Orientierungssatz
Die von einem Versicherten in der CSSR nach Vollendung des 55. Lebensjahres während des Bezuges der tschechischen Altersvollrente zurückgelegten Beitragszeiten können bei der Berechnung des Knappschaftsruhegeldes gemäß FRG § 19 Abs 3 nicht berücksichtigt werden.
Normenkette
FRG § 19 Abs. 3 Fassung: 1960-02-25
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 18. Oktober 1973 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Knappschaftsruhegeldes und insbesondere über die Frage, ob die nach Vollendung des 55. Lebensjahres während des Bezuges einer Rente in der CSSR zurückgelegten Beschäftigungszeiten als Versicherungszeiten anzurechnen sind.
Der am 18. Januar 1900 geborene Kläger war vom 5. März 1923 bis zum 12. April 1960 sowie vom 18. Juli 1962 bis zum 30. Juni 1964 im tschechischen Bergbau als Hauer tätig. Er bezog vom 1. Februar 1955 an eine Rente, die Bergleuten nach einer besonderen Wartezeit nach Vollendung des 55. Lebensjahres zustand. Der Kläger kam am 18. April 1969 als Spätaussiedler in die Bundesrepublik Deutschland. Er ist Inhaber des Vertriebenenausweises A.
Die Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 12. März 1970 das Knappschaftsruhegeld für die Zeit vom 1. April 1969 an. Bei der Rentenberechnung ließ sie die Beschäftigungszeit des Klägers nach Vollendung des 55. Lebensjahres unberücksichtigt. Der Widerspruch hatte keinen Erfolg.
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte mit Urteil vom 21. März 1972 unter Abänderung ihrer Bescheide verpflichtet, das Altersruhegeld unter zusätzlicher Berücksichtigung einer Beschäftigungszeit von Januar 1955 bis Januar 1960 zu berechnen. Das Landessozialgericht (LSG) hat dieses Urteil am 18. Oktober 1973 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe zwar in den Jahren 1955 bis 1960 Beitragszeiten im Sinne des § 15 des Fremdrentengesetzes (FRG) zurückgelegt. Die Anrechnung dieser Beiträge scheitere aber an § 19 Abs. 3 FRG, denn der Kläger habe in der streitigen Zeit eine dem Altersruhegeld entsprechende Rente bezogen. Rechtsgrundlage für den Bezug der Altersrente in der CSSR sei zunächst bis zum 31. Dezember 1956 das tschechische Gesetz über die Nationalversicherung vom 15. April 1948 gewesen. Danach sei der Anspruch auf Altersrente grundsätzlich von der Vollendung des 65. Lebensjahres abhängig gewesen. Bergleute hätten jedoch bereits mit der Vollendung des 55. Lebensjahres Anspruch auf Altersrente gehabt, wenn sie entweder 25 Jahre für Arbeit unter Tage oder insgesamt 35 Jahre im Bergbau, davon 10 Jahre für Arbeit unter Tage, versichert gewesen seien. Ähnliche Grundsätze enthalte das Gesetz vom 30. November 1956, das das Leistungssystem der Rentenfürsorge in der CSSR mit Wirkung vom 1. Januar 1957 neu geregelt habe. Der Beginn der Altersrente hänge nach diesen Vorschriften von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Arbeitnehmerkategorie und einer vorangegangenen Beschäftigung von mindestens 20 Jahren ab. Arbeitnehmer der ersten Kategorie, zu denen unter Tage beschäftigte Bergleute gehören, hätten unter den erwähnten Voraussetzungen bereits vom 55. Lebensjahr an Anspruch auf Altersrente. Damit stehe fest, daß die Voraussetzungen der vom 1. Februar 1955 an bezogenen Rente des Klägers in ihrem Kerngehalt den allgemeinen Voraussetzungen des Altersruhegeldes im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland entsprochen habe. Es habe sich nicht um eine der Bergmannsrente im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 2 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) ähnliche Leistung gehandelt, denn das tschechische Recht kenne - im Gegensatz zu den Vorschriften des RKG - keine Rente nur aus den im Bergbau zurückgelegten Versicherungszeiten. Vielmehr hätten die tschechischen Gesetze bereits seit 1948 die Sozialversicherung aller Berufsstände zusammengefaßt und ausschließlich Leistungen unter Berücksichtigung des gesamten bisherigen Berufslebens vorgesehen. Der Kläger habe somit die im allgemeinen tschechischen Rentensystem vorgesehene Altersrente erhalten, die auch die letzte Stufe der aufgrund des Arbeitslebens erreichbaren Versichertenrente darstelle, obwohl neben ihrem Bezug im Gegensatz zur bundesrechtlichen Regelung eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt werden könne.
Der Kläger hat dieses Urteil mit der - vom LSG zugelassenen - Revision angefochten. Er ist der Ansicht, § 19 Abs. 3 FRG stehe der Anrechnung der während des Rentenbezuges zurückgelegten Beschäftigungszeiten nicht entgegen. Die seit dem 1. Februar 1955 in der CSSR gewährte Rente sei nicht dem Altersruhegeld, sondern der Bergmannsrente vergleichbar.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 21. März 1972 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis und in der Begründung für richtig und ist der Ansicht, die Revision des Klägers sei unbegründet.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Das LSG hat mit Recht das der Klage stattgebende Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf ein höheres als das festgestellte Altersruhegeld.
Die zu einem nichtdeutschen Versicherungsträger geleisteten Beiträge, die nach § 15 FRG grundsätzlich anrechenbar sind, können nach § 19 Abs. 3 FRG lediglich bei der Berechnung der Hinterbliebenenrente, nicht aber bei der Berechnung der Versichertenrente berücksichtigt werden, wenn der Versicherte während der nichtdeutschen Beitragszeit eine dem bundesdeutschen Altersruhegeld entsprechende Leistung des nichtdeutschen Versicherungsträgers bezogen hat (vgl. SozR Nr. 6 zu § 19 FRG). Um eine dem deutschen Altersruhegeld entsprechende Leistung handelt es sich nicht nur dann, wenn die Voraussetzungen des deutschen Altersruhegeldes vorliegen, sondern unabhängig davon schon dann, wenn eine fremde Altersrente ihrem Kerngehalt nach dem deutschen Altersruhegeld entspricht. Dafür ist zunächst wesentlich, daß der zur Leistung führende Versicherungsfall auf das Lebensalter und nicht auf eine gesundheitliche Minderung der Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit abgestellt ist, und zum anderen, daß die Leistungen anläßlich des Alters an strengere Voraussetzungen hinsichtlich des Versicherungsverhältnisses geknüpft sind als die Leistungen bei einer gesundheitlich bedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit, z. B. Dauer des Versicherungsverhältnisses, Höhe der Beiträge (vgl. BSG 27, 209 = SozR Nr. 3 zu § 19 FRG; SozR Nr. 6 zu § 19 FRG und Urteil des BSG vom 30. Juni 1971 - 12/11 RA 8/70 -). Da das Altersruhegeld im allgemeinen für den das Versicherungsleben abschließenden Versicherungsfall gewährt wird, handelt es sich unter den genannten Voraussetzungen um eine entsprechende fremde Leistung, wenn sie bei der Rentenberechnung das gesamte Versicherungsleben des Versicherten erfaßt (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 26. September 1969 - 5 RKn 7/66 -). Im vorliegenden Fall sind alle wesentlichen Merkmale des Altersruhegeldes erfüllt. Leistungsvoraussetzung ist neben einer bestimmten, erschwerten Wartezeit die Erreichung eines Lebensalters, das unter Berücksichtigung der geleisteten schweren Arbeit als Abschluß des Versicherungslebens angesehen werden kann. Es handelt sich auch um die ihrer Art nach höchste erreichbare Rente, die bei der Berechnung das gesamte Versicherungsleben und nicht nur die bergmännischen Versicherungszeiten berücksichtigt. Wenn mit der Rentengewährung das Versicherungsleben auch insofern noch nicht vollständig abgeschlossen ist, als die Leistungen dieser tschechischen Rente durch weitere versicherungspflichtige Beschäftigungszeiten erhöht werden können, so handelt es sich doch um den letztmöglichen Versicherungsfall, für den diese Rente unter Berücksichtigung des gesamten - nicht nur bergmännischen - Versicherungslebens gewährt wird. Zwar erhalten die Angehörigen anderer Arbeitskategorien die Altersvollrente erst von einem späteren Lebensalter an. Das ändert aber nichts daran, daß es sich bei der mit dem 55. Lebensjahr beginnenden Rente für Angehörige der ersten Arbeitskategorie um dieselbe Altersvollrente handelt, für die ein weiterer Versicherungsfall nicht mehr eintreten kann (vgl. hierzu Marik "Die soziale Sicherstellung der Werktätigen" in "Die soziale Sicherheit in der Tschechoslowakei", Prag 1966, S. 70). Der vom SG und vom Kläger gezogene Vergleich der tschechischen Altersvollrente für Bergleute mit der Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG geht in zweifacher Hinsicht fehl. Wenn auch die genannte Bergmannsrente von der Erreichung eines bestimmten Lebensalters und von einer besonderen Wartezeit abhängig ist, so handelt es sich doch in Wirklichkeit um eine Rente wegen vermuteter Erwerbsminderung und es kann zudem noch ein weiterer Versicherungsfall für eine andere und höhere Altersrente eintreten. Darüber hinaus berücksichtigt die Bergmannsrente bei der Berechnung nur das bergmännische Versicherungsleben mit einem geringeren Steigerungssatz, während die tschechische Altersvollrente das gesamte Versicherungsleben erfaßt und nach dem höchstmöglichen Steigerungssatz berechnet wird. Insofern besteht auch ein wesentlicher Unterschied zu der Rente aus der polnischen Bergmannskarte, die der Senat in seinem Urteil vom 26. September 1969 - 5 RKn 7/66 - bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres nicht als eine dem Altersruhegeld, sondern eher der Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG entsprechende Leistung angesehen hat. Der Umstand, daß die tschechischen Altersvollrente für Angehörige der ersten Arbeitskategorie bereits mit einem Lebensalter beginnt, das in der Bundesrepublik Deutschland noch nicht zum Bezuge eines Altersruhegeldes berechtigt, steht der Annahme nicht entgegen, daß es sich um eine dem Altersruhegeld entsprechende Leistung handelt (vgl. hierzu Urteil des 12. Senats vom 29. Juli 1971 - 12/11 RA 8/70 -, der eine mit dem 53. Lebensjahr beginnende Rente als eine dem Altersruhegeld entsprechende Leistung angesehen hat).
Der Senat hat die danach unbegründete Revision des Klägers zurückgewiesen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen