Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden die Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 14. November 1994 und des Sozialgerichts Berlin vom 7. Februar 1994 abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Der Bescheid vom 27. Februar 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 1992 wird aufgehoben, soweit die Bewilligung von befristeter erweiterter Versorgung für die Zeit vom 1. Dezember 1991 bis 31. März 1992 aufgehoben und ein Betrag von 6.264,00 DM zurückgefordert worden ist.
Die Revision der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu einem Drittel, die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens in vollem Umfang zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten zuletzt noch über die Aufhebung der Bewilligung „befristeter erweiterter Versorgung” (beV) für den Zeitraum vom 1. Dezember 1991 bis 31. März 1992 und die Rückforderung von 6.264,00 DM.
Der am 4. Juli 1937 geborene Kläger war vom 2. Juli 1955 bis 31. Juli 1990 in der Zollverwaltung der früheren DDR – zuletzt als Sachgebietsleiter im Rang eines Zolloberrates – beschäftigt und daneben für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit (MfS/AfNS) verdeckt tätig.
Mit „Rentenbescheid zur befristeten erweiterten Versorgung Nr. 177/90” vom 18. Juli 1990 wurde ihm ab dem 1. August 1990 auf den entsprechenden Antrag vom 25. April 1990 eine monatliche Rente in Höhe von 1.566,00 DM gewährt.
Die nunmehrige Beklagte machte den Kläger mit dem nicht datierten Schreiben Nr. 1 u.a. darauf aufmerksam, daß Ansprüche auf beV nach dem Gesetz zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebietes (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz ≪AAÜG≫) vom 25. Juli 1991 (BGBl. I; 1606, 1677, seither mehrfach geändert, zuletzt durch das Zweite SED-Unrechtsbereinigungsgesetz vom 23. Juni 1994, BGBl. I, 1311) nicht in die gesetzliche Rentenversicherung überführt werden. Es sei vorgesehen, die Zahlung u.a. von beV nach der Versorgungsordnung der Zollverwaltung einzustellen, soweit ihr auch Zeiten einer verdeckten Tätigkeit als hauptberuflicher Mitarbeiter des MfS/AfNS zugrunde liegen. Der beigefügte Fragebogen beziehe sich daher – unabhängig von weiteren Ermittlungen von Amts wegen – auch auf derartige Angaben. Als Empfänger von Versorgungsleistungen sei der Kläger im übrigen nach der Versorgungsordnung verpflichtet, alle Umstände und Änderungen von Verhältnissen, die für die Gewährung bzw. Höhe der Leistung erheblich sind, unverzüglich mitzuteilen. U.a. für die ordnungsgemäße Fortzahlung der Versorgungsleistung werde gebeten, den beigefügten Fragebogen bis zum 27. Dezember 1991 ausgefüllt zurückzusenden. Die weitere Gewährung der Versorgungsleistung erfolge unter dem „Vorbehalt einer rückwirkenden Änderung, sofern eine rechtzeitige Rücksendung des Fragebogens unterbleibe”.
In dem von ihm am 24. Dezember 1991 unterzeichneten und am 7. Januar 1992 bei der Beklagten wieder eingegangenen Fragebogen verneinte der Kläger daraufhin die Frage, „ob er in der Vergangenheit, gegebenenfalls zeitweise, als Offizier im besonderen Einsatz (OibE) des ehemaligen MfS/AfNS tätig gewesen bzw. in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis zu diesem Ministerium gestanden habe”. Gleichzeitig bestätigte er abschließend durch seine Unterschrift, ihm sei bekannt, „daß die weitere Gewährung der Versorgungsleistungen nach der VSO … unter dem Vorbehalt der rückwirkenden Änderung stehe, wenn seine vorstehenden Angaben unvollständig oder unrichtig sind”.
Mit weiterem Schreiben Nr. 2 vom 29. Januar 1992 wurde dem Kläger daraufhin mitgeteilt, daß er nach den durchgeführten Ermittlungen als hauptberuflicher Mitarbeiter verdeckt für das MfS/AfNS tätig gewesen sei. Es sei daher gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG in der Fassung des Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Renten-Überleitungsgesetzes (RÜG-ÄndG) vom 18. Dezember 1991 (BGBl. I, 2207) beabsichtigt, den Rentenbescheid Nr. 177/90 rückwirkend zum 1. Dezember 1991 aufzuheben (§ 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch ≪SGB X≫), die Zahlung der beV mit Wirkung ab demselben Zeitpunkt einzustellen und die seither gezahlten Versorgungsleistungen zurückzufordern (§ 50 Abs. 1 SGB X). Die Zahlung der Versorgungsleistungen ab dem 1. Dezember 1991 erfolge unter dem „Vorbehalt der Rückforderung”.
In seiner hierzu am 19. Februar 1992 bei der Beklagten eingegangenen Stellungnahme vom 15. Februar 1992 wies der Kläger im wesentlichen darauf hin, daß er als Mitarbeiter der Zollverwaltung durchgehend ausschließlich nach deren Befehlen und Weisungen gehandelt habe. Sein gegenwärtiger und künftiger Anspruch auf Versorgung leite sich demgemäß aus der Versorgungsordnung der Zollverwaltung ab. Aufgrund seiner Tätigkeit als Sachgebietsleiter im Bereich Zollfahndungsdienst sei eine Zusammenarbeit mit dem MfS hinsichtlich der Bekämpfung, der Rauschgift- sowie der Zoll- und Devisenkriminalität „nicht unbestritten” und im Rahmen der Ermittlungstätigkeit zu gezielten Zolldelikten üblich und zu den konkreten Zeiten (DDR) ein notwendiges Erfordernis gewesen.
Mit Bescheid vom 27. Februar 1992 hob die Beklagte den Rentenbescheid über die Bewilligung der beV ab 1. Dezember 1991 auf, stellte die Leistung ein und forderte zugleich die Überzahlung für den Zeitraum von Dezember 1991 bis März 1992 in Höhe von insgesamt 6.264,00 DM zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Versorgungsträger sei an die gesetzliche Regelung gebunden und dürfe hiervon auch in Härtefällen nicht abweichen. Arbeitslose könnten Leistungen des Arbeitsamtes beanspruchen.
Der hiergegen am 24. März 1992 zunächst eingelegte Widerspruch blieb erfolglos und führte zur Bestätigung der Ausgangsentscheidung mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juni 1992.
Zur Begründung seiner daraufhin am 9. Juli 1992 zum Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage hat der Kläger im wesentlichen vorgetragen, nach dem Einigungsvertrag (EV) obliege es der Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolgerin der DDR, seine auf der Versorgungsordnung der Zollverwaltung der DDR beruhenden Versorgungsansprüche zu befriedigen. Ein Rechtsverhältnis zum Versorgungssystem des MfS habe seiner Kenntnis nach allenfalls subsidiär bestanden; ein sich hieraus evtl. ergebender Anspruch sei ihm nie zuteil geworden, er strebe dies auch nicht an. Das nunmehr zugrunde gelegte Gesetz vom 18. Dezember 1991 greife unter Verstoß gegen den EV und das Grundgesetz (GG) zu Unrecht rückwirkend in seinen Versorgungsanspruch ein. Durch die angegriffenen Bescheide werde allein aufgrund politischer Motivation und in Anwendung der sozialrechtlich nicht begründbaren Kriterien des AAÜG seine Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem des MfS fingiert und auf diese Weise ein erheblicher Eingriff in seine Lebensverhältnisse vorgenommen.
Das SG hat mit Urteil vom 7. Februar 1994 die, angefochtenen Bescheide aufgehoben, „soweit eine Erstattung (Rückforderung) geltend gemacht wurde” und die Klage im übrigen abgewiesen: Die Beklagte habe die beV auf der Grundlage von § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG zu Recht mit Wirkung ab dem 1. Dezember 1991 eingestellt. Der Kläger habe nämlich eine Leistung i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b AAÜG bezogen, der Zeiten einer verdeckten Tätigkeit als hauptberuflicher Mitarbeiter für das MfS zugrunde gelegen hätten. Hiergegen bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Nicht rechtmäßig seien die angefochtenen Bescheide demgegenüber insoweit, als eine Erstattung (Rückforderung) festgesetzt worden sei. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seien die Vorschriften des 3. Abschnitts des 1. Kapitels des SGB X im Falle des § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG nicht anwendbar. Auch eine analoge Anwendung komme nicht in Betracht; in anderen Fällen des AAÜG habe der Gesetzgeber insofern nämlich stets ausdrückliche Regelungen getroffen. Auch der Rückgriff auf einen allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch sei nicht möglich.
Gegen dieses ihr am 28. Februar 1994 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 24. März 1994 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Berlin eingelegt: Ebenso wie im Falle des § 10 AAÜG ergebe sich auch bei § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG die gesetzliche Grundlage gleichermaßen für die rückwirkende Aufhebung des Rentenbescheides wie auch für die Rückforderung überzahlter Leistungen unmittelbar aus der Vorschrift selbst. Auch wenn man dieser Ansicht nicht folgen wolle, könne die Rückforderung jedenfalls auf § 50 SGB X oder den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gestützt werden.
Mit Schreiben vom 30. Mai 1994 hat das LSG die Klägervertreter darauf hingewiesen, daß Gegenstand des Berufungsverfahrens bislang allein die Rechtmäßigkeit des Erstattungsanspruchs sei. Falls die Vorschriften des SGB X über die Aufhebung von Verwaltungsakten zur Anwendung kommen sollten, wäre dieser Erstattungsanspruch bereits deshalb gegeben und damit die Berufung der Beklagten begründet, weil das SG die Einstellung der Versorgung mit Wirkung vom 1. Dezember 1991 für rechtens erachtet, also die Aufhebungsentscheidung in den angefochtenen Bescheiden als rechtmäßig angesehen habe. Der Kläger hat daraufhin am 8. Juni 1994 zunächst Anschlußberufung eingelegt, diese in der mündlichen Verhandlung vom 14. November 1994 aber wieder zurückgenommen.
Das LSG hat mit Urteil vom 14. November 1994 die Klage auch insoweit abgewiesen, „als die Rückforderung der Beklagten für, die Zeit ab 1. Januar 1992 im Streit ist”. Im übrigen hat es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Das LSG hat seine Entscheidung im wesentlichen damit begründet, daß es hinsichtlich einer Rückforderung der für den Monat Dezember 1991 erbrachten Leistung an der erforderlichen Rechtsgrundlage fehle. Dies ergebe sich für § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG schon daraus, daß die Vorschrift erst durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. c RÜG-ÄndG eingefügt worden sei, der unveränderte Eingangssatz des jetzigen § 13 Abs. 1 AAÜG die Einstellung von Zahlungen jedoch nicht rückwirkend, sondern erst vom Beginn des auf die Verkündung des Gesetzes folgenden Kalendermonats an gestatte. Darüber hinaus biete § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG ohnehin keine Grundlage für die streitige Rückforderung. Ebenso konnten die Bestimmungen des 3. Abschnitts des 1. Kapitels des SGB X bereits deshalb nicht zur Anwendung gelangen, weil Ansprüche der in Frage stehenden Art nicht in die gesetzliche Rentenversicherung überführt worden seien und damit der in § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB X umschriebene Anwendungsbereich des Gesetzes nicht eröffnet sei. Zudem trete der – von der Beklagten durch Verwaltungsakt lediglich deklaratorisch festzustellende – Wegfall der Leistung unmittelbar kraft Gesetzes ein. Schließlich ergebe sich aus § 16 Abs. 3 AAÜG, daß der Gesetzgeber die Rückforderung überzahlter Versorgungsleistungen vom Verordnungsgeber habe spezialgesetzlich regeln lassen wollen. Die auf dieser Grundlage ergangene Verordnung sei jedoch erst im Juli 1992 in Kraft getreten und demgemäß im vorliegenden Fall noch nicht anwendbar. Allerdings habe die Beklagte die weitere Gewährung der Versorgungsleistungen in ihrem Schreiben vom Dezember 1991 bzw. dem vom Kläger am 24. Dezember 1991 unterzeichneten Fragebogen unter den Vorbehalt einer rückwirkenden Änderung gestellt, sofern eine rechtzeitige Rücksendung des Fragebogens unterbleibe oder die dann gemachten Angaben unvollständig oder unrichtig sind. Nachdem der Kläger den Fragebogen erst verspätet am 7. Januar 1992 übersandt und zudem wahrheitswidrig eine Tätigkeit als OibE verneint habe, seien beide Bedingungen erfüllt, so daß im vorliegenden Fall auch entstandene Überzahlungen für die Zeit vor dem 1. Juli 1992 zurückgefordert werden könnten. Hierin sei eine unbillige Härte nicht zu sehen.
Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie trägt im wesentlichen vor, § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG gebiete eine Leistungseinstellung für die Zeit ab dem 1. Dezember 1991. Soweit § 13 Abs. 1 AAÜG die Einstellung der Zahlungen erst ab dem auf die Verkündung des Gesetzes folgenden Kalendermonat erlaube, beziehe er sich auf die am 25. Juli 1991 verkündete Fassung des Gesetzes. Die Intention des Gesetzgebers, den Anspruch auf die in § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG genannten Leistungen ausnahmslos, d.h. auch nachträglich rückwirkend entfallen zu lassen, lasse sich nur dann uneingeschränkt verwirklichen, wenn in der genannten Vorschrift gleichzeitig eine Rechtsgrundlage für die Rückforderung gesehen werde. Im übrigen sei in § 13 AAÜG eine Verweisung auf die Vorschriften des 3. Abschnitts des 1. Kapitels des SGB X offenbar lediglich aufgrund eines redaktionellen Versehens unterblieben, so daß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X jedenfalls analog zur Anwendung gelangen müsse.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 14. November 1994 – Az: L 16/3 An 19/94 – insoweit aufzuheben, als der Bescheid der Oberfinanzdirektion Berlin vom 27. Februar 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 1992 aufgehoben wird.
Der Kläger hat im Anschluß an die Zustellung der Revisionsbegründung am 3. März 1995 bzw. die nachgeholte Zustellung des LSG-Urteils an seine Bevollmächtigten am 18. April 1995 am 12. Mai 1995 Anschlußrevision eingelegt. Er beantragt sinngemäß,
- das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 14. November 1994 – Az: L 16/3 An 19/94 – insoweit aufzuheben, als es ihn beschwert,
- den Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 1992 insoweit aufzuheben, als von ihm auch die Erstattung des Betrags für den Zeitraum Dezember 1991 bis März 1992 verlangt wird.
Er trägt vor, in Ermangelung einer eindeutigen, abweichenden Willensäußerung des Gesetzgebers seien auch bei einer zwingenden Anwendung von § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG die Grundsätze des § 48 SGB X einzuhalten gewesen. Die Rechtsprechung des BSG zu § 10 AAÜG sei nicht übertragbar. Bezüglich der rückwirkenden Aufhebung habe die Beklagte ausgehend von der atypischen Fallkonstellation, daß der Kläger sonst einen Anspruch auf eine andere Sozialleistung gehabt hätte, Ermessen ausüben müssen. Keinesfalls könne dem Kläger der Vorwurf einer besonders schweren Verletzung der Sorgfaltspflicht i.S. von § 48 Abs. 1 Nr. 4 SGB X gemacht werden. Vom einzelnen könne nicht erwartet werden, daß er die jeweils aktuellen Gesetzesbeschlüsse des Bundestages kenne. Der Inhalt von § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG sei dem Kläger auch nicht durch den Fragebogen der Beklagten und das beigefügte Begleitschreiben bekannt gemacht worden Ebenso könne sich die Beklagte nicht auf einen Vorbehalt berufen. Die entsprechenden Mitteilungen stellten nämlich jeweils bloße Ankündigungen eines zukünftigen Verhaltens dar. Im übrigen habe den Kläger im Dezember 1991 noch keine Mitteilungspflicht getroffen, so daß er die Frage nach einer Mitarbeit für das MfS auch habe unbeantwortet lassen können.
Die Beigeladene hat mitgeteilt, daß sie keinen Antrag stelle und zur Revisionsbegründung der Beklagten bzw. zur Anschlußrevision des Klägers eine Stellungnahme nicht beabsichtige.
Entscheidungsgründe
II
Die aufgrund Zulassung durch das LSG statthafte Revision der Beklagten, mit der sie sich gegen die teilweise Aufhebung ihres Bescheides vom 27. Februar 1992 hinsichtlich der für den Monat Dezember 1991 getroffenen Regelungen wendet, erweist sich als zulässig, sachlich jedoch unbegründet. Die (selbständige) Anschlußrevision des Klägers, der das Berufungsurteil, abweichend von der Fassung seines Antrages Nr. 2 (§ 123 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) nur insoweit angreift, als es seine Klage bezüglich der Monate Januar bis März 1992 abgewiesen hat, ist zulässig und begründet.
A: Auf die Revision der Beklagten und die Anschlußrevision des Klägers hat das BSG beide vom Kläger zur gerichtlichen Entscheidung gestellten Streitgegenstände in vollem Umfang zu prüfen. Sein – prozeßrechtlich maßgebliches (§ 123 SGG) – Klagebegehren war darauf gerichtet, das SG solle die für die Erstattungspflicht vorgreifliche Entscheidung der Beklagten über die Aufhebung der Bewilligung der Übergangsrente für den noch streitigen Zeitraum vom 1. Dezember 1991 bis zum 31. März 1992 und das hiervon abhängige Gebot, 6.264,00 DM zu erstatten, aufheben. Die vorinstanzlichen Urteile lassen – gerade noch hinreichend klar – erkennen, daß über beide Streitgegenstände entschieden worden ist. Der Erfolg der Revisionen hängt damit davon ab, ob beide in dem streitigen Bescheid vom 27. Februar 1992 enthaltenen Verwaltungsakte, soweit sie den streitigen Zeitraum vom 1. Dezember 1991 bis zum 31. März 1992 betreffen, rechtmäßig sind. Denn gegen die Zulässigkeit der beiden hiergegen in statthafter Klagehäufung erhobenen isolierten Anfrechtungsklagen bestehen keine Bedenken.
Gegenstände (i.S. von § 95 SGG) revisionsgerichtlicher Prüfung sind die beiden in dem streitigen Bescheid vom 27. Februar 1992 enthaltenen Verwaltungsakte. Die in der Kompetenz des Revisionsgerichts liegende Auslegung des rechtlichen Gehalts dieses Schreibens der Beklagten ergibt nämlich, daß sie zwei rechtliche Regelungen und außerdem eine Verhaltensankündigung verlautbart hat. Mit der Erklärung, sie werde die Zahlung der Rente „einstellen”, hat sie lediglich ein schlichtes Verwaltungshandeln angekündigt, nämlich ein „reales Unterlassen”; dieses besteht nur darin, die für die Überweisung des Geldbetrages erforderlichen Handlungen nicht mehr vorzunehmen. Insoweit liegt kein Verwaltungsakt i.S. von § 31 SGB X vor (ständige Rechtsprechung, stellvertretend BSGE 75, 262, 269 = SozR 3-8560 § 26 Nr. 2). Darüber hinaus hat die Beklagte jedoch ausdrücklich die Rentenbewilligung vom 18. Juli 1990 aufgehoben. Schließlich verdeutlicht die Formulierung, die sich aus der Aufhebung der Rentenbewilligung ab Dezember 1991 „ergebende Überzahlung in Höhe von 6.264,00 DM werde zurückgefordert”, daß dies keine – rechtlich unverbindliche – bloße Zahlungsaufforderung, sondern eine Verfügung, d.h. das Gebot, ist, 6.264,00 DM an die Beklagte zu zahlen.
B: Die Beklagte war zur Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 18. Juli 1990 für den noch streitigen Zeitraum nicht ermächtigt:
Sie hat als zuständiger Versorgungsträger (§ 8 Abs. 4 Nr. 2 i.V.m. § 9 Abs. 3 Satz 1 und 2 AAÜG) den Verwaltungsakt nach der gebotenen (ständige Rechtsprechung seit BSGE 72, 50, 57 = SozR 3-8570 § 10 Nr. 1) Anhörung gemäß § 24 SGB X und ohne die Aufhebbarkeit des Verwaltungsaktes nach § 42 Satz 1 SGB X bewirkende Verfahrensfehler formgerecht durch „Bescheid”, d.h. in Schriftform, erlassen. Für die Aufhebung der Rentenbewilligung als Eingriff in ein zuerkanntes Recht bedurfte sie wegen des hierfür gültigen rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehaltes sowie der einfachgesetzlichen Vorbehalte aus § 77 SGG und § 31 SGB X einer gesetzlichen Ermächtigung (stellvertretend BSGE 72, 50, 55, 59 m.w.N.).
Einzig anwendbare Ermächtigungsgrundlage ist § 48 Abs. 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift muß der zuständige Verwaltungsträger einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dem Erlaß des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt; nur unter den Voraussetzungen des Satzes 2 Nrn 1 bis 4 a.a.O. soll der Verwaltungsakt (höchstens) mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufgehoben werden.
1. Entgegen der Ansicht des LSG ist das Erste Kapitel des SGB X anwendbar. Hierfür war eine ausdrückliche Anordnung im AAÜG nicht erforderlich. Nach EV Anl. 1 Kap VIII Sachgebiet D Abschn. III Nr. 2 gilt das Erste Kapitel des SGB X – jedenfalls – seit dem 1. Januar 1991 u.a. für den Sachbereich der Rentenversicherung i.S. des EV. Hierzu zählen nach ständiger Rechtsprechung des BSG (seit BSGE 72, 50) alle – aus der Sicht des Bundesrechts – öffentlich-rechtlichen Regelungen, die thematisch dem Rentenversicherungsrecht des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) entsprechen oder vom EV in einen inneren, sachlichen Zusammenhang mit diesem gestellt worden sind. Dies gilt insbesondere für Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen, die im EV Anl. II Kap VIII Sachgebiet H Abschn. III Nr. 9 (EV Nr. 9) geregelt worden sind. EV Nr. 9 Buchst. e hat einen inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen den nicht in der Rentenversicherung des SGB VI überführbaren, Versorgungsansprüchen (z.B. Übergangsrenten, beV) und den Ansprüchen wegen Alters, verminderter Erwerbsfähigkeit und Todes hergestellt. EV Nr. 9 bestimmt ferner, daß die Versorgungssysteme und ihre leistungsrechtlichen Regelungen von den „jeweiligen Funktionsnachfolgern gemäß Art. 13 EV” (für eine Übergangszeit) weitergeführt werden, sollen. Dadurch waren auch diejenigen Versorgungsträger, die bei der Verwaltung ihrer übrigen Aufgaben nicht an das SGB X gebunden waren, bei Erfüllung ihrer Aufgaben als Funktionsnachfolger in den Versorgungssystemen dem Verfahrensrecht des SGB X unterstellt. Das AAÜG hat auch den Versorgungsträgern, die im übrigen nicht an das SGB X gebunden waren, die Entscheidung über Vorfragen der eigentlichen, Rentenüberleitung (sog Feststellung und Begrenzung der Arbeitsentgelte – § 8 Abs. 2 und 3 AAÜG) oder über die Kürzung zuerkannter Ansprüche (§ 10 Abs. 5 und § 11 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 Satz 5 AAÜG) sowie die Verwaltung von Versorgungsleistungen übertragen, die nicht in die Rentenversicherung überführt werden konnten. Das Verwaltungsverfahrensrecht des Ersten Kapitels des SGB X unterscheidet sich von dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes und den entsprechenden Regelungen der Länder vor allem in den Bestimmungen über die Anhörung vor Erlaß eingreifender Verwaltungsakte sowie über die Aufhebung von Verwaltungsakten und die Erstattung von zu Unrecht erbrachten Leistungen. Mit dem Gebot gleicher Rechtsanwendung (Art. 3 Abs. 1 GG) wäre es unvereinbar gewesen, die Versorgungsberechtigten je nach dem zuständigen Versorgungsträger inhaltlich unterschiedlichem Verwaltungsverfahrensrecht sowie materiell unterschiedlich ausgestalteten Eingriffsermächtigungen zu unterwerfen. Folgerichtig wurde in §§ 8 Abs. 3 Satz 2, 10 Abs. 5, 11 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 Satz 5 AAÜG insoweit ausdrücklich die Anwendung des SGB X für alle Versorgungsträger vorgeschrieben. Das Zweite SED-Unrechtsbereinigungsgesetz vom 23. Juni 1994 (BGBl. I, 1311) hat die Maßgeblichkeit des SGB X für das Verfahrens- und Eingriffsrecht der Versorgungsträger i.S. von § 8 Abs. 4 AAÜG durch Einfügung des Satzes 2 in § 9 Abs. 1 AAÜG bestätigt. Nach dieser Vorschrift sind für die in die Rentenversicherung nicht überführten Versorgungsleistungen „die Vorschriften des Ersten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend anzuwenden”. Somit gilt auch § 37 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) „entsprechend”. Danach gelten das SGB I und das SGB X für alle Sozialleistungsbereiche dieses Gesetzbuches, soweit sich aus den übrigen Büchern Abweichendes nicht ergibt. Die Anordnung „entsprechender” Anwendung u.a. des SGB X berücksichtigt sachlich zutreffend, daß die in § 9 AAÜG geregelten Versorgungsleistungen aus dem SGB nicht begründbar, sondern nur auf der Grundlage der nachgehenden Fürsorgepflicht der Funktionsnachfolger bundesrechtlich anerkannt sind (vgl. BSGE 72, 50, 56).
2. Zu Unrecht meint die Beklagte, § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG habe sie – als eine § 48 Abs. 1 SGB X verdrängende Spezialvorschrift – ermächtigt, die Bewilligungen von Versorgungsleistungen i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 1 a.a.O. – rückwirkend zum 1. Dezember 1991 – aufzuheben, oder diese sogar – sich selbst vollziehend – unmittelbar außer Kraft gesetzt. Beides ist nicht der Fall. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG (Nr. 4 eingefügt durch Art. 1 des RÜG-ÄndG) gilt: „Vom Ersten des auf die Verkündung dieses Gesetzes folgenden Kalendermonats an wird die Zahlung folgender Leistungen eingestellt: Versorgungsleistungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 a.a.O., denen auch Zeiten einer verdeckten Tätigkeit als hauptberuflicher Mitarbeiter des MfS/AfNS zugrunde liegen; (Nr. 3 2. Halbsatz gilt entsprechend)”.
a) Der Wortlaut des Gesetzes enthält keine Andeutung, dieses selbst solle wirksame Verwaltungsakte aufheben oder die Versorgungsträger, die Adressaten der Norm, dazu ermächtigen. Dem möglichen Wortsinn kann nur die an den Versorgungsträger gerichtete Anordnung entnommen werden, vom Ersten des auf die Verkündung dieses Gesetzes folgenden Kalendermonats an Versorgungsleistungen nicht mehr zu zahlen, falls diese die in Nr. 4 genannten Voraussetzungen erfüllen § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG enthält darüber hinaus keine Regelung, die sich selbst vollziehen könnte. Dies setzte voraus, daß das, was im Einzelfall zwischen dem Verwaltungsträger und dem Bürger konkret verbindlich, gelten soll, sich jedenfalls für die Betroffenen offensichtlich aus dem Gesetzestext ergibt, also keines die besonderen Umstände des Einzelfalles prüfenden Erkenntnisprozesses mehr bedarf. Dies ist schon wegen der Formulierung des Gesetzes zumindest fraglich. Vor allem aber gibt das Gesetz auf, zwischen den Versorgungsberechtigten, welche die ihnen zuerkannte Versorgungsleitung behalten dürfen, und denjenigen zu unterscheiden, die aufgrund ihrer Beschäftigungszeiten/Beschäftigungsart künftig die Leistung nicht mehr erhalten sollen. Es kommt also entscheidend auf individuelle Umstände des Einzelfalles an. Sie festzustellen und die Rechtsfolge verbindlich festzusetzen, ist der Verwaltung vorbehalten. Die Rechtsfolge ergibt sich jedenfalls nicht unmittelbar aus dem Gesetz. Darüber hinaus ist in verfassungsorientierter Auslegung zu beachten, daß die verbindliche Festsetzung dessen, was im Einzelfall zwischen Bürger und Verwaltung rechtens sein soll, im gewaltenteiligen Rechtsstaat der Verwaltung vorbehalten ist und zum Kernbereich dieser Staatsfunktion gehört. Die im Rechtsstaat gebotene Rechtsklarheit und Rechtssicherheit verlangt grundsätzlich eine Konkretisierung des gesetzlich gestalteten Verwaltungsrechtsverhältnisses durch Verwaltungsakt (oder Vertrag – vgl. schon BSG SozR 1300 § 48 Nr. 57 S 173 f; BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 13 S 19; BSGE 75, 226, 266 = SozR 3-8560 § 26 Nr. 2 S 16; Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1995, § 12 l Rdnr 5, S 243 ff; Badura, in: Erichsen, a.a.O., § 33 l 1 Rdnr 2, S 417; Maurer, DVBl 1989, 798, 806, jeweils m.w.N.). Nur in Ausnahmefällen, die einer verfassungskräftigen Rechtfertigung bedürfen, sind die Organe der Gesetzgebungsfunktion kompetent, unmittelbar durch Gesetz konkrete Rechte und Pflichten bestimmter Bürger in ihren Rechtsverhältnissen zu bestimmten Verwaltungsrechtssubjekten festzusetzen. Hingegen müssen sie schon bei der Wahl der Handlungsform des Gesetzes die Gleichbehandlung aller Bürger und deren Interesse an einer effektiven Wahrnehmung und Durchsetzung ihrer Rechte, also an effektivem Rechtsschutz, beachten (Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 3 Abs. 1 GG; BVerfGE 49, 252, 257; BVerfGE 44, 302, 306; Papier, in: Isensee/Kirchhof ≪Hrsg.≫, Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, § 154 Rdnrn 14 ff; Lorenz, AöR 105 ≪1980≫ 623, 639). Da eine solche verfassungsrechtliche Rechtfertigung hier nicht ersichtlich und auch unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien im Gesetzgebungsverfahren nicht geprüft worden ist, scheidet eine Auslegung des Gesetzes als eine sich selbst vollziehende Aufhebung von Verwaltungsakten aus (vgl. schon zu § 10 Abs. 1 AAÜG: BVerfG, Beschluß der 3. Kammer des 1. Senats vom 4. Mai 1992 – 1 BvR 1815/91 und Senatsurteil vom 27. Januar 1973, BSGE 72, 50, 57). Einen Selbstvollzug des Gesetzes gibt es auch im Sozialverwaltungsrecht grundsätzlich nicht (näher dazu Senatsurteil vom 16. November 1995 – 4 RK 1/94, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Weil sich die Rentenbewilligung also nicht „kraft Gesetzes” (und auch nicht auf sonstige Weise) „erledigt” hat, also nicht unwirksam (d.h. nichtig) geworden ist i.S. von § 39 Abs. 2 SGB X, greift die Ermächtigung zur Feststellung der Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes und der Beseitigung des durch ihn veranlaßten Rechtscheins aus § 40 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X nicht zugunsten der Beklagten ein. Denn § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG hat die Rentenbewilligung vom 18. Juli 1990 weder aufgehoben noch außer Kraft gesetzt.
b) Der Wortlaut der Vorschrift enthält ferner keine Andeutung, den Versorgungsträgern solle die Befugnis erteilt werden, Bewilligungen von Versorgungsleistungen i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 1 AAÜG aufzuheben. Denn die Anordnung, bewilligte Ansprüche auf Versorgungsleistungen bei Vorliegen der in Nr. 4 a.a.O. genannten Voraussetzungen nicht mehr zu erfüllen, bedeutet weder nach allgemeinem noch nach juristischem Sprachgebrauch die Zuweisung der Rechtsmacht, die sich aus dem begünstigenden Verwaltungsakt ergebenden Ansprüche durch Aufhebung des Verwaltungsaktes zu vernichten. Es bedarf keiner Darlegung, daß in dem dem rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalt unterliegenden Eingriffsrecht nicht von der gesetzlichen Zuweisung einer Aufgabe auf die Verleihung einer Ermächtigung zu Eingriffen geschlossen werden darf (Verbot des Schlusses von der Aufgabe auf die Befugnis). Erst recht scheidet eine richterrechtliche Begründung von Eingriffsermächtigungen aus.
§ 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG hat vielmehr ausschließlich materiell-rechtliche Bedeutung, d.h. er ändert die gesetzliche Anspruchsgrundlage für die Gewährung der Versorgungsleistung. Ansprüche und Anwartschaften auf Versorgungsleistungen, welche die Voraussetzungen der Nr. 4 a.a.O. erfüllen, aber – anders als im vorliegenden Fall – durch Verwaltungsakt (oder Vertrag) noch nicht konkretisiert worden sind, werden „eingestellt”, d.h. unmittelbar durch Gesetz aufgehoben (so schon der Senat in BSGE 72, 50, 61). Die Änderung oder Aufhebung einer gesetzlichen Anspruchsgrundlage hat jedoch keine Auswirkung auf die Wirksamkeit eines begünstigenden Verwaltungsaktes (oder eines verwaltungsrechtlichen Vertrages), der auf der Grundlage des bislang maßgeblichen materiellen Rechts wirksam erlassen worden ist. Wie gerade auch die Regelungen der §§ 44 ff, insbesondere des § 48 SGB X zeigen, bildet der Verwaltungsakt eine wirksame und rechtsbeständige Anspruchsgrundlage gerade auch dann, wenn die ihm zugrundeliegende materiell-rechtliche Norm nachträglich geändert wird. Der mit ihm bewilligte Anspruch bleibt grundsätzlich – mit der Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) durchsetzbar – bestehen, solange und soweit der begünstigende Verwaltungsakt nicht wirksam aufgehoben wird. § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG beschränkt sich also darauf, die materiell-rechtlichen Bestimmungen über die Gewährung der dort genannten Versorgungsleitungen zu ändern. Das AAÜG hat – entgegen der Ansicht der Beklagten – den Versorgungsträgern für die Umsetzung dieser materiell-rechtlichen Änderungen keine besonderen Eingriffsbefugnisse verliehen. Anders als in den vergleichbaren materiell-rechtlichen Regelungen (z.B. in § 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1 AAÜG) hat das Gesetz dem § 13 AAÜG keine der besonderen Eingriffsermächtigung in § 10 Abs. 5 AAÜG entsprechende Regelung beigefügt und auch nicht, anders als in § 11 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 Satz 5 a.a.O., auf § 10 Abs. 5 AAÜG verwiesen. Dies bekräftigt, daß § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG nur eine materiell-rechtliche Regelung enthält, für deren Umsetzung der Verwaltung die ihr allgemein zugewiesenen gesetzlichen Eingriffsermächtigungen zur Verfügung stehen.
§ 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG verdrängt also § 48 Abs. 1 SGB X als Eingriffsermächtigung nicht.
3. Die Beklagte war auch nicht aufgrund der von ihr angesprochenen Vorbehalte im Schreiben Nr. 1 oder dem (Anhörungs-)Schreiben Nr. 2 vom 29. Januar 1992 zur Aufhebung der Rentenbewilligung befugt.
a) Die Auslegung des rechtlichen Gehalts des Schreibens Nr. 1 ergibt, daß es sich um eine – inhaltlich unzutreffende – Wissensmitteilung, nicht um die ihrer Rechtsnatur nach den Erlaß eines belastenden Verwaltungsaktes darstellende nachträgliche Beifügung einer Nebenbestimmung handelt. Die Beklagte hat nämlich den Kläger „darauf aufmerksam” gemacht, die Gewährung der Versorgung stehe unter dem Vorbehalt der termingemäßen Rücksendung der Anlage und der Richtigkeit der Angaben. In keinem dem Kläger zuvor erteilten Bescheid gab es einen derartigen Vorbehalt. Aus der hier maßgeblichen Sicht eines verständigen, an Treu und Glauben orientierten Adressaten, der im Zweifel davon ausgeht, daß die Behörde sich rechtmäßig verhalten will, liegt es nahe, dem Schreiben Nr. 1 die Bedeutung zu entnehmen, der Bundesminister für Finanzen (BMF) wolle keine Regelung i.S. eines belastenden Verwaltungsaktes treffen; anzunehmen ist, die Behörde habe nur auf die Rechtslage „aufmerksam machen”, d.h. über die bestehende Rechtslage belehren wollen. Würde hingegen dieser Hinweis als nachträgliche Änderung der Rentenbewilligung durch Beifügung eines Rücknahmevorbehalts verstanden, wäre dieser Verwaltungsakt nach ständiger Rechtsprechung des BSG, deren Maßgeblichkeit für den gesamten Bereich des Rentenüberleitungsrechts (EV Nr. 9) der Senat bereits betont hat (BSGE 72, 50, 55 durch Bezugnahme u.a. auf BSG SozR 3-1300 § 32 Nrn 2, 4; SozR 3-1200 § 42 Nr. 2) offensichtlich rechtswidrig (dazu näher unten). Jedenfalls ist die inhaltlich unzutreffende Belehrung über einen rechtlich nicht bestehenden Vorbehalt keine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Beklagte, die Rentenbewilligung aufzuheben.
b) Im Ergebnis dasselbe gilt für den „Vorbehalt” im (Anhörungs-)Schreiben Nr. 2. Dort heißt es lediglich, die Zahlung der Versorgungsleistung ab 1. Dezember 1991 erfolge unter dem Vorbehalt der Rückforderung. Zwar spricht der Gesamtzusammenhang des Schreibens Nr. 2 dafür, daß die Beklagte die Rentenbewilligung nachträglich und für Bezugszeiten ab dem 1. Dezember 1991 insoweit abändern und unter den genannten Vorbehalt stellen wollte. Abgesehen davon, daß ein „Rückforderungs”-Vorbehalt kaum in einen Aufhebungs- oder Rücknahmevorbehalt umgedeutet werden darf, weil dessen Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Regelung 2 SGB X), gibt es für diesen belastenden Verwaltungsakt keine Ermächtigungsgrundlage. § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG verleiht als ausschließlich materiell-rechtliche Regelung keine Eingriffsbefugnisse. Spezielle Eingriffsermächtigungen gibt es nicht. Da auf Übergangsrenten ein Rechtsanspruch besteht, durften gemäß § 32 Abs. 1 SGB X dem Rentenbewilligungsbescheid Nebenbestimmungen nur beigefügt werden, wenn sie unter Wahrung des Zweckes der Rentenbewilligung (Abs. 3 a.a.O.) sicherstellen sollten, daß die Bewilligung bei Eintritt ihrer inneren Wirksamkeit mit der Rechtsordnung übereinstimmt. Nach Erlaß eines solchen Verwaltungsaktes, d.h. also nach Eintritt seiner äußeren Wirksamkeit mit seiner Bekanntgabe, darf diesem eine Nebenbestimmung deswegen nur noch bis zum Eintritt seiner inneren Wirksamkeit beigefügt werden. Wird hingegen – wie hier von der Beklagten beabsichtigt – die Nebenbestimmung erst beigefügt, wenn der Regelungsinhalt des Verwaltungsaktes in Kraft getreten ist, bedeutet dies die Aufhebung des Verwaltungsaktes und seinen Wiedererlaß mit der Nebenbestimmung (so auch Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 36 Rdnr. 64; HJ Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 10. Aufl. 1994, § 47 Rdnr 25). Die Beklagte kann sich für eine solche Regelung auf keine gesetzliche Ermächtigung berufen. Hierauf ist nicht weiter einzugehen, weil der einem leistungsbewilligenden Verwaltungsakt rechtswidrig beigefügte Vorbehalt nicht zu Lasten des Begünstigten vollzogen werden darf (BSG SozR 3-1300 § 32 Nr. 2 S 23 m.w.N.).
Die vom BMF angesprochenen Vorbehalte können somit die Anwendung von § 48 Abs. 1 SGB X nicht hintanhalten.
4. Auch § 9 der Verordnung über nicht überführte Leistungen der Sonderversorgungssysteme der DDR (SVersLV) vom 26. Juni 1992 (BGBl. I S 1174) enthält keine, insbesondere keine spezielle oder sonst vorrangige Ermächtigungsgrundlage zur Aufhebung der Rentenbewilligung. Diese Rechtsverordnung ist am 30. Juni 1992 im BGBl. verkündet worden und gemäß § 11 a.a.O. mit Wirkung vom 1. Juli 1992 in Kraft getreten; sie hat sich keine Rückwirkung beigelegt. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SVersLV sind zuviel gezahlte Versorgungsleistungen zu erstatten. In Satz 2 a.a.O. werden Regelbeispiele für zuviel gezahlte Versorgungsleistungen und darunter (Nr. 2 a.a.O.) auch Versorgungsleistungen genannt, die nach § 13 AAÜG einzustellen sind. Nach § 9 Abs. 2 SVersLV kann in den Fällen des Abs. 1 „von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen mit Zustimmung der jeweils zuständigen obersten Dienstbehörde oder einer von ihr bestimmten Stelle ganz oder teilweise abgesehen werden”. Augenfällig enthält diese Verordnung nähere Regelungen nur über die Rückforderung von Versorgungsleitungen. Versorgungsleitungen, die aufgrund wirksam gebliebener Verwaltungsakte erbracht worden sind, sind aber, solange der begünstigende Verwaltungsakt nicht aufgehoben worden ist, niemals zuviel gezahlt worden. § 9 SVersLV enthält also schon nach seinem thematischen Geltungsbereich keine Ermächtigung zur Aufhebung von Versorgungsleistungen bewilligenden Verwaltungsakten. § 48 Abs. 1 SGB. X wird also nicht verdrängt.
5. Die Beklagte war nach Maßgabe von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X nur befugt (und verpflichtet), die Rentenbewilligung mit Wirkung für die Zukunft, d.h. für Bezugszeiten nach der Bekanntgabe des streitigen Bescheides im März 1992, also ab April 1992, aufzuheben (dazu näher Senatsurteil vom 30. Januar 1996 – 4 RA 16/95 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
a) Mit Ablauf des 31. Dezember 1991 ist gegenüber den Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des begünstigenden Verwaltungsaktes nachträglich eine wesentliche materiell-rechtliche Änderung eingetreten. Denn ab 1. Januar 1992 konnten die in § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG genannten Versorgungsleistungen (auf gesetzlicher Grundlage) nicht mehr beansprucht werden, falls ihnen „auch Zeiten einer verdeckten Tätigkeit als hauptberuflicher Mitarbeiter des MfS/AfNS zugrunde lagen”.
aa) Diese Rechtsänderung ist – entgegen der Ansicht der Beklagten – zum 1. Januar 1992 eingetreten:
Die Vorschrift wurde durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. c RÜG-ÄndG in das AAÜG eingefügt. Äußere Wirksamkeit erlangte dieses Gesetz und damit die in Nr. 4 a.a.O. geregelte Ergänzung des § 13 AAÜG zum Zeitpunkt der Verkündung des RÜG-ÄndG im BGBl. am 24. Dezember 1991. Nach Art. 3 RÜG-ÄndG trat dieses Gesetz (mit Ausnahme des Art. 1 Nr. 5 Buchst. a) „mit Wirkung vom 1. Dezember 1991 in Kraft”. Dies bedeutet aber nicht, daß auch § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG in „echter Rückwirkung”, d.h. unter „Rückbewirkung von Rechtsfolgen”, zum 1. Dezember 1991 (oder sogar zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des AAÜG zum 1. August 1991) innere Wirksamkeit erlangt hätte. Rechtsnormen werden nämlich erst zum Zeitpunkt ihrer Verkündung existent; sie ist letzter und unverzichtbarer Akt des Rechtsetzungsverfahrens (BVerfGE 63, 343, 353 f; 72, 200, 241; BSG SozR 3-4100 § 45 Nr. 3). Sie erlangen erst mit der amtlichen Bekanntgabe des Gesetzeswortlautes durch die Ausgabe des Gesetzblattes und dem Inverkehrbringen des ersten Stücks der jeweiligen Nr. des Gesetzblattes äußere Wirksamkeit (BVerfGE 87, 48, 60; 63, 343, 353; 16, 6, 16). Erst dann können die Betroffenen sich verläßlich Kenntnis vom Gesetzesinhalt verschaffen (BVerfGE 65, 283, 291).
Die Auffassung der Beklagten von der („echt”) rückwirkenden Inkraftsetzung des Gesetzes zum 1. Dezember 1991 ist unvereinbar mit der spezialgesetzlichen Inkraftsetzung in § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG selbst und der gebotenen verfassungsorientierten Auslegung des Gesetzes. Art. 3 RÜG-ÄndG enthält eine allgemeine, d.h. für alle Regelungen in diesem Gesetz grundsätzlich geltende Inkraftsetzung zum 1. Dezember 1991. In § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG ist aber spezialgesetzlich auf den Ersten des auf die Verkündung dieses Gesetzes folgenden Kalendermonats abgestellt. Da Nr. 4 a.a.O. erstmals durch das am 24. Dezember 1991 verkündete Gesetz Gesetzeskraft erlangen konnte, hat diese Regelung mit Beginn des Folgemonats materiell-rechtliche, d.h. innere Wirksamkeit erlangt. Damit knüpft das Gesetz – vertragstreu – an EV Nr. 9 Buchst. e an; dort war einem näher umgrenzten Kreis von Berechtigten, die u.a. Ansprüche auf die jetzt in §§ 9 Abs. 1, 13 Abs. 1 AAÜG erfaßten Leistungen hatten, durch bundesrechtliches Übergangsrecht zugesichert worden, diese Leistungen würden bis zur Überführung der in die Rentenversicherung überführbaren Versorgungsansprüche am 31. Dezember 1991 (ohne sog Zahlbetragsgarantie) weitergewährt. Die verfassungsorientierte Gesetzesauslegung hat davon auszugehen, daß dem Deutschen Bundestag vor Augen stand, durch diese Vorschrift werde er die gesetzlichen Grundlagen für im Einzelfall nach Bundesrecht bindend zuerkannte Versorgungsansprüche umgestalten. Für den Fall, daß das Parlament gleichwohl die, Rechtsfolgen der neuen Regelung rückwirkend für Zeiten vor der Verkündung dieses Gesetzes hätte in Kraft setzen wollen, wäre es rechtsstaatlich verpflichtet gewesen, zwischen Rechtssicherheit und insbesondere schutzwürdigem Vertrauen auf bindende Verwaltungsakte einerseits und dem vom Gesetz verfolgten Interesse an der Leistungsbegrenzung für OibE abzuwägen. Den Gesetzesmaterialien ist keine Andeutung zu entnehmen, die Gesetzgebungsorgane hätten die rechtsstaatlich gebotenen Abwägungen vorgenommen.
bb) Mit Ablauf des 31. Dezember 1991 hatten Ansprüche auf die von § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG erfaßten Versorgungsleistungen keine gesetzliche Grundlage mehr, falls diesen auch Zeiten einer verdeckten Tätigkeit als hauptberuflicher Mitarbeiter des MfS zugrunde lagen. Wenn diese Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt waren, waren die Versorgungsträger gesetzlich angewiesen, die neue Rechtslage mit den ihnen im übrigen zur Verfügung gestellten Eingriffsermächtigungen möglichst weitgehend umzusetzen. Deshalb war diese Rechtsänderung seither immer „wesentlich” i.S. von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X.
b) Die Beteiligten streiten nicht mehr darüber, daß die Beklagte im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen ist, beim Kläger sei diese wesentliche Änderung eingetreten. Allerdings bedarf der Wortlaut des Gesetzes einer am Zweck der Vorschrift orientierten Einengung. Denn der Versorgungsleistung, die dem Kläger seit Juli 1990 weitergewährt worden ist, lag seine – verdeckende – Tätigkeit bei der Zollverwaltung der früheren DDR zugrunde; die bundesrechtlich anerkannten Versorgungsleistungen an verdeckte Mitarbeiter des MfS waren ausschließlich nach Maßgabe der Sonderversorgungsordnungen für die in Anl. 2 Nrn 1 bis 3 AAÜG verrichteten Tätigkeiten, also den verdeckenden Beschäftigungen, begründet. „Zeiten” einer Tätigkeit für das MfS waren für diese Versorgungsleistungen nach Grund und Höhe ohne Belang. Aus dem insoweit irreführenden Wortlaut wird aber noch hinreichend klar, daß der Deutsche Bundestag Sonderversorgungsleistungen nicht mehr zuerkennen wollte, soweit sie auf einer verdeckenden Tätigkeit, inhaltlich aber auf einer verdeckten Tätigkeit als hauptberuflicher Mitarbeiter des MfS/AfNS beruhten. Dabei ging er davon aus, es sei der Allgemeinheit nicht mehr zumutbar, diesen Sonderversorgungsberechtigten aus Steuermitteln besondere Übergangsleistungen zu erbringen, weil sie nach den Wertmaßstäben des GG eine Unrechtstätigkeit (dazu stellvertretend Vorlagebeschluß des Senats vom 14. Juni 1995 – 4 RA 54/94) verrichtet haben. Denn das alltägliche, berufsmäßige und von konkreten Gefahren nicht veranlaßte Ausspionieren von (scheinbaren) Arbeitskollegen und Arbeitsbereichen im Auftrag einer die Gesellschaft durchdringenden Überwachungsorganisation greift derart in die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG) ein, daß es weder durch das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) noch durch die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 Halbsatz 2 Regelung 3 GG) geschützt wird. Die Beendigung gesetzlicher Ansprüche auf Übergangsleistungen, die auf dieser Unrechtstätigkeit der verdeckt tätigen Stasi-Offiziere beruhen, ist auch im übrigen nicht verfassungswidrig. Diese Versorgungsleistungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 AAÜG/EV Nr. 9 Buchst. e) sind Fürsorgeleistungen, die den aus dem aktiven Dienst entlassenen Offizieren einen Teil der Differenz zwischen ihrem bisherigen Gehalt und den Einkünften aus ihrer Zivilbeschäftigung oder aus Erwerbsersatzeinkommen ausgleichen (stellvertretend hierzu BSG SozR 3-8570 § 11 Nr. 2). Ein sachlicher Grund, die von § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG erfaßten Stasi-Mitarbeiter von dieser fürsorgenden Vergünstigung auszuschließen, liegt vor. Die Regelung ist nicht unverhältnismäßig. Soweit die bislang Berechtigten in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert oder wegen Alters außerstande sind, ihren Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit zu bestreiten, stehen ihnen seit dem 1. Januar 1992 nach den Vorschriften des SGB VI Ansprüche auf entsprechende Renten zu; soweit sie krank und arbeitsunfähig sind, werden sie gemäß § 309 Abs. 2 ff Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) geschützt (stellvertretend BSG SozR 3-8570 § 12 Nr. 1); soweit sie arbeitslos, aber arbeitsfähig und arbeitswillig sind, können ihnen Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz zustehen.
Der Kläger war vom 1. Oktober 1967 jedenfalls bis zum 31. Juli 1990 hauptberuflicher Mitarbeiter des MfS und für dieses bei der Zollverwaltung verdeckt tätig.
Die Beklagte war demnach gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ermächtigt und verpflichtet, die Bewilligung der Übergangsrente im Bescheid vom 18. Juli 1990 mit Wirkung für die Zukunft, d.h. für Bezugszeiten nach dem 2. März 1992, dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des streitigen Bescheides vom 27. Februar 1992, aufzuheben; seither hat der Kläger weder aufgrund des Gesetzes noch kraft Verwaltungsakt einen Anspruch auf Übergangsrente.
6. Die Beklagte durfte jedoch den Bewilligungsbescheid nicht rückwirkend, d.h. für Zeiten vor Bekanntgabe des streitigen Bescheides, aufheben:
Liegen – wie hier – die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X vor, soll nach Satz 2 a.a.O. der Verwaltungsakt mit Wirkung zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit einer der in Satz 2 Nrn 1 bis 4 a.a.O. genannten Tatbestände erfüllt ist. Keiner Darlegung bedarf, daß die Tatbestände nach Satz 2 Nr. 1 (Änderung zugunsten des Betroffenen) oder Nr. 3 (anzurechnendes Einkommen oder Vermögen) nicht in Betracht kommen.
Obwohl der Kläger jedenfalls in seiner Antwort auf das Schreiben Nr. 1 der Beklagten offensichtlich vorsätzlich die Unwahrheit über seine Tätigkeit für das MfS gesagt hat, sind weder der Tatbestand von Satz 2 Nr. 2 (Mitteilungspflichtverletzung) noch derjenige der Nr. 4 a.a.O. (bösgläubige Berufung auf den Verwaltungsakt) erfüllt.
a) Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X soll der Verwaltungsakt rückwirkend aufgehoben werden, soweit „der Betroffene eine durch Rechtsvorschrift vorgeschriebene Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist”.
aa) Voraussetzung ist also, daß der Betroffene gesetzlich verpflichtet war, die (objektiv wesentliche und für ihn nachteilige) Änderung i.S. von § 48 Abs. 1 Satz 1 a.a.O. dem Verwaltungsträger mitzuteilen; ferner muß er diese Pflicht (Obliegenheit) verletzt, d.h. ohne rechtfertigenden Grund nicht erfüllt haben; weiterhin muß das ungerechtfertigte Unterlassen der gesetzlich gebotenen Mitteilung auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruhen; darüber hinaus muß der so qualifizierte Pflichtverstoß wesentliche Bedingung dafür geworden sein, daß der Leistungsträger die Anpassung des Verwaltungsaktes (bei vorhersehbaren Änderungen) nicht rechtzeitig ab Eintritt der Änderung bzw. (bei überraschenden, Änderungen) nicht rechtzeitig zum nächstmöglichen Zeitpunkt vornehmen konnte.
Eine gesetzliche Pflicht des Bürgers, einem Verwaltungsträger mitzuteilen, ein diesen betreffendes verwaltungsrechtliches Gesetz habe sich zum Nachteil des Bürgers verändert, gibt es im SGB nicht. Der Kläger hat schon deswegen insoweit im Blick auf das Inkrafttreten des § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG keine Pflicht zur Mitteilung verletzt.
bb) § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X ist jedoch sinngemäß auch in den Fällen anwendbar, in denen die Verwaltung aufgrund einer Änderung des dem Dauerverwaltungsakt zugrundeliegenden Gesetzes verpflichtet ist zu prüfen, ob dadurch entscheidungserheblich gewordene tatsächliche Umstände vorliegen, welche nach der neuen Rechtslage die Aufhebung oder Anpassung des Dauerverwaltungsaktes rechtfertigen. Dann sind die Berechtigten zur wahrheitsgemäßen Antwort verpflichtet, falls eine Rechtsvorschrift ihnen die Angabe entscheidungserheblicher Tatsachen vorschreibt (vgl. § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I). Andernfalls würde entgegen dem Konzept der §§ 45 Abs. 2 Satz 3 und 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X das nicht schutzwürdige Bestandsinteresse auch desjenigen Begünstigten dem öffentlichen Interesse an der Abänderung des Dauerverwaltungsaktes vorgezogen, der durch eine Verletzung seiner Mitteilungspflicht u.a. i.S. von § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I den Verwaltungsträger von der Anwendung des § 48 SGB X abhält. Der Kläger hat aber auch nach dem Maßstab dieser – verfassungsrechtlich zulässigen – Konkretisierung des gesetzlichen Konzepts der Eingriffsermächtigungen in den §§ 45, 48 SGB X den Rückwirkungstatbestand des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X nicht erfüllt:
Voraussetzung einer rückwirkenden Aufhebung analog Nr. 2 a.a.O. wäre, daß der Kläger eine gesetzliche Pflicht, eine durch § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG nachträglich entscheidungserheblich gewordene Tatsache mitzuteilen, vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat und daß deswegen die Abänderung des Bescheides vom 18. Juli 1990 verzögert worden ist. Zumindest die letztgenannte Voraussetzung liegt aber nicht vor. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob es für die Verpflichtung des Klägers rechtlich auf die Zeitpunkte der Absendung oder des Zugangs von Schreiben Nr. 1 der Beklagten bzw. der Unterzeichnung oder der Rücksendung des Fragebogens ankommt. Jedenfalls ist nämlich aufgrund des festgestellten Sachverhalts in keiner Weise erkennbar, daß das Verhalten des Klägers den Erlaß des Bescheides vom 27. Februar 1992 ursächlich verzögert hätte.
Die Beklagte war also nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X nicht ermächtigt, die Bewilligung der Übergangsrente rückwirkend für Zeiten vor der Bekanntgabe des Bescheides vom 11. Mai 1992 aufzuheben.
7. Im Ergebnis dasselbe ergibt sich auch bei Anwendung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X. Nach dieser Vorschrift soll der Dauerverwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufgehoben werden, soweit der Betroffene wußte oder nicht wußte, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, daß der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Dieser Rückwirkungstatbestand setzt objektiv voraus, daß der sich aus dem Dauerverwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Nachteil des Berechtigten geändert worden ist. Subjektiv wird verlangt, daß der Berechtigte dies weiß oder nur deshalb nicht weiß, weil er die ihm gegenüber dem Leistungsträger mögliche, gebotene und erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße, d.h. grob fahrlässig (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X), verletzt hat.
a) Schon der objektive Tatbestand ist in direkter Anwendung des Wortlauts der Vorschrift nicht erfüllt. Denn der sich aus dem Verwaltungsakt der Rentenbewilligung ergebende Anspruch des Klägers ist durch die materiell-rechtliche Änderung der gesetzlichen Anspruchsgrundlage weder zum Ruhen gebracht noch ganz oder teilweise weggefallen. Gerade im Regelungszusammenhang des § 48 Abs. 1 SGB X unterscheidet das SGB X zwischen den Ansprüchen aus Gesetz, aus Vertrag und aus Dauerverwaltungsakt. Während Ansprüche aus verwaltungsrechtlichem Vertrag nur in den Grenzen des § 59 SGB X abgeändert werden dürfen, führt eine bloße Abänderung des gesetzlichen Anspruchs gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X nur zur Aufhebung des Dauerverwaltungsaktes mit Wirkung für die Zukunft. Wäre demgegenüber – entgegen dem Wortlaut von Nr. 4 a.a.O. – der objektive Rückwirkungstatbestand immer schon dann erfüllt, wenn der sich aus dem Gesetz ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Nachteil des Bürgers abgeändert worden ist, so wäre der objektive Rückwirkungstatbestand in Nr. 4 a.a.O. mit dem objektiven Tatbestand von Satz 1 a.a.O. insoweit deckungsgleich und deshalb überflüssig. Für die Rückwirkungsermächtigung käme es dann allein auf den subjektiven Tatbestand an.
Demgegenüber ist mit dem Wortlaut des Gesetzes darauf abzustellen, daß der objektive Rückwirkungstatbestand grundsätzlich nur erfüllt ist, wenn speziell der sich aus dem Dauerverwaltungsakt ergebende Anspruch, also nicht bloß der Anspruch aus Gesetz (oder aus Vertrag), gerade „kraft Gesetzes” (also nicht durch Verwaltungsakt) zum Ruhen gekommen oder weggefallen ist. Da aber – wie ausgeführt – es den Organen der gesetzgebenden Gewalt nur ausnahmsweise und nur bei besonderer verfassungsrechtlicher Rechtfertigung (z.B. bei Funktionsausfall der vollziehenden Gewalt) erlaubt ist, eine durch Verwaltungsakt zuerkannte günstige Rechtsposition „kraft Gesetzes” zu entziehen oder nachteilig zu verändern, hat der Rückwirkungstatbestand des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X nur einen engen Anwendungsbereich.
Im Falle des Klägers ist der objektive Tatbestand nicht erfüllt. Der Anspruch, der sich für ihn aus der Rentenbewilligung der Beklagten ergibt, ist durch die bloß materiell-rechtliche Regelung des § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG nicht „kraft Gesetzes” entfallen, sondern kann nur durch aufhebenden Verwaltungsakt wegfallen. Daher bedarf keiner Darlegung, daß der subjektive Rückwirkungstatbestand nicht erfüllt ist.
b) Gleichwohl ist eine sinngemäße Anwendung dieser Rückwirkungsermächtigung über ihren sehr begrenzten unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus (vgl. BSGE 65, 185, 189 = SozR 1300 § 48 Nr. 57; BSG DRV 1986, 638) in eng begrenztem Umfang auch auf solche Fallgestaltungen geboten, bei denen lediglich der dem Dauerverwaltungsakt zugrundeliegende gesetzliche Anspruch zum Ruhen gekommen oder weggefallen ist, ohne daß der sich aus dem Verwaltungsakt selbst ergebende Anspruch kraft Gesetzes dasselbe Schicksal erfahren hätte:
Nr. 4 a.a.O. erfaßt in der wortlautgemäßen Anwendung Falle, in denen der Berechtigte weiß (oder nur grob fahrlässig nicht weiß), daß der ihn materiell begünstigende Verwaltungsakt durch das Gesetz selbst unwirksam gemacht worden ist; falls er gleichwohl wegen der verbliebenen Handlungsform „Verwaltungsakt” noch auf diesen vertraut, ist dies nicht mehr schutzwürdig. Eine in allen wesentlichen Punkten vergleichbare Lage kann aber auch dann eintreten, wenn der durch den Dauerverwaltungsakt Begünstigte weiß (oder grob fahrlässig nicht weiß), daß der ihm erteilte Verwaltungsakt von einem bestimmten Zeitpunkt an in einem eindeutig bestimmten Umfang in Widerspruch zur materiellen Rechtslage geraten ist; auch, dann kann es treuwidrig sein, wenn der Berechtigte sich auf den (formellen und materiellen) Verwaltungsakt (bösgläubig) beruft.
Im einzelnen hierzu: Hierbei ist das grundsätzliche rechtsstaatliche Verbot der rückwirkenden Anpassung (Verbot der Rückbewirkung von Rechtsfolgen durch die vollziehende Gewalt) zu beachten, das der Wertung des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X zugrunde liegt. Danach ist der Vertrauensschutz des Bürgers auf den Bestand der im Dauerverwaltungsakt zugesagten Begünstigung grundsätzlich und in aller Regel höher einzuschätzen als das öffentliche Interesse daran, den Verwaltungsakt möglichst zum Zeitpunkt des Eintritts einer wesentlichen Änderung der materiellen Rechtslage anzupassen. Eine rückwirkende Anpassung zum Nachteil des Bürgers ist (abgesehen von der Einkommens- oder Vermögensanrechnung nach Satz 2 Nr. 3 und Satz 3 a.a.O.) überhaupt nur zulässig, wenn der Begünstigte sich – unter Berücksichtigung seiner persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten – in grober Weise treuwidrig verhalten hat und dies für die Verzögerung der Anpassungsentscheidung wesentliche Bedingung war. Insbesondere ist bei der sinngemäßen Anwendung der Nr. 4 a.a.O. immer zu beachten, daß der Verwaltungsakt, nicht das abstrakte und generelle Gesetz, die individuelle Rechtsposition des Betroffenen gegenüber dem Verwaltungsträger bestimmt. Der Verwaltungsakt entlastet den Bürger von eigener Rechtskenntnis; er entbindet ihn davon, die sich ständig ändernde Vielzahl der das tägliche Leben regelnden verwaltungsrechtlichen Gesetzesvorschriften zu verfolgen und ständig selbst zu prüfen, was er von der Verwaltung zu Recht beanspruchen kann. Deshalb brauchte der aus einem Dauerverwaltungsakt Berechtigte grundsätzlich nicht nachzuhalten, ob sein sich aus dem Verwaltungsakt ergebender Anspruch „kraft Gesetzes” nachträglich entfallen oder zum Ruhen gekommen ist. Insbesondere wird er nicht schon durch die Publikation eines auf Verwaltungsvollzug angelegten Gesetzes (z.B. § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG) „bösgläubig”. Er kann weiterhin und sogar dann auf seinen Verwaltungsakt vertrauen, wenn seine Unkenntnis davon, daß der verwaltungsaktliche Anspruch nicht mehr mit der materiellen Gesetzeslage übereinstimmt, nur auf einfacher Fahrlässigkeit beruht.
Die sinngemäße Anwendung der Rückwirkungsermächtigung in Nr. 4 a.a.O. ist daher nur dann erlaubt, wenn positiv festgestellt ist, daß der aus dem Dauerverwaltungsakt Berechtigte erkannt hat (oder grob fahrlässig nicht erkannt hat), daß „sein” Verwaltungsakt von einem bestimmten Zeitpunkt an und in bestimmtem Umfang wegen einer bestimmten Änderung der Verhältnisse nachträglich „kraft Gesetzes” in Widerspruch zur materiellen Rechtslage geraten, d.h. rechtswidrig geworden ist (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Bei der sinngemäßen Anwendung der Vorschrift ist – anders als beider wortlautgemäßen – eine bösgläubige Berufung auf den Dauerverwaltungsakt wegen der Bindungs- und Vertrauensschutzwirkung des Verwaltungsaktes nur bei Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalles gegeben. Wegen des Unterschiedes zwischen dem gesetzlichen Anspruch und einem solchen, der sich aus einem Verwaltungsakt ergibt, kann das Wissen (bzw. das grob fahrlässige Nichtwissen) um den Wegfall des gesetzlichen Anspruchsgrundes allein nicht zur Erfüllung des sinngemäß angewandten Tatbestandes der Nr. 4 a.a.O. ausreichen. Die Vertrauensschutz- und Entlastungsfunktion der Leistungsbewilligung (BSGE 65, 185, 188 = SozR 1300 § 48 Nr. 57) dürfen nur dann in Frage gestellt werden, wenn der Begünstigte die ihn bösgläubig machende Schlußfolgerung gezogen hat oder er sich diesem Schluß auch unter Würdigung der Funktionen des Verwaltungsaktes grob fahrlässig entzogen hat (BSG SozR 1300 § 48 Nr. 22; KasselerKomm – Steinwedel, § 48 SGB X Rdnr 55). Insbesondere ist der Begünstigte nicht verpflichtet, Gesetzesänderungen zu verfolgen, Hinweise auf eine mögliche Rechtsänderung zur Kenntnis zu nehmen oder die Maßgeblichkeit einer Rechtsänderung für seinen Anspruch nach den Regeln der Rechtswissenschaft zu überprüfen (BSGE 71, 202, 203 = SozR 3-4100 § 45 Nr. 3).
Aufgrund dieser Maßstäbe kommt die sinngemäße Anwendung der Rückwirkungsermächtigung in Nr. 4 a.a.O. nur in Betracht, wenn die Schlußfolgerung, der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch sei inhaltlich mit der Gesetzeslage nicht mehr vereinbar, für jeden, der mit den tatsächlichen und rechtlichen Umständen des Falles vertraut ist, offen auf der Hand liegt. Der Berechtigte muß die Schlußfolgerung entweder gezogen oder dies unter grober Mißachtung der Belange des Verwaltungsträgers unterlassen haben. Besteht die wesentliche Änderung der Rechtslage – wie hier – in einer Änderung des dem Dauerverwaltungsakt zugrundeliegenden Gesetzes, kann grobe Fahrlässigkeit regelmäßig nur vorgeworfen werden, wenn das Änderungsgesetz selbst so eindeutig ausgestaltet ist, daß jeder Betroffene ohne, weiteres erkennen kann, daß sein sich aus dem Verwaltungsakt ergebender Anspruch von der Verwaltung zu einem bestimmten Zeitpunkt und in absehbarem Umfang aufgehoben werden muß. Ein gleiches Maß von Klarheit kann z.B. dadurch herbeigeführt werden, daß inhaltlich zutreffende Aufklärungsmaßnahmen der Leistungsträger (§ 13 SGB I) den Berechtigten individuell erreichen, daß er konkret beraten wird (§ 14 SGB I) oder daß er Kenntnis von einer gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung oder von zutreffenden Informationen seines Berufsverbandes erhält. Dies muß jeweils individuell festgestellt werden.
§ 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG vermag eine derartige Klarheit aus sich heraus nicht zu bieten. Wie oben dargelegt, ist sein zeitlicher Geltungsbereich nur im Wege der Auslegung und sein Regelungsinhalt nur durch teleologische Reduktion zu ermitteln. Aus dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt sowie dem Inhalt der in Bezug genommenen Akten ergibt sich kein Hinweis darauf, es könnten die bei der sinngemäßen Anwendung der Nr. 4 a.a.O. erforderlichen besonderen Umstände für das Vorliegen von Bösgläubigkeit des Klägers schon vor April 1992 gegeben sein. Schon deswegen ist es nicht i.S. von § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG tunlich, die Sache zwecks weiterer Sachverhaltsaufklärung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
8. Nach alledem war die Beklagte nicht ermächtigt, die Bewilligung der Übergangsrente, für Bezugszeiten vor dem 1. April 1992 rückwirkend aufzuheben. Ihre Revision mußte demgemäß im Ergebnis ohne Erfolg bleiben. Demgegenüber erweist sich die Anschlußrevision des Klägers in vollem Umfang als begründet.
C: Der zweite im streitigen Bescheid vom 27. Februar 1992 bekanntgegebene Verwaltungsakt, das Gebot, an die Beklagte 6.264,00 DM zu zahlen, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Einzig anwendbare Ermächtigungsgrundlage ist § 50 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist durch schriftlichen Verwaltungsakt die zu erstattende Leistung festzusetzen, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist und deswegen bereits erbrachte Leistungen zu erstatten sind.
a) Wie dargelegt, sind die Vorschriften des Ersten Kapitels des SGB X hier anwendbar. § 50 SGB X wird auch nicht durch Spezialregelungen verdrängt. Entgegen der Ansicht der Beklagten enthält § 13 Abs. 1 Nr. 4 AAÜG keine Ermächtigung, Erstattungspflichten durch Verwaltungsakt festzusetzen. Im Wortlaut der Vorschrift ist nicht einmal andeutungsweise ausgedrückt, sie betreffe die Rückforderung von Versorgungsleistungen.
b) § 9 SVersLV ist gleichfalls nicht anwendbar. Der zeitliche Geltungsbereich dieser Verordnung hat erst mit dem 1. Juli 1992 begonnen. Eingriffsermächtigungen, die ihrer Rechtsnatur nach notwendig materiell-rechtliche Regelungen sind, können den Erlaß eines eingreifenden Verwaltungsaktes nur rechtfertigen, wenn sie im. Zeitpunkt des Eingriffs gültiges Recht sind. Zwar enthält § 9 Abs. 1 Satz 1 SVersLV die Regelung eines Anspruchs des Versorgungsträgers gegen den Versorgungsberechtigten auf Erstattung zuviel gezahlter Versorgungsleistungen. In § 9 Abs. 3 Satz 1 a.a.O. wird der Versorgungsträger ermächtigt, den zu erstattenden Betrag durch Bescheid festzusetzen. Insoweit stimmt die Rechtsverordnung mit der höherrangigen Vorschrift des § 50 Abs. 1 und Abs. 3 SGB X überein. Schon deswegen ist hier nicht näher darauf einzugehen, weshalb diese Vorschrift nicht eingreift. Denn der Beklagten steht die streitige Rückforderung nicht zu.
c) Die Beklagte hat den Leistungsbescheid, d.h. die Anordnung, der Kläger habe an sie 6.264,00 DM als zu erstattenden Wert überzahlter beV zu zahlen, als zuständiger Versorgungsträger (§§ 8 Abs. 4, 9 Abs. 3 AAÜG) nach ordnungsgemäßer Anhörung in der gebotenen Form getroffen, war hierzu aber nicht befugt. Da die hier noch streitige – vorgreifliche – rückwirkende Aufhebung der Leistungsbewilligung keinen Bestand hatte, ist insoweit – entgegen § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X – kein Verwaltungsakt aufgehoben worden. Der Kläger hat vielmehr aufgrund des für ihn und die Beklagte für Bezugszeiten bis zum 31. März 1992 bindend gebliebenen Rentenbescheides Nr. 177/90 die beV bis einschließlich März 1992 mit Rechtsgrund erlangt.
Nach alledem konnte die Revision der Beklagten keinen Erfolg haben; hingegen waren die vorinstanzlichen Entscheidungen im Ergebnis zu bestätigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und Abs. 4 SGG.
Fundstellen