderlichen Handlungen nicht mehr vorzunehmen. Insoweit liegt kein Verwaltungsakt i.S. von § 31 SGB X vor (ständige Rechtsprechung, stellvertretend BSGE 75, 262, 269 = SozR 3-8560 § 26 Nr. 2). Soweit der Bescheid besagt, der Bescheid Nr. 408/90 solle aufgehoben werden, ist noch hinreichend bestimmt erkennbar, daß die Beklagte den letzten bindenden Bewilligungsbescheid außer Kraft setzen und damit ihren Bescheid vom 29. November 1990 aufheben wollte, der seit dem 1. Oktober 1990 die frühere Bewilligung der befristeten erweiterten Versorgung in vollem Umfang ersetzt hatte. Schließlich verdeutlicht die Formulierung, die sich aus der Aufhebung der Bewilligung ab Dezember 1991 ergebende Überzahlung werde zurückgefordert, daß dies keine – rechtlich unverbindliche – bloße Zahlungsaufforderung, sondern eine Verfügung, d.h. ein Gebot, ist, den Betrag an die Beklagte zu zahlen.
B. Die Beklagte war zur Aufhebung des Bewilligungsbescheides jedenfalls für die – nicht mehr streitigen – Bezugszeiten ab Februar 1992 ermächtigt:
Sie hat als zuständiger Versorgungsträger (§ 8 Abs. 4 Nr. 2 i.V.m. § 9 Abs. 3 Satz 1 und 2 AAÜG) den Verwaltungsakt nach der gebotenen (ständige Rechtsprechung seit BSGE 72, 50, 57 = SozR 3-8570 § 10 Nr. 1) Anhörung gemäß § 24 SGB X und ohne die Aufhebbarkeit des Verwaltungsaktes nach § 42 Satz 1 SGB X bewirkende Verfahrensfehler formgerecht durch „Bescheid”, d.h. in Schriftform, erlassen. Für die Aufhebung der Bewilligung als Eingriff in ein zuerkanntes Recht bedurfte sie wegen des hierfür gültigen rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehaltes sowie der einfachgesetzlichen Vorbehalte aus § 77 SGG und § 31 SGB X einer gesetzlichen Ermächtigung (stellvertretend BSGE 72, 50, 55, 59 m.w.N.).
Einzig anwendbare Ermächtigungsgrundlage ist § 48 Abs. 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift muß der zuständige Verwaltungsträger einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlaß vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt; nur unter den Voraussetzungen des Satzes 2 Nrn. 1 bis 4 a.a.O. soll der Verwaltungsakt, (höchstens) mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufgehoben werden.
1. Das Erste Kapitel des SGB X ist anwendbar. Hierfür war eine ausdrückliche Anordnung im AAÜG nicht erforderlich. Nach dem Einigungsvertrag (EinigVtr – im folgenden: EV) Anl. I Kap VIII Sachgebiet D Abschn. III Nr. 2 gilt das Erste Kapitel des SGB X – jedenfalls – seit dem 1. Januar 1991 u.a. für den Sachbereich der Rentenversicherung i.S. des EV. Hierzu zählen nach ständiger Rechtsprechung des. BSG (seit BSGE 72, 50) alle – aus der Sicht des Bundesrechts – öffentlich-rechtlichen Regelungen, die thematisch dem Rentenversicherungsrecht des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) entsprechen oder vom EV in einen inneren, sachlichen Zusammenhang mit diesem gestellt worden sind. Dies gilt insbesondere für Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen, die im EV Anl. II Kap VIII Sachgebiet H Abschn. III Nr. 9 (EV Nr. 9) geregelt worden sind. EV Nr. 9 Buchst. e hat einen inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen den nicht in die Rentenversicherung des SGB VI überführbaren Versorgungsansprüchen (z.B. Übergangsrenten, befristete erweiterte Versorgung) und den Ansprüchen wegen Alters, verminderter Erwerbsfähigkeit und Todes hergestellt. EV Nr. 9 bestimmt ferner, daß die Versorgungssysteme und ihre leistungsrechtlichen Regelungen von den „jeweiligen Funktionsnachfolgern gemäß Art. 13 EV” (für eine Übergangszeit) weitergeführt werden sollen. Dadurch waren auch diejenigen Versorgungsträger, die bei der Verwaltung ihrer übrigen Aufgaben nicht an das SGB X gebunden waren, bei Erfüllung ihrer Aufgaben als Funktionsnachfolger in den Versorgungssystemen dem Verfahrensrecht des SGB X unterstellt. Das AAÜG hat auch den Versorgungsträgern, die im übrigen nicht an das SGB X gebunden waren, die Entscheidung über Vortragen der eigentlichen Rentenüberleitung (sog. Feststellung und Begrenzung der Arbeitsentgelte – § 8 Abs. 2 und 3 AAÜG) oder über die Kürzung zuerkannter Ansprüche (§ 10 Abs. 5 und § 11 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 Satz 5 AAÜG) sowie die Verwaltung von Versorgungsleistungen übertragen, die nicht in die Rentenversicherung überführt werden konnten. Das Verwaltungsverfahrensrecht des Ersten Kapitels des SGB X unterscheidet sich von dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes und den entsprechenden Regelungen der Länder vor allem in den Bestimmungen über die Anhörung vor Erlaß eingreifender Verwaltungsakte sowie über die Aufhebung von Verwaltungsakten und die Erstattung von zu Unrecht erbrachten Leistungen. Mit dem Gebot gleicher Rechtsanwendung (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz ≪GG≫) wäre es unvereinbar gewesen, die Versorgungsberechtigten je nach dem zuständigen Versorgungsträger inhaltlich-unterschiedlichem Verwaltungsverfahrensrecht sowie materiell unterschiedlich ausgestalteten Eingriffsermächtigungen zu unterwerfen. Folgerichtig wurde in §§ 8 Abs. 3 Satz 2, 10 Abs. 5, 11 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 Satz 5 AAÜG insoweit ausdrücklich die Anwendung des SGB X für alle Versorgungsträger vorgeschrieben. Das Zweite SED-Unrechtsbereinigungsgesetz vom 23. Juni 1994 (BGBl. I 1311) hat die Maßgeblichkeit des SGB X für das Verfahrens- und Eingriffsrecht der Versorgungsträger i.S. von § 8 Abs. 4 AAÜG durch Einfügung des Satzes 2 in § 9 Abs. 1 AAÜG bestätigt. Nach dieser Vorschrift sind für die in die Rentenversicherung nicht überführten Versorgungsleistungen „die Vorschriften des Ersten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend anzuwenden”. Somit gilt auch § 37 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) „entsprechend”. Danach gelten das SGB I und das SGB X für alle Sozialleistungsbereiche dieses Gesetzbuches, soweit sich aus den übrigen Büchern Abweichendes nicht ergibt. Die Anordnung „entsprechender” Anwendung u.a. des SGB X berücksichtigt sachlich zutreffend, daß die in § 9 AAÜG geregelten Versorgungsleistungen aus dem SGB nicht begründbar, sondern nur auf der Grundlage der nachgehenden Fürsorgepflicht der Funktionsnachfolger bundesrechtlich anerkannt sind (vgl. BSGE 72, 50, 56).
2. § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG hat die Beklagte nicht – als eine § 48 Abs. 1 SGB X verdrängende Spezialvorschrift – ermächtigt, die Bewilligungen von Versorgungsleistungen i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 1 a.a.O. – rückwirkend zum 1. Dezember 1991 – aufzuheben; die Vorschrift hat die Bewilligung auch nicht – sich selbst vollziehend – unmittelbar außer Kraft gesetzt. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG (Nr. 4 eingefügt durch Art. 1 des Änderungsgesetzes zum Rentenüberleitungsgesetz ≪RÜG-ÄndG≫) gilt: „Vom ersten des auf die Verkündung dieses Gesetzes folgenden Kalendermonats an wird die Zahlung folgender Leistungen eingestellt: Versorgungsleistungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 a.a.O., denen auch Zeiten einer verdeckten Tätigkeit als hauptberuflicher Mitarbeiter des MfS/AfNS zugrunde liegen; (Nr. 3 2. Halbsatz gilt entsprechend)”.
a) Der Wortlaut des Gesetzes enthält keine Andeutung, dieses selbst solle wirksame Verwaltungsakte aufheben oder die Versorgungsträger, die Adressaten der Norm, dazu ermächtigen. Dem möglichen Wortsinn kann nur die an den Versorgungsträger gerichtete Anordnung entnommen werden, vom Ersten des auf die Verkündung des Gesetzes folgenden Kalendermonats an Versorgungsleistungen nicht mehr zu zahlen, falls diese die in Nr. 4 genannten Voraussetzungen erfüllen. § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG enthält darüber hinaus keine Regelung, die sich selbst vollziehen könnte. Dies setzte voraus, daß das, was im Einzelfall zwischen dem Verwaltungsträger und dem Bürger konkret verbindlich gelten soll, sich jedenfalls für die Betroffenen offensichtlich aus dem Gesetzestext ergibt, also keines die besonderen Umstände des Einzelfalles prüfenden Erkenntnisprozesses mehr bedarf. Dies ist schon wegen der Formulierung des Gesetzes zumindest fraglich. Vor allem aber gibt das Gesetz auf, zwischen den Versorgungsberechtigten, welche die ihnen zuerkannte Versorgungsleistung behalten dürfen, und denjenigen zu unterscheiden, die aufgrund ihrer Beschäftigungszeiten/Beschäftigungsart künftig die Leistung nicht mehr erhalten sollen. Es kommt also entscheidend auf individuelle Umstände des Einzelfalles an. Sie festzustellen und die Rechtsfolge verbindlich festzusetzen, ist der Verwaltung vorbehalten. Die Rechtsfolge ergibt sich jedenfalls nicht unmittelbar aus dem Gesetz. Darüber hinaus ist in verfassungsorientierter Auslegung zu beachten, daß die verbindliche Festsetzung dessen, was im Einzelfall zwischen Bürger und Verwaltung rechtens sein soll, im gewaltenteiligen Rechtsstaat der Verwaltung vorbehalten ist und zum Kernbereich dieser Staatsfunktion gehört. Die im Rechtsstaat gebotene Rechtsklarheit und Rechtssicherheit verlangt grundsätzlich eine Konkretisierung des gesetzlich gestalteten Verwaltungsrechtsverhältnisses durch Verwaltungsakt (oder Vertrag – vgl. schon BSG SozR 1300 § 48 Nr. 57 S. 173 f; BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 13 S. 19; BSGE 75, 226, 266 = SozR 3-8560 § 26 Nr. 2 S. 16; Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl., § 12 I RdNr. 5, S. 243 ff; Badura, in: Erichsen, a.a.O., § 33 I 1 RdNr. 2, S. 417; Maurer, DVBl. 1989, 798, 806, jeweils m.w.N.). Nur in Ausnahmefällen, die einer verfassungskräftigen Rechtfertigung bedürfen, sind die Organe der Gesetzgebungsfunktion kompetent, unmittelbar durch Gesetz konkrete Rechte und Pflichten bestimmter Bürger in ihren Rechtsverhältnissen zu bestimmten Verwaltungsrechtssubjekten festzusetzen. Hingegen müssen sie schon bei der Wahl der Handlungsform des Gesetzes die Gleichbehandlung aller Bürger und deren Interesse an einer effektiven Wahrnehmung und Durchsetzung ihrer Rechte, also an effektivem Rechtsschutz, beachten (Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 3 Abs. 1 GG; BVerfGE 49, 252, 257; BVerfGE 44, 302, 306; Papier, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, § 154 RdNrn. 14 ff). Da eine solche verfassungsrechtliche Rechtfertigung hier nicht ersichtlich und auch unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien im Gesetzgebungsverfahren nicht geprüft worden ist, scheidet eine Auslegung des Gesetzes als eine sich selbst vollziehende Aufhebung von Verwaltungsakten aus (vgl. schon zu § 10 Abs. V AAÜG: BVerfG, Beschluß der 3. Kammer des 1. Senats vom 4. Mai 1992 – 1 BvR 1815/91 und Senatsurteil vom 27. Januar 1993, BSGE 72, 50, 57). Einen Selbstvollzug des Gesetzes gibt es auch im Sozialverwaltungsrecht grundsätzlich nicht (näher dazu Senatsurteil vom 16. November 1995 – 4 RK 1/94, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Weil sich die Bewilligung der Leistung also nicht „kraft Gesetzes” (und auch nicht auf sonstige Weise) „erledigt” hat, also nicht unwirksam (d.h. nichtig) geworden ist i.S. von § 39 Abs. 2 SGB X, greift die Ermächtigung zur Feststellung der Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes und der Beseitigung des durch ihn veranlaßten Rechtsscheins aus § 40 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X nicht zugunsten der Beklagten ein. Denn § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG hat die Bewilligung vom 29. November 1990 weder aufgehoben noch außer Kraft gesetzt.
b) Der Wortlaut der Vorschrift enthält ferner keine Andeutung, den Versorgungsträgern solle die Befugnis erteilt werden, Bewilligungen von Versorgungsleistungen i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 1 AAÜG aufzuheben. Denn die Anordnung, bewilligte Ansprüche auf Versorgungsleistungen bei Vorliegen der in Nr. 4 a.a.O. genannten Voraussetzungen nicht mehr zu erfüllen, bedeutet weder nach allgemeinem noch nach juristischem Sprachgebrauch die Zuweisung der Rechtsmacht, die sich aus dem begünstigenden Verwaltungsakt ergebenden Ansprüche durch Aufhebung des Verwaltungsaktes zu vernichten. Es bedarf keiner Darlegung, daß in dem dem rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalt unterliegenden Eingriffsrecht nicht von der gesetzlichen Zuweisung einer Aufgabe auf die Verleihung einer Ermächtigung zu Eingriffen geschlossen werden darf. Erst recht scheidet eine richterrechtliche Begründung von Eingriffsermächtigungen aus.
§ 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG hat vielmehr ausschließlich materiell-rechtliche Bedeutung, d.h. er ändert die gesetzliche Anspruchsgrundlage für die Gewährung der Versorgungsleistung. Die Änderung oder Aufhebung einer gesetzlichen Anspruchsgrundlage hat jedoch keine Auswirkung auf die Wirksamkeit eines begünstigenden Verwaltungsaktes (oder eines verwaltungsrechtlichen Vertrages), der auf der Grundlage des bislang maßgeblichen materiellen Rechts wirksam erlassen worden ist. Wie gerade auch die Regelungen der §§ 44 ff, insbesondere des § 48 SGB X zeigen, bildet der Verwaltungsakt eine wirksame und rechtsbeständige Anspruchsgrundlage gerade auch dann, wenn die ihm zugrundeliegende materiell-rechtliche Norm nachträglich geändert wird. Der mit ihm bewilligte Anspruch bleibt grundsätzlich – mit der Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) durchsetzbar – bestehen, solange und soweit der begünstigende Verwaltungsakt nicht wirksam aufgehoben wird. § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG beschränkt sich also darauf, die materiell-rechtlichen Bestimmungen über die Gewährung der dort genannten Versorgungsleistungen zu ändern. Das AAÜG hat – entgegen der Ansicht der Beklagten – den Versorgungsträgern für die Umsetzung dieser materiell-rechtlichen Änderungen keine besonderen Eingriffsbefugnisse verliehen. Anders als in den vergleichbaren materiell-rechtlichen Regelungen (z.B. in § 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1 AAÜG) hat das Gesetz dem § 13 AAÜG keine den besonderen Eingriffsermächtigungen in § 10 Abs. 5 AAÜG entsprechende Regelung beigefügt und auch nicht, anders als in § 11 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 Satz 5 a.a.O. auf § 10 Abs. 5 AAÜG verwiesen. Dies bekräftigt, daß § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG nur eine materiell-rechtliche Regelung enthält, für deren Umsetzung der Verwaltung die ihr allgemein zugewiesenen gesetzlichen Eingriffsermächtigungen zur Verfügung stehen.
§ 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG verdrängt also § 48 Abs. 1 SGB X als Eingriffsermächtigung nicht.
3. Die Beklagte war auch nicht aufgrund der von ihr angesprochenen „Vorbehalte” in ihrer Formularanfrage oder dem Anhörungsschreiben vom 29. Januar 1992 zur Aufhebung der Bewilligung der Leistung befugt.
a) Die Auslegung des rechtlichen Gehalts der Formularanfrage, die der Kläger am 25. Dezember 1991 beantwortet hat, ergibt, daß es sich um eine – inhaltlich unzutreffende – Mitteilung, nicht um die ihrer Rechtsnatur nach den Erlaß eines belastenden Verwaltungsaktes darstellende nachträgliche Beifügung einer Nebenbestimmung handelt. Die Beklagte hat nämlich den Kläger darauf aufmerksam gemacht, die Gewährung der Versorgung stehe unter dem Vorbehalt einer rückwirkenden Änderung, wenn seine Angaben unvollständig oder unrichtig seien. In keinem der dem Kläger zuvor erteilten Bescheide gab es einen derartigen Vorbehalt. Aus der hier maßgeblichen Sicht eines verständigen, an Treu und Glauben orientierten Adressaten, der im Zweifel davon ausgeht, daß die Behörde sich rechtmäßig verhalten will, liegt es nahe anzunehmen, die Behörde habe nur auf die Rechtslage hinweisen, d.h. über die bestehende Rechtslage belehren wollen. Würde hingegen dieser Hinweis als nachträgliche Änderung der Leistungsbewilligung durch Beifügung eines Rücknahmevorbehaltes verstanden, wäre dieser Verwaltungsakt nach ständiger Rechtsprechung des BSG, deren Maßgeblichkeit für den gesamten Bereich des Rentenüberleitungsrechts (EV Nr. 9) der Senat bereits betont hat (BSGE 72, 50, 55 durch Bezugnahme u.a. auf BSG SozR 3-1300 § 32 Nrn 2, 4; SozR 3-1200 § 42 Nr. 2), offensichtlich rechtswidrig (dazu näher unten). Jedenfalls ist die inhaltlich unzutreffende Belehrung über einen rechtlich nicht bestehenden Vorbehalt keine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Beklagte, die Bewilligung der befristeten erweiterten Versorgung aufzuheben.
b) Im Ergebnis dasselbe gilt für den „Vorbehalt” im Schreiben vom 29. Januar 1992. Dort heißt es lediglich, die Zahlung der Versorgungsleistung ab 1. Dezember 1991 erfolge unter dem Vorbehalt der Rückforderung. Zwar spricht der Gesamtzusammenhang des Schreibens dafür, daß die Beklagte die Bewilligung nachträglich und für Bezugszeiten ab Dezember 1991 insoweit abändern und unter den genannten Vorbehalt stellen wollte. Abgesehen davon, daß ein „Rückforderungs”-Vorbehalt kaum in einen Aufhebungs- oder Rücknahmevorbehalt umgedeutet werden darf, weil dessen Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Regelung 2 SGB X), gibt es für diesen belastenden Verwaltungsakt keine Ermächtigungsgrundlage. § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG verleiht als ausschließlich materiell-rechtliche Regelung keine Eingriffsbefugnisse. Spezielle Eingriffsermächtigungen gibt es nicht. Da auf befristete erweiterte Versorgung ein Rechtsanspruch besteht, dürfen gemäß § 32 Abs. 1 SGB X dem Bewilligungsbescheid Nebenbestimmungen nur beigefügt werden, wenn sie unter Wahrung des Zwecks der Bewilligung (Abs. 3 a.a.O.) sicherstellen sollen, daß die Bewilligung bei Eintritt ihrer inneren Wirksamkeit mit der Rechtsordnung übereinstimmt. Nach Erlaß eines solchen Verwaltungsaktes, d.h. also nach Eintritt seiner äußeren Wirksamkeit mit seiner Bekanntgabe, darf diesem eine Nebenbestimmung deswegen nur noch bis zum Eintritt seiner inneren Wirksamkeit beigefügt werden. Wird hingegen – wie hier von der Beklagten beabsichtigt – die Nebenbestimmung erst beigefügt, wenn der Regelungsinhalt des Verwaltungsaktes bereits in Kraft getreten ist, bedeutet dies die Aufhebung des Verwaltungsaktes und seinen Wiedererlaß mit der Nebenbestimmung (so auch Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG § 36 RdNr. 64; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 10. Aufl., § 47 RdNr. 25). Die Beklagte kann sich für eine solche Regelung auf keine gesetzliche Ermächtigung berufen. Hierauf ist nicht weiter einzugehen, weil der einem leistungsbewilligenden Verwaltungsakt rechtswidrig beigefügte Vorbehalt nicht zu Lasten des Begünstigten vollzogen werden darf (BSG SozR 3-1300 § 32 Nr. 2 S. 23 m.w.N.).
Die von der Beklagten angesprochenen Vorbehalte können somit die Anwendung von § 48 Abs. 1 SGB X nicht hintanhalten.
4. Auch § 9 SVersLV vom 26. Juni 1992 (BGBl. I, 1174) enthält keine, insbesondere keine spezielle oder sonst vorrangige Ermächtigungsgrundlage zur Aufhebung der Leistungsbewilligung. Diese Rechtsverordnung ist am 30. Juni 1992 im Bundesgesetzblatt (BGBl.) verkündet worden und gemäß § 11 a.a.O. mit Wirkung vom 1. Juli 1992 in Kraft getreten; sie hat sich keine Rückwirkung beigelegt. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SVersLV sind zuviel gezahlte Versorgungsleistungen zu erstatten. In Satz 2 a.a.O. werden Regelbeispiele für zuviel gezahlte Versorgungsleistungen und darunter (Nr. 2 a.a.O.) auch Versorgungsleistungen genannt, die nach § 13 AAÜG einzustellen sind. Nach § 9 Abs. 2 SVersLV kann in den Fällen des Abs. 1 „von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen mit Zustimmung der jeweils zuständigen obersten Dienstbehörde oder einer von ihr bestimmten Stelle ganz oder teilweise abgesehen werden”. Augenfällig enthält diese Verordnung nähere Regelungen nur über die Rückforderung von Versorgungsleistungen. Versorgungsleistungen, die aufgrund wirksam gebliebener Verwaltungsakte erbracht worden sind, sind aber, solange der begünstigende Verwaltungsakt nicht aufgehoben worden ist, niemals zuviel gezahlt worden. § 9 SVersLV enthält also schon nach seinem thematischen Geltungsbereich keine Ermächtigung zur Aufhebung von Versorgungsleistungen bewilligenden Verwaltungsakten. § 48 Abs. 1 SGB X wird also nicht verdrängt.
5. Die Beklagte war nach Maßgabe von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X nur befugt und verpflichtet, die Bewilligung der Leistung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Hierüber streiten die Beteiligten nicht mehr. Hingegen war sie nicht nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X ermächtigt, den Bewilligungsbescheid rückwirkend, d.h. für die Zeit ab 1. Dezember 1991, aufzuheben.
a) Mit Ablauf des 31. Dezember 1991 ist gegenüber den Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des begünstigenden Verwaltungsaktes nachträglich eine wesentliche materiell-rechtliche Änderung eingetreten. Denn ab 1. Januar 1992 konnten die in § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG genannten Versorgungsleistungen (auf gesetzlicher Grundlage) nicht mehr beansprucht werden, falls ihnen „auch Zeiten einer verdeckten Tätigkeit als hauptberuflicher Mitarbeiter des MfS/AfNS zugrunde lagen”.
aa) Diese Rechtsänderung ist – entgegen der Ansicht der Beklagten – zum 1. Januar 1992 eingetreten:
Die Vorschrift wurde durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. c RÜG-ÄndG in das AAÜG eingefügt. Äußere Wirksamkeit erlangte dieses Gesetz und damit die in Nr. 4 a.a.O. geregelte Ergänzung des § 13 AAÜG zum Zeitpunkt der Verkündung des RÜG-ÄndG im BGBl. am 24. Dezember 1991. Nach Art. 3 RÜG-ÄndG trat dieses Gesetz (mit Ausnahme des Art. 1 Nr. 5 Buchst. a) „mit Wirkung vom 1. Dezember 1991 in Kraft”. Dies bedeutet aber nicht, daß § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG in „echter Rückwirkung”, d.h. unter „Rückbewirkung von Rechtsfolgen” zum 1. Dezember 1991 (oder sogar zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des AAÜG zum 1. August 1991) innere Wirksamkeit erlangt hätte. Rechtsnormen werden nämlich erst zum Zeitpunkt ihrer Verkündung existent; sie ist letzter und unverzichtbarer Akt des Rechtsetzungsverfahrens (BVerfGE 63, 343, 353 f; 72, 200, 241; BSG SozR 3-4100 § 45 Nr. 3). Sie erlangen erst mit der amtlichen Bekanntgabe des Gesetzeswortlautes durch die Ausgabe des Gesetzblattes und dem Inverkehrbringen des ersten Stücks der jeweiligen Nummer des Gesetzblattes äußere Wirksamkeit (BVerfGE 87, 48, 60; 63, 343, 353; 16, 6, 16). Erst dann können die Betroffenen sich verläßlich Kenntnis vom Gesetzesinhalt verschaffen (BVerfGE 65, 283, 291).
Die Auffassung der Beklagten von der („echt”) rückwirkenden Inkraftsetzung des Gesetzes zum 1. Dezember 1991 ist unvereinbar mit der spezialgesetzlichen Inkraftsetzung in § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG selbst und der gebotenen verfassungsorientierten Auslegung des Gesetzes. Art. 3 RÜG-ÄndG enthält eine allgemeine, d.h. für alle Regelungen in diesem Gesetz grundsätzlich geltende Inkraftsetzung zum 1. Dezember 1991. In § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG ist aber spezialgesetzlich auf den Ersten des auf die Verkündung dieses Gesetzes folgenden Kalendermonats abgestellt. Da Nr. 4 a.a.O. erstmals durch das am 24. Dezember 1991 verkündete Gesetz Gesetzeskraft erlangen konnte, hat diese Regelung mit Beginn des Folgemonats materiell-rechtliche, d.h. innere Wirksamkeit erlangt. Damit knüpft das Gesetz – vertragstreu – an EV Nr. 9 Buchst. e an; dort war einem näher umgrenzten Kreis von Berechtigten, die u.a. Ansprüche auf die jetzt in §§ 9 Abs. 1, 13 Abs. 1 AAÜG erfaßte Leistungen hatten, durch bundesrechtliches Übergangsrecht zugesichert worden, diese Leistungen würden bis zur Überführung der in die Rentenversicherung überführbaren Versorgungsansprüche am 31. Dezember 1991 (ohne sog. Zahlbetragsgarantie) weitergewährt. Die verfassungsorientierte Gesetzesauslegung hat davon auszugehen, daß dem Deutschen Bundestag vor Augen stand, durch diese Vorschrift werde er die gesetzlichen Grundlagen für im. Einzelfall nach Bundesrecht bindend zuerkannte Versorgungsansprüche umgestatten. Für den Fall, daß das Parlament gleichwohl die Rechtsfolgen der neuen Regelung rückwirkend für Zeiten vor der Verkündung dieses Gesetzes hätte in Kraft setzen wollen, wäre es rechtsstaatlich verpflichtet gewesen, zwischen Rechtssicherheit und insbesondere schutzwürdigem Vertrauen auf bindende Verwaltungsakte einerseits und dem vom Gesetz verfolgten Interesse an der Leistungsbegrenzung für OibE andererseits abzuwägen. Den Gesetzesmaterialien ist keine Andeutung zu entnehmen, die Gesetzgebungsorgane hätten die rechtsstaatlich gebotenen Abwägungen vorgenommen.
bb) Mit Ablauf des 31. Dezember 1991 hatten Ansprüche auf die von § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG erfaßten Versorgungsleistungen keine gesetzliche Grundlage mehr, als diesen auch Zeiten einer verdeckten Tätigkeit als hauptberuflicher Mitarbeiter des MfS/AfNS zugrunde lagen. Wenn diese Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt waren, waren die Versorgungsträger gesetzlich angewiesen, die neue Rechtslage mit den ihnen im übrigen zur Verfügung gestellten Eingriffsermächtigungen möglichst weitgehend umzusetzen. Deshalb war diese Rechtsänderung seither immer „wesentlich” i.S. von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X.
c) Die Beteiligten streiten nicht mehr darüber, daß die Beklagte im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen ist, bei dem Kläger sei diese wesentliche Änderung eingetreten. Allerdings bedarf der Wortlaut des Gesetzes einer am Zweck der Vorschrift orientierten Einengung. Denn der Versorgungsleistung, die dem Kläger weiter gewährt, worden ist, lag seine – verdeckende – Tätigkeit bei der Zollverwaltung zugrunde; die bundesrechtlich anerkannten Versorgungsleistungen an verdeckte Mitarbeiter des MfS waren ausschließlich nach Maßgabe der Sonderversorgungsordnungen für die in Anl. 2 Nrn. 1 bis 3 AAÜG verrichteten Tätigkeiten, also den verdeckenden Beschäftigungen, begründet. „Zeiten” einer Tätigkeit für das MfS waren für diese Versorgungsleistungen nach Grund und Höhe ohne Belang. Aus dem insoweit irreführenden Wortlaut wird aber noch hinreichend klar, daß der Deutsche Bundestag Sonderversorgungsleistungen nicht mehr zuerkennen wollte, soweit sie auf einer verdeckenden Tätigkeit, inhaltlich aber auf einer verdeckten Tätigkeit als hauptberuflicher Mitarbeiter des MfS/AfNS beruhten. Dabei ging er davon aus, es sei der Allgemeinheit nicht mehr zumutbar, diesen Sonderversorgungsberechtigten aus Steuermitteln besondere Übergangsleistungen zu erbringen, weil sie nach den Wertmaßstäben des GG eine Unrechtstätigkeit (dazu stellvertretend Vorlagebeschluß des Senats vom 14. Juni 1995 – 4 RA 54/94 –) verrichtet haben. Denn das alltägliche, berufsmäßige und von konkreten Gefahren nicht veranlaßte Ausspionieren von (scheinbaren) Arbeitskollegen und Arbeitsbereichen im Auftrag einer die Gesellschaft durchdringenden Überwachungsorganisation greift derart in die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG) ein, daß es weder durch das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) noch durch die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 Halbsatz 2 Regelung 3 GG) geschützt wird. Die Beendigung gesetzlicher Ansprüche auf Übergangsleistungen, die auf dieser Unrechtstätigkeit der verdeckt tätigen Stasi-Offiziere beruhen, ist auch im übrigen nicht verfassungswidrig. Die Versorgungsleistungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 AAÜG/EV Nr. 9 Buchst. e) sind Fürsorgeleistungen, die den aus dem aktiven Dienst entlassenen Offizieren einen Teil der Differenz zwischen ihrem bisherigen Gehalt und den Einkünften aus ihrer Zivilbeschäftigung oder aus Erwerbsersatzeinkommen ausgleichen (stellvertretend hierzu BSG SozR 3-8570 § 11 Nr. 2). Ein sachlicher Grund, die von § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG erfaßten Stasi-Mitarbeiter von dieser fürsorgenden Vergünstigung auszuschließen, liegt vor. Die Regelung ist nicht unverhältnismäßig. Soweit die bislang Berechtigten in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert oder wegen Alters außerstande sind, ihren Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit zu bestreiten, stehen ihnen seit dem 1. Januar 1992 nach den Vorschriften des SGB VI Ansprüche auf entsprechende Renten zu; soweit sie krank und arbeitsunfähig sind, werden sie gemäß § 309 Abs. 2 ff Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) geschützt (stellvertretend BSG SozR 3-8570 § 12 Nr. 1); soweit sie arbeitslos, aber arbeitsfähig und arbeitswillig sind, können ihnen Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zustehen.
Nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG war der Kläger von 1976 jedenfalls bis zum November 1989 hauptberuflicher Mitarbeiter des MfS und für dieses bei der Zollverwaltung verdeckt tätig.
Die Beklagte war demnach gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ermächtigt und verpflichtet, die Bewilligung der befristeten erweiterten Versorgung im Bescheid vom 29. November 1990 mit Wirkung für die Zukunft, d.h. für Bezugszeiten nach Bekanntgabe des streitigen Bescheides vom 27. Februar 1992 aufzuheben; seither hat der Kläger weder aufgrund des Gesetzes noch kraft Verwaltungsakt einen Anspruch auf eine befristete erweiterte Versorgung.
6. Die Beklagte durfte jedoch den Bewilligungsbescheid nicht rückwirkend, d.h. für Zeiten vor Bekanntgabe des streitigen Bescheides, aufheben:
Liegen – wie hier – die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X vor, soll nach Satz 2 a.a.O. der Verwaltungsakt mit Wirkung zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit einer der in Satz 2 Nrn 1 bis 4 a.a.O. genannten Tatbestände erfüllt ist. Keiner Darlegung bedarf, daß die Tatbestände nach Satz 2 Nr. 1 (Änderung zugunsten des Betroffenen) oder Nr. 3 (anzurechnendes Einkommen oder Vermögen) nicht in Betracht kommen.
Obwohl der Kläger bei der Beantwortung der Formularanfrage der Beklagten offensichtlich vorsätzlich die Unwahrheit über seine Tätigkeit für das MfS gesagt hat, sind weder der Tatbestand von Satz 2 Nr. 2 (Mitteilungspflichtverletzung) noch derjenige der Nr. 4 a.a.O. (bösgläubige Berufung auf den Verwaltungsakt) erfüllt.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X soll der Verwaltungsakt rückwirkend aufgehoben werden, soweit „der Betroffene eine durch Rechtsvorschrift vorgeschriebene Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist”.
Voraussetzung ist also, daß der Betroffene gesetzlich verpflichtet war, die (objektiv wesentliche und für ihn nachteilige) Änderung i.S. von § 48 Abs. 1 Satz 1 a.a.O. dem Verwaltungsträger mitzuteilen; ferner muß er diese Pflicht (Obliegenheit) verletzt, d.h. ohne rechtfertigenden Grund nicht erfüllt haben; weiterhin muß das ungerechtfertigte Unterlassen der gesetzlich gebotenen Mitteilung auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruhen; darüber hinaus muß der so qualifizierte Pflichtverstoß wesentliche Bedingung dafür geworden sein, daß der Leistungsträger die Anpassung des Verwaltungsaktes (bei vorhersehbaren Änderungen) nicht rechtzeitig ab Eintritt der Änderung bzw. (bei überraschenden Änderungen) nicht rechtzeitig, zum nächstmöglichen Zeitpunkt vornehmen konnte.
Es kann dahinstehen, ob der Kläger durch seine unwahren Angaben in dem von ihm am 25. Dezember 1991 ausgefüllten Fragebogen eine Mitteilungspflicht i.S. von § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I verletzt hat. Dies könnte fraglich sein, weil die Beklagte in dem übersandten Fragebogen im Blick auf seine verdeckte Tätigkeit für das MfS nur um Auskünfte ersucht hat, die zum Zeitpunkt der Absendung des Fragebogens noch nicht, wohl aber bei der Abgabe der Erklärung durch den Kläger „für die Leistung erheblich” (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I) waren; § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG war – wie ausgeführt – am 24. Dezember 1991 verkündet und damit bei Abgabe der Erklärung am 25. Dezember 1991 äußerlich wirksam (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 30. Januar 1996 – 4 RA 16/95 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Die falsche Angabe des Klägers hat nämlich jedenfalls nicht zu einer weiteren Verzögerung der Abänderung des ihn begünstigenden Verwaltungsaktes geführt. Denn auch dann, wenn der Kläger die Wahrheit gesagt hätte, wäre es der Beklagten – wie der Ablauf zeigt – erst im Februar 1992 möglich gewesen, den Verwaltungsakt zu erlassen.
Die Beklagte war also nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X nicht ermächtigt, die Bewilligung der befristeten erweiterten Versorgung rückwirkend aufzuheben.
7. Im Ergebnis dasselbe ergibt sich auch bei Anwendung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X. Nach dieser Vorschrift soll der Dauerverwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufgehoben werden, soweit der Betroffene wußte oder nicht wußte, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, daß der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen, oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Dieser Rückwirkungstatbestand setzt objektiv voraus, daß der sich aus dem Dauerverwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Nachteil des Berechtigten geändert worden ist. Subjektiv wird verlangt, daß der Berechtigte dies weiß oder nur deshalb nicht weiß, weil er die ihm gegenüber dem Leistungsträger mögliche, gebotene und erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße, d.h. grob fahrlässig (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X), verletzt hat.
a) Schon der objektive Tatbestand ist in direkter Anwendung des Wortlauts der Vorschrift nicht erfüllt. Denn der sich aus dem Verwaltungsakt (Bewilligung der Leistung) ergebende Anspruch des Klägers ist durch die materiell-rechtliche Änderung der gesetzlichen Anspruchsgrundlage weder zum Ruhen gebracht noch ganz oder teilweise weggefallen. Gerade im Regelungszusammenhang des § 48 Abs. 1 SGB X unterscheidet das SGB X zwischen den Ansprüchen aus Gesetz, aus Vertrag und aus Dauerverwaltungsakt. Während Ansprüche aus verwaltungsrechtlichem Vertrag, nur in den Grenzen des § 59 SGB X abgeändert werden dürfen, führt eine bloße Abänderung des gesetzlichen Anspruchs gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X nur zur Aufhebung des Dauerverwaltungsaktes mit Wirkung für die Zukunft. Wäre demgegenüber – entgegen dem Wortlaut von Nr. 4 a.a.O. – der objektive Rückwirkungstatbestand immer schon dann erfüllt, wenn der sich aus dem Gesetz ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Nachteil des Bürgers abgeändert worden ist, so wäre der objektive Rückwirkungstatbestand in Nr. 4 a.a.O. mit dem objektiven Tatbestand von Satz 1 a.a.O. insoweit deckungsgleich und deshalb überflüssig. Für die Rückwirkungsermächtigung käme es dann allein auf den subjektiven Tatbestand an.
Mit dem Wortlaut des Gesetzes ist vielmehr darauf abzustellen, daß der objektive Rückwirkungstatbestand grundsätzlich nur erfüllt ist, wenn speziell der sich aus dem Dauerverwaltungsakt ergebende Anspruch, also nicht bloß der Anspruch aus Gesetz (oder aus Vertrag), gerade „kraft Gesetzes” (also nicht durch Verwaltungsakt) zum Ruhen gekommen ist. Da aber – wie ausgeführt – es den Organen der gesetzgebenden Gewalt nur ausnahmsweise und nur bei besonderer verfassungsrechtlicher Rechtfertigung (z.B. bei Funktionsausfall der vollziehenden Gewalt) erlaubt ist, eine durch Verwaltungsakt zuerkannte günstige Rechtsposition „kraft Gesetzes” zu entziehen oder nachteilig zu verändern, hat der Rückwirkungstatbestand des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X nur einen engen Anwendungsbereich.
Im Falle des Klägers ist der objektive Tatbestand nicht erfüllt. Der Anspruch, der sich für ihn aus der Leistungsbewilligung der Beklagten ergibt, ist durch die bloße materiell-rechtliche Regelung des § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG nicht „kraft Gesetzes” entfallen, sondern kann nur durch aufhebenden Verwaltungsakt wegfallen. Daher bedarf keiner Darlegung, daß der subjektive Rückwirkungstatbestand nicht erfüllt ist.
b) Gleichwohl ist eine sinngemäße Anwendung dieser Rückwirkungsermächtigung über ihren sehr begrenzten unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus (vgl. BSGE 65, 185, 189 = SozR 1300 § 48 Nr. 57) in eng begrenztem Umfang auch auf solche Fallgestaltungen geboten, bei denen lediglich der dem Dauerverwaltungsakt zugrundeliegende gesetzliche Anspruch zum Ruhen gekommen oder weggefallen ist, ohne daß der sich aus dem Verwaltungsakt selbst ergebende Anspruch kraft Gesetzes dasselbe Schicksal erfahren hätte:
Nr. 4 a.a.O. erfaßt in der wortlautgemäßen Anwendung Fälle, in denen der Berechtigte weiß (oder nur grob fahrlässig nicht weiß), daß der ihn materiell begünstigende Verwaltungsakt durch das Gesetz selbst unwirksam gemacht worden ist; falls er gleichwohl wegen der verbliebenen Handlungsform „Verwaltungsakt” noch auf diesen vertraut, ist dies nicht mehr schutzwürdig. Eine in allen wesentlichen Punkten vergleichbare Lage kann aber auch dann eintreten, wenn der durch den Dauerverwaltungsakt Begünstigte weiß (oder grob fahrlässig nicht weiß), daß der ihm erteilte Verwaltungsakt von einem bestimmten Zeitpunkt an in einem eindeutig bestimmten Umfang in Widerspruch zur materiellen Rechtslage geraten ist; auch dann kann es treuwidrig sein, wenn der Berechtigte sich auf den (formellen und materiellen) Verwaltungsakt (bösgläubig) beruft.
Im einzelnen hierzu: Hierbei ist das grundsätzliche rechtsstaatliche Verbot der rückwirkenden Anpassung (Verbot der Rückbewirkung von Rechtsfolgen durch die vollziehende Gewalt) zu beachten, das der Wertung des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X zugrunde liegt. Danach ist der Vertrauensschutz des Bürgers auf den Bestand der im Dauerverwaltungsakt zugesagten Begünstigung grundsätzlich und in aller Regel höher einzuschätzen als das öffentliche Interesse daran, den Verwaltungsakt möglichst zum Zeitpunkt des Eintritts einer wesentlichen Änderung der materiellen Rechtslage anzupassen. Eine rückwirkende Anpassung zum Nachteil des Bürgers ist (abgesehen von der Einkommens- oder Vermögensanrechnung nach Satz 2 Nr. 3 und Satz 3 a.a.O.) überhaupt nur zulässig, wenn der Begünstigte sich – unter Berücksichtigung seiner persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten – in grober Weise treuwidrig verhalten hat und dies für die Verzögerung der Anpassungsentscheidung wesentliche Bedingung war. Insbesondere ist bei der sinngemäßen Anwendung der Nr. 4 a.a.O. immer zu beachten, daß der Verwaltungsakt, nicht das abstrakte und generelle Gesetz, die individuelle Rechtsposition des Betroffenen gegenüber dem Verwaltungsträger bestimmt. Der Verwaltungsakt entlastet den Bürger von eigener Rechtskenntnis; er entbindet ihn davon, die sich ständig ändernde Vielzahl der das tägliche Leben regelnden verwaltungsrechtlichen Gesetzesvorschriften zu verfolgen und ständig selbst zu prüfen, was, er von der Verwaltung zu Recht beanspruchen kann. Deshalb braucht der aus einem Dauerverwaltungsakt Berechtigte grundsätzlich nicht nachzuhalten, ob sein sich aus dem Verwaltungsakt ergebender Anspruch „kraft Gesetzes” nachträglich entfallen oder zum Ruhen gekommen ist. Insbesondere wird er nicht schon durch die Publikation eines auf Verwaltungsvollzug angelegten Gesetz (z.B. § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG) „bösgläubig”. Er kann weiterhin und sogar dann auf seinen Verwaltungsakt vertrauen, wenn seine Unkenntnis davon, daß der verwaltungsaktliche Anspruch nicht mehr mit der materiellen Gesetzeslage übereinstimmt, nur auf einfacher Fahrlässigkeit beruht.
Die sinngemäße Anwendung der Rückwirkungsermächtigung in Nr. 4 a.a.O. ist daher nur dann erlaubt, wenn positiv festgestellt ist, daß der aus dem Dauerverwaltungsakt Berechtigte erkannt hat (oder grob fahrlässig nicht erkannt hat), daß „sein” Verwaltungsakt von einem bestimmten Zeitpunkt an und in bestimmtem Umfang wegen einer bestimmten Änderung der Verhältnisse nachträglich „kraft Gesetzes” im Widerspruch zur materiellen Rechtslage geraten, d.h. rechtswidrig geworden ist (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Bei der sinngemäßen Anwendung der Vorschrift ist – anders als bei der wortlautgemäßen – eine bösgläubige Berufung auf den Dauerverwaltungsakt wegen der Bindungs- und Vertrauensschutzwirkung des Verwaltungsaktes nur bei Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalles gegeben. Wegen des Unterschiedes zwischen dem gesetzlichen Anspruch und einem solchen, der sich aus einem Verwaltungsakt ergibt, kann das Wissen (bzw. das grob fahrlässige Nichtwissen) um den Wegfall des gesetzlichen Anspruchsgrundes allein nicht zur Erfüllung des sinngemäß angewandten Tatbestandes der Nr. 4 a.a.O. ausreichen. Die Vertrauensschutz- und Entlastungsfunktion der Leistungsbewilligung (BSGE 65, 185, 188 = SozR 1300 § 48 Nr. 57) dürfen nur dann in Frage gestellt werden, wenn der Begünstigte die ihn bösgläubig machende Schlußfolgerung gezogen hat oder er sich diesem Schluß auch unter Würdigung der Funktion des Verwaltungsaktes grob fahrlässig entzogen hat (BSG SozR 1300 § 48 Nr. 22; Kasseler Komm, Steinwedel, § 48 SGB X RdNr. 55). Insbesondere ist der Begünstigte nicht verpflichtet, Gesetzesänderungen zu verfolgen, Hinweise auf eine mögliche Rechtsänderung zur Kenntnis zu nehmen oder die Maßgeblichkeit einer Rechtsänderung für seinen Anspruch nach den Regeln der Rechtswissenschaft zu überprüfen (BSGE 71, 202, 203 = SozR 3-4100 § 45 Nr. 3).
Aufgrund dieser Maßstäbe kommt die sinngemäße Anwendung der Rückwirkungsermächtigung in Nr. 4 a.a.O. nur in Betracht, wenn die Schlußfolgerung, der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch sei inhaltlich mit der Gesetzeslage nicht mehr vereinbar, für jeden, der mit den tatsächlichen und rechtlichen Umständen des Falles vertraut ist, offen auf der Hand liegt. Der Berechtigte muß die Schlußfolgerung entweder gezogen oder dies unter grober Mißachtung der Belange des Verwaltungsträgers unterlassen haben. Besteht die wesentliche Änderung der Rechtslage – wie hier – in einer Änderung des dem Dauerverwaltungsakt zugrundeliegenden Gesetzes, kann grobe Fahrlässigkeit regelmäßig nur vorgeworfen werden, wenn das Änderungsgesetz selbst so eindeutig ausgestaltet ist, daß jeder Betroffene ohne weiteres erkennen kann, daß sein sich aus dem Verwaltungsakt ergebender Anspruch von der Verwaltung zu einem bestimmten Zeitpunkt und in absehbarem Umfang aufgehoben werden muß. Ein gleiches Maß von Klarheit kann z.B. dadurch herbeigeführt werden, daß inhaltlich zutreffende Aufklärungsmaßnahmen der Leistungsträger (§ 13 SGB I) den Berechtigten individuell erreichen, daß er konkret beraten wird (§ 14 SGB I) oder daß er Kenntnis von einer gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung oder von zutreffenden Informationen seines Berufsverbandes erhält. Dies muß jeweils individuell festgestellt werden.
§ 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG vermag eine derartige Klarheit aus sich heraus nicht zu bieten. Wie oben dargelegt, ist sein zeitlicher Geltungsbereich nur im Wege der Auslegung und sein Regelungsinhalt nur durch teleologische Reduktion zu ermitteln. Aus dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt sowie dem Inhalt der in Bezug genommenen Akten ergibt sich kein Hinweis darauf, es könnten die bei der sinngemäßen Anwendung der Nr. 4 a.a.O. erforderlichen besonderen Umstände für das Vorliegen von Bösgläubigkeit des Klägers schon vor Februar 1992 gegeben sein. Schon deswegen ist es nicht i.S. von § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG tunlich, die Sache zwecks weiterer Sachverhaltsaufklärung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
8. Nach alledem war die Beklagte nicht ermächtigt, die Bewilligung der befristeten erweiterten Versorgung für Bezugszeiten vor Februar 1992 rückwirkend aufzuheben. Die hiergegen erhobene Anfechtungsklage war also begründet, so daß die Revision der Beklagten insoweit im Ergebnis ohne Erfolg bleiben mußte.
C. Der zweite im streitigen Bescheid vom 27. Februar 1992 bekanntgegebene Verwaltungsakt, das Gebot, an die Beklagte u.a. die für Dezember 1991 und Januar 1992 gezahlte Versorgungsleistung zurückzuerstatten, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (i.S. von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).
1. Einzig anwendbare Ermächtigungsgrundlage ist § 50 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist durch schriftlichen Verwaltungsakt die zu erstattende Leistung festzusetzen, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist und deswegen bereits erbrachte Leistungen zu erstatten sind.
a) Wie dargelegt, sind die Vorschriften des Ersten Kapitels des SGB X hier anwendbar. § 50 SGB X wird auch nicht durch Spezialregelungen verdrängt. Entgegen der Ansicht der Beklagten enthält § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG keine Ermächtigung, Erstattungspflichten durch Verwaltungsakt festzusetzen. Im Wortlaut der Vorschrift ist nicht einmal andeutungsweise ausgedrückt, sie betreffe die Rückforderung von Versorgungsleistungen.
b) § 9 SVersLV ist gleichfalls nicht anwendbar. Der zeitliche Geltungsbereich dieser Verordnung hat erst mit dem 1. Juli 1992 begonnen. Eingriffsermächtigungen, die ihrer Rechtsnatur nach notwendig materiell-rechtliche Regelungen sind, können den Erlaß eines eingreifenden Verwaltungsaktes nur rechtfertigen, wenn sie im Zeitpunkt des Eingriffs gültiges Recht sind. Zwar enthält § 9 Abs. 1 Satz 1 SVersLV die Regelung eines Anspruchs des Versorgungsträgers gegen den Versorgungsberechtigten auf Erstattung zuviel gezahlter Versorgungsleistungen. In § 9 Abs. 3 Satz 1 a.a.O. wird der Versorgungsträger ermächtigt, den zu erstattenden Betrag durch Bescheid festzusetzen. Insoweit stimmt die Rechtsverordnung mit der höherrangigen Vorschrift des § 50 Abs. 1 und Abs. 3 SGB X überein. Schon deswegen ist hier nicht näher darauf einzugehen, weshalb diese Vorschrift nicht eingreift. Denn der Beklagten steht die streitige Rückforderung nicht zu.
c) Die Beklagte hat den Leistungsbescheid, d.h. die Anordnung, der Kläger habe an sie den überzahlten Betrag der befristeten erweiterten Versorgung zu erstatten, als zuständiger Versorgungsträger (§§ 8 Abs. 4, 9 Abs. 3 AAÜG) nach ordnungsgemäßer Anhörung in der gebotenen Form getroffen, war hierzu aber nicht befugt. Da die hier noch streitige – vorgreifliche – rückwirkende Aufhebung der Leistungsbewilligung keinen Bestand hatte, ist insoweit – entgegen § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X – kein Verwaltungsakt aufgehoben worden. Der Kläger hat vielmehr aufgrund des für ihn und die Beklagte für Bezugszeiten jedenfalls bis zum 31. Januar 1992 bindend gebliebenen Bewilligungsbescheid die befristete erweiterte Versorgung bis zu diesem Zeitpunkt mit Rechtsgrund erlangt.
Nach alledem konnte die Revision der Beklagten keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und Abs. 4 SGG.
Fundstellen