Leitsatz (amtlich)
1. Auch einer solchen früheren Ehefrau des Versicherten, deren Ehe mit dem Versicherten gemäß EheG § 38 Abs 2 aufgelöst ist, ist Rente gemäß RVO § 1265 zu gewähren, wenn die sonstigen Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind. Ihr Unterhaltsanspruch richtet sich nach der entsprechend anzuwendenden Vorschrift des EheG § 61 Abs 2.
2. Ein Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung ist kein Anspruch auf Unterhalt aus einem sonstigen Grunde iS des RVO § 1265 S 1.
Normenkette
RVO § 1265 S. 1 Fassung: 1957-02-23; EheG § 38 Abs. 2 Fassung: 1946-02-20, § 61 Abs. 2 Fassung: 1946-02-20
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. Januar 1963 mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I .
Die Beteiligten streiten darüber, ob § 1265 der Reichsversicherungsordnung (RVO) auch im Falle der Auflösung einer Ehe nach § 38 Abs. 2 des Ehegesetzes vom 20. Februar 1946 (EheG) anzuwenden ist.
Die Klägerin begehrt Hinterbliebenenrente gemäß § 1265 RVO aus der Rentenversicherung ihres am 10. April 1959 verstorbenen früheren Ehemannes, des Bauhilfsarbeiters H G. Das Amtsgericht Ansbach hatte durch am 13. Februar 1948 rechtskräftig gewordenen Beschluß vom 29. Dezember 1947 die Klägerin auf Antrag des Versicherten für tot erklärt und als Zeitpunkt des Todes das Ende des 15. Februar 1945 festgestellt. Nachdem sich herausgestellt hatte, daß die Klägerin noch lebt, hob das Amtsgericht Ansbach durch Beschluß vom 12. Mai 1949 seinen ersten Beschluß wieder auf. Der Versicherte hatte aber inzwischen - am 30. Januar 1948 - eine zweite Ehe geschlossen. Mit der Schließung dieser neuen Ehe ist gemäß § 38 Abs. 2 EheG die frühere Ehe, also die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten, aufgelöst.
Die Beklagte lehnte den Rentenantrag der Klägerin mit der Begründung ab, Anspruch auf Witwenrente nach § 1264 RVO habe die Klägerin nicht, da sie nicht Witwe des Versicherten sei, weil sie zur Zeit des Todes des Versicherten nicht mehr mit diesem verheiratet gewesen sei; auch seien die Voraussetzungen des § 1265 RVO nicht erfüllt, weil ihre Ehe mit dem Versicherten nicht geschieden, für nichtig erklärt oder aufgehoben, sondern nach § 38 Abs. 2 EheG aufgelöst worden sei (Bescheid vom 18. Dezember 1959). Auf die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides die Beklagte zur Gewährung einer "Witwenrente" nach § 1265 RVO unter Berücksichtigung des § 1268 RVO verurteilt (Urteil vom 27. Juni 1961). Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil der ersten Instanz aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 28. Januar 1963). Es hat sowohl die unmittelbare als auch die entsprechende Anwendung des § 1265 RVO abgelehnt.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Klägerin hat Revision eingelegt und rügt Verletzung des § 1265 RVO durch das Berufungsgericht. Sinn und Zweck dieser Vorschrift, die die soziale Sicherstellung der früheren Ehefrau im Auge habe, verbiete es, die an sich schon schwerwiegenden Folgen für eine zu Unrecht für tot erklärte Ehefrau noch zu verschlechtern. Auch müsse ein wegen arglistiger Herbeiführung der Todeserklärung durch den Versicherten nach den §§ 823, 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gegen den Versicherten gegebener Schadensersatzanspruch als "sonstiger Grund" im Sinne des § 1265 RVO anerkannt werden, aus dem der Versicherte zur Zeit seines Todes ihr - der Klägerin - Unterhalt habe leisten müssen.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. Januar 1963 die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 27. Juni 1961 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie hält an ihrer Rechtsauffassung fest.
II .
Die Revision der Klägerin ist insoweit begründet, als die Sache an das LSG zurückzuverweisen ist.
Einen Anspruch der Klägerin auf Witwenrente gemäß § 1264 RVO hat das Berufungsgericht zu Recht verneint. Ein solcher Anspruch setzt voraus, daß die Antragstellerin die Witwe des Versicherten ist. Beim Tode des Versicherten hätte also die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten noch bestanden haben müssen. Das war aber nicht der Fall, weil die Ehe nach § 38 Abs. 2 Satz 1 EheG durch die Schließung der neuen (zweiten) Ehe aufgelöst worden ist. Daran ändert sich auch nichts dadurch, daß das Amtsgericht Ansbach die Todeserklärung aufgehoben hat, denn die (erste) Ehe bleibt auch dann aufgelöst (§ 38 Abs. 2 Satz 2 EheG).
Nicht beigetreten ist der Senat dem LSG aber darin, daß es der Klägerin einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente gemäß § 1265 RVO versagt hat, wonach einer früheren Ehefrau des Versicherten, deren Ehe mit dem Versicherten geschieden, für nichtig erklärt oder aufgehoben ist, nach dem Tode des Versicherten Rente zu gewähren ist, wenn ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des EheG oder aus sonstigen Gründen zu leisten hatte oder wenn er im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt geleistet hat.
Das LSG ist zu diesem Ergebnis vornehmlich deswegen gelangt, weil es davon ausgegangen ist, daß nur die frühere Ehefrau, deren Ehe geschieden, für nichtig erklärt oder aufgehoben sei, einen Unterhaltsanspruch gegen ihren früheren Ehemann nach dem EheG haben könne, nicht aber die frühere Ehefrau, deren Ehe nach § 38 Abs. 2 EheG aufgelöst sei; deshalb und nicht etwa versehentlich sei diese frühere Ehefrau in § 1265 RVO auch von dem Anspruch auf Hinterbliebenenrente ausgeschlossen. In der Tat sieht das EheG einen Unterhaltsanspruch einer früheren Ehefrau, deren Ehe nach § 38 Abs. 2 EheG aufgelöst ist, gegen ihren früheren Ehemann nicht ausdrücklich vor. Deshalb war ein solcher Anspruch nach früher herrschender und nach jetzt noch vertretener Ansicht nicht gegeben (Hoffmann-Stephan, EheG, Komm., 1950, § 38 Anm. 5 und § 40 Anm. 3; Soergel-Siebert, Bürgerliches Gesetzbuch, 9. Aufl. Band 4, 1963, § 38 EheG Anm. 4; Dölle, Familienrecht, 1. Band, 1964, § 30 I 2, S. 361).
Diese Ansicht kann heute jedoch nicht mehr als für das bürgerliche Recht maßgebend angesehen werden. Zwar mag der Wille des Gesetzgebers im bürgerlichen Recht ursprünglich dahin gegangen sein, einen derartigen Unterhaltsanspruch auszuschließen. Denn bei der Schaffung der ursprünglichen Regelung im BGB (§ 1348 BGB idF vom 18.8.1896, RGBl. S. 195) ging man davon aus, daß in den Fällen der Todeserklärung eines Ehegatten die Verhältnisse regelmäßig so seien, daß entweder die Voraussetzungen der Scheidung wegen "böslicher Verlassung " gegeben, aber nicht erweislich seien oder doch "den für tot erklärten Ehegatten, namentlich im Hinblick auf die Leichtigkeit des heutigen Verkehrs selbst von entfernten Weltteilen aus um deswillen ein grobes Verschulden" treffe, weil er keine Nachricht von sich gegeben habe (vgl. Motive zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Band IV, 1888, S. 642). Angesichts des Ausmaßes einer Katastrophe, wie sie der Zweite Weltkrieg mit sich gebracht hat, erscheint eine derartige Begründung jedoch nicht mehr gerechtfertigt. Dementsprechend hat sich in neuerer Zeit im bürgerlichen Recht die Auffassung durchgesetzt, daß auch bei einer Eheauflösung nach § 38 Abs. 2 EheG Unterhaltsansprüche in entsprechender Anwendung des § 61 Abs. 2 EheG vorhanden seien (Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts, 1964, § 15, S. 130; Beitzke, Familienrecht, 12. Aufl. 1964, S. 128; Brühl, Unterhaltsrecht, 2. Aufl. 1963, S. 43; Bosch, FamRZ 1961, 379 und 1954, 240 f; Erman-Hefermehl, Handkomm. zum BGB, 3. Aufl. 1962, 2. Band; § 38 EheG Anm. 5 im Gegensatz zur Vorauflage; Palandt-Lauterbach, BGB, Komm., 26. Aufl. 1967, § 38 EheG Anm. 5).
Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Die Regelung in § 61 Abs. 2 EheG geht nicht von dem Verschuldensgedanken aus, sondern belastet denjenigen, der die Scheidung betrieben hat, nur um dieser Tatsache willen mit einem Billigkeitsanspruch (Bosch, FamRZ 1954, 240). Dementsprechend ist auch ein Unterhaltsanspruch gegenüber demjenigen Ehegatten, der das Todeserklärungsverfahren betrieben hat, zu billigen.
Ist aber hiernach unter den näher in § 61 Abs. 2 EheG bestimmten Voraussetzungen ein Unterhaltsanspruch auch derjenigen früheren Ehefrau gegen ihren früheren Ehemann zu bejahen, deren Ehe nach § 38 Abs. 2 EheG aufgelöst ist, so ist § 1265 RVO auch für sie anwendbar. Denn in dieser Vorschrift findet ganz allgemein das sozialpolitische Anliegen des Gesetzgebers Ausdruck, denjenigen Ehefrauen, die durch den Tod ihres früheren Ehemannes einen Unterhaltsanspruch oder eine tatsächliche Unterhaltsleistung verloren haben, die Versorgung oder Versicherung des Ehemannes zugute kommen zu lassen (vgl. die Begründung zu § 1269 des Regierungsentwurfes eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten, Bundestags-Drucks. 2437, 2. WP, 1953). Das ergibt sich auch aus der historischen Entwicklung dieser Vorschrift:
Die heute in § 1265 RVO niedergelegte Regelung wurde durch das Zweite Gesetz über die Verbesserungen der Leistungen in der Rentenversicherung vom 19. Juni 1942 (RGBl I 407) als § 1256 Abs. 4 RVO aF in das Gesetz eingefügt und war in der Rentenversicherung neu. Es war als unbillig empfunden worden, daß keine Möglichkeit bestand, der schuldlos geschiedenen Frau, nachdem sie oft die besten Jahre ihres Lebens der Gemeinschaft mit ihrem Manne und der gemeinsamen Familie gewidmet hatte, irgendwelche Bezüge aus der Versicherung des Ehemannes zu gewähren. Dem Beispiel der Militärversorgung und des Beamtenrechts folgend wurde daher die Möglichkeit geschaffen, der Ehefrau, deren Ehe geschieden, für nichtig erklärt oder aufgehoben worden war, eine Witwenrente zu gewähren, sofern ihr der Versicherte zur Zeit des Todes nach den Vorschriften des EheG Unterhalt zu leisten hatte (vgl. Heller, AN 1942, 402, 403). In der Militärversorgung wurde schon nach § 38 des Reichsversorgungsgesetzes (RVG) vom 12. Mai 1920 (RGBl 989) eine Witwenrente im Falle der Scheidung oder der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft gewährt, wenn der Verstorbene allein für schuldig erklärt oder wenn die Ehe wegen Geisteskrankheit des Verstorbenen geschieden worden war. Auch in der Beamtenversorgung war zur Beseitigung von Härten (vgl. Brand, Das Deutsche Beamtengesetz, 4. Aufl. 1942, § 102 Anm. 2) für die unschuldig geschiedenen Ehegatten und bei Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft die Möglichkeit der Bewilligung eines Witwengeldes vorgesehen (§ 102 des Deutschen Beamtengesetzes - DBG - vom 26. Januar 1937, RGBl I 39). Diese Regelung wurde ausgedehnt auf die Fälle, in denen der Verstorbene für überwiegend schuldig erklärt war oder im Falle der Scheidung ohne Verschulden beider Ehegatten Unterhalt zu gewähren hatte, ferner auf die Fälle der Aufhebung oder Nichtigkeit der Ehe, wenn der Verstorbene bei Beurteilung seiner Unterhaltspflicht kraft gesetzlicher Vorschrift wie ein allein schuldig geschiedener Ehemann zu behandeln war (vgl. Zweite Verordnung zur Durchführung des DBG vom 13. Oktober 1938, RGBl I 1421). Entsprechende Vorschriften finden sich heute in § 125 Abs. 2 und 3 des Bundesbeamtengesetzes idF vom 22. Oktober 1965 (BGBl I 1776) und für die Kriegsopferversorgung in § 42 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) idF der Bek. vom 20. Januar 1967, BGBl I 142). Ähnliche Bestimmungen enthalten § 42 des Angestelltenversicherungsgesetzes, § 65 des Reichsknappschaftsgesetzes und § 592 RVO für die Unfallversicherung.
Die in § 1265 Satz 1 RVO enthaltene Aufzählung - Scheidung, Erklärung der Nichtigkeit, Aufhebung der Ehe - kann nicht die Bedeutung einer Zusammenstellung haben, die jeden nicht aufgezählten Fall - hier den Fall der Auflösung der Ehe nach § 38 Abs. 2 EheG - ausschließt; sie bringt vielmehr, indem sie alle Fälle, in denen nach damaliger bürgerlich-rechtlicher Auffassung ein Unterhaltsanspruch der früheren Ehefrau gegen ihren früheren Ehemann in Betracht kam, erfaßte, zum Ausdruck, daß in allen Fällen des Bestehens eines solchen Anspruchs auch ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des früheren Ehemannes gemäß § 1265 RVO bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen dieser Vorschrift gegeben sein solle. Es wäre nach dem Sinne der Vorschrift die ihrem Grundgedanken nach an eine bürgerlich-rechtliche Unterhaltsverpflichtung oder an eine tatsächliche Unterhaltsgewährung anknüpft, nicht gerechtfertigt, die Eheauflösung nach § 38 Abs. 2 EheG jedenfalls in denjenigen Fällen, in denen ein Verschulden des zu Unrecht für tot erklärten Ehegatten an seiner Todeserklärung nicht nachweisbar ist, anders als die in § 1265 RVO ausdrücklich genannten Tatbestände zu behandeln (so auch Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 3. Band, 28. Nachtr., Juni 1966, S. 688 d und VG Hannover, MDR 1965, 516 für die Beamtenversorgung; a. A. LSG Nordrhein-Westfalen, Breithaupt 1962, 129; VerbKomm., 6. Aufl., 8. Erg. v. 1.7.1966, § 1265 Anm. 6; Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., 10. Lfg., Mai 1966, § 592 Anm. 2 Schimanski, Knappschaftsversicherungsgesetz, Komm., 7. Lfg., § 65 Anm. 4).
Da jedoch das LSG, von seiner Rechtsauffassung aus mit Recht, keine Feststellungen über die tatsächlichen Voraussetzungen des § 61 Abs. 2 EheG getroffen hat, wird das LSG diese Feststellungen nachzuholen haben. Deshalb muß das angefochtene Urteil mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
Der Revision kann jedoch insoweit nicht gefolgt werden, als sie geltend macht, der Versicherte sei der Klägerin gegenüber "aus sonstigen Gründen" im Sinne des § 1265 Satz 1, 2. Alternative RVO zur Unterhaltsleistung verpflichtet gewesen. Abgesehen davon, daß die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Schadensersatzanspruchs gegen den Versicherten nach §§ 826, 823 BGB durch das LSG nicht festgestellt sind, könnte ein solcher nicht als "sonstiger Grund" für einen Unterhaltsanspruch im Sinne des § 1265 RVO angesehen werden. Wie sich aus den Materialien zur Neufassung des früheren § 1256 Abs. 4 RVO ergibt, bezweckte die Neueinführung dieser Alternative vor allem, auch vertragliche Unterhaltsverpflichtungen als Voraussetzung für die Rentengewährung anzuerkennen (vgl. den Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik, Bundestags-Drucks. 3080, 2. WP. 1953, zu § 1269 des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten sowie die Begründung im Regierungsentwurf zu diesem Gesetz, Bundestags-Drucks. 2437). Dementsprechend hat das BSG in seiner Rechtsprechung bisher vollstreckbare Unterhaltstitel (BSG 20, 1), vollstreckbare Anerkenntnisurteile (BSG 8, 24) und Unterhaltsverträge (BSG SozR RVO § 1265 Nr. 27) als "sonstige Gründe" im Sinne des § 1265 RVO anerkannt. Es würde jedoch über den Wortlaut und den Zweck des Gesetzes hinausgehen, wollte man auch die an die Stelle bestimmter Unterhaltsansprüche getretenen gesetzlichen Schadensersatzansprüche oder vertraglichen Abgeltungsansprüche als Unterhaltsansprüche ansehen (vgl. auch BSG SozR RVO § 1265 Nr. 21 und vom 2.9.1964, 11/1 RA 59/61, nicht veröffentl., zitiert im VerbKomm., 6. Aufl., 7. Erg., Jan. 1965, § 1265 Anm. 10). Nicht der Verlust irgendwelcher Geldansprüche durch den Tod des Versicherten sollte durch die Gewährung einer Hinterbliebenenrente ausgeglichen werden, sondern nur der Verlust von Unterhaltsansprüchen, zu deren Ersetzung Renten an Hinterbliebene im allgemeinen bestimmt sind. Ein Anspruch, der seine Grundlage nicht im Unterhaltsrecht, sondern im Schadensersatzrecht hat, kann hiernach kein "sonstiger Grund" im Sinne des § 1265 Satz 1 RVO sein.
Ebenfalls entfällt die Anwendung des § 1265 Satz 1, 3. Alternative RVO, da nach den Feststellungen des LSG der Versicherte im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt an die Klägerin nicht geleistet hat.
Sollte sich auf Grund der vom LSG noch vorzunehmenden Feststellungen ergeben, daß eine Unterhaltsleistung des Versicherten an die Klägerin bei Berücksichtigung der Bedürfnisse und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse beider früheren Ehegatten und der nach § 63 EheG unterhaltspflichtigen Verwandten der Klägerin der Billigkeit nicht entsprach, wird ferner zu prüfen sein, ob die Voraussetzungen des § 1265 Satz 2 RVO gegeben sind. Die Anwendung dieser Vorschrift, die mit Wirkung vom 1. Juli 1965 an auch für Versicherungsfälle gilt, die nach dem 31. Dezember 1956 eingetreten sind (vgl. Art. 5 § 4 Abs. 2 Buchst. a betr. Art. 1 § 1 Nr. 27 und Art. 5 § 10 Abs. 1 Buchst. e des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes vom 9. Juni 1965, BGBl I 476), setzt voraus, daß eine Witwenrente an die zweite Ehefrau des Versicherten nicht zu zahlen ist. Hierüber enthält das Urteil des LSG keine Feststellungen.
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen