Leitsatz (amtlich)

RVO § 1397 Abs 6 ist nur anwendbar, wenn für die geltend gemachte Beitragszeit eine Entgeltsbescheinigung nach 2. LAV § 10 Abs 1 oder nach RVO § 1401 Abs 1 und 2 in die Quittungs- bzw Versicherungskarte eingetragen worden ist, und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem Beiträge für die bescheinigten Beschäftigungen noch nachentrichtet werden durften.

 

Normenkette

RVO § 1397 Abs. 6 Fassung: 1957-02-23, § 1418 Fassung: 1957-02-23; ArVNG Art. 2 § 42 Fassung: 1965-06-09; RVO § 1401 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23, § 1402 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23, § 1418 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23; LAV 2 § 10 Abs. 1 Fassung: 1942-04-24

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Februar 1962 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I

Die Klägerin war in den Jahren 1917 bis 1921 und vom 6. bis 31. Juli 1942 in der Invalidenversicherung pflichtversichert. Von 1952 bis April 1957 (Eintritt des Versicherungsfalls) sind für weitere 55 Monate Beiträge entrichtet worden. Die Beklagte gewahrte der Klägerin mit Bescheid vom 23. Oktober 1958 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus der Rentenversicherung der Arbeiter, berechnet nach den seit dem 1. Januar 1957 geltenden Vorschriften, in Höhe von 10,70 DM.

Mit der hiergegen erhobenen Klage begehrt die Klägerin Anrechnung von Pflichtbeiträgen für die Jahre 1949 bis 1951 und Berechnung ihrer Rente gem. Art. 2 § 42 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) nach den bis zum 1. Januar 1957 geltenden Vorschriften des alten Rechts. Sie hat die Aufrechnungsbescheinigung über den Inhalt der Versicherungskarte Nr. 7 vorgelegt, in der Arbeitsentgelte für ihre Beschäftigung als Weinbergsarbeiterin bei dem Weingutsbesitzer B in B in den Jahren 1949 bis 1951 eingetragen sind.

Die Klage hatte im ersten und zweiten Rechtszug keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat es weder für erwiesen noch für glaubhaft gehalten, daß Pflichtbeiträge für die Jahre 1949 bis 1951 entrichtet worden sind. Der Arbeitgeber der Klägerin habe, wie sich aus seiner Aussage eindeutig ergebe, seinerzeit keine Beiträge abgeführt, was zudem die zuständige Ortskrankenkasse bei einer Kontrolle im Jahre 1956 festgestellt habe. Die fehlenden Beiträge könnten auch nicht als entrichtet gelten (§ 1397 Abs. 6 der Reichsversicherungsordnung - RVO -); denn es stehe auf Grund der Zeugenaussagen fest, daß der Arbeitgeber in den Jahren 1949 bis 1951 keinen Arbeitnehmeranteil einbehalten habe. Eine Nachentrichtung der Beiträge sei nach § 1418 RVO nicht mehr möglich. Anspruch auf die Berechnung gem. Art. 2 § 42 ArVNG nach altem Recht habe die Klägerin nicht, weil sie beim Eintritt des Versicherungsfalls die nach dem Urteil des erkennenden Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. November 1961 (BSG 15, 271) dafür erforderliche besondere Wartezeit nicht erfüllt habe.

Mit der von dem LSG zugelassenen Revision beantragt die Klägerin,

die Urteile des Landessozialgerichts und des Sozialgerichts aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Bescheides zu verurteilen, ihr die gemäß Art. 2 § 42 ArVNG nach altem Recht berechnete höhere Rente zu gewähren und Beiträge für die Jahre 1949 bis 1951 entsprechend der Aufrechnungsbescheinigung Nr. 7 anzurechnen,

hilfsweise,

die Sache an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Sie rügt Verletzung des § 1397 Abs. 6 RVO und im Zusammenhang hiermit Überschreitung der Grenzen des Rechts der freien Beweiswürdigung (§ 128 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Das Berufungsgericht habe übersehen und deshalb nicht gewürdigt, daß sie mit ihrem damaligen Arbeitgeber B stets einen sogenannten Nettolohn vereinbart gehabt habe. Danach habe sie Anspruch auf Auszahlung des vollen Lohnes ohne Abzüge gehabt und ihr Arbeitgeber habe zusätzlich den auf sie entfallenden Arbeitnehmeranteil der Beiträge zu tragen übernommen. Dies ergebe sich aus den eidlichen Aussagen ihres Arbeitgebers und seiner Tochter. Bei richtiger Würdigung der Zeugenaussagen hätte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangen müssen, daß bei einer solchen Nettolohnvereinbarung die auf die Klägerin entfallenden Beitragsanteile als "vom Lohn abgezogen" im Sinne des § 1397 Abs. 6 RVO angesehen werden und die Beiträge für ihre Beschäftigung in den Jahren 1949 bis 1951 danach als entrichtet gelten müßten, selbst wenn feststehe, daß die Beiträge nicht abgeführt worden seien. Alsdann seien genügend Beiträge für die Berechnung der Rente nach altem Recht vorhanden. Das LSG hätte, falls die Zeugenaussagen unklar gewesen seien, die Zeugen zu der Nettolohnvereinbarung nochmals hören und den Sachverhalt genau aufklären müssen. Das Berufungsgericht habe ferner über die Nachentrichtung der Beiträge unrichtig entschieden. Es hätte § 1418 Abs. 2 RVO anwenden müssen. Entgegen der Ansicht des LSG seien die rückständigen Beiträge für 1949 bis 1951 nicht verjährt, sondern könnten auch jetzt noch beigetrieben werden. Sie habe wiederholt unter Beweis gestellt, daß die Allgemeine Ortskrankenkasse in Bernkastel-Kues in der Zeit von 1952 bis 1956 mehrfach versucht habe, Betriebsprüfungen bei ihrem Arbeitgeber durchzuführen. Dies habe der Arbeitgeber vereitelt. Die beabsichtigten Betriebsprüfungen der Einzugsstelle hätten die Verjährung der Beitragsrückstände von 1952 an unterbrochen. Darüber Beweis zu erheben, habe das LSG unterlassen. Insoweit rüge sie mangelnde Sachaufklärung. Eine Aufklärung des Sachverhalts hätte ergeben, daß die rückständigen Beiträge auch jetzt noch eingezogen bzw. nachentrichtet werden könnten. Unabhängig davon habe sie Anspruch auf Berechnung der Rente nach altem Recht, weil nach dem Urteil des 4. Senats des BSG vom 20. April 1961 (BSG 14, 159) die Wartezeit nicht aus den vor dem 1. Januar 1957 entrichteten Beiträgen, sondern nur beim Eintritt des Versicherungsfalls erfüllt zu sein brauche.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

II

Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.

Es geht darum, ob Beiträge für die Beschäftigung der Klägerin in den Jahren 1949 bis 1951 rentensteigernd anzurechnen sind und ob die Klägerin Anspruch auf die für sie günstigere Berechnung ihrer Rente nach altem Recht gem. Art. 2 § 42 ArVNG hat.

Zu Recht hat das Berufungsgericht entschieden, daß die Klägerin keinen Anspruch auf Anrechnung von Beiträgen für ihre Beschäftigung in den Jahren 1949 bis 1951 hat.

Nach der Feststellung des Berufungsgerichts hat der damalige Arbeitgeber der Klägerin in diesen Jahren tatsächlich keine Beiträge für die Klägerin abgeführt. Diese Feststellung hat die Klägerin nicht angegriffen und sie ist daher nach § 163 SGG für das Revisionsgericht bindend.

Beiträge für die Beschäftigung der Klägerin von 1949 bis 1951 können aber auch nicht gemäß § 1397 Abs. 6 RVO - auf den die Klägerin sich beruft - als entrichtet gelten. Nach dieser Vorschrift gilt der Beitrag ohne Rücksicht auf die tatsächliche Abführung als entrichtet, wenn der Versicherte glaubhaft macht, daß der auf ihn entfallende Beitragsanteil vom Lohn abgezogen worden ist.

Es kann dahinstehen, ob überhaupt von einem Abzug des Arbeitnehmeranteils an den Beiträgen vom Lohn im Sinne des § 1397 Abs. 6 RVO gesprochen werden kann, wenn ein sogenannter Nettolohn vereinbart ist, wenn also der Arbeitgeber den Lohn an den Versicherten gerade ohne Abzüge zu zahlen und daneben den vollen Beitrag einschließlich des Arbeitnehmeranteils zu entrichten hat. Die Ansicht könnte vertreten werden, ein Abzug vom Lohn im Sinne der Vorschrift setze voraus, daß ohne den Abzug dem Versicherten ein höherer Betrag ausgezahlt worden wäre. Es kann dies jedoch offen bleiben, denn die Vorschrift ist schon aus den folgenden Gründen im vorliegenden Falle nicht anwendbar.

§ 1397 Abs. 6 RVO kann nur dann angewendet werden, wenn für die geltend gemachten Beitragszeiten eine Entgeltsbescheinigung nach § 10 Abs. 1 der Zweiten Lohnabzugs-Verordnung vom 24. April 1942 - 2. LAV - (RGBl I 252) oder nach § 1401 Abs. 1 und 2 RVO nF in die Quittungs- bzw. Versicherungskarte eingetragen worden ist (so auch Elsholz/Theile, Die gesetzliche Rentenversicherung, synoptischer Komm., § 1397 RVO Anm. 8 a, Rd. Nr. 119, und § 1423 RVO Anm. 5, Rd. Nr. 147; VerbKomm., 6. Aufl., § 1423 RVO Anm. 15; Eicher/Haase, Die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, 2. Aufl., § 1423 RVO Anm. 5), und daran fehlt es hier. Daß § 1397 Abs. 6 RVO eine Entgeltsbescheinigung in der vorgeschriebenen Form voraussetzt, folgt aus einer Gesamtbetrachtung von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Sinnzusammenhang und Zweck der Vorschrift. Eine dem § 1397 Abs. 6 RVO entsprechende, gleichlautende Regelung enthielt bereits § 11 Abs. 3 der Verordnung zur Durchführung der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften der 2. LAV vom 15. Juni 1942 - DVO zur 2. LAV - (RGBl I 403, 448). Diese Regelung und auch die übrigen Absätze des § 11 sind durch das ArVNG in die RVO übernommen worden. Wie der gesamte Aufbau des § 11 der DVO zur 2. LAV deutlich erkennen läßt, setzten dessen Absätze 1 bis 3 voraus, daß für die versicherungspflichtige Beschäftigung eine Entgeltsbescheinigung in die Quittungskarte (Versicherungskarte) eingetragen worden ist. Die ordnungsgemäße Entgeltsbescheinigung in der rechtzeitig umgetauschten Quittungskarte begründete nach Absatz 1 die Rechtsvermutung, daß insoweit ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden habe und die dafür zu entrichtenden Beiträge rechtzeitig geleistet seien. Diese Vermutung konnte der Versicherungsträger jedoch durch Gegenbeweis entkräften. Absatz 1 gewährte dem Versicherten also nur einen beschränkten Schutz. Dementsprechend erweiterte Absatz 2 den Schutz des Versicherten: Nach Ablauf von 10 Jahren seit Aufrechnung der Quittungskarte konnte die Rechtsgültigkeit der darin eingetragenen Entgeltsbescheinigungen regelmäßig nicht mehr angefochten werden, also auch der Gegenbeweis nicht mehr geführt werden. Daran anknüpfend verstärkte Absatz 3 den Schutz des Versicherten. Der Beitrag galt als entrichtet, wenn der Versicherte glaubhaft machte, daß ihm sein Beitragsanteil vom Lohn abgezogen worden sei. Im Wortlaut des Absatzes 3 war allerdings - anders als in den beiden vorhergehenden Absätzen - von der Entgeltsbescheinigung nichts ausdrücklich gesagt. Daß aber auch Absatz 3 die Entgeltsbescheinigung in der Quittungskarte als selbstverständlich voraussetzte, folgte einerseits aus dem Sinnzusammenhang mit den beiden vorhergehenden Absätzen, die ebenso wie Absatz 3 Schutzvorschriften zugunsten des Versicherten waren. Absatz 3 baute gewissermaßen nur auf den beiden ersten Absätzen auf und ergänzte den in ihnen enthaltenen Schutz. Zum anderen aber ergab sich dies aus Absatz 4 des § 11 der DVO zur 2. LAV; denn darin war gerade der Fall der Ausnahme von den vorhergehenden Absätzen geregelt, nämlich bestimmt, was der Versicherte für die Anrechnung einer Beschäftigung als Beitragszeit glaubhaft zu machen hatte, wenn eine Entgeltsbescheinigung darüber in einer Quittungskarte nicht vorlag. War die Beschäftigung auf einer Karte nicht bescheinigt, so genügte es nicht, daß der Versicherte nur den Abzug des Arbeitnehmeranteils glaubhaft machte, sondern er hatte nach Absatz 4 glaubhaft zu machen, daß er versicherungspflichtig beschäftigt war und daß die erforderlichen Beiträge entrichtet waren. Dadurch, daß § 11 Abs. 3 der DVO zur 2. LAV als § 1397 Abs. 6 RVO und § 11 Abs. 1, 2 und 4 der DVO zur 2. LAV als § 1423 Abs. 1, 2 und 4 RVO durch das ArVNG in die RVO übernommen worden sind, ist eine sachliche Änderung der Vorschriften nicht eingetreten. Eine solche war auch nicht beabsichtigt. Das geht aus der Begründung des Regierungsentwurfs zu den genannten Vorschriften der RVO klar hervor. Dort ist ausgeführt, daß nur das bisher geltende Recht übernommen und in den genannten Vorschriften der RVO zusammengefaßt worden sei, die nunmehr einheitlich für alle Beiträge gälten, die im Marken- oder Einzugsverfahren entrichtet seien (BT-Drucks. 2437, 2. WP., Reg. Entw. Begründung zu §§ 1397, 1398, S. 84 und zu §§ 1422, 1423, S. 86; vgl. ferner Protokoll Nr. 101 des Ausschusses für Sozialpolitik, 2. WP., S. 12). Daraus folgt aber, daß § 1397 Abs. 6 RVO nach wie vor nur Anwendung findet, wenn für die Beschäftigung eine Entgeltsbescheinigung in einer Versicherungskarte eingetragen ist. Ist die Beschäftigung nicht auf einer Versicherungskarte bescheinigt, so hat der Versicherte nach § 1423 Abs. 4 RVO glaubhaft zu machen, daß er versicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist und daß für diese Beschäftigungszeit die erforderlichen Beiträge entrichtet sind. - Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 1397 Abs. 6 RVO. Die Vorschrift dient dem Schutz des Versicherten vor unredlichen oder zahlungsunfähigen Arbeitgebern. Sie wurde mit der Einführung des Lohnabzugsverfahrens durch die 2. LAV notwendig. Bis dahin waren Pflichtbeiträge im Markenverfahren zu entrichten; der Beitrag war entrichtet, sobald der Arbeitgeber die entsprechende Beitragsmarke in die Quittungskarte eingeklebt hatte. Ob der Arbeitgeber die erforderlichen Pflichtbeiträge entrichtet hatte, konnte der Versicherte unmittelbar aus seiner Quittungskarte oder nach deren Umtausch aus der entsprechenden Aufrechnungsbescheinigung - nämlich aus der Zahl und Höhe der geklebten Beitragsmarken - ersehen und nachprüfen. Dies ist ihm seit Einführung des Lohnabzugsverfahrens nicht mehr möglich. Der Arbeitgeber hat nunmehr den auf den Versicherten entfallenden Beitragsanteil vom Lohn abzuziehen und zusammen mit dem Arbeitgeberanteil an die Einzugsstelle abzuführen. Entrichtet ist der Beitrag erst dann, wenn er an die Einzugsstelle gezahlt worden ist. Der Nachweis der Beitragsentrichtung ist durch die Entgeltsbescheinigung in der Versicherungskarte zu führen (§ 1411 Abs. 1 RVO), die der Arbeitgeber einzutragen hat (§ 1401 RVO, § 10 2. LAV). Die Entgeltsbescheinigung beweist jedoch nur, daß der Arbeitgeber die darin enthaltenen Erklärungen abgegeben hat. Sie erbringt letztlich aber keinen Beweis dafür, daß der Arbeitgeber auch tatsächlich Beiträge abgeführt hat. Anhand der Versicherungskarte kann der Versicherte also - anders als im Markenverfahren- nicht mehr nachprüfen, ob Beiträge für ihn entrichtet worden sind. Diese ungünstige Beweislage des Versicherten beim Nachweis der Beitragsentrichtung hatte der Gesetzgeber erkannt und deshalb Schutzvorschriften zugunsten des Versicherten geschaffen (§ 11 Abs. 1 bis 3 der DVO zur 2. LAV, §§ 1397 Abs. 6, 1423 Abs. 1 und 2 RVO). Nach § 1397 Abs. 6 RVO (§ 11 Abs. 3 der DVO zur 2. LAV) soll das Risiko, daß ein unredlicher oder zahlungsunfähiger Arbeitgeber den auf den Versicherten entfallenden Beitragsanteil vom Lohn abzieht, die Beiträge aber nicht abführt, nicht zu Lasten des Versicherten gehen, sondern dieses Risiko soll die Versichertengemeinschaft tragen. Die Vorschrift verfolgt aber auch nur diesen Schutzzweck. Sie bezweckt nicht, den Versicherten von der ihm schon nach § 1414 RVO aF, aber auch nach § 1411 Abs. 2 RVO nF obliegenden Pflicht zu entbinden, sich die Versicherungskarte ausstellen zu lassen und ferner auf die Eintragung der Entgeltsbescheinigung zu achten. Dafür war und ist der Versicherte neben dem Arbeitgeber mitverantwortlich, jedenfalls soweit er im Rentenverfahren den Nachweis der Beitragsentrichtung durch die Entgeltsbescheinigung zu führen hat. Hat er diesen Pflichten nicht genügt, so schützt ihn weder § 1423 Abs. 1 und 2 RVO noch § 1397 Abs. 6 RVO vor den ihm daraus erwachsenen Nachteilen. Nur die ordnungsgemäße Entgeltsbescheinigung in der Versicherungskarte gewährt dem Versicherten den Schutz des § 1397 Abs. 6 RVO, wenn sich nachträglich herausstellt, daß der Arbeitgeber zwar den auf den Versicherten entfallenden Beitragsanteil einbehalten, die Beiträge jedoch - entgegen der Entgeltsbescheinigung - nicht abgeführt hat.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin - und zwar erstmalig im Verfahren vor dem Sozialgericht (SG) - die Aufrechnungsbescheinigung vom 24. Januar 1959 über den Inhalt der Versicherungskarte Nr. 7 vorgelegt, in die Entgeltsbescheinigungen über ihre Beschäftigungen in den Jahren 1949 bis 1951 eingetragen sind. Die Versicherungskarte Nr. 7 ist danach aber erst 1958/1959 ausgestellt und aufgerechnet worden. Das ergibt sich auch daraus, daß die vorhergehende Versicherungskarte Nr. 6 am 28. Mai 1958 aufgerechnet und die nachfolgende Karte Nr. 8 am 24. Januar 1959 ausgestellt worden ist, so daß die Ausstellung und Aufrechnung der Versicherungskarte Nr. 7 nur in der Zwischenzeit vom 28. Mai 1958 bis 24. Januar 1959 erfolgt sein kann.

Demzufolge sind die Entgeltsbescheinigungen in der Versicherungskarte Nr. 7 nicht zu der in § 1401 Abs. 2 RVO (§ 10 Abs. 1 2. LAV) vorgeschriebenen Zeit erteilt worden; denn sie sind weder alsbald nach Ablauf jedes Kalenderjahres noch nach Beendigung der Beschäftigungen in den Jahren 1949 bis 1951 eingetragen worden, sondern erst 7 bis 9 Jahre später. Die Beschäftigungen der Klägerin sind danach nicht ordnungsgemäß im Sinne des § 1423 Abs. 1 RVO auf einer Versicherungskarte bescheinigt; denn ordnungsgemäß ist eine Entgeltsbescheinigung nur, wenn sie die Voraussetzungen des § 1401 Abs. 1 RVO (§ 10 Abs. 1 2. LAV) erfüllt, also auch rechtzeitig in die Versicherungskarte eingetragen worden ist. Mangels ordnungsgemäßer Entgeltsbescheinigungen gilt die Vermutung des § 1423 Abs. 1 RVO, daß in der Zeit von 1949 bis 1951 die Versicherungspflicht begründende Beschäftigungsverhältnisse bestanden haben und die dafür zu entrichtenden Beiträge rechtzeitig geleistet worden sind, hier nicht. Das bedeutet aber, daß die Entgeltsbescheinigungen in der Karte Nr. 7 nicht als Beweismittel für das Bestehen eines Versicherungsverhältnisses angesehen werden können; sie haben insoweit keinen Beweiswert. Bei dieser Sachlage sind die Entgeltsbescheinigungen in der Versicherungskarte Nr. 7 auch nicht geeignet, die Rechtswirkungen des § 1397 Abs. 6 RVO auszulösen. § 1397 Abs. 6 RVO ist jedenfalls dann nicht anwendbar, wenn die Entgeltsbescheinigungen in die Versicherungskarte zu einem Zeitpunkt eingetragen worden sind, zu dem Beiträge für die bescheinigten Beschäftigungen nach § 1418 Abs. 1 und 2 RVO nicht mehr nachentrichtet werden durften. Das ist hier aber der Fall. In den Jahren 1958/1959, in denen die Entgeltsbescheinigungen in die Versicherungskarte Nr. 7 eingetragen worden sind, waren sowohl die zweijährige Frist des § 1418 Abs. 1 RVO als auch die um weitere zwei Jahre verlängerte Frist des § 1418 Abs. 2 RVO für eine Nachentrichtung von Beiträgen für die Beschäftigungen der Klägerin in den Jahren 1949 bis 1951 längst verstrichen, so daß Beiträge dafür nicht mehr nachentrichtet werden durften.

Soweit die Klägerin rügt, das Berufungsgericht habe verkannt, daß die Beitragsrückstände aus den Jahren 1949 bis 1951 noch nicht verjährt seien und die Beiträge jetzt noch eingezogen werden könnten, greift ihre Rüge nicht durch. Hierüber konnte und brauchte das Berufungsgericht nicht zu entscheiden. Nur im Wege einer Klage auf Feststellung, daß die Beschäftigungen in der Zeit von 1949 bis 1951 versicherungspflichtig waren und die dafür zu entrichtenden Beiträge noch einziehbar sind, hätte hierüber entschieden werden können. Eine solche Klage hat die Klägerin nicht erhoben.

Aus alledem ergibt sich, daß das Berufungsgericht auch die Voraussetzungen des Art. 2 § 42 ArVNG für die Berechnung der Rente der Klägerin nach altem Recht zu Recht nicht als erfüllt angesehen hat. Denn im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles - im April 1957 - war, wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, die Wartezeit nicht erfüllt mit denjenigen Beiträgen, aus denen zum 1. Januar 1957 die Anwartschaft erhalten war, zuzüglich der danach bis zum Eintritt des Versicherungsfalls entrichteten Beiträge, wie es nach ständiger Rechtsprechung des BSG für die Anwendung des Art. 2 § 42 ArVNG erforderlich ist (BSG 15, 271; Urteile des 4. Senats des BSG vom 25. Oktober 1962 - 4 RJ 99/61 - und vom 22. November 1962 - 4 RJ 329/61 -). Zum 1. Januar 1957 war die Anwartschaft nur aus den von 1952 an entrichteten Beiträgen erhalten. Aus allen bis 1942 geleisteten Beiträgen war die Anwartschaft nach § 1264 Abs. 1 RVO aF erloschen, weil die Klägerin in der Zeit von 1949 bis 1951 nicht die zur Erhaltung der Anwartschaft für jedes Kalenderjahr erforderlichen 26 Wochenbeiträge entrichtet hatte. Auch nach § 1265 RVO aF war die Anwartschaft aus diesen Beiträgen zum 1. Januar 1957 nicht erhalten, weil die sogenannte Halbdeckung bei weitem nicht erreicht war. Nur die von 1952 an entrichteten Beiträge sind danach auf die besondere Wartezeit im dargelegten Sinne anzurechnen. Für die Zeit von 1952 bis April 1957 sind aber nur für 55 Kalendermonate Beiträge entrichtet worden.

Mit diesen Beiträgen war beim Eintritt des Versicherungsfalls der Erwerbsunfähigkeit im April 1957 die Wartezeit von 60 Kalendermonaten nicht erfüllt.

Die Revision der Klägerin war danach als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2324254

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