Entscheidungsstichwort (Thema)
Massagen unter Anwendung physikalischer Mittel (Wasserdruckstrahl). Anschaffungs- und Betriebskosten eines Massagegerätes als Maßstab der Gebührenbemessung. Leistungsinhalt der Unterwasserstrahl- oder -druckmassage
Leitsatz (amtlich)
Behandlungen mit sogenannten Wirbelbädern sind nicht als Unterwasserstrahl- oder -druckmassagen (GOÄ/BMÄ Nr 768), sondern nur als (einfache) Unterwassermassagen nach GOÄ/BMÄ Nr 767 zu vergüten.
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei der Unterwasserstrahl- oder -druckmassage nach GOÄ Nr 768 bzw ÄBMV ist ein Wasserstrahl bzw ein Wasserdruck von 1,5 bis 2,5 atü, im Einzelfall von 3,5 atü und darüber, erforderlich; ferner muß der zur Behandlung notwendige Wasserbehälter (Wanne oder Becken) ein Fassungsvermögen von mindestens 400 Litern haben.
2. Wenn bestimmte Leistungen nur mit Hilfe einer technischen Apparatur erbracht werden können, erscheint es nicht sachfremd, den Kostenaufwand hierfür als einen unter mehreren Faktoren der Gebührenbemessung oder bei der Auslegung der Gebührenordnung zu berücksichtigen.
Normenkette
RVO § 368g Fassung: 1955-08-17; GOÄ Nrn. 767-768; BMÄ Nrn. 767-768
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. Februar 1976 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der zur Kassenpraxis zugelassene Kläger wendet sich gegen Kürzungen seines Honorars in den Quartalen III und IV/70 sowie I bis IV/71 durch die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV).
Er hat in den genannten Quartalen Kassenpatienten mit sog. Wirbelbädern behandelt und diese Leistungen als Unterwasserstrahl- oder -druckmassagen nach Ziff. 768 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) bzw seit dem 1. Januar 1971 nach Ziff. 768 des Bewertungsmaßstabes für Ärzte (BMÄ) abgerechnet. Demgegenüber hält die Beklagte nur die Gebühr für die (einfache) Unterwassermassage (Ziff. 767 GOÄ bzw BMÄ) für abrechnungsfähig und hat deshalb von den Honorarforderungen des Klägers insgesamt 6.906,16 DM abgesetzt (Bescheide des Verwaltungsrats der Abrechnungsstelle Wuppertal der Beklagten vom 29. Februar und 25. April 1972, Widerspruchsbescheid des Vorstandes der Beklagten vom 25. April 1973).
Das Sozialgericht und das Landessozialgericht (LSG) haben die dagegen erhobene Klage für unbegründet gehalten (Urteile vom 19. Oktober 1973 und 18. Februar 1976). Das LSG hat in Übereinstimmung mit einer fachärztlichen Auskunft (Dr. M.) und einem von ihm eingeholten Gutachten (Medizinaldirektor Dr. v. A. vom Institut für Physikalische Therapie der Städt. Krankenanstalten Nürnberg) für eine Unterwasserstrahl- oder -druckmassage das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen (Wanne oder Becken mit einem Fassungsvermögen von mindestens 400 Litern und Pumpenaggregat mit einer Druckleistung bis mindestens 4 atü) gefordert. Diese Voraussetzungen, die entgegen der Ansicht des Klägers zur Erzielung der notwendigen Lockerung und Entspannung der Patienten auch bei Teilmassagen vorliegen müßten, erfülle das vom Kläger verwendete ETH-Wirbelbad (Fassungsvermögen von 50 Litern und Druckstärke der Pumpe bis zu 0,3 atü) nicht. Im übrigen seien die Anschaffungs- und Betriebskosten für eine Einrichtung zur Unterwasserstrahl- oder -druckmassage ungleich höher als bei einem Wirbelbad.
Der Kläger hat die zugelassene Revision eingelegt und insbesondere geltend gemacht, die vom LSG für die Abrechnung der Ziff. 768 GOÄ/BMÄ geforderten Voraussetzungen seien nicht Gegenstand der Leistungsbeschreibung der genannten Gebührenziffer; sie seien für die Behandlung von Extremitäten auch entbehrlich.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Urteile der Vorinstanzen und die Bescheide der Beklagten aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die vom Kläger mit Hilfe des ETH-Wirbelbades erbrachten Massageleistungen nach Ziff. 768 GOÄ/BMÄ zu vergüten, hilfsweise den Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen.
Die beklagte KÄV und die beigeladenen Landesverbande der Ortskrankenkassen und der Betriebskrankenkassen beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Die übrigen Beteiligten haben sich nicht geäußert.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das angefochtene Urteil läßt Fehler in der - vom Revisionsgericht allein überprüfbaren - Rechtsanwendung nicht erkennen.
Die Leistungsbeschreibungen der Ziff. 767 GOÄ/BMÄ ("Massage unter Wasser") und der Ziff. 768 ("Unterwasserstrahl- oder -druckmassage") unterscheiden sich vom Wortlaut her, dem bei der Auslegung von Bestimmungen des ärztlichen Gebührenrechts besondere Bedeutung zukommt (vgl Urteil des Senats vom 7. Oktober 1976, 6 RKa 15/75, S 11), insofern, als die Unterwassermassage in der höher bewerteten Position 768 mittels Wasserstrahl oder -druck ausgeführt wird. Die Besonderheit dieser - aus der "einfachen" Unterwassermassage herausgehobenen - Massageart besteht mithin in der Anwendung bestimmter physikalischer Mittel (Strahl oder Druck). Solche Mittel können allerdings bis zu einem gewissen Maße auch in den vom Kläger durchgeführter Wirbelbädern zur Anwendung kommen. Indessen lassen sich damit nach den Feststellungen des LSG, die es aus dem von ihm eingeholten Sachverständigengutachten übernommen hat, nur Druckstärken bis zu 0,3 atü erzeugen, während für die angestrebte medizinische Massagewirkung ein stärkerer Wasserstrahl oder -druck (1,5 bis 2,5, im Einzelfall bis zu 3,5 atü und darüber) erforderlich ist. Außerdem bedarf es zur Erreichung des gewünschten Massageerfolges einer Lockerung und Entspannung der Patienten, die dadurch erzielt wird, daß die Patienten in einem Wasserbehälter (Wanne oder Becken) mit einem Fassungsvermögen von mindestens 400 Litern liegen oder schweben; dazu reicht das Fassungsvermögen des vom Kläger verwendeten Geräts (50 Liter) - auch bei Teilmassagen - nicht aus.
Wenn das LSG unter diesen Umständen die Behandlung mit Wirbelbädern, wie sie der Kläger durchführt, nicht als eine - speziell auf der Wirkung von Wasserstrahl oder -druck beruhende - Unterwassermassage angesehen hat, so ist dies nicht zu beanstanden. Es kommt hinzu, daß sich auch die Anschaffungs- und insbesondere die Betriebskosten der jeweils verwendeten Behandlungseinrichtungen erheblich voneinander unterscheiden, wie das LSG näher ausgeführt hat. So betragen die Anschaffungskosten für eine Anlage zur Unterwasserstrahl- oder -druckmassage etwa 8.000 DM gegenüber nur 3.500 DM für ein ETH-Wirbelbad, die Betriebskosten liegen im ersten Fall sogar 8- bis 16mal so hoch wie im zweiten Falle. Das bedeutet nicht, daß die zur Erbringung einer medizinischen Leistung erforderlichen Aufwendungen für Geräte oder allgemeine Rentabilitätsgesichtspunkte ein geeigneter Maßstab für die Höhe der dem Arzt zustehenden Gebühr sind (vgl Urteil des Senats in SozR 5530 Allg. Nr 1 S 5). Wenn jedoch bestimmte Leistungen nur mit Hilfe einer technischen Apparatur erbracht werden können, erscheint es nicht sachfremd, die Kosten für die Anschaffung und vor allem den Betrieb der Einrichtung als einen unter mehreren Faktoren der Gebührenbemessung oder - wenn, wie hier, verschiedene Gebührenziffern in Betracht kommen - bei der Auslegung der Gebührenordnung zu berücksichtigen (vgl auch Ziff. 527 der Ersatzkassen-Adgo, Stand 1. Januar 1977, wonach für die Abrechnung einer Unterwasserdruckstrahlmassage ein Wanneninhalt von mindestens 400 Litern und eine Leistung der Apparatur von mindestens 4 atü erforderlich ist; im Ergebnis gleicher Ansicht: Brück, Kommentar zum BMÄ, Stand 1. Januar 1977, S 770 Anm 10 und Wezel/Liebold, Handkomm. zum BMÄ, Stand 1. Januar 1977, S 130).
Der Senat hat hiernach die Revision des Klägers gegen das angefochtene Urteil als unbegründet zurückgewiesen und über die Verfahrenskosten nach § 193 des Sozialgerichtsgesetzes entschieden.
Fundstellen