Entscheidungsstichwort (Thema)
MdE. individuelle Erwerbsfähigkeit. abstrakte Schadensberechnung. ärztliche Meinungsäußerung
Leitsatz (amtlich)
Für die Bewertung der MdE bei Hauterkrankungen als Berufskrankheiten kann die Empfehlung der Arbeitsgemeinschaft Berufsdermatologie der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft vom 31.3.1977 als ein geeignetes Hilfsmittel dienen. Ihre Anwendung setzt in der Regel voraus, zu den einzelnen Kategorien der Tabelle ausreichende Tatsachenfeststellungen zu treffen.
Orientierungssatz
1. Nach dem Grundsatz der abstrakten Schadensberechnung kommt es bei der Einschätzung der MdE einerseits nicht darauf an, ob der Versicherte durch die Folgen der Berufskrankheit einen Einkommensverlust erlitten hat, andererseits aber ist es nicht maßgebend, ob er konkret eine andere Arbeit finden kann, sondern stattdessen ist entscheidend, in welchem Ausmaß er durch die Berufskrankheitsfolgen in seiner Fähigkeit gehindert ist, Arbeitsmöglichkeiten zu ergreifen, die ihm zuvor offenstanden. Das ist am Maßstab der individuellen Erwerbsfähigkeit des Versicherten vor Eintritt des Versicherungsfalls zu messen.
2. Für die in erster Linie auf medizinisch-wissenschaftlichem Gebiet liegende Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen, geistigen und seelischen Fähigkeiten des Erkrankten durch Folgen einer Berufskrankheit beeinträchtigt sind, haben ärztliche Meinungsäußerungen zwar keine verbindliche Kraft, sind aber doch eine wichtige und oft unentbehrliche Grundlage (vgl BSG vom 26.6.1985 2 RU 60/84 = BSG SozR 2200 § 581 Nr 23).
Normenkette
RVO § 581 Abs 1 Nr 2; BKVO Anl 1 Nr 5101
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 13.05.1987; Aktenzeichen L 6 U 420/84) |
SG Hildesheim (Entscheidung vom 09.10.1984; Aktenzeichen S 11 U 51/84) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Verletztenrente wegen der Folgen einer als Berufskrankheit (BK) nach Nr 5101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) anerkannten Hautkrankheit.
Der am 13. Januar 1940 geborene Kläger war seit 1958 in verschiedenen Unternehmen als Dreher beschäftigt. Nach der "ärztlichen Anzeige über eine Berufskrankheit" vom 19. Januar 1983 ließ sich bei ihm ein durch Bohröle hervorgerufenes Kontaktekzem der Hände feststellen. Deswegen beschäftigte ihn sein Arbeitgeber vom 15. Februar 1983 ab als Lagerist im Materiallager. Zwei Monate später erkrankte er an einem Herzinfarkt. Von diesem Ereignis an beurteilte ihn die Bundesknappschaft als berufsunfähig und gewährte ihm Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit.
Nach ambulanten Untersuchungen im Juli 1983 bewerteten Prof. Dr. I. und Dr.U. die Hauterkrankung des Klägers als schwer und nahmen ohne nähere Begründung eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vH an (Gutachten vom 26. Juli 1983). Mit Bescheid vom 6. Oktober 1983 gewährte die Beklagte dem Kläger vom 16. Februar 1983 an Verletztenrente nach einer MdE um 20 vH als vorläufige Rente wegen einer BK nach Nr 5101 der Anlage 1 zu BKVO mit den Folgen: "Hauterkrankung durch berufsbedingte Allergie gegenüber Chromaten und Formalin (zB enthalten in Bohr-, Kühl- und Schneidölen)".
Mit dem ersten angefochtenen Bescheid vom 24. Februar 1984 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab, den bindend gewordenen Bescheid vom 6. Oktober 1983 zurückzunehmen und Rente nach einer MdE von mindestens 80 vH zu zahlen, weil ihm der Arbeitsmarkt zu 80 vH verschlossen sei.
Das Sozialgericht (SG) Hildesheim hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 9. Oktober 1984).
Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte von Prof. Dr. I. und Dr. K. das hautärztliche Gutachten vom 13. Dezember 1984 aufgrund ambulanter Untersuchungen des Klägers im November und Dezember 1984 eingeholt und wegen "abgeheilter Hauterkrankung der Hände bei noch bestehender beruflich ausgelöster Allergie gegenüber Chromaten und Formalin" die Verletztenrente nach einer MdE um 20 vH als Dauerrente festgestellt. Dabei hat sie ua die Alkaliresistenzschwäche im Bereich der rechten Schulter und des rechten Unterarmes ausdrücklich nicht als Folge der BK gewertet (zweiter angefochtener Bescheid vom 17. Januar 1985).
Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen hat die Berufung zurück- und die Klage gegen den Bescheid vom 17. Januar 1985 abgewiesen (Urteil vom 13. Mai 1987): Zwar sei dem Kläger wegen der Hautsensibilisierung gegen bestimmte Allergene und der Gefahr, bei entsprechendem beruflichen Kontakt erneut unter Ekzemen zu leiden, ein Teil des Arbeitsmarktes verschlossen. Jedoch bestehe dies nicht in dem vom Kläger behaupteten Umfang. Für die Einschätzung der MdE bei einer BK der vorliegenden Art bilde die Empfehlung der Arbeitsgemeinschaft Berufsdermatologie der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft -DDG- (Berufsdermatosen 1977, 131) ein geeignetes Hilfsmittel. Danach seien die gering- bis mittelgradigen Hauterscheinungen (Rötung) mit 5 vH, der Sensibilisierungsgrad mit 10 vH als höchstem Grad und die Häufigkeit des Allergens (Vorkommen in der Arbeitswelt) mit 10 vH als höchstem Grad zu bewerten. Da der Kläger die Altersgrenze von 40 Jahren nur geringfügig um 3 Jahre überschritten habe, wirke sich sein Lebensalter nicht erwerbsmindernd aus. Einer weiteren Beweiserhebung bedürfe es nicht. Diese Richtlinien reichten aus. Die ermittelte MdE von insgesamt 25 vH weiche nur geringfügig um 5 vH von derjenigen ab, die die Beklagte angesetzt habe. Dem Gericht sei es versagt, im Rahmen dieser natürlichen Schwankungsbreite von der MdE-Einschätzung des Versicherungsträgers abzuweichen. Daraus folge, daß die Klage gegen den Bescheid über die Festsetzung der Dauerrente ebenfalls unbegründet sei.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 581 Reichsversicherungsordnung (RVO) sowie verschiedene Verfahrensfehler. Der von der Beklagten festgelegte Grad der MdE sei weder von den hautärztlichen Gutachtern noch von der Beklagten im einzelnen begründet worden. Das LSG habe die MdE-Einschätzung dann erstmals nach den Richtlinien der DDG vorgenommen, aber in verfahrensfehlerhafter Weise. Diese Richtlinien seien im übrigen ungeeignet. Es sei auch verfahrensfehlerhaft, wenn sich ein Gericht ausschließlich auf diese Richtlinien stütze und andere Erkenntnisquellen nicht zulasse. Hätte das LSG alle entscheidungserheblichen Faktoren richtig berücksichtigt: Hauterscheinungen und Sensibilisierungsgrad 20 vH, Häufigkeit der Allergene 30 vH und Lebensalter 10 vH, dann wäre es zu einer MdE-Einschätzung von insgesamt 50 vH gekommen und hätte seinem Begehren insoweit stattgegeben. Zu Unrecht habe das LSG auch die Klage gegen den Dauerrentenbescheid abgewiesen. Schließlich habe es die von den Hautärzten festgestellte Alkaliresistenzschwäche der Haut völlig willkürlich aus dem Kreis der Berufskrankheitsfolgen ausgeschlossen.
Der Kläger beantragt,
1. die angefochtenen Urteile und den Bescheid vom 24. Februar 1984 aufzuheben; 2. den Bescheid vom 17. Januar 1985 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 6. Oktober 1983 ihm wegen der Folgen der anerkannten Berufskrankheit einschließlich einer Alkaliresistenzschwäche im Bereich der rechten Schulter und des rechten Unterarmes vom 16. Februar 1983 ab Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 50 vH zu gewähren, hilfsweise, die angefochtenen Urteile aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Verfahrensrügen für unbegründet und das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat in dem Sinne Erfolg, daß das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist.
Zutreffend hat das LSG die Bescheide vom 24. Februar 1984 und vom 17. Januar 1985 als angefochten angesehen; letzterer gilt nach § 96 Abs 1, § 153 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als mit der Klage angefochten. Der Kläger begehrt im Kern seiner Ansprüche (§ 44 Abs 1 und 4 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch -SGBX-, §§ 551, 581 RVO) eine höhere Verletztenrente entsprechend einer höheren MdE als 20 vH wegen der Folgen seiner anerkannten BK. Insoweit macht er gleichermaßen die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 6. Oktober 1983 über die vorläufige Rente und der angefochtenen Bescheide geltend. Hinsichtlich der vorläufigen Rente ist jedoch die Berufung unzulässig (s § 145 Nr 3 SGG). Der Berufungsausschluß erfaßt auch Ansprüche nach § 44 SGB X, die einen Bescheid über vorläufige Renten betreffen (s BSG SozR Nr 34 zu § 148 SGG). Im übrigen reichen die tatsächlichen Feststellungen, die das LSG zur Sache getroffen hat, für eine abschließende Beurteilung nicht aus.
Die von der Beklagten als BK nach Nr 5101 der Anlage 1 zur BKVO vom 20. Juli 1968 (BGBl I 721) idF der Verordnung vom 8. Dezember 1976 (BGBl I 3329) anerkannte Hauterkrankung des Klägers gilt versicherungsrechtlich als Arbeitsunfall (§ 551 Abs 1 Satz 1 RVO). Nach § 581 Abs 1 Nr 2 RVO wird als Verletztenrente der Teil der Vollrente (§ 581 Abs 1 Nr 1 RVO) gewährt, der dem Grade der MdE entspricht, solange die Erwerbsfähigkeit des Verletzten infolge des Arbeitsunfalls um wenigstens ein Fünftel gemindert ist. Der für den Rentenanspruch maßgebende Grad der MdE hängt danach von der Schwere des noch vorhandenen Krankheitszustandes und dem Umfang der dem Erkrankten dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten ab (BSGE 53, 17, 19; BSG Urteile vom 29. April 1980 - 2 RU 60/78 -, 29. April 1982 - 2 RU 43/81 - und 28. Juli 1982 - 2 RU 9/81 -; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 10. Aufl, S 568h ff- jeweils mwN).
Zu Recht rügt der Kläger, daß das LSG schon den Umfang seiner BK nicht lückenlos aufgeklärt hat. Es hat den Verlauf seiner Hauterkrankung nicht im Zusammenhang festgestellt und hautärztlich erhobene Befunde nicht daraufhin überprüft, ob sie wesentlich durch die BK verursacht worden sind. Dazu hätte es sich besonders aufgrund des hautärztlichen Gutachtens vom 13. Dezember 1984 durch Prof. Dr. I. und Dr. K. sowie aufgrund der nicht näher erläuterten Entscheidung der Beklagten gedrängt fühlen müssen, wonach die mit einer sich verstärkenden Tendenz in beiden hautärztlichen Gutachten (s den Hautbefund S 4 des Gutachtens vom 26. Juli 1983 und S 12 des Gutachtens vom 13. Dezember 1984) festgestellte Minderung der Alkaliresistenz am rechten Unterarm und an der rechten Schulter nicht Folge der BK sei. In dem Gutachten vom 13. Dezember 1984 wird angeführt, daß der Kläger auch nach seinem Arbeitsplatzwechsel im Februar 1983 wegen ekzematöser Hautveränderungen mehrfach ambulant und vom 26. September bis 31. Oktober 1983 stationär in der Hautklinik der Universität Göttingen behandelt worden sei. Zur Beurteilung der körperlichen, geistigen und seelischen Beeinträchtigung durch eine BK gehört auch die Kenntnis über den Verlauf der Erkrankung während eines längeren Zeitraums. Dazu ist zu ermitteln, welche Befunde im fraglichen Zeitraum erhoben worden und ggf welche Schlüsse daraus für die Beurteilung des Dauerzustandes zu ziehen sind. Zu weiterer Sachaufklärung über den Umfang des Hautbefundes hätte auch ein Vergleich dieses Gutachtens mit demjenigen vom 26.Juli 1983 das LSG drängen müssen. Zwar wird nicht mehr eine leichte Rötung der Handteller und Handrücken beschrieben, aber stattdessen Hauterscheinungen am linken Handgelenk, am rechten und linken Unterarm, der rechten Ellenbeuge, der rechten Halsseite, der Glans penis, des linken Oberschenkels und am linken Spann. Da diese Hauterscheinungen nicht - ebensowenig wie die Alkaliresistenzschwäche der Haut - von den Gutachtern unter den Leiden aufgeführt worden sind, die unabhängig von der BK bestehen, muß durch Sachverständige ermittelt werden, ob diese Hautbefunde Folgen der BK sind. Erst danach läßt sich der Schweregrad der zu entschädigenden Hauterscheinungen bemessen. Auch dazu bedarf es sachverständiger Kenntnisse.
Inwieweit der Kläger durch die danach festgestellten vollständigen Folgen der BK und deren Auswirkungen in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert wird, richtet sich nach dem Umfang der dadurch eingetretenen Beeinträchtigung des körperlichen, geistigen und seelischen Leistungsvermögens sowie dem Umfang der ihm dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (BSG Urteile vom 29. April 1980, 29. April 1982 und 28. Juli 1982 - jeweils aaO; Brackmann aaO S 568i). Nach dem Grundsatz der abstrakten Schadensberechnung kommt es dabei einerseits nicht darauf an, ob der Versicherte durch die Folgen der BK einen Einkommensverlust erlitten hat, andererseits aber ist es entgegen der Meinung des Klägers nicht maßgebend, ob er konkret eine andere Arbeit finden kann, sondern stattdessen ist entscheidend, in welchem Ausmaß er durch die Berufskrankheitsfolgen in seiner Fähigkeit gehindert ist, Arbeitsmöglichkeiten zu ergreifen, die ihm zuvor offenstanden. Das ist am Maßstab der individuellen Erwerbsfähigkeit des Klägers vor Eintritt des Versicherungsfalls zu messen (vgl Brackmann aaO S 568b), also am Kreis derjenigen Arbeitsplätze auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens, die der Kläger damals nach seinen gesamten Kenntnissen und körperlichen wie geistigen Fähigkeiten hätte ausfüllen können.
Für die in erster Linie auf medizinisch-wissenschaftlichem Gebiet liegende Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen, geistigen und seelischen Fähigkeiten des Erkrankten durch Folgen einer BK beeinträchtigt sind, haben ärztliche Meinungsäußerungen zwar keine verbindliche Kraft, sind aber doch eine wichtige und oft unentbehrliche Grundlage (s BSG SozR 2200 § 581 Nr 23 mwN; Brackmann aaO S 570a ff). Das gilt bei allergischen Hauterkrankungen wie im vorliegenden Fall auch weitgehend für die Frage nach den dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten (vgl das Urteil des Senats vom 29. April 1980 - 2 RU 60/78). Denn hierbei spielen abgesehen von dem Schweregrad der bestehenden Hauterscheinungen und der direkt durch sie bedingten Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit eine wichtige Rolle der Grad der Sensibilisierung und die Häufigkeit des Allergens in krankheitsauslösender Beschaffenheit. Beide Faktoren sind auch Gegenstand medizinisch-wissenschaftlicher Forschung. Das gilt besonders auch für die Frage der Häufigkeit des Allergens in krankheitsauslösender Beschaffenheit. So wertvoll dabei rein technische listenmäßige Zusammenstellungen von Arbeitsmaterial sind, das ein bestimmtes Allergen enthält, so wenig können sie allein über die Häufigkeit dieses Allergens in krankheitsauslösender Form insbesondere im einzelnen Krankheitsfall aussagen (vgl Kühl, Berufsdermatosen 23, 61 ff, 65 f - 1975 -). Deshalb hat der Senat bereits die "Empfehlung für die Einschätzung der MdE bei Berufskrankheiten nach der Nr 5101 der BKVO" vom 31. März 1977 (Mitteilung der Arbeitsgemeinschaft Berufsdermatologie der DDG in Berufsdermatosen 25, 131 - 1977 -) zwar nicht als den einzigen Weg, aber doch als ein geeignetes Hilfsmittel zu Einschätzung der MdE in typischen Hauterkrankungsfällen angesehen (Urteil vom 29. April 1980 aaO; vgl auch Hess. LSG, Breithaupt 1982, 573, 575). Daran ist auch gegen die Meinung des Klägers festzuhalten.
Der Inhalt dieser Empfehlung ist allerdings in zweierlei Hinsicht zu unterscheiden.
Zum einen legt sie in ihrer Tabelle zur Einschätzung der MdE einen Höchstwert von insgesamt 40 vH zugrunde. Dazu wird ua Weiler zitiert (Berufsdermatosen 21, 127 - 1973 - mwN), der darauf hinweist, daß sich die MdE-Bewertung für die Berufsdermatosen in der langjährigen Praxis zwischen 20 vH und 40 vH bewegt, wobei eine MdE von 40 vH nur in sehr schweren Erkrankungsfällen angezeigt sei. Höhere MdE-Grade für Berufsdermatosen seien nur selten bekannt geworden; sie ließen sich auch nicht in das System der allgemeinen Erfahrungssätze für andere Körperschäden einordnen.
Bei diesem Höchstwert kann deshalb davon ausgegangen werden, daß es sich um einen allgemeinen Erfahrungssatz handelt, der bei der MdE-Bewertung in den Durchschnittsfällen zu beachten ist. Zwar ist auch er für die Entscheidung im Einzelfall nicht bindend und schließt eine höhere Bewertung der unfallbedingten MdE nach den zu berücksichtigenden Besonderheiten des Einzelfalles nicht aus; er kann aber trotzdem geeignet sein, die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in den zahlreichen Parallelfällen der Praxis zu bilden (s BSG SozR 2200 § 581 Nr 23 mwN; Brackmann aaO S 570b mwN).
Demgegenüber gibt es jedenfalls nach dem zZ gewonnenen Erkenntnisstand keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, den neu aufgestellten Einzel-Werten dieser Tabelle für die Feststellung des Grades der MdE eine gleiche begrenzende Wirkung beizumessen. Je nach den tatsächlich festgestellten Umständen des Einzelfalls erscheint es somit nicht ausgeschlossen und ggf sogar geboten, mit Hilfe der hierzu gehörten Sachverständigen ihr gegenseitiges Verhältnis untereinander im Einzelfall abweichend von der Tabelle zu gewichten, um im Ergebnis zu einer angemessenen MdE-Bewertung zu gelangen.
Das LSG hat jedoch bei der Bewertung der MdE des Klägers für den "Sensibilisierungsgrad" und die "Häufigkeit des Allergens" jeweils Einzelwerte von 10 vH eingesetzt, ohne mit Hilfe eines Sachverständigen den Bewertungsgegenstand tatsächlich aufzuklären und zu prüfen, ob die Besonderheiten des Einzelfalles eine - hier im Rahmen des Rechtsmittels des Klägers in Betracht kommende - höhere Wertung rechtfertigen könnten. Jedenfalls dann, wenn im Ergebnis nicht davon ausgegangen wird, daß die Folgen der Hauterkrankung mit einer MdE von 40 vH zu bewerten sind, besteht somit die Notwendigkeit, bei Anwendung der betreffenden Empfehlung tatsächliche Feststellungen zu allen Kategorien der Tabelle zu treffen, also über die Qualität der Hauterscheinungen, die Stärke des Sensibilisierungsgrades, die Häufigkeit des Allergens in krankheitsauslösender Form auf dem allgemeinen Arbeitsfeld und das Lebensalter einschließlich der sogenannten Vorschäden, wie noch auszuführen sein wird. Zutreffend hat der Kläger gerügt, daß das LSG es unterlassen hat, die Häufigkeit des Allergens in krankheitsauslösender Beschaffenheit konkret festzustellen. Dasselbe gilt für die Stärke des Sensibilisierungsgrades. Diese Feststellungen sind deshalb nachzuholen, und alsdann ist die MdE-Bewertung erneut vorzunehmen.
Vor allem bedarf es bei der Einschätzung der MdE um weniger als 40 vH ausreichender tatsächlicher Feststellungen und im Regelfall durch Sachverständige unterstützter Wertungen, wenn - wie vom LSG bei den Hauterscheinungen zuungunsten des Rechtsmittelführers - auch nur in einer Kategorie der Tabelle von weniger als dem höchsten Einzelwert ausgegangen wird. Das LSG beschreibt zwar den von Prof. Dr. I. und Dr. K. in ihrem Gutachten vom 13. Dezember 1984 auf S 12 wiedergegebenen Befund. Worauf es aber seine Wertung stützt, ist nicht ersichtlich. Im Gutachten ist sie nicht vermerkt.
Schließlich vermag der Senat dem LSG nach dessen bisherigen Feststellungen auch nicht darin zu folgen, daß der Kategorie "Lebensalter" im vorliegenden Fall keine für die Bewertung der MdE erhöhende Bedeutung beizumessen sei. Zu Unrecht hat das LSG dabei allein auf die Zahl der Lebensjahre abgestellt; allerdings verleitet die unvollständige Beschreibung dieser Kategorie dazu. Nach Buchstabe B) der Empfehlung (aaO S 132) soll in dieser Kategorie dem Umstand Rechnung getragen werden, daß mit höherem Lebensalter - jenseits des 40. Lebensjahres - die Arbeitsgelegenheiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens deutlich abnehmen. Es wird damit auf die individuelle Erwerbsfähigkeit des Versicherten vor Eintritt des Versicherungsfalles abgestellt, die den Kreis der ihm zugänglich gewesenen Arbeitsmöglichkeiten bestimmt hat; denn in der gesetzlichen Unfallversicherung ist nur die Schadensberechnung, nicht aber die Bewertung der MdE abstrakt (Brackmann aaO S 568b; v. Heinz SGb 1988, 89, 90-Fußn 3). Bei der Bemessung der unfallbedingten MdE sind deshalb auch die Vorerkrankungen zu berücksichtigen, die für diese Erwerbsfähigkeit mitbestimmend gewesen sind (Brackmann aaO). Bei der Beurteilung, ob unter dieser Kategorie eine höhere MdE anzusetzen ist, wird das LSG deshalb nicht nur die Zahl der Lebensjahre, sondern auch berücksichtigen müssen, ob die vor Eintritt des Versicherungsfalls im Krankenkassenauszug ausgewiesenen Erkrankungen des Klägers an Bluthochdruck, Nierensteinen, Leistenbruch und Lockerung des Bandapparats am linken Knie Auswirkungen auf seine individuelle Erwerbsfähigkeit und deren Minderung durch die Folgen der BK gehabt haben (Brackmann aaO S 568c). Immerhin ist der Kläger zwei Monate nach dem Versicherungsfall berufsunfähig geworden.
Für die Gesamtbewertung der MdE in Durchschnittsfällen können die einzelnen MdE-Werte der Tabelle nur Anhaltspunkte unter der Gesamthöchstgrenze von 40 vH sein. Eine Überschreitung dieser Grenze im Einzelfall ist, wie bereits erwähnt, nicht ausgeschlossen. Sie setzt aber im Hinblick auf die für eine Gleichbehandlung der Versicherten wesentlichen allgemeinen Erfahrungssätze voraus, daß nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens eine Hauterkrankung mit außergewöhnlichen Folgen vorliegt. Dazu müßte der Umfang der wesentlich durch die BK verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens im einzelnen nachweisbar so groß sein, daß dem eine Bewertung nach der betreffenden Empfehlung nicht gerecht werden kann. Dementsprechend bedarf es auch besonderer Anhaltspunkte in den Akten oder eines besonders substantiierten Sachvortrags, um es dem Gericht nahezulegen, in dieser Richtung weitere Ermittlungen anzustellen.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden
Fundstellen