Verfahrensgang

SG München (Urteil vom 23.04.1992; Aktenzeichen S 19 Lw 118/91)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 23. April 1992 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 27. Juni 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. November 1991 verurteilt, dem Kläger Produktionsaufgaberente ab 1. April 1991 zu gewähren.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig ist die Gewährung einer Produktionsaufgaberente (PAR) nach dem Gesetz zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit (FELEG) vom 21. Februar 1989 (BGBl I S 233).

Der im März 1936 geborene Kläger beantragte im Februar 1991 die Gewährung von PAR. Er war seit August 1969 als Inhaber eines landwirtschaftlichen Unternehmens von ca 18 ha Eigenland beitragspflichtiges Mitglied der beklagten Landwirtschaftlichen Alterskasse Oberbayern (LAK) und entrichtete seither bis einschließlich Februar 1991 Pflichtbeiträge. Zum 1. Oktober 1987 verpachtete er „zum Zwecke der landwirtschaftlichen Nutzung” etwa 11 ha Ackerfläche an die Versuchsstation für landwirtschaftliche Betriebslehre der Technischen Universität (TU) M. …, Staatsgut W. …, zunächst bis zum 1. Oktober 1999, durch Verlängerungsvereinbarung von Februar 1991 bis zum 1. Oktober des Jahres 2001. Der jährliche Gesamtpachtzins betrug 8.404,00 DM. Seither bewirtschaftete der Kläger selbst auf eigene Rechnung noch etwa 7 ha, davon 6,6 ha Wiesen- und 0,49 ha Waldflächen. Im Februar 1991 ging bei der Beklagten eine Stillegungsverpflichtung des Klägers bzgl der restlichen von ihm genutzten Flächen mit Ausnahme eines Rückbehaltes von etwa 0,9 ha ein. Die LAK stellte durch Bescheid vom 16. Mai 1991 fest, daß der Kläger seit dem 1. März 1991 nicht mehr landwirtschaftlicher Unternehmer iS des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) sei, weil er sein landwirtschaftliches Unternehmen seither nicht mehr selbst bewirtschafte, sondern verpachtet und stillgelegt habe. Seit dem 1. März 1991 entrichtet der Kläger im Rahmen der Versicherungspflicht auf Antrag gemäß § 27 Abs 1 GAL Beiträge als ehemaliger landwirtschaftlicher Unternehmer.

Mit dem streitigen Bescheid vom 27. Juni 1991 lehnte die LAK den Antrag auf Gewährung von PAR ab, weil die Verpachtung an die Versuchsstation der TU M. … den Wirtschaftswert um mehr als 10 vH vermindert habe und keine nach § 3 Abs 1 FELEG zulässige Abgabe gewesen sei. Im Widerspruchsverfahren gingen bei der Beklagten Stellungnahmen des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 23. Juli 1991 und vom 7. November 1991 sowie des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 1. Oktober 1991 ein. Beide Ministerien stimmten darin überein, daß das Staatsgut W. … eine Behörde der TU M. … sei, die der Förderung der bayerischen Landwirtschaft diene und den Schwerpunkt ihrer Aufgaben ua in der Durchführung anwendungsorientierter Versuche im Pflanzenbau, in der Tierhaltung und bei der Entwicklung neuer Technologien habe und von mindestens einer Person mit der in § 3 Abs 1 Satz 2 Nr 1 FELEG genannten Qualifikation geleitet werde. Ihre Auffassungen darüber, ob im Falle des Klägers eine FELEG-gemäße Abgabe erfolgt sei, gingen auseinander. Die beklagte LAK wies den Widerspruch des Klägers durch Widerspruchsbescheid vom 26. November 1991 zurück, weil keine FELEG-gemäße Abgabe nach § 3 Abs 1 Satz 2 Nr 1 oder Nr 2b FELEG vorliege.

Das Sozialgericht (SG) München hat die Klage durch Urteil vom 23. April 1992 abgewiesen: § 3 Abs 1 Satz 2 Nr 1 FELEG erlaube nur die Abgabe an natürliche Personen; entgegen § 3 Abs 1 Satz 2 Nr 2b FELEG habe das Versuchsgut die übernommenen Flächen gerade nicht dauerhaft der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen; es liege auch keine strukturverbessernde Abgabe und keine Verbesserung der Struktur der bäuerlichen Familienbetriebe vor.

Zur Begründung der – vom SG zugelassenen – (Sprung-)Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 3 Abs 1 Satz 2 FELEG. Nr 1 aaO stehe einer Verpachtung an eine juristische Person nicht entgegen. Außerdem diene das Staatsgut der Verbesserung der Betriebsstrukturen. Für das Vorbringen des Klägers im übrigen wird auf den Schriftsatz vom 16. Juli 1992 (Bl 15 bis 18 der Akte) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 23. April 1992 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27. Juni 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. November 1991 zu verurteilen, dem Kläger ab 1. April 1991 Produktionsaufgaberente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend: Durch die Verpachtung an das Staatsgut habe sich der Wirtschaftswert des Unternehmens von 26.368,00 DM um mehr als 10 vH auf 16.576,00 DM vermindert. Dies sei nach § 1 Abs 1 Nr 4 FELEG nur dann unschädlich, wenn die Verpachtung an die Versuchsstation die Voraussetzungen für eine Abgabe iS von § 3 FELEG erfülle. § 3 Abs 1 Satz 2 Nr 1 FELEG ermögliche aber im Gegensatz zu den übrigen Abgabeformen nach seinem eindeutigen Wortlaut nur die Abgabe an eine natürliche Person. § 3 Abs 1 Satz 2 Nr 2 Buchst b FELEG sei schon deswegen nicht erfüllt, weil die Flächen von der Versuchsstation gerade nicht dauernd der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen worden seien. Diese Voraussetzung oder die ihr gleichwertige Verwendung der Flächen für Zwecke der Erholung und Volksgesundheit oder für andere öffentliche Zwecke sei unmißverständlich für alle juristische Personen „hinter die Klammer” gezogen worden. Das weitere Vorbringen der Beklagten ergibt sich aus ihrem Schriftsatz vom 21. August 1992 (Bl 22 bis 25 der Akte).

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).

 

Entscheidungsgründe

II

Die zulässige (Sprung-)Revision des Klägers ist begründet. Die Vorinstanz hätte seiner kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) durch Grundurteil (§ 130 Satz 1 SGG) stattgeben müssen. Denn er hat seit dem 1. April 1991 Anspruch auf PAR.

Gemäß § 1 Abs 1 FELEG (idF durch Art 3 des Gesetzes vom 27. September 1990, BGBl I S 2110) erhalten landwirtschaftliche Unternehmer iS von § 1 Abs 3 GAL eine Leistung wegen Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit (Produktionsaufgaberente – PAR), die 1.a) das 55. Lebensjahr vollendet haben …

2. für mindestens 180 Kalendermonate Beiträge als landwirtschaftlicher Unternehmer an die LAK gezahlt haben, davon ununterbrochen für mindestens 60 Kalendermonate unmittelbar vor der Antragstellung,

3. die Flächen stillgelegt oder abgegeben haben, die von ihnen unmittelbar vor der Antragstellung genutzt worden sind, und 4. den Wirtschaftswert iS des GAL der von ihnen vor der Antragstellung bewirtschafteten Unternehmen durch Verringerung der Flächen in den letzten fünf Jahren, frühestens vom 1. Januar 1986 an, um nicht mehr als 10 vH vermindert haben, es sei denn, die Verminderung erfolgte aufgrund einer Maßnahme, die die Voraussetzungen der §§ 2 oder 3 erfüllt.

Nach § 7 Abs 1 Satz 1 FELEG iVm § 10 Abs 2 Satz 1 GAL wird die Leistung auf Antrag bewilligt und laufende PAR vom Ablauf des Monats an gewährt, in dem die Voraussetzungen erfüllt sind, falls der Antrag innerhalb von drei Monaten nach der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen gestellt wird. Wird der Antrag nach Ablauf von drei Monaten nach Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen iS von § 1 Abs 1 FELEG gestellt, wird die Leistung vom Beginn des Monats an gewährt, in dem der Antrag gestellt wird.

Nach den tatsächlichen Feststellungen des SG, die den Senat binden (§§ 163, 161 Abs 4 SGG), lagen beim Kläger im März 1991 alle anspruchsbegründenden Voraussetzungen für eine PAR vor. Zwar hat der Kläger seinen Leistungsantrag schon im Februar 1991 und damit verfrüht gestellt, weil er erst im März 1991 das 55. Lebensjahr vollendet hat. Am 12. März 1991 waren aber die Anspruchsvoraussetzungen – und zwar innerhalb des zeitlichen Anwendungsbereichs des Gesetzes (§§ 20, 23, 1 Abs 1 Nr 4 FELEG) – erfüllt, so daß ihm Rente ab April 1991 gewährt werden muß:

Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 29. Juni 1993 (SozR 3-5864 § 1 Nr 2) die gesetzlichen Voraussetzungen des § 1 Abs 1 FELEG im einzelnen geklärt. Hieran hält er nach erneuter Überprüfung fest. Soweit Zindel (vom Gesamtverband der LAK in: SGb 1994, 95 bis 97; ebenso der Gesamtverband der LAK im Rundschreiben vom 21. Februar 1994) hiergegen Bedenken geäußert haben, ist ihnen nicht beizutreten.

Der Kläger hat iS von § 1 Abs 1 Nr 1a FELEG sein 55. Lebensjahr mit Ablauf des 11. März 1991 vollendet und iS von Nr 2 aaO von August 1969 bis Februar 1991 für mehr als 180 Kalendermonate Beiträge als landwirtschaftlicher Unternehmer an die Beklagte gezahlt. Keiner Darlegung bedarf, daß er in dieser Zeit landwirtschaftlicher Unternehmer iS des § 1 Abs 3 GAL war; das landwirtschaftliche Unternehmen ging auf seine Rechnung (§ 1 Abs 2 Satz 1 GAL) und bildete bis Februar 1991 eine Existenzgrundlage iS von § 1 Abs 3 GAL; einen „doppelten Unternehmerbegriff” hat der Senat entgegen der Annahme von Zindel (aaO, 96) nicht gebildet.

Der Kläger hat auch – wie § 1 Abs 1 Nr 2 FELEG außerdem voraussetzt – diese Pflichtbeiträge ununterbrochen für mindestens 60 Kalendermonate unmittelbar vor der Antragstellung gezahlt:

Die verfahrensrechtliche „Antragstellung” erfolgte verfrüht im Februar 1991. Gleichwohl ist für die Berechnung des Zeitraums von fünf Jahren ununterbrochener Pflichtbeitragszahlung auf den März 1991 abzustellen. Denn das Gesetz meint mit dem Wort „Antragstellung” (in den Nrn 2 bis 4 aaO) nicht die isolierte verfahrensrechtliche Handlung, sondern – in typisierender Erfassung des Regelfalles -den frühesten Zeitpunkt, in dem der landwirtschaftliche Unternehmer durch eine empfangsbedürftige Erklärung gegenüber der LAK „Antrag”) mit Recht anzeigen kann, seine Existenzgrundlage als Landwirt verloren zu haben, weil er (durch FELEG-gemäße Maßnahmen iS von §§ 2, 3 FELEG) aus der landwirtschaftlichen Produktion ausgeschieden ist (Senatsurteil, aaO, S 9). Diese Auslegung des Gesetzes hält sich in den Grenzen des möglichen Wortsinns. Sie ist geboten, weil das Gesetz durch § 7 Abs 1 FELEG iVm § 10 Abs 2 GAL den Berechtigten ausdrücklich die Rechtsmacht verleiht, die verfahrensrechtliche Antragstellung auch mehr als drei Monate nach Erfüllung aller materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen vorzunehmen. Das Gesetz geht also ersichtlich davon aus, daß die anspruchsbegründenden Voraussetzungen des § 1 Abs 1 FELEG in vollem Umfang erfüllt werden können, ohne daß eine verfahrensrechtliche Antragstellung erfolgt ist. Denn PAR soll älteren Landwirten eine besondere soziale Absicherung für den Fall des Verlustes der Existenzgrundlage infolge der FELEG-gemäßen Einstellung ihrer Erwerbstätigkeit verschaffen (BT-Drucks 11/2972 S 12). Deswegen hat die verfahrensrechtliche Antragstellung materiell-rechtliche Bedeutung nur für den Leistungsbeginn. Eine in diesem Sinne begründete Antragstellung lag ab 12. März 1991 vor, weil der jetzt 55-jährige Kläger nach dem bindenden Bescheid der Beklagten vom 16. Mai 1991 mit Ablauf des Februar 1991 kein landwirtschaftliches Unternehmen mehr hatte, das eine auf Bodenbewirtschaftung beruhende Existenzgrundlage bildete.

Der Kläger hat die Pflichtbeiträge „unmittelbar vor” dieser Antragstellung (12. März 1991) gezahlt. „Unmittelbar vor” der Antragstellung erfolgt die Zahlung dann, wenn sie vom Vormonat rückgerechnet für fünf Jahre ununterbrochen erfolgte (Senatsurteil, aaO, S 9). Demgegenüber schlagen Zindel (aaO, S 96) und der Gesamtverband der LAK (im og Rundschreiben vom 21. Februar 1994; so schon auch die Stellungnahme des Gesamtverbandes der LAK zum FELEG, 1. Aufl 1989, S 37) vor, den gesetzlichen Ausdruck „unmittelbar vor” dadurch zu ersetzen, daß die nach § 2 oder 3 FELEG stillgelegten oder abgegebenen Flächen noch in dem bei der Antragstellung (gemeint ist hier: die Verfahrenshandlung) laufenden oder der Antragstellung vorausgegangenen Nutzungszyklus vom Antragsteller genutzt worden sind (§ 1 Abs 1 Nr 3 FELEG) und demzufolge auch noch Beitragspflicht bestanden hat (§ 1 Abs 1 Nr 2 FELEG). Dies ist mit dem möglichen Wortsinn des Gesetzestextes nicht zu vereinbaren und liegt außerhalb der juristisch-fachsprachlichen Bedeutung des Ausdrucks „unmittelbar vor”. In der gesamten Rechtsordnung bedeutet dieser Ausdruck einen besonders engen (hier: zeitlichen) Zurechnungszusammenhang. Er bezieht sich in § 1 Abs 1 FELEG auf die Verknüpfung der beitragspflichtigen Erwerbstätigkeit als aktiver landwirtschaftlicher Unternehmer mit dem FELEG-bedingten Verlust der landwirtschaftlichen Existenzgrundlage (Senatsurteil, aaO, S 8). Demgegenüber läuft die von Zindel vorgeschlagene und vom Gesamtverband der LAK seinen Mitgliedern empfohlene Handhabung auf eine massive Gesetzeskorrektur hinaus; diese ist mit der Bindung an Gesetz und Recht (Art 20 Abs 3 des Grundgesetzes ≪GG≫) nicht zu vereinbaren. Sie ist auch nicht etwa deshalb unvermeidbar, weil nur dadurch ein „Widerspruch” zwischen § 1 Abs 1 FELEG und § 7 Abs 1 FELEG iVm § 10 Abs 2 GAL ausgeräumt werden könnte. Ein solcher Widerspruch bestünde nur dann, wenn das Wort „Antragstellung” in § 1 Abs 1 Nrn 2 bis 4 FELEG ausschließlich als Verfahrenshandlung verstanden werden müßte. Das ist aber nicht der Fall.

Der Kläger hat auch iS von § 1 Abs 1 Nr 2 aaO in den letzten fünf Jahren (60 Kalendermonate) unmittelbar vor der Antragstellung, also von März 1986 bis einschließlich Februar 1991, ununterbrochen Pflichtbeiträge als (aktiver) landwirtschaftlicher Unternehmer (§ 14 Abs 1 Buchst a GAL), nicht etwa nur als (ehemaliger) antragspflichtversicherter landwirtschaftlicher Unternehmer (§ 27 GAL), entrichtet. Insbesondere bildete auch die von ihm seit Oktober 1987 nur noch bewirtschaftete Fläche von ca 7 ha Eigenland bis einschließlich Februar 1991 eine Existenzgrundlage iS von § 1 Abs 3 GAL, wie die Beklagte bindend festgestellt hat. Er gehört also zu dem Kreis der lebensälteren, langfristig versicherten und auch in den letzten fünf Jahren aktiven beitragspflichtigen landwirtschaftlichen Unternehmer, denen das FELEG einen Anreiz zum Ausscheiden aus der landwirtschaftlichen Produktion bieten will.

Der Kläger hat ferner FELEG-gemäß seine landwirtschaftliche Existenzgrundlage im Februar 1991 aufgegeben. Denn er hat die Flächen stillgelegt, die von ihm unmittelbar vor der Antragstellung genutzt worden sind (§ 1 Abs 1 Nr 3 FELEG):

Er hat die von ihm unmittelbar vor der Antragstellung bewirtschaftete Fläche von ca 7 ha im Februar 1991 stillgelegt. Hierbei handelte es sich um die Flächen, die „von ihm genutzt worden sind”. Nr 3 aaO setzt entgegen Zindel (aaO, S 96) nicht nur voraus, daß der Anspruchsteller landwirtschaftlicher Unternehmer iS von § 1 Abs 2 Satz 1 und Abs 3 GAL war und die nunmehr stillgelegten Flächen auf seine Rechnung geführt wurden; das Gesetz verlangt vielmehr darüber hinaus, daß die jetzt stillgelegten Flächen „von ihm unmittelbar vor der Antragstellung genutzt worden sind” (näher dazu Senatsurteil, aaO, S 6 f). Es reichen also nicht „Nutzungen” iS von § 100 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), zu denen auch die Zinserträge aus laufenden Pachtverhältnissen zählen. Derartige Nutzungen sind in Nr 3 aaO augenfällig nicht gemeint. Vielmehr stellt der Gesetzeswortlaut im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung darauf ab, ob die Fläche zuvor von dem Unternehmer (saisonüblich) selbst bewirtschaftet worden ist (BSG SozR 5858 § 41 Nr 7 S 23: „Zum Unternehmen gehören nur diejenigen Flächen, die der Unternehmer landwirtschaftlich nutzt ≪in die Bodenbewirtschaftung einbezieht≫; es reicht nicht aus, daß ihm eine solche Nutzung bloß möglich wäre. Ein Unternehmer kann aus vielen Gründen davon absehen, Eigenland selbst zu bewirtschaften; ein Grund ist auch der, daß er bestimmte Flächen nach dem Ende einer Verpachtung demnächst an andere Personen wieder verpachten oder verkaufen will. Nutzt er die Flächen in der Zwischenzeit selbst landwirtschaftlich nicht, dann können die Flächen weder für die Pachtzeit noch für die Zwischenzeit dem Unternehmen zugerechnet werden”). Keiner Ausführung bedarf ferner, daß der Rückbehalt des Klägers von etwa 0,9 ha 25 vH der nach § 1 Abs 4 GAL maßgeblichen Mindesthöhe für eine Existenzgrundlage nicht übersteigt.

§ 1 Abs 1 Nr 4 FELEG steht dem Anspruch des Klägers nicht entgegen. Zwar hat der Kläger entgegen Halbsatz 1 aaO den Wirtschaftswert des von ihm vor der Antragstellung bewirtschafteten Unternehmens durch Verringerung der Flächen in den letzten fünf Jahren um mehr als 10 vH vermindert, indem er zum 1. Oktober 1987 ca 11 ha Ackerland an das Staatsgut W. … verpachtete. Nach Halbsatz 2 aaO ist eine solche Flächenverringerung jedoch dann für den Anspruch unschädlich, wenn sie die Voraussetzungen des § 2 oder 3 FELEG erfüllt. Eine auf Flächenverringerungen beruhende Senkung des Wirtschaftswertes (dazu Senatsurteil, aaO, S 7, 9, 11) im Zeitraum von fünf Jahren vor der Möglichkeit einer begründeten Antragstellung bleibt also nur außer Betracht, soweit diese insgesamt den Wirtschaftswert um nicht mehr als 10 vH vermindert haben (FELEG-fremde Verringerungen) oder aber als Stillegungen oder Abgaben iS von §§ 2, 3 FELEG die Zwecke des FELEG gefördert haben (näher dazu: Senatsurteil, aaO, S 7 f, 10). FELEG-fremde Verringerungen „nach der Antragstellung” sind dem Rückbehalt (§ 4 aaO) zuzurechnen. So vermeidet das Gesetz zweckwidrige „Mitnahmeeffekte”. Es ist zwischen den Beteiligten unumstritten und deswegen nicht näher darzulegen, daß die vom Kläger im Februar 1991 vorgenommenen Stillegungen den Anforderungen des § 2 FELEG genügen. Er hat aber auch – wie die Revision zutreffend geltend macht – die an das Staatsgut der TU M. … verpachteten Ackerflächen iS von § 3 Abs 1 Satz 1 FELEG „abgegeben”:

Gemäß § 3 Abs 1 Satz 1 FELEG gilt § 2 Abs 3 bis 7 GAL entsprechend mit der Maßgabe, daß die Fläche bis zu dem Zeitpunkt, von dem an Altersgeld nach dem GAL beansprucht werden kann, mindestens aber für neun Jahre abgegeben werden muß. Entsprechend § 2 Abs 3 GAL besteht die „Abgabe” in der „Übergabe” der Flächen, dh es muß jedenfalls der unmittelbare Besitz übertragen worden sein (Senatsurteil, aaO, S 11). Das Staatsgut W. … ist unmittelbarer Besitzer der beim Kläger gepachteten Ackerflächen. Aufgrund der im Februar 1991 vorgenommenen Verlängerungsvereinbarung hatte der Pachtvertrag im Zeitpunkt der „Antragstellung”, dh der rechtlichen Beachtlichkeit des Antrags des Klägers (12. März 1991), noch eine Laufzeit von mehr als neun Jahren, nämlich bis zum 1. Oktober 2001.

Entgegen der Ansicht der Vorinstanz und der Beklagten greift keine der in § 3 Abs 1 Satz 2 Nrn 1 bis 3 aaO geregelten konkretisierenden „Ergänzungen” (so BT-Drucks 11/2972 S 13) zu Lasten des Klägers ein:

Nach Satz 2 aaO liegt „eine Abgabe iS von Satz 1 aber nur dann vor, wenn 1. die Nutzung an eine Person übergeht, die durch eine entsprechende Berufsbildung nachweist, daß sie befähigt ist, einen landwirtschaftlichen Betrieb ordnungsgemäß zu bewirtschaften und das Unternehmen des Übernehmenden seit mindestens fünf Jahren als landwirtschaftliches Unternehmen iS des § 1 Abs 3 GAL geführt worden ist; … 2. die Nutzung zu Bedingungen, die nicht … günstiger sind, als sie bei einer Abgabe zu landwirtschaftlicher Nutzung ortsüblich sind, übergeht a) auf Erwerber, welche die Flächen der landwirtschaftlichen Nutzung dauernd entziehen, sofern dies den Zwecken des Umwelt- und Naturschutzes, der Landschaftspflege oder der Verbesserung der Infra- oder Wirtschaftsstruktur dient, oder b) auf juristische Personen des privaten oder öffentlichen Rechts, die sich satzungsmäßig mit Aufgaben der Strukturverbesserung befassen, oder auf abschließend aufgezählte (Teil-)Rechtssubjekte, sofern durch den Nutzungsübergang die aufgenommenen Flächen dauernd der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen werden oder auf eine Person übergehen, welche die Voraussetzungen von Satz 2 Nr 1 erfüllt, oder 3. bei einer anderweitigen Flächenveräußerung der Veräußerungspreis eine relativ bestimmte Höhe nicht übersteigt.

Zwar läßt der Wortlaut „eine Abgabe iS von Satz 1 liegt aber nur dann vor, wenn …”) die von der Beklagten gewählte Auslegung zu, daß hier abschließend die Arten einer zulässigen Abgabe aufgezählt seien. Der Gesetzestext erzwingt dieses Verständnis jedoch nicht. Der Ausdruck „wenn” kann und muß hier vielmehr iS von „falls” „vorausgesetzt, daß”) verstanden werden:

Hierfür spricht bereits die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BT-Drucks 11/2972 S 14 linke Spalte 2. Absatz; der 1. Absatz aaO bezieht sich nur auf Satz 2 Nr 2). Dort heißt es: „Übernimmt ein landwirtschaftlicher Unternehmer die abgegebenen Flächen, muß er eine bestimmte berufliche Qualifikation nachweisen. … Allgemein soll hiermit bewirkt werden, daß die abgegebenen Flächen an Betriebe gelangen, die bereits eine „echte” Existenzgrundlage bilden und deren Leiter über eine entsprechende berufliche Vorbildung verfügen.” Weder hier noch in der Stellungnahme des Bundesrates (Anl 2 zu BT-Drucks 11/2972 S 21) noch in den Beratungen des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (BT-Drucks 11/3859 S 19 bis 23) ist erwogen worden, die Befugnisse der Landwirte zur „Abgabe” ihrer Flächen an landwirtschaftliche Unternehmergesellschaften oder an als landwirtschaftliche Unternehmer tätige juristische Personen lenkend zu begrenzen. Hätten die Gesetzgebungsorgane ins Auge gefaßt, die Gewährung von PAR abzulehnen, falls die Flächen an andere landwirtschaftliche Unternehmer als an Einzelunternehmer verpachtet werden, wäre eine eingehende Beratung dieser Frage schon deswegen zu erwarten gewesen, weil dadurch in erheblichem Maße lenkend und regelnd ua in den Schutzbereich des Grundrechts der Berufsfreiheit (Art 12 Abs 1 GG iVm Art 3 Abs 1 GG) eingewirkt würde. Demgegenüber trifft die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Inhalt von § 3 Abs 1 Satz 2 FELEG in allen Punkten dann zu, wenn in den Nrn 1 bis 3 aaO lediglich bestimmte „Ergänzungen mit Filterfunktion” (so BT-Drucks 11/2972) zur Grundregel des § 3 Abs 1 Satz 1 FELEG geregelt, nämlich für drei nach den Zwecken des FELEG besonders problematischen Fallkonstellationen zusätzliche Voraussetzungen aufgestellt worden sind. Hierfür spricht ferner, daß Satz 2 Nr 2 aaO schon nach seinem Einleitungssatz, der für alle in dieser Norm erfaßten Abgabefälle gilt, thematisch überhaupt nur Abgaben betrifft, die nicht „zu landwirtschaftlicher Nutzung”, sondern zur Förderung bestimmter Gemeinwohlbelange erfolgen. Nr 2 Buchst b letzter Halbsatz regelt deshalb die Weitergabe zwecks landwirtschaftlicher Nutzung durch Verweis auf Nr 1 aaO. Auch Nr 3 aaO erfaßt nur Fälle, in denen die „anderweitige Flächenveräußerung” nicht zu einem – landwirtschaftlichen – „Nutzungsübergang an eine andere Person” (Nr 1 aaO) führt. Nur Satz 2 Nr 1 aaO regelt also „Abgaben zu landwirtschaftlicher Nutzung”, gestaltet jedoch nur die Abgabe an einen (natürlichen) landwirtschaftlichen Einzelunternehmer näher aus.

Die Anwendung dieser Norm auch auf Unternehmer- oder Kapitalgesellschaften oder auf landwirtschaftliche Betriebe anderer juristischer Personen entspräche zudem nicht den Zielen des FELEG. Dessen Hauptzweck ist, zur Marktentlastung und zur Verbesserung der Agrarstruktur beizutragen; dies soll insbesondere durch Aufstockung anderer Betriebe erfolgen (BT-Drucks 11/2972 S 14). Diesen Zwecken widerspräche es, einem lebensälteren landwirtschaftlichen Unternehmer PAR nur deshalb zu versagen, weil er seine Flächen langfristig zB nur an eine landwirtschaftliche Kapitalgesellschaft verpachten kann.

Satz 2 Nr 1 aaO steht also der Abgabe hier schon deswegen nicht entgegen, weil die Flächen zwar zur landwirtschaftlichen Nutzung durch das Staatsgut W. … … verpachtet, die Nutzung damit aber nicht auf eine natürliche Person übergegangen ist. Satz 2 Nr 2 greift schon deswegen nicht ein, weil dort vorausgesetzt ist, daß die Abgabe zu einer anderen als zur landwirtschaftlichen Nutzung erfolgt. Die Verpachtung an das Staatsgut W. … erfolgte aber gerade zu Zwecken landwirtschaftlicher Nutzung. Daß Satz 2 Nr 3 und Abs 2 aaO nicht eingreifen, bedarf keiner Ausführung.

Damit hat der Kläger in den letzten fünf Jahren vor Antragstellung den Wirtschaftswert seines Unternehmens zwar um mehr als 10 vH gemindert, dies aber nur durch FELEG-gemäße Maßnahmen. Sämtliche anspruchsbegründenden Voraussetzungen lagen also am 12. März 1991 vor. Auf dem zulässigen Rückbehalt (§ 4 FELEG) erfolgt – wie auch zwischen den Beteiligten nicht umstritten ist -keine Produktion für den Markt. Das Arbeitsentgelt des Klägers und seiner Ehefrau für die Beschäftigung als Aushilfsfahrer (im Februar 1991 480,00 DM und 400,00 DM) bringt gemäß § 8 FELEG den Zahlungsanspruch nicht – jedenfalls nicht in vollem Umfang – zum Ruhen. Gemäß § 7 Abs 1 FELEG iVm § 10 Abs 2 GAL steht dem Kläger also dem Grunde nach (§ 130 SGG) Anspruch auf die laufende Geldleistung vom Ablauf des Monats März 1991, also ab 1. April 1991 zu.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173959

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