Leitsatz (amtlich)
Für die Rentenbemessungsgrundlage (RVO § 1255) ist auch bei Nachversicherten höchstens von demjenigen Arbeitsentgelt auszugehen, das für die Beitragspflicht in der jeweils nachzuversichernden Beschäftigungszeit maßgebend war.
Normenkette
RVO § 1255 Abs. 3 Buchst. b Fassung: 1957-02-23, § 1402 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 8. März 1967 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Klägerinnen - Witwe und Waise des Versicherten - beanstanden die Höhe der ihnen bewilligten Hinterbliebenenrenten; sie wenden sich dagegen, daß die Beklagte für die Versicherungsjahre 1939 bis 1944 sowie 1947 und 1948 nicht von demjenigen Arbeitsentgelt ausgegangen ist, das der Versicherte bezogen hatte und das auch der Beitragsbemessung zugrunde gelegt worden war. - Der Versicherte war Ende Februar 1950 aus dem Dienst als Beamter der Bundespost ohne Versorgungsansprüche ausgeschieden. Bei seiner Nachversicherung galt die Beitragsbemessungsgrenze von 7.200,- DM (§ 8 Abs. 1 des Sozialversicherungsanpassungsgesetzes - SVAG - vom 17. Juni 1949, WiGBl S. 99). Dieser Beitragshöchstsatz wurde von den nachzuentrichtenden Beiträgen nicht erreicht. Bei Berechnung der Hinterbliebenenrenten hielt sich die Beklagte jedoch an die während der jeweiligen Beschäftigungsperioden gültig gewesene Beitragsbemessungsgrenze von 3.600,- RM (§ 7 Nr. 1 der Zweiten Lohnabzugsverordnung - 2. LAV - vom 24. April 1942, RGBl. I S. 252; § 1242 a Abs. 1 Satz 2 RVO idF der Verordnung - VO - vom 17. März 1945, RGBl. I S. 41). Die - diese Obergrenze übersteigenden - Arbeitsentgelte ließ die Beklagte außer Ansatz (Bescheid vom 24. März 1965).
Das Sozialgericht (SG) hat der Klage auf höhere Rentenleistungen stattgegeben; das Landessozialgericht (LSG) hat sie abgewiesen (Urteil des SG Schleswig vom 25. Januar 1966; Urteil des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 8. März 1967). Das Berufungsgericht hat sich an den für die Nachversicherung leitenden Grundgedanken gehalten, daß der Versicherte so zu stellen sei, wie er gestanden hätte, wenn seine Nachversicherung bereits während der versicherungsfreien Tätigkeit durchgeführt worden wäre.
Deshalb sei bei dem Nachversicherten wie bei jedem Versicherten der Höchstsatz zu respektieren, bis zu dem jeweils Beiträge entrichtet sein könnten. Daß dieser Maximalbetrag nicht überschritten sein könne, sei für den Gesetzgeber selbstverständlich gewesen. In diesem Sinne sei auch in bezug auf die Rentenhöhe § 1255 Abs. 3 Buchst. b) der Reichsversicherungsordnung (RVO) einschränkend zu interpretieren: Der Beitragsbemessung könne nur ein solcher Arbeitsentgelt zugrunde gelegen haben, der sich im gesetzlichen Rahmen gehalten habe. Ob es richtig war, daß die Nachversicherung als solche zu höheren Werten vorgenommen wurde, hat das LSG offen gelassen. Keinesfalls - so hat es gemeint - könne sich daraus der Anspruch auf eine Steigerung der Rentenbeträge ergeben.
Die Klägerinnen haben die - zugelassene - Revision eingelegt. Sie beantragen, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen. Dem angefochtenen Urteil halten sie entgegen, lediglich für die Nachversicherung zur Angestelltenversicherung (AV) sei in Art. 2 § 4 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) angeordnet, daß Beiträge nur bis zur Höhe der jeweiligen Versicherungspflicht- bzw. Beitragsbemessungsgrenze aufzuwenden seien. Das Recht der Arbeiterrentenversicherung enthalte indessen eine solche Begrenzung nicht. Wenn aber die Beitragspflicht insoweit uneingeschränkt bestehe, sei es auch gerechtfertigt, dem Rentenberechtigten den vollen Nutzen der durchgeführten Nachversicherung zugute kommen zu lassen.
Die Beklagte hat beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Revision ist unbegründet.
Für die Rentenbemessungsgrundlage (§ 1255 RVO) ist nur von demjenigen Arbeitsentgelt auszugehen, der für die Versicherung zu beachten gewesen wäre, wenn diese bereits während der nachzuversichernden Beschäftigungsabschnitte vorgenommen worden wäre. Diese Rechtsfolge ist aus § 1255 Abs. 3 Buchst. b) RVO herzuleiten. Diese Vorschrift bezieht sich allerdings unmittelbar nicht auf Beiträge zur Nachversicherung sondern auf solche, die im Lohnabzugsverfahren entrichtet worden sind; sie ist aber für die Nachversicherung sinngemäß anzuwenden (§ 1 Abs. 1 der VO über das Verfahren bei Anwendung des § 1255 RVO vom 9. Juli 1957 (BGBl. I. S. 696). Dementsprechend ist für jedes nachversicherte Kalenderjahr der Bruttojahresarbeitsentgelt des Versicherten insoweit zu berücksichtigen, als er "der Beitragsbemessung zugrunde lag" (§ 1255 Abs. 3 Buchst b) RVO iVm § 1 Abs. 2 Sätze 1 und 3 der VO vom 9. Juli 1957). Die Formulierung des Gesetzes ("soweit er der Beitragsbemessung zugrunde lag") könnte zu der Deutung verleiten, es sei auf die vollen Arbeitsverdienste abzustellen, wenn die tatsächlich aufgewendeten Beiträge diesen uneingeschränkt entsprachen, mochten dabei auch die für die Beitragsbemessung jeweils geltenden Maximalsätze überschritten worden sein. Diese Auslegung wäre jedoch nicht richtig. Sie ließe den systematischen Zusammenhang von Beitragswert und Rentenberechnung im Recht der Rentenversicherungen außer Acht. Dieser Zusammenhang ist zwar nicht durch ein Synallagma im strengen Sinne gekennzeichnet; zwischen Beiträgen und Rentenberechnung besteht keine unmittelbar gegenseitige, in allen Einzelheiten gewahrte Abhängigkeit. Gleichwohl beruht der Zusammenhang zwischen Beitrag und Rente auf dem Prinzip der Entsprechung von Leistung und Gegenleistung (vgl. Jantz/Zweng, Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, 1957, Anm. 4 zu § 1255 RVO, S. 110). Da Beiträge nur innerhalb bestimmter Schranken zulässig waren und sind, muß auch das Ausmaß der Renten in den dadurch vorgegebenen Grenzen bleiben. Demgemäß ist § 1255 Abs. 3 Buchst. b) RVO einschränkend dahin zu interpretieren, daß für die Rentenberechnung nur solche Arbeitsentgelte relevant sind, die sich während des betreffenden Zeitabschnitts jeweils im Rahmen des gesetzlich zulässigen Beitragshöchstmaßes gehalten haben (vgl. § 1400 Abs. 2 RVO). Eine andere Rechtslage scheidet nicht nur für den Normalfall sondern auch für die Nachversicherung aus.
Davon Abweichendes ergibt sich namentlich nicht aus § 1402 RVO. Dort wird wegen der Nachversicherungsbeiträge auf diejenigen Vorschriften verwiesen, "die im Zeitpunkt des Ausscheidens aus der versicherungsfreien Beschäftigung für die Berechnung der Beiträge ... maßgebend sind". Damit ist auch der Beitragssatz gemeint. Doch wird mit dieser Gesetzesstelle nicht ein für allemal diejenige Beitragsbemessungsgrenze für anwendbar erklärt, die beim Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung gilt. Denn die Anordnung darüber, von welchem Entgelt für die Ermittlung der nachzuversichernden Beiträge auszugehen ist, trifft Abs. 2 des § 1402 RVO. Hier ist vorgeschrieben, daß sich die Beitragsbemessungsgrundlage für die Zeit vor dem 1. Januar 1924 nach einem fest bestimmten fiktiven Arbeitsentgelt richtet und für die spätere Zeit im Gegensatz dazu nach dem wirklichen Arbeitsentgelt. Was darunter zu verstehen ist, erläutert das Gesetz nicht näher. Es nimmt ferner nicht ausdrücklich Bezug auf die zur Zeit der versicherungsfreien Beschäftigung gültig gewesenen Beitragsbemessungsgrenzen. Aber die Beschränkung auf die jeweiligen Beitragshöchstwerte ergibt sich ohne ausdrückliche Erwähnung im Gesetz aus dessen Entstehungsgeschichte und aus dem Zweck der Nachversicherung.
Bereits in dem im Jahre 1924 (VO vom 13. Februar 1924, RGBl. I S. 62) in die RVO eingefügten § 1242 a hieß es, daß für die Zeit ab 1. Januar 1924 "Beitragsmarken der Lohnklasse zu verwenden" seien, "welcher die beitragsfreien Personen im Falle ihrer Versicherung angehören würden". Noch deutlicher wurde in der späteren Fassung des § 1242 a RVO durch das Gesetz vom 29. März 1928 (RGBl I S. 117) erklärt, die Beiträge seien "in der dem jeweiligen Lohn entsprechenden Lohnklasse" zu entrichten. Dieser Regelung wohnte unmittelbar die Begrenzung des zugrunde zu legenden Lohnes durch die jeweils gültig gewesenen höchsten Lohnklassen inne. Der übersteigende Lohn hatte für die Beitragsberechnung außer acht zu bleiben. Bei der weiteren Neugestaltung des § 1242 a RVO durch die VO vom 17. März 1945 tauchte der Begriff des "wirklichen Arbeitsverdienstes" auf. Dabei war an den tatsächlich bezogenen Lohn gedacht, aber nicht zugleich auch angeordnet, daß jede Schranke der Beitragsbemessung wegfallen sollte. Vielmehr galt § 180 Abs. 1 RVO und somit auch das dort festgelegte Optimum an zu beachtendem Arbeitsverdienst. So hat denn auch das Bundessozialgericht (BSG 1, 219, 222) entschieden, daß sich zwar Höhe und Fälligkeit der nachzuentrichtenden Beiträge nach dem Zeitpunkt des Ausscheidens aus der versicherungsfreien Beschäftigung richteten, die Fragen dagegen, für welche Zeiträume Beiträge nachzubringen seien und welche Versicherungspflichtgrenze beachtet werden müsse, nach den Verhältnissen der versicherungsfreien Beschäftigungsperioden zu beantworten seien. In den Materialien zum Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz (Bundestagsdrucks. II/2437 Begründung zum Regierungsentwurf S. 85) ist schließlich ausgesprochen, daß der Gesetzgeber im wesentlichen die vorstehend angeführte Regelung beibehalten wollte. Die Übereinstimmung der Rechtsnormen des Reformgesetzes mit den älteren Vorschriften betrifft nicht zuletzt den Gebrauch der Wendung "wirklicher Arbeitsentgelt", der dem sonst verwendeten Begriff "wirklicher Arbeitsverdienst" (§ 1400 Abs. 2 RVO) synonym ist. Dieser Begriff bezeichnet heute ebenso wie früher den tatsächlich bezogenen Entgelt bis zur Höhe der jeweils gültig gewesenen Beitragsbemessungsgrenze.
Dieser Auslegung wird vor allem dem Zweck der Nachversicherung gerecht. Dieses Rechtsinstitut soll Personen, welche aus einer versicherungsfreien Beschäftigung ausscheiden, ohne sonst gegen die Wechselfälle des Lebens gesichert zu sein, nachträglich den Schutz gewähren, unter den sie gestellt wären, wenn sie vorher nicht versicherungsfrei beschäftigt worden wären (Reichsarbeitsblatt 1924, 95). Andererseits geht der Zweck der Nachversicherung auch nicht weiter. Nachzuversichernde Personen sind nicht besser zu behandeln als die übrigen Versicherten (vgl. BSG 21. Juli 1965 - 11 RA 44/62 -).
Die Revision vermag diese Auslegung nicht mit Erfolg den Art. 2 § 4 Abs. 1 Satz 3 AnVNG entgegenzuhalten. Diese Übergangsregelung nimmt für das Recht der AV auf die jeweils gültig gewesenen Beitragsbemessungsgrenzen Bezug. Aus dem Fehlen einer entsprechenden Regelung für das Recht der Rentenversicherung der Arbeiter darf indessen kein falscher Schluß gezogen werden. Heller (DRV 1965, 222 ff) hat überzeugend dargetan, daß Art. 2 § 4 Abs. 1 Sätze 3 und 4 AnVNG eine spezifische Frage der Angestelltenversicherung regeln: nämlich die Nachversicherung solcher Personen, die wegen der Höhe ihres Gehalts in den nachzuversichernden Zeiten nicht versicherungspflichtig gewesen wären. Nur die Neuaufnahme dieses Personenkreises in die Nachversicherung bedingte die angeführte Übergangsvorschrift in der Angestelltenversicherung. Für die Rentenversicherung der Arbeiter war hingegen eine solche Regelung nicht nötig.
Danach ergibt sich für die Auslegung des § 1255 Abs. 3 Buchst. b) RVO, daß auch im Hinblick auf nachversicherte Beschäftigungszeiten die jeweils gültig gewesenen Beitragshöchstsätze bei der Rentenberechnung ebenso zu berücksichtigen sind wie bei der Beitragsberechnung gemäß § 1402 Abs. 2 RVO. Ob hiervon eine Ausnahme zu machen wäre, wenn die Beiträge, die tatsächlich in einer die gesetzlichen Schranken überschreitenden Höhe aufgewendet worden sind, vom Versicherungsträger nicht mehr beanstandet werden könnten, kann dahinstehen. Auch wenn in einem solchen Falle die Rentenberechnung sich unbeschränkt an den effektiven Arbeitsentgelten zu orientieren hätte, so hat das gleiche hier nicht zu gelten. Die Nachversicherung ist im Jahre 1965 vorgenommen worden. Die Frist, die der Beklagten zur Beanstandung der Beiträge gesetzt ist, nämlich die Zeitspanne von 10 Jahren (§ 1423 Abs. 2 RVO), war bei Rentenfeststellung noch nicht abgelaufen. Bei der Rentenberechnung nach § 1255 Abs. 3 Buchst. b) RVO waren also die Teile des vom Versicherten bezogenen Arbeitsverdienstes, die in den Jahren 1939 bis 1944 und 1947 bis 1948 den Höchstsatz von 3.600,- Mark überschritten, nicht anzurechnen.
Die Rentenbescheide der Beklagten sind danach rechtmäßig.
Die Vorinstanzen haben dies richtig erkannt.
Die Revision ist mit der auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes beruhenden Kostenentscheidung zurückzuweisen.
Fundstellen