Entscheidungsstichwort (Thema)

Versicherungspflicht eines Kantinenwirts

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Versicherungspflicht eines Kantinenwirts:

Ein Kantinenwirt, der keinen Pachtzins zahlt, in der Preisgestaltung nicht frei ist und nur zu einem geringeren Tei unternehmerisches Risiko trägt, ist nicht selbständig tätig, sondern unselbständig beschäftigt und somit grundsätzlich versicherungspflichtig.

 

Orientierungssatz

Zur Frage, ob ein mit der Leitung einer Kantine Beauftragter in einem abhängigen versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis steht.

 

Normenkette

RVO § 165 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1957-07-27; AVG § 2 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23; AVAVG § 56 Abs. 1 Fassung: 1957-04-03

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 7. Dezember 1965 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beigeladene R (R.) in der Zeit vom 1. Dezember 1959 bis zum 31. Dezember 1961 der Versicherungspflicht in der Angestellten- und der Arbeitslosenversicherung unterlegen hat.

R. war seit 1948 bei der Klägerin als Mälzerarbeiter tätig. Am 15. Februar 1951 eröffnete diese eine Kantine; mit ihrem Betrieb wurde der Beigeladene R. beauftragt. In der Kantine wurden Bier, Zigaretten, Schokolade, Seife, Rasierklingen, Zahnpasta, Selter , Fleischbrühe, Wurst und Kuchen an die Betriebsangehörigen verkauft. Der Beigeladene verblieb bis zum 31. August 1953 im Arbeitsverhältnis mit der Klägerin, die Klägerin führte auch bis zu diesem Zeitpunkt Sozialversicherungsbeiträge für ihn ab. Am 7. September 1953 wurde der Kantinenbetrieb erweitert, es wurden auch Mittagessen an die Betriebsangehörigen und deren Familien ausgegeben. Das Essen wurde von der Klägerin von Fernverpflegungsküchen bezogen und gegen Essenmarken ausgegeben. In einer Besprechung vom 8. September 1953 wurde folgendes vereinbart: Mit Wirkung vom 1. September 1953 erhält R. einen Zuschuß von 600,- DM brutto per Monat (später - ab 1. Oktober 1956 - wurde dieser Betrag auf 650,- DM erhöht). Die bisherigen Lohnzahlungen an R. und Frau G (G.) entfallen ab 1. September 1953. Beide scheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis der Klägerin aus. R. übernimmt gegen monatlich 600,- DM die Bewirtschaftung, Beheizung und Sauberhaltung der Kantine, des Aufenthaltsraumes, der Umkleide- und Toilettenräume. Soweit R. sich dazu fremder Hilfe bedient (Frau G.), wird R. letztere aus dem Zuschuß bezahlen. Der aus dem Kantinengeschäft entfallende Nettogewinn fließt ab 1. September 1953 R. in voller Höhe zu. Die bisherigen Zahlungen an den Betriebsrat hören damit auf. Die Kosten für die Heizung, Beleuchtung und die Reinigungsmittel gehen zu Lasten der Klägerin, müssen sich aber in angemessenen Bahnen halten. Eine weitere Vereinbarung erfolgte am 15. Oktober 1953, worin die am 8. September 1953 getroffenen Vereinbarungen dahin ergänzt wurden, daß R. jeweils nach Feststellung des monatlichen aus dem Kantinenbetrieb erzielten Reingewinns einen Zuschuß erhalte, der die Differenz zwischen dem Gewinn und 500,- DM ausmachen sollte. Im Rahmen des Betriebes der Kantine war R. vorgeschrieben, von welchen Hamburger Brauereien er Bier, Selter und Mineralwasser zu beziehen hatte. Die entsprechenden Abmachungen waren von der Klägerin mit den von ihr belieferten Brauereien getroffen worden. R. war berechtigt, auf diese Getränke einen geringen Aufschlag, der etwa der Umsatzsteuer entsprach, beim Verkauf zu nehmen. Beim Bezug der übrigen Kantinenwaren war R. frei. Er war jedoch verpflichtet, keinen höheren Aufschlag als etwa zwischen 15% und 25% zu erheben. Die Öffnungszeiten der Kantine waren seitens der Firma vorgeschrieben. R. beschäftigte Frau G., eine weitere Küchenfrau und einen Arbeitsmann stundenweise bei der Essensausgabe, der Reinigung des Geschirrs und der Kantinenräume usw.. Die Klägerin stellte im Laufe der Zeit eine Registrierkasse auf, die sie überwachte, und gab dem Beigeladenen R. Anweisungen über die Art und Weise der monatlichen Abrechnung.

Vom 1. September 1953 an versicherte sich R. als freiwilliges Mitglied bei der beklagten Krankenkasse. Von 1953 bis 1961 zahlte er freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung der Arbeiter. Sozialversicherungsbeiträge wurden ab 1. September 1953 von der Klägerin nicht mehr abgeführt. Seit 1. September 1953 wurde R. zur Einkommensteuer veranlagt; er zahlte die Sozialversicherungsabgaben und Steuern für die bei ihm beschäftigten Arbeitskräfte.

Er erzielte folgende Umsätze bzw. Gewinne aus dem Kantinenbetrieb:

Umsatz:

Gewinn:

1953

39.068,- DM

3.257,- DM

1954

45.271,- DM

9.498,- DM

1955

55.090,- DM

6.060,- DM

1956

60.995,- DM

9.180,- DM

1957

62.021,- DM

5.935,- DM

1958

85.373,- DM

9.684,- DM

1959

85.658,- DM

8.383,- DM

1960

111.083,- DM

11.354,- DM

1961

99.657,- DM

8.193,- DM

R. hatte gegen die Klägerin keine Urlaubsansprüche. Wenn er Urlaub nehmen wollte, mußte er eine Vertretung stellen, was meistens durch seine Ehefrau geschah. Er erhielt von der Klägerin Weihnachtspakete, Urlaubsgeld, Treueprämien usw., die zum Teil an die von ihm Beschäftigten in gleicher Weise weitergegeben wurden, wie sie die übrigen Betriebsangehörigen erhielten. Am 26. Februar 1959 erklärte sich die Klägerin bereit, R. in ihre freiwillige Altersversorgung aufzunehmen.

Im Laufe der Zeit kam es zwischen R. und der Betriebsleitung bzw. der Klägerin zu Unstimmigkeiten. In einem Streitverfahren vor dem Arbeitsgericht schlossen die Klägerin und R. einen Vergleich: Sie seien sich darüber einig, daß R. Arbeitnehmer der Beklagten gewesen sei und daß das Arbeitsverhältnis (Kantinenleitung) mit dem 31. Dezember 1961 im beiderseitigen Einvernehmen gelöst werde. Die Beklagte (jetzige Klägerin) erklärte sich bereit, an R. am 15. Dezember 1961 4.800,- DM netto zu zahlen; weiterhin waren die Parteien sich darüber einig, daß keinerlei Ansprüche mehr bestünden, insbesondere auch keine Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung und Urlaub.

Bei einer Betriebsprüfung kam die Beklagte zu dem Ergebnis, daß R. auch über den 31. August 1953 hinaus bei der Klägerin als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen sei. Unter Zugrundelegung der aus den Einkommensteuerbescheiden ersichtlichen Reingewinne forderte die Beklagte deshalb am 10. September 1962 von der Klägerin für den Beigeladenen R. Beiträge zur Angestellten- und Arbeitslosenversicherung, und zwar in Höhe von 2.964,20 DM für die Zeit vom 1. Dezember 1959 bis zum 31. Dezember 1961. Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 18. Januar 1963 zurückgewiesen.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage gegen diese Bescheide abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: R. habe in der streitigen Zeit in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin gestanden. Maßgebend sei die tatsächliche Ausgestaltung der betreffenden Tätigkeit und nicht die Vorstellung der Beteiligten darüber. Bedeutungslos sei auch, daß R. Einkommensteuer gezahlt und Beiträge zur Rentenversicherung an die Landesversicherungsanstalt abgeführt habe. Die tatsächliche Handhabung des Kantinenbetriebes durch die Klägerin und R. ergebe, daß es sich dabei nicht um eine selbständige Tätigkeit des R. gehandelt habe, sondern um eine Tätigkeit im Rahmen des Betriebes der Klägerin, unter deren Aufsicht und Weisung. Der Kantinenbetrieb sei von der Klägerin im einzelnen geregelt, R. hätte insoweit keine Handlungs- und Dispositionsfreiheit gehabt. Wenn eine bestimmte Tätigkeit nach den Umständen nur in abhängiger Stellung ausgeübt werden könne, so bestehe nicht die rechtliche Möglichkeit, ein solches Beschäftigungsverhältnis als selbständiges zu gestalten. Im übrigen wäre es auch im Rahmen der Verabreichung von warmen Mahlzeiten möglich gewesen, den Kantinenbetrieb tatsächlich anders auszugestalten, indem beispielsweise dem Kantinen-"Inhaber" selbst der Einkauf und die Zubereitung der Mahlzeiten überlassen worden wäre. Wenn die Klägerin diesen Weg nicht gewählt habe, so ergäben sich für sie daraus die entsprechenden sozialversicherungsrechtlichen Folgerungen.

Daß R. berechtigt gewesen sei, neben der Essensausgabe auch Kantinenwaren zu verkaufen, ändere die Gesamtbetrachtungsweise seiner Tätigkeit nicht entscheidend. Bei Bier, Selter und Brause hätte er sich ebenfalls an die von der Klägerin mit den verschiedenen Hamburger Brauereien getroffenen Abmachungen zu halten, d. h. er hätte das Bier und diese Getränke jeweils von der Brauerei zu beziehen, mit der die Klägerin die entsprechenden Abmachungen getroffen hatte. Es sei ihm auch nicht gestattet gewesen, einen höheren Aufschlag auf die Einkaufspreise zu nehmen, als es etwa der Umsatzsteuer entsprochen habe. Eine Gewinnmöglichkeit habe er also auch auf diesem Gebiet nicht gehabt. Lediglich bei den übrigen Kantinenwaren habe für ihn eine gewisse Möglichkeit bestanden, einen Gewinn zu erzielen und diesen durch "unternehmerische Tätigkeit" zu steigern.

Außerdem habe R. sich an die Anweisungen der Klägerin halten müssen. Derartige eingehende Anweisungen seien mit einem Pachtverhältnis nicht vereinbar. Das gleiche gelte für die finanzielle Ausgestaltung des Pachtverhältnisses zwischen der Klägerin und R.. Denn zu einem echten Pachtverhältnis gehöre es, daß der Pächter an den Verpächter einen Pachtzins entrichte. Hier sei es jedoch umgekehrt gewesen, er habe nichts zu zahlen gehabt, vielmehr noch Zuschüsse von der Klägerin erhalten. Er habe zwar eine gewisse begrenzte Gewinnmöglichkeit gehabt, sein unternehmerisches Risiko sei jedoch durch den garantierten Reingewinn von 500,- DM monatlich bis zu dieser Summe ihm völlig abgenommen gewesen. Ebenso passe es nicht in das Bild einer selbständigen Tätigkeit, wenn R. von der Klägerin Treueprämien und Weihnachtszuwendungen erhalten habe und in die betriebliche Altersversorgung aufgenommen worden sei. Auch der Umstand, daß R. Hilfskräfte eingestellt und entlohnt habe sowie für sie Steuern und Sozialabgaben abgeführt habe, stehe der Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nicht entgegen. Insoweit sei R. mittelbarer Arbeitgeber, tatsächlicher Arbeitgeber jedoch die Klägerin gewesen.

R. habe in der streitigen Zeit der Angestellten- und Arbeitslosenversicherung unterlegen, seine Tätigkeit habe vorwiegend die Merkmale der eines Angestellten gehabt. Die Klägerin sei allein verpflichtet, den gesamten Beitrag zu den beiden Versicherungszweigen zu zahlen (§ 118 Abs. 1 iVm § 119 Abs. 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes). Die Beitragsnachforderung entspreche auch den gesetzlichen Vorschriften, weil die Beklagte nur solche Beiträge gefordert habe, die nicht verjährt gewesen seien. Da von der Klägerin in der streitigen Zeit kein Arbeitsentgelt gezahlt worden sei, habe die Beklagte mit Recht als monatlichen Bruttoarbeitsverdienst 1/12 des durch die Einkommensteuerbescheide nachgewiesenen Gewinns zugrundegelegt.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Die Klägerin hat gegen das Urteil Revision eingelegt. Sie trägt vor: Das LSG habe den Begriff eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses verkannt, es habe die tatsächlichen Verhältnisse falsch bewertet. Wenn die Essensmarken nicht von R. verkauft worden seien und die Modalitäten der Essensausgabe von der Klägerin festgelegt worden seien, so habe es sich dabei um eine unwichtige Nebenaufgabe gehandelt; insoweit seien die von der Klägerin getroffenen Anordnungen im Betriebsinteresse unumgänglich gewesen und hätten einer Forderung des Betriebsrats entsprochen. Das LSG habe sich von dem tatsächlichen Kräfteverhältnis zwischen Arbeitgeber und dem von der Gewerkschaft gestützten Betriebsrat kein Bild machen können oder dieses Kräfteverhältnis völlig verkannt. Kein Betriebsrat werde einwilligen, daß er sich bei der Verpachtung einer Kantine seines Dispositionsrechts begebe. Das LSG habe auch nicht beachtet, daß R. im gesamten Einkauf der Kantinenwaren, wie Kaffee, Tee, Brühe, Spirituosen, Süßigkeiten, belegten Broten, Würstchen und Kosmetikartikeln vollkommen selbständig gewesen sei, und daß diese Tätigkeit und der Verkauf der Kantinenwaren den Absatz der anderen Kantinenwaren um ein Mehrfaches überwogen habe.

Auch habe das LSG die Empfehlungen des Betriebsrates bzw. der Klägerin, beim Getränkebezug Hamburger Brauereien zu berücksichtigen, falsch bewertet. Diese Getränke hätte R. auch ohne solche Empfehlungen nicht aus anderen Städten bezogen, weil sonst eine Verteuerung eingetreten sei.

Es sei nicht bedeutungslos, was die Beteiligten schriftlich vereinbart hätten und ob vom Zeitpunkt des Ausscheidens an Einkommensteuer gezahlt worden sei. Der Wille der Vertragsschließenden sei durch die schriftlichen Abmachungen eindeutig zum Ausdruck gekommen. Ein wesentlicher Teil der Tätigkeit sei in unabhängiger Stellung ausgeübt worden, die Ausgabe des Mittagessens hätte ebenfalls in unabhängiger Stellung ausgeübt werden können. Es sei daher nicht zulässig anzunehmen, die Beteiligten hätten ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis in ein selbständiges umgestalten wollen.

Es verstoße gegen das Grundgesetz, insbesondere gegen die Menschenwürde, wenn das LSG angenommen habe, es sei völlig unerheblich, welche Abmachungen zwei Vertragsparteien getroffen hätten und was der Wunsch und Wille gewesen sei.

Für die Annahme eines echten Pachtverhältnisses sei nicht entscheidend, daß der Pächter an den Verpächter einen gleichbleibenden Pachtzins entrichte, sondern daß die Pachtbezahlung auf unternehmerischer Basis erfolge. Gerade der Umstand, daß R. in einem Jahr nur 3.000,- DM, in anderen Jahren aber 5.000,-, 8.000,- oder 11.000,- DM verdient habe, zeige, daß kein fester Arbeitnehmerlohn vereinbart worden sei. Es sei mit einem Pachtverhältnis zu vereinbaren, daß R. von der Klägerin Treueprämien und Weihnachtszuwendungen erhalten habe und in die Altersversorgung aufgenommen worden sei.

Das LSG habe es auch unterlassen, einem Beweisantrag stattzugeben, wie die wirkliche Tätigkeit des R. stattgefunden habe und inwieweit er frei und inwieweit er weisungsgebunden gewesen sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des LSG Hamburg vom 7. Dezember 1965 und des SG Hamburg vom 5. Juli 1963 sowie die Bescheide der Beklagten aufzuheben.

Die beklagte Ortskrankenkasse und die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung stellt keinen Antrag.

Der Beigeladene R. ist in der Revisionsinstanz nicht vertreten.

Die Revision ist nicht begründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist, da nur die Klägerin Revision eingelegt hat, die Frage, ob R. zu der Klägerin in der Zeit vom 1. Dezember 1959 bis zum 31. Dezember 1961 in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden hat und ob die Klägerin deshalb die von Januar 1960 an fälligen angeforderten Beiträge zur Angestellten- und Arbeitslosenversicherung zahlen muß.

Der Beigeladene R. war versicherungspflichtig, wenn er zu der Klägerin in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden hat. Bei der Prüfung, ob ein solches vorliegt, kommt es nicht entscheidend auf die von den Vertragsparteien gewählten Bezeichnungen, sondern auf die tatsächliche Gestaltung an. Es muß dabei jeweils geprüft werden, ob der Dienstleistende verpflichtet ist, im Rahmen des Direktionsrechts des Arbeitgebers dessen Weisungen über die Ausführung der Arbeit zu befolgen. Von Bedeutung ist auch, ob der Betreffende zur Gewerbesteuer und zur Einkommensteuer herangezogen wird (Urteil des BSG vom 25. Februar 1958, SozR RVO § 165 Nr. 6). Maßgebend für die Beurteilung, ob die für die Versicherungspflicht entscheidende persönliche Abhängigkeit vorliegt, ist in erster Linie die Eingliederung in den Betrieb und die damit gegebene Bindung an Einzelweisungen des Unternehmers. Das Fehlen jeglichen eigenen Risikos und die Zahlung gleichbleibender Bezüge sprechen in der Regel für eine persönliche Abhängigkeit; ausschlaggebend ist das Gesamtbild der Tätigkeit unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauungen (vgl. Urteil des BSG vom 31. Juli 1958, SozR RVO § 165 Nr. 8 und die weiteren Urteile vom 13. Dezember 1960, SozR RVO § 165 Nr. 23; vom 27. September 1961, SozR RVO § 165 Nr. 27; vom 4. Juli 1962, SozR RVO § 165 Nr. 34; vom 26. Oktober 1962, SozR RVO § 165 Nr. 36 und vom 11. August 1966, SozR RVO § 165 Nr. 51).

Im vorliegenden Fall trägt die Tätigkeit des Beigeladenen R. Merkmale selbständiger und unselbständiger Tätigkeit. Maßgebend ist aber das Gesamtbild, wobei auch nicht außer Acht gelassen werden kann, was die Parteien sich gedacht haben (vgl. SozR RVO § 165 Nr. 34). Im Gegensatz zu dem am 11. August 1966 (SozR RVO § 165 Nr. 51) vom Senat entschiedenen Fall eines Tankstellenpächters überwiegen im vorliegenden Fall mehr die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung. Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, ergab die tatsächliche Handhabung des Kantinenbetriebes durch die Klägerin und R., daß es sich dabei nicht um eine selbständige Tätigkeit des R. gehandelt hat, sondern um eine Tätigkeit im Rahmen des Betriebes der Klägerin, unter deren Aufsicht und Weisung. Der Kantinenbetrieb war von der Klägerin im einzelnen geregelt. R. hatte insoweit keine Handlungs- und Dispositionsfreiheit. Das Essen wurde ihm angeliefert, er hatte keinen Einfluß auf die Zusammenstellung der Mahlzeiten, die Auswahl der Bezugsfirmen oder gar die Preisgestaltung. Daß R. berechtigt war, neben der Essensausgabe auch Kantinenwaren zu verkaufen, ändert die Gesamtbetrachtungsweise seiner Tätigkeit nicht entscheidend. Bei Bier, Selter und Brause hatte er sich ebenfalls an die von der Klägerin mit den verschiedenen Hamburger Brauereien getroffenen Abmachungen zu halten. Es war ihm auch nicht gestattet, einen höheren Aufschlag auf die Einkaufspreise zu nehmen, als es etwa der Umsatzsteuer entsprach. Eine Gewinnmöglichkeit hatte er also auch auf diesem Gebiet nicht. Lediglich bei den übrigen Kantinenwaren bestand für ihn eine gewisse Möglichkeit, einen Gewinn zu erzielen und diesen durch "unternehmerische Tätigkeit" zu steigern.

Es sprechen für die Abhängigkeit auch die weitgehende Anweisungsbefugnis der Klägerin und der Umstand, daß kein Pachtzins errichtet wurde, vielmehr die Klägerin dem Beigeladenen R. sein Unternehmerrisiko weitgehend abnahm, indem sie einen Reingewinn von monatlich 500,- DM garantierte. Entgegen der Ansicht des Klägers ist auch von Bedeutung, daß R. von der Klägerin Treueprämien und Weihnachtszuwendungen erhielt und in die betriebliche Altersversorgung aufgenommen wurde.

Für eine selbständige Tätigkeit lassen sich allerdings die Umstände anführen, daß der Beigeladene und die Klägerin übereinstimmend zu der Umstellung ihrer vertraglichen Beziehungen im Jahr 1953 davon ausgegangen sind, der Beigeladene sei aus dem Beschäftigungsverhältnis ausgeschieden, daß er die Frau G. als Arbeitnehmerin beschäftigt hat und daß er für die Hilfskräfte Steuern und Sozialabgaben zahlte, schließlich auch, daß er zur Gewerbe- und Einkommensteuer veranlagt worden war. Auch wenn diese Umstände bei der Würdigung nicht außer Acht gelassen werden dürfen, so sind sie jedoch dadurch überholt, daß die Beteiligten in dem Vergleich vor dem Arbeitsgericht die Beziehungen als ein Arbeitsverhältnis bezeichnet und dieses im beiderseitigen Einverständnis zum 31. Dezember 1961 aufgelöst haben unter Zahlung einer Abfindungssumme, wie sie üblicherweise in derartigen Fällen vereinbart wird. Rückwirkend gesehen haben also die Beteiligten selbst ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis angenommen.

Da auch gegen die Höhe der geforderten Beiträge keine Bedenken bestehen, muß die Revision mit der Kostenfolge aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes zurückgewiesen werden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2324521

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