Leitsatz (amtlich)
1. Ein nicht verklagter Versicherungsträger kann nach Beiladung verurteilt werden, ohne daß es einer ausdrücklichen Klageänderung bedarf (Anschluß BSG 1959-01-15 4 RJ 111/57 = BSGE 9, 67).
2. Ein "mißglückter Arbeitsversuch" eines wegen Geistesschwäche entmündigten Arbeitnehmers liegt nicht vor, wenn dieser vor seiner Wiedereinweisung in eine Heilanstalt 8 - 14 Tage lang landwirtschaftliche Arbeiten von wirtschaftlichem Wert gegen - wenn auch geringen - Lohn verrichtet hat.
Leitsatz (redaktionell)
Wenn ein Entmündigter nach seiner Entlassung aus der Heilanstalt auf dem von seinem Vormund bewirtschafteten Bauernhof gegen freie Station und einen (wenn auch geringen) Barlohn nutzbringend beschäftigt wird, dann liegt ein Beschäftigungsverhältnis iS der Sozialversicherung vor.
Orientierungssatz
Grundsätzlich können nur freie Beschäftigungsverhältnisse Versicherungspflicht begründen, die durch den Austausch von Arbeit und Lohn ihr Gepräge erhalten. Deshalb wird man die Tätigkeit der Insassen einer Heilanstalt, die in erster Linie der Heilbehandlung dient, regelmäßig selbst dann nicht als versicherungspflichtige Beschäftigung ansehen können, wenn sie zu wirtschaftlich wertvollen Ergebnissen führt.
Normenkette
SGG § 75 Abs. 2 Fassung: 1953-09-03; RVO § 165 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1956-06-12, § 1227 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Die Revision der beigeladenen Landkrankenkasse gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. Dezember 1960 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) oder die beigeladene Landkrankenkasse (LKK) dem beklagten Fürsorgeträger (jetzt: Träger der Sozialhilfe) Aufwendungen zu ersetzen hat, die durch die Unterbringung des wegen Geistesschwäche entmündigten Paul W (W.) - geb. 20. Juni 1934 - in einer Landesheilanstalt entstanden sind.
W., der durch Beschluß des Amtsgerichts Tecklenburg vom 12. November 1956 wegen Geistesschwäche entmündigt worden ist, wurde am 30. Oktober 1956 wegen schwachsinnsbedingter Erregungszustände, Trunksucht und Gefahr der Verwahrlosung in die Landesheilanstalt Lengerich eingewiesen. Er war zu diesem Zeitpunkt wegen des Bezugs von Arbeitslosenunterstützung Mitglied der beklagten AOK. Für die Dauer der Unterbringung bis zum 6. März 1957 beteiligte sich die beklagte AOK auf Grund des Abkommens zwischen dem Landesfürsorgeverband Westfalen-Lippe und den gesetzlichen Krankenkassen vom 7. Januar 1956 - sog. Geisteskrankenabkommen - mit einem Pauschalbetrag von 4,90 DM je Tag an den Unterbringungskosten. Am 7. März 1957 wurde W. aus der Landesheilanstalt entlassen und auf dem von seinem Vormund W bewirtschafteten Hofe des Bauern L in Westerkappeln in der Landwirtschaft beschäftigt. Nachdem W. einige Zeit unter Anleitung seines Vormundes zufriedenstellend gearbeitet hatte, vernachlässigte er allmählich seine Pflichten und verfiel wie früher dem Alkohol. Nach etwa fünf Wochen war sein Verhalten untragbar geworden, so daß der Vormund ihn am 20. April 1957 in die Heilanstalt zurückbringen ließ, wo er noch etwa 1 1/2 Jahre verblieb. Für seine Tätigkeit auf dem Hofe des Bauern L hat W. neben Kost und Wohnung 80,- DM im Monat erhalten.
Der Fürsorgeträger forderte zunächst von der beigeladenen LKK, bei der W. nach Beginn seiner Beschäftigung auf dem Bauernhof angemeldet worden war, die Beteiligung an den neu entstandenen Unterbringungskosten bis zur Aussteuerung. Diese lehnte die Zahlung ab, weil W. am 7. März 1957 nur versuchsweise aus der Heilanstalt entlassen worden sei; da sich alsbald gezeigt habe, daß er eine Beschäftigung in der Landwirtschaft nicht ausüben könne, sei ein der Versicherungspflicht unterliegendes Beschäftigungsverhältnis nicht begründet worden. Der Fürsorgeträger, der daraufhin die Tätigkeit des W. auf dem Hofe des Bauern L als mißglückten Arbeitsversuch ansah, verlangte nunmehr von der beklagten AOK auf Grund des durch den früheren Unterstützungsbezug begründeten Versicherungsverhältnisses den Ersatz der Unterbringungskosten in Höhe von 4,90 DM täglich vom 20. April 1957 an bis zur Aussteuerung. Die AOK lehnte den Ersatzanspruch ab, weil W. auf dem Bauernhof mindestens zwei Wochen verwertbare Arbeit geleistet habe und dafür entlohnt worden sei; ein mißglückter Arbeitsversuch habe schon im Hinblick auf die Dauer der Beschäftigung nicht vorgelegen, W. sei daher bei seiner Wiederaufnahme in der Landesheilanstalt Pflichtmitglied der LKK gewesen.
Der Fürsorgeträger erhob nunmehr Klage gegen die AOK mit dem Antrag, diese zur Erstattung von 264,60 DM zu verurteilen. Er machte geltend, W. sei, obgleich er zunächst auf dem Hofe brauchbare Arbeiten geleistet habe, in Wirklichkeit anstaltspflegebedürftig gewesen. Daß er sich zunächst gut geführt habe, sei auf die Beaufsichtigung durch den Vormund zurückzuführen. Bei einem fremden Arbeitgeber hätte er überhaupt nur wenige Tage bleiben können. Der Vormund habe aber ein Interesse daran gehabt, sein Mündel in das Arbeitsleben zurückzuführen und allein aus diesem Grunde den Aufenthalt des Entmündigten auf dem Hofe hinausgezögert.
Auf den Antrag der beklagten AOK verurteilte das Sozialgericht (SG) die beigeladene LKK, dem klagenden Fürsorgeverband 264,60 DM zu zahlen. Es erblickte in der Tätigkeit des W. auf dem Bauernhof ein reguläres Arbeitsverhältnis, weil er dort etwa zwei Wochen verwertbare Arbeit geleistet habe, entsprechend entlohnt worden sei und die Gefahr eines Rückfalls nicht von vornherein bestanden habe. Die Berufung wurde zugelassen (Urteil vom 28. Januar 1960).
Die beigeladene LKK legte Berufung ein und machte im wesentlichen geltend, durch die kurzfristige Tätigkeit des W. sei ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht begründet worden. Bei der versuchsweisen Beschäftigung von Geisteskranken stehe die Heilung und die allmähliche Gewöhnung an ein normales Arbeitsleben im Vordergrund. Die weitere Anstaltsbehandlung von rund 19 Monaten zeige, daß die versuchsweise Entlassung des W. im März 1957 verfrüht gewesen sei, so daß die gesamte Anstaltsunterbringung als eine zusammenhängende Behandlung betrachtet werden müsse.
Der klagende Fürsorgeverband legte Anschlußberufung ein mit dem Antrag, die Berufung der beigeladenen LKK mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß 275,40 DM zu erstatten sind, hilfsweise die AOK für den Kreis Tecklenburg zu verurteilen, diesen Betrag zu zahlen.
Die beigeladene LKK beantragte, unter Zurückweisung der Anschlußberufung und unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die beklagte AOK stellte den Antrag, die Berufung und die Anschlußberufung zurückzuweisen.
Das Landessozialgericht (LSG) entsprach dem Hauptantrag des Klägers und ließ die Revision zu.
Zur Begründung seiner Entscheidung führte es im wesentlichen aus: Nach den gutachtlichen Äußerungen der Anstaltsärzte hätten gegen die Entlassung des W. am 7. März 1957 keine Bedenken bestanden. Diese Beurteilung stehe im Einklang mit der Zeugenaussage des Vormundes Winkelmann, wonach W. in den ersten 8 bis 14 Tagen arbeitswillig gewesen sei und verwertbare Arbeiten verrichtet habe. Das Versagen des W. sei auf äußere Umstände, nämlich den Einfluß schlechter Freunde zurückzuführen; dies sei aber bei Antritt der Arbeit auf dem Bauernhof nicht vorhersehbar gewesen. Da W. eine versicherungspflichtige entgeltliche Beschäftigung verrichtet und deshalb der beigeladenen LKK als Mitglied angehört habe, sei diese nach § 1531 der Reichsversicherungsordnung (RVO) verpflichtet, dem Fürsorgeträger die durch die Unterbringung in der Landesheilanstalt entstandenen Aufwendungen im Rahmen des sog. Geisteskrankenabkommens zu ersetzen; die Höhe des Betrages sei nicht streitig.
Die beigeladene LKK hat Revision eingelegt mit dem Antrag,
die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 6. Dezember 1960 und des SG Münster vom 28. Januar 1960 aufzuheben und die beklagte AOK zur Zahlung zu verurteilen.
Zur Begründung der Revision trägt sie vor: Das Verfahren leide an wesentlichen Mängeln. Die Leistungsklage sei gegen die AOK für den Kreis Tecklenburg erhoben worden, die den Ersatzanspruch abgelehnt habe. Die LKK sei beigeladen worden, weil die AOK eine Zahlungspflicht mit der Begründung verweigert habe, W. habe zwischenzeitlich auf dem Bauernhof in einem entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis gestanden und sei daher bei der beigeladenen LKK versichert gewesen. Diese Feststellung habe das SG zum Gegenstand der Verhandlung gemacht, obgleich keiner der Beteiligten (Arbeitgeber oder Versicherter) den Verwaltungsakt der beigeladenen LKK über die Ablehnung der Versicherungspflicht angefochten hätte. Das SG habe ferner die beigeladene LKK zur Leistung verurteilt, ohne im Tenor seiner Entscheidung eine Feststellung im Sinne des § 55 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) über die Versicherungspflicht zu treffen. Das LSG habe sich dem Urteil des SG angeschlossen, ohne seinerseits "eine Änderung der gestellten Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 in eine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG oder eine Zwischenfeststellungsklage vorzunehmen". Zwar könne ein Beigeladener nach § 75 Abs. 5 SGG verurteilt werden. Im vorliegenden Fall sei jedoch eine Klageänderung nicht möglich. Der Verurteilung zu einer Leistung müsse nämlich die Feststellung vorausgehen, daß überhaupt ein Versicherungsverhältnis bestehe. Das Verfahren leide auch deshalb an einem wesentlichen Mangel, weil die LKK zu einer Leistung verurteilt worden sei, obwohl der Tenor des Urteils keine Feststellung über die Versicherungspflicht des W. enthalte. Die angefochtene Entscheidung sei auch sachlich nicht begründet. Das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, daß W. auf Wunsch seiner Mutter im Einverständnis mit dem Vormund unter dessen Aufsicht vom 8. März 1957 an auf dem Hofe des Bauern L probeweise außerhalb der Anstalt beschäftigt worden sei. Es könne sich hier nur um eine Maßnahme im Sinne der Arbeitstherapie handeln, die keine Versicherungspflicht begründe, zumal der Arbeitgeber keine Arbeitskraft benötigt habe, da er seit 1955 fremde Arbeitskräfte nicht beschäftige. W. habe nur unter der ständigen Aufsicht seines Vormundes einige Tage Arbeiten von wirtschaftlichem Wert geleistet und sei nach dieser Zeit kaum noch tätig gewesen. Sein Verhalten habe am 19. April 1957 wieder zur Einweisung in die Heilanstalt geführt, in der er weitere 1 1/2 Jahre verblieben sei. Daraus müsse geschlossen werden, daß sich der Zustand des W. nicht wesentlich geändert und auch in der Zeit vom 8. März bis zum 19. April 1957 Anstaltspflegebedürftigkeit bestanden habe.
Die beklagte AOK beantragt,
die Revision der beigeladenen LKK zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der von der Revision behauptete Verfahrensmangel liege nicht vor. Die Darstellung, W. sei "probeweise außerhalb der Anstalt beschäftigt" worden, erwecke den Eindruck, er sei während seiner Beschäftigung auf dem Hof des Bauern L noch im Gewahrsam der Anstalt gewesen. Das widerspreche aber den bindenden tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils. W. sei aus der Anstalt entlassen worden und habe die Beschäftigung bei seinem Vormund jedenfalls nicht gegen seinen Willen aufgenommen. Entscheidend sei, daß W. etwa zwei Wochen - also für einen nicht unerheblichen Zeitraum - Arbeiten von wirtschaftlichem Wert geleistet habe und daß sein späteres Versagen auf nicht vorhersehbare äußere Einwirkungen zurückgehe. Er sei während dieser Zeit nicht behandlungsbedürftig gewesen, so daß kein Anlaß bestehe, die Grundsätze über den mißglückten Arbeitsversuch anzuwenden.
Der klagende Bezirksfürsorgeverband beantragt,
die Revision zurückzuweisen,
hilfsweise, in Abänderung des angefochtenen Urteils die beklagte AOK zu verurteilen, an den Kläger 275,40 DM zu zahlen.
II
Die Revision ist nicht begründet. Das LSG ist auf Grund der von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu Recht davon ausgegangen, daß der wegen Geistesschwäche entmündigte Paul W., der am 7. März 1957 aus der Landesheilanstalt entlassen worden war, vor seiner Wiederaufnahme in diese Anstalt (20. April 1957) auf dem Hofe des Bauern L eine der Krankenversicherungspflicht unterliegende Beschäftigung (§ 165 Abs. 1 Nr. 1 RVO) ausgeübt hat und mit dem Tage des Eintritts in diese Beschäftigung Mitglied der beigeladenen LKK geworden ist (§§ 235, 306 Abs. 1 RVO).
Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Die von dem Fürsorgeträger erhobene Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG), mit welcher der Ersatz der Aufwendungen gefordert wird, die durch die neue Unterbringung des W. in der Landesheilanstalt Lengerich in der Zeit vom 20. April 1957 an bis zur Aussteuerung entstanden sind, war gegen die AOK für den Kreis Tecklenburg gerichtet. Trotzdem konnte die zum Verfahren beigeladene Revisionsklägerin zur Leistung verurteilt werden. § 75 Abs. 5 SGG eröffnet den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit aus prozeßökonomischen Gründen die Möglichkeit, in Fällen, in denen gegen einen passiv nicht legitimierten Versicherungsträger Klage erhoben worden ist, den in Wirklichkeit zur Leistung verpflichteten Versicherungsträger nach Beiladung zu verurteilen, um einen neuen Rechtsstreit und damit auch die Gefahr sich etwa widersprechender Entscheidungen zu vermeiden. Das Urteil gegen den leistungspflichtigen, zum Verfahren beigeladenen Versicherungsträger ist nicht von einer ausdrücklichen Änderung der Klage abhängig, das Gesetz geht vielmehr davon aus, daß der Kläger zwar in erster Linie die Verurteilung des beklagten Versicherungsträgers, hilfsweise aber auch die eines anderen in Betracht kommenden, am Verfahren durch Beiladung beteiligten Versicherungsträgers erstrebt (vgl. BSG 9, 67, 70; 14, 86, 89). Daß die Verurteilung der beigeladenen LKK dem Willen des Klägers entsprochen hat, ergibt sich im übrigen auch daraus, daß er in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG die Zurückweisung der von der beigeladenen LKK eingelegten Berufung und im Wege der Anschlußberufung die Verurteilung der Beigeladenen zu einem höheren als dem vom SG zugesprochenen Betrage beantragt, dagegen nur hilfsweise den Antrag auf Verurteilung der beklagten AOK gestellt hat. Die Auffassung der Revision, daß dem nach § 75 Abs. 5 SGG ergehenden Urteil gegen die Beigeladene ein besonderes Zwischenfeststellungsverfahren hätte vorausgehen und daß im Tenor der Entscheidung die Feststellung über die Versicherungspflicht des W. hätte getroffen werden müssen, geht fehl, weil die Versicherungspflicht des W. im Rahmen des Leistungsstreites als Vorfrage zu klären war; im übrigen hatte keiner der Beteiligten eine Zwischenfeststellung im Sinne des § 280 der Zivilprozeßordnung (ZPO) beantragt. - Soweit die Revisionsklägerin geltend macht, sie habe die Versicherungspflicht des W. durch einen Verwaltungsakt verneint, den sie dem Bauern L und dem Vormund des W. erteilt habe, dieser Verwaltungsakt sei aber von keinem der unmittelbar Betroffenen angefochten worden, handelt es sich um neues Vorbringen, das im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden kann.
Die Entscheidung in der Sache selbst hängt - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - davon ab, ob W. während seiner Tätigkeit auf dem Hofe des Bauern L versicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist. Die Versicherungspflicht setzt das Bestehen eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses voraus, vermöge dessen dem Arbeitgeber die Verfügungsgewalt über die Arbeitskraft des Arbeitnehmers zusteht. Grundsätzlich können nur freie Beschäftigungsverhältnisse Versicherungspflicht begründen (BSG 18, 246, 251), die durch den Austausch von Arbeit und Lohn ihr Gepräge erhalten (vgl. Dersch, Grundriß der gesetzlichen Rentenversicherung, 1952 S. 40 f). Deshalb wird man die Tätigkeit der Insassen einer Heilanstalt, die in erster Linie der Heilbehandlung dient, regelmäßig selbst dann nicht als versicherungspflichtige Beschäftigung ansehen können, wenn sie zu wirtschaftlich wertvollen Ergebnissen führt. Ob man bei einem wegen Geistesschwäche Entmündigten, der aus der Heilanstalt nur "probeweise" entlassen worden ist, um durch eine Tätigkeit außerhalb der Anstalt zunächst einmal seine Arbeitsfähigkeit zu prüfen, von einem ernstlichen Beschäftigungsverhältnis sprechen kann, bedarf keiner Entscheidung; denn W. ist nach den Feststellungen des LSG aus der Heilanstalt nicht nur versuchsweise entlassen worden. Er hat vielmehr mit Einverständnis seines Vormundes W und mit Zustimmung der Anstaltsärzte am 7. März 1957 ohne eine derartige Einschränkung die Anstalt verlassen, um auf dem von Winkelmann bewirtschafteten Hofe des Bauern L, des Schwiegervaters des W, in der Landwirtschaft zu arbeiten. Daß die Entlassung des W. aus der Heilanstalt auch dem Wunsche seiner Mutter entsprochen hat, ist rechtlich ohne Bedeutung. W. hat jedenfalls unter Anleitung seines Vormundes auf dem Hof gearbeitet und für seine Tätigkeit neben freier Kost und Wohnung einen Barlohn erhalten, der zwar geringer gewesen ist als der für vollwertige Landarbeiter übliche Lohn. Dies steht aber der Annahme eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses nicht entgegen. Auch Personen, die an einem geistigen Gebrechen leiden, und die deshalb einer umfangreicheren Aufsicht oder Anleitung als geistig gesunde Arbeiter bedürfen, können im allgemeinen Arbeiten von wirtschaftlichem Wert verrichten, zumal wenn es sich - wie im vorliegenden Fall - um einfache körperliche Arbeiten handelt, die der Betreffende schon früher berufsmäßig ausgeübt hat. Entscheidend für die Begründung eines ernstlichen Beschäftigungsverhältnisses ist, daß der Geistesschwache überhaupt imstande ist, wirtschaftlich brauchbare Arbeiten während einer nicht nur von vornherein eng begrenzten Zeit zu leisten.
Nach den vom LSG getroffenen Feststellungen hat W. auf dem von seinem Vormund bewirtschafteten Hofe jedenfalls etwa 8 bis 14 Tage lang Arbeiten von wirtschaftlichem Wert verrichtet. Die Krankheit, die im Oktober 1956 zu seiner Aufnahme in die Landesheilanstalt geführt hatte, war bei der Entlassung aus der Anstalt so weit abgeklungen, daß er nach der Meinung der Anstaltsärzte wieder einer Beschäftigung nachgehen konnte. Es stand daher - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - keineswegs von Anfang an fest, daß die Arbeitsaufnahme zum Scheitern verurteilt sein würde. Hätte sich schon nach wenigen Tagen gezeigt, daß W. wegen seines Gesundheitszustandes nicht imstande war, die ihm übertragenen Arbeiten zu verrichten, so könnte man allerdings von einem mißglückten Arbeitsversuch sprechen, der nach der Rechtsprechung der Annahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses entgegenstehen würde (vgl. BSG 15, 89; RVA in EuM Bd. 29, 37; GE des RVA Nr. 5488, AN 1942, 396; Nr. 5502, AN 1943, 21). Da die Versicherungspflicht stets beim Beginn der Arbeitsaufnahme zu prüfen ist, wird man - schon um Manipulationen auszuschließen - einen mißglückten Arbeitsversuch grundsätzlich nur dann annehmen können, wenn sich bereits wenige Tage nach der Arbeitsaufnahme herausstellt, daß der Beschäftigte nicht in der Lage ist, die ihm zugedachte Arbeit von wirtschaftlichem Wert zu leisten. Ein solcher mißglückter Arbeitsversuch hat aber nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht vorgelegen.
Hat daher W. auf dem Hof des Bauern L eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt, so ist er Mitglied der beigeladenen LKK geworden (§§ 235, 306 RVO). Diese ist mithin verpflichtet, dem Fürsorgeträger die durch die - nach Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses notwendig gewordene - Heilanstaltspflege entstandenen Aufwendungen in der geforderten Höhe, über die kein Streit besteht, nach § 1531 RVO in Verbindung mit §§ 1 und 3 des zwischen dem Landesfürsorgeverband Westfalen-Lippe und den Verbänden der gesetzlichen Krankenversicherung getroffenen Abkommens vom 7. Januar 1956 zu ersetzen.
Die Revision ist daher als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen