Leitsatz (amtlich)
Das Landessozialgericht kann die Nichtzulassung der Berufung durch Sozialgericht nicht nachprüfen.
Selbst in einer unrichtigen Nichtzulassung der Berufung liegt kein wesentlicher Mangel des Verfahrens im Sinne des SGG § 150 Nr 2 (Anschluß BSG 1956-03-01 4 RJ 156/55 = SozR Nr 8 zu § 150 SGG).
Leitsatz (redaktionell)
Die äußerliche Trennung des Tatbestandes von den Entscheidungsgründen empfiehlt sich zwar, ist aber nicht wesentlich und auch nicht ausdrücklich vorgeschrieben.
Bei einer Zusammenfassung oder der Erwähnung einer Tatsache in den Gründen muß lediglich klar erkennbar sein, was tatsächliche Feststellung beziehungsweise Parteiausführung und was richterliche Erwägung ist (so RGZ 102, 328). Eine in den Gründen enthaltene tatsächliche Feststellung kann daher stets als Ergänzung des Tatbestandes aufgefasst werden.
Normenkette
SGG § 150 Nr. 1 Fassung: 1953-09-03, Nr. 2 Fassung: 1953-09-03, § 136 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 17. September 1954 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Die Klägerin war in erster Ehe seit dem 29. November 1917 mit Wilhelm Joseph B verheiratet, der am 13. Januar 1924 an den Folgen seines nach dem Reichsversorgungsgesetz (RVG) berenteten Leidens aus dem ersten Weltkrieg verstorben ist. Sie hat die ihr daraufhin bewilligte Witwenrente nach dem RVG bis zur Kapitulation bezogen. Am 14. Mai 1949 ging sie eine zweite Ehe mit Ernst Heinrich R ein. Am 31. März 1952 beantragte sie aus Anlaß des Todes ihres ersten Ehemannes beim Versorgungsamt I Berlin die Abfindung gemäß § 44 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Die Verwaltungsbehörde lehnte diesen Antrag ab, da die Gewährung einer Witwenabfindung einen Anspruch auf Witwenrente voraussetze, die Klägerin einen solchen Anspruch aber nicht gehabt habe. Sie habe bereits 1949 wieder geheiratet, das BVG sei aber erst am 1. Oktober 1950 in Kraft getreten. Das Landesversorgungsamt Berlin hat dem Einspruch nicht stattgegeben. Die Klägerin hat daraufhin beim Versorgungsgericht Berlin Klage mit dem Antrag erhoben, den Beklagten zur Zahlung der einmaligen Abfindung, evtl. im Wege des Härteausgleichs, zu verurteilen. Nach der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Sozialgericht Berlin am 7. April 1954 hat die Klägerin die Gewährung einer Witwenabfindung im Wege des Härteausgleichs beantragt. Dieser Antrag ist auch in dem Tatbestand des Urteils aufgeführt. Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen, da der Antrag auf Witwenversorgung nicht innerhalb der im § 44 Satz 2 BVG in der Fassung vom 7. August 1953 (BGBl. I S. 866) vorgeschriebenen Frist von einem Jahre nach der Wiederverheiratung gestellt worden sei. Diese Frist sei auch versäumt, wenn ein im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgezeigtes Schreiben an den Senator für Sozialwesen vom 20. Mai 1951 als Antrag auf Gewährung einer Abfindung nach § 44 BVG aufzufassen sei. Abgesehen von dieser Fristversäumung stehe der Klägerin aber ein Anspruch auf Gewährung der geltend gemachten Abfindung nicht zu, da sie im Zeitpunkt des Inkrafttretens des BVG, von dem ab gemäß § 88 Satz 2 a.a.O. frühestens Leistungen nach diesem Gesetz gewährt werden könnten, bereits verheiratet gewesen sei, also keinen Anspruch auf Witwenrente und damit auch keinen Anspruch auf eine etwaige Witwenabfindung mehr gehabt habe. Der Beklagte habe schließlich bei der Frage der Gewährung eines Härteausgleichs sein Ermessen nicht verletzt. In der Rechtsmittelbelehrung hat das Sozialgericht die Zulässigkeit einer Berufung verneint, außer wenn ein wesentlicher Mangel des Verfahrens gerügt werde.
In ihrer gegen dieses Urteil eingelegten Berufung hat die Klägerin zunächst die Nichtzulassung der Berufung gemäß § 150 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als Verfahrensmangel gerügt, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe. Sie hat weiter vorgebracht, daß der in den Gründen des angefochtenen Urteils erwähnte Antrag vom 20. Mai 1951 nicht im Tatbestand aufgeführt und daß darüber hinaus nicht geprüft worden sei, ob nicht durch diesen Antrag nach Art. 4 Abs. 3 des Berliner Kriegsopferversorgungsgesetzes vom 12. April 1951 (GVOBl. S. 317) die Antragsfrist gewahrt sei. Ferner hat sie einen Verfahrensmangel in der unrichtigen Anwendung des § 44 Satz 2 BVG gesehen. Diese Vorschrift betreffe einen anderen Fall und kenne auch nicht eine einjährige Frist. Die allein in Frage stehende Frist des § 58 Abs. 2 BVG sei aber gewahrt. Schließlich hat die Klägerin die unrichtige Wiedergabe des Klageantrages bemängelt, der ausdrücklich auf Zahlung der Abfindung gerichtet worden sei. Sie habe nur hilfsweise um die Prüfung der Gewährung eines Härteausgleichs gebeten. Materiell habe beim Inkrafttreten des Gesetzes über die Versorgung von Kriegs- und Militärdienstgeschädigten sowie ihren Hinterbliebenen vom 24. Juli 1950 (VOBl. für Groß-Berlin I S. 318 - KVG -) und des BVG die Eigenschaft der Klägerin als Witwe ihres ersten Ehemannes bestanden. Damit sei aber ihr Verlangen auf Zahlung der Abfindung gerechtfertigt. Auch die Prüfung der Zuständigkeit eines Härteausgleichs hätte zum Erfolg führen müssen. Die Klägerin könne nicht dafür bestraft werden, daß sie zu zeitig geheiratet habe. Auch müsse bei der Härteprüfung berücksichtigt werden, daß sie seit 1945 weder Rente noch öffentliche Unterstützung bezogen habe.
Der Beklagte hat das Vorliegen der behaupteten Verfahrensmängel verneint sowie den Anspruch bestritten.
Das Berufungsgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 17. September 1954 beschlossen, die Verhandlung zunächst auf die Frage der Zulässigkeit des Rechtsmittels zu beschränken. Es hat mit Urteil vom gleichen Tage die Berufung als unzulässig verworfen und die Revision zugelassen. In den Gründen hat es ausgeführt, daß die behaupteten Verfahrensverstöße gegen Art. 4 Abs. 3 des Gesetzes vom 12. April 1941 sowie gegen § 44 BVG nicht vorlägen und daß das Vorbringen einer unrichtigen Wiedergabe unbeachtlich sei. Die Rüge der Nichtzulassung der Berufung ist nach Auffassung des Landessozialgerichts unbegründet. Das SGG kenne keine Nichtzulassungsbeschwerde. Aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ergebe sich, daß der Gesetzgeber die Entscheidung über die Zulässigkeit dem judex a quo endgültig habe übertragen wollen. Danach sei die Frage der Nichtzulassung nicht nachprüfbar. Über den Härteausgleich habe die Verwaltungsvorentscheidung zwar fehlerhaft nicht befunden. Es handele sich jedoch insoweit um einen Verstoß gegen das materielle Recht, über den das Berufungsgericht mangels Zulassung nicht entscheiden könne.
Gegen dieses, dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 2. Oktober 1954 zugestellte Urteil hat diese mit einem am 30. Oktober 1954 beim Bundessozialgericht eingegangenen Schriftsatz vom 28. Oktober 1954 Revision eingelegt und beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 7. April 1954 für zulässig zu erklären und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Sie hat ferner vorsorglich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen einen etwaigen Ablauf der Revisionsbegründungsfrist beantragt. In ihrem in Bezug genommenen Schriftsatz vom 14. Dezember 1954 rügt sie allgemein, daß das Berufungsgericht das Vorliegen wesentlicher Verfahrensmängel zu Unrecht verneint habe. Dabei wendet sie sich grundsätzlich gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, daß für die Annahme eines wesentlichen Verfahrensmangels ein Mangel des gerichtlichen Verfahrens vorliegen und das Urteil auf diesem beruhen müsse. Es genüge die Verletzung der notwendigen Formalien. Im einzelnen bemängelt sie wie im zweiten Rechtszuge die unrichtige Anwendung der Fristvorschriften sowie die Zugrundelegung eines unrichtigen Klageantrages und ist der Auffassung, daß das Berufungsgericht das Vorliegen dieser beiden Mängel zu Unrecht verneint habe. Sie wendet sich gegen die Entscheidung des Landessozialgerichts, daß die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht nicht nachprüfbar sei. In materieller Hinsicht wiederholt die Klägerin die Ausführungen in der Berufungsbegründung. Die Witwe erhalte die Abfindung als "moralische Opfervergeltung". Dieser Sinn würde herabgewürdigt, wenn die Witwenschaft mit dem Augenblick einer neuen Eheschließung ausgelöscht werde. Der Gesetzgeber habe an die Stelle einer bis zur zweiten Eheschließung bezogenen Rente eine Kapitalabfindung vorgesehen. Es könne also - nach dem Sinn der Revisionsbegründung - nicht darauf ankommen, wann die Witwe geheiratet habe. Auf jeden Fall müsse an Stelle einer etwa schon bezogenen Rente eine Abfindung gezahlt werden. Die Nichtbescheidung des im Verwaltungsverfahren beantragten Härteausgleichs stelle einen rechtswidrigen Verwaltungsakt dar. Die Nichtbeachtung dieses Tatumstandes durch das Sozialgericht sei ein wesentlicher Verfahrensmangel.
Der Beklagte hat beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Nach seiner Auffassung ist die Annahme einer Fristversäumung kein Verfahrensmangel; vielmehr werde damit ein materiell-rechtlicher Anspruch ausgeschlossen. Allerdings sei die Begründung des Landessozialgerichts insoweit unzutreffend, als das Zweite Änderungsgesetz zur Ergänzung des BVG vom 7. August 1953 (BGBl. I S. 866) nicht zur Anwendung kommen könne. Im übrigen wiederholt er seine Auffassung, daß die Klägerin überhaupt nicht zu dem Kreis der nach dem KVG und BVG Berechtigten gehöre, da diese Gesetze am 1. Juli bzw. am 1. Oktober 1950 in Kraft getreten seien, die Klägerin aber bereits vorher wieder geheiratet habe.
Auf die weiteren Ausführungen in den Schriftsätzen des Beklagten vom 12. Februar 1955 und 2. August 1956 wird Bezug genommen.
Die Klägerin ist den Ausführungen des Beklagten in ihren Schriftsätzen vom 11. März 1955 und 13. August 1956 entgegengetreten, auf die ebenfalls verwiesen wird.
Die Revision ist statthaft, da sie gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG vom Landessozialgericht zugelassen ist und ein Fall einer offensichtlich gegen das Gesetz erfolgten Zulassung nicht vorliegt. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 164 Abs. 1 Halbsatz 1 SGG). Da die Frist zur Begründung der Revision unter dem 17. Dezember 1954 antragsgemäß bis zum 3. Januar 1955 verlängert worden, die Revisionsbegründung aber bereits am 20. Dezember 1954 eingegangen ist, ist die Revision auch rechtzeitig begründet worden. Damit ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegenstandslos.
Die Klägerin macht zunächst geltend, daß das Berufungsgericht selbständig hätte prüfen müssen, ob die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung gehabt habe (§ 150 Nr. 1 SGG) und ob das Sozialgericht daher die Berufung hätte zulassen müssen. Das Bundessozialgericht hat sich bei seinen Entscheidungen über die Berufungen gegen Urteile der Landessozialgerichte bereits mehrfach mit der entsprechenden Frage beschäftigt, ob es die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG selbständig nachprüfen kann oder ob es an die Nichtzulassung dieses Rechtsmittels durch die Vorinstanz gebunden ist, und ob die Nichtzulassung der Revision etwa einen wesentlichen Mangel des Verfahrens darstelle. Es ist in Übereinstimmung mit der in der Literatur überwiegend vertretenen Auffassung (so Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, Anm. 1 zu § 162, Hastler, Aufbau und Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit, Erläuterung Nr. I 3 Abs. 2 zu § 150) zu dem Ergebnis gekommen, daß die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht das Bundessozialgericht bindet (Beschluß vom 11.6.1955 - 5 RKn 2/54 - (SozR. SGG § 162 Bl. Da 1 Nr. 1), Urteile vom 23.11.1955 - 7 RAr 30/55 - (SozR. SGG § 162 Bl. Da 3 Nr. 18), vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - (SozR. SGG § 162 Bl. Da 3 Nr. 19), vom 1.3.1956 - 4 RJ 156/55 -, Beschluß vom 6.9.1956 - 1 RA 89/56 (SozR. § 162 Bl. Da 14 Nr. 55)). Der Senat hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen. Bei seiner Prüfung ist er von dem Wortlaut des § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG ausgegangen, wonach die Revision nur stattfindet, wenn das Landessozialgericht sie zuläßt; sie ist u.a. zuzulassen, wenn über Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist. Dieser Wortlaut gibt keinen hinreichenden Anhalt für die Entscheidung, ob die Nichtzulassung für das Revisionsgericht bindend ist. Der Senat hat aber in der Entstehungsgeschichte des SGG wesentliche Anhaltspunkte finden können. Danach hat der Gesetzgeber bewußt in Abweichung von § 53 Abs. 3 des Gesetzes über das Bundesverwaltungsgericht vom 23. September 1952 (BGBl. I S. 625 ff.) und von der in § 131 Abs. 3 des Entwurfs einer (bundeseinheitlichen) Verwaltungsgerichtsordnung (Bundestagsdrucksache Nr. 462 von 1954) vorgesehenen Regelung kein besonderes Rechtsmittel gegen die Versagung der Zulassung geschaffen. Er hat sich vielmehr der Regelung angeschlossen, die er in dem Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege des Strafverfahrens und des Kostenrechts vom 20. September 1952 (BGBl. I S. 455 ff.) in Art. 2 unter I Nr. 87 für den § 546 der Zivilprozeßordnung (ZPO) getroffen hat. Nach eingehenden Beratungen haben Bundestag und Bundesrat es als ausreichend angesehen, daß den Oberlandesgerichten in den in § 546 Abs. 2 Satz 2 ZPO genannten Fällen die bindende Pflicht auferlegt wird, die Revision zuzulassen. Eine Vorschrift, die eine Nachprüfung dieser Pflicht ermöglicht, ist bewußt nicht geschaffen worden. Aus diesen jeweils verschiedenen gesetzlichen Regelungen ergibt sich für die Sozialgerichtsbarkeit, daß das Landessozialgericht nach dem Willen des Gesetzgebers in eigener Verantwortung prüfen soll, ob es sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt. Das Revisionsgericht kann daher die Zulassung nicht nachholen, auch wenn tatsächlich eine solche Grundsatzsache vorliegt (so für die gleiche Rechtslage bei der Nichtzulassung der Revision durch das Oberlandesgericht im Falle des § 546 Abs. 2 Nr. 2 ZPO oder durch das Landesarbeitsgericht im Falle des § 72 Abs. 1 ArbGG: BGHZ. 2 S. 18, 20, BArbG. in "Der Betriebsberater" 1954 S. 687). Auch auf dem Umwege über die Rüge eines wesentlichen Verfahrensmangels nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Revisionsgericht die Nichtzulassung durch das Berufungsgericht nicht nachprüfen. Nach dieser Vorschrift findet die Revision statt, wenn ein wesentlicher Mangel des Verfahrens gerügt wird. Weder im SGG noch in der nach § 202 SGG hilfsweise entsprechend anzuwendenden ZPO ist eine Bestimmung dieses Begriffs gegeben. Ein Anhalt dafür kann in der Vorschrift der §§ 530, 558, 554 Abs. 3 Nr. 2 b ZPO gefunden werden, wonach "die Verletzung einer das Verfahren betreffenden Vorschrift" (so §§ 530, 558 a.a.O.) des Gesetzes "in bezug auf das Verfahren" (§ 554) einen Verfahrensmangel darstellt. Ein Verfahrensmangel ist daher jeder Verstoß gegen Verfahrensnormen, der den Weg zu dem Urteil betrifft (error in procedendo), nicht dagegen ein Mangel der sachlichen Entscheidung, bei dem eine den Inhalt der Entscheidung bestimmende Rechtsnorm verletzt ist (error in judicando) (so Rosenberg, Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts, 7. Aufl. 1956, § 138 III 1 b a, § 140 III 2 b a, B, Stein-Jonas-Schönke, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 18. Aufl. 1956, § 559 III 1, Peters-Sautter-Wolff a.a.O., Anm. zu § 150). Demzufolge hat das Bundessozialgericht entschieden, daß unter wesentlichen Verfahrensmängeln im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG nicht nur die in § 511 ZPO aufgeführten Gesetzesverletzungen zu verstehen sind, sondern daß vielmehr im sozialgerichtlichen Verfahren grundsätzlich jede Verletzung einer zwingenden Verfahrensvorschrift, die aus rechtsstaatlichen Gründen im öffentlichen Interesse erlassen ist, als wesentlicher Verfahrensmangel anzusehen ist (Beschl. vom 7.2.1956 - 3 RK 19/54 - (SozR. § 162 Bl. Da 6 Nr. 28)). Unter Berücksichtigung dieser Begriffsbestimmung stellt die Übertragung der Entscheidungsbefugnis über die Zulassung der Revision an die Landessozialgerichte fraglos eine Verfahrensvorschrift dar. Die Frage indessen, ob es sich um eine grundsätzliche Rechtsfrage handelt, betrifft nicht das Verfahren vor dem Landessozialgericht, sondern nur den Inhalt der getroffenen Entscheidung. Diese berührt das Verfahren vor dem Landessozialgericht nicht. Sie wird auch nicht dadurch zu einem Verfahrensmangel, wenn sie sachlich unrichtig sein sollte (so außer den bereits auf Seite 8 erwähnten Entscheidungen auch Haueisen in NJW. 1955 S. 1857 (1860, 1861), Hastler a.a.O., Erläut. Nr. I 3 zu § 150). Hiernach ist die Entscheidung eines Landessozialgerichts über die Nichtzulassung der Revision endgültig, da in dem zuständigen Verfahrensgesetz nicht ausdrücklich die Anfechtung einer solchen Entscheidung vorgesehen ist. Die Nichtzulassung der Revision entgegen dem ausdrücklichen Gesetzesbefehl in § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG ist also auch kein Verfahrensmangel im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG.
Diese Schlußfolgerungen treffen auch auf die Nichtzulassung einer Berufung nach § 150 Nr. 1 SGG zu. Zwar stimmen die beiden Vorschriften nicht wörtlich überein. Während nach § 150 Nr. 1 die Berufung zulässig ist, wenn das Sozialgericht sie zugelassen hat, findet die Revision nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 nur statt, "wenn das Landessozialgericht sie zuläßt". Sie ist - und nur darauf kommt es im vorliegenden Falle an - zuzulassen, wenn (bei der Berufung) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, während § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG es darauf abstellt, daß "über Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist". Diese Verschiedenheiten sind jedoch nur äußerliche Fassungsunterschiede, inhaltlich wird damit der gleiche Wille zum Ausdruck gebracht, daß nämlich das vorgesehene Rechtsmittel nur bei der Zulassung durch das zuständige Gericht gegeben ist. Bei dieser für die Berufung und Revision gleichen Rechtslage ist die Nichtzulassung der Berufung durch das erstinstanzliche Urteil bindend. Sie stellt auch keinen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne des § 150 Nr. 2 SGG dar (so auch Urteil vom 1.3.1956 - 4 RJ 156/55 - (SozR. § 150 Bl. Da 2 Nr. 8)). Der auf § 150 Nr. 1 SGG gestützte Vorwurf der Klägerin, das Landessozialgericht habe insoweit gegen das Gesetz verstoßen, greift somit nicht durch.
Auch die weitere Rüge der Klägerin, daß das Berufungsgericht die Fristvorschriften des BVG unrichtig angewandt und die des KVG überhaupt nicht geprüft und damit ein wesentlicher Mangel des Verfahrens vorliege, kann keinen Erfolg haben. Bei dem von der Klägerin bemängelten Verstoß handelt es sich überhaupt nicht um einen Verfahrensmangel. Das Landessozialgericht hat ihren Anspruch auf Witwenabfindung nach § 44 BVG verneint, weil die nach diesem Gesetz zu beachtenden Fristen nicht eingehalten worden seien. Wenn die Klägerin hierbei vorgebracht hat, daß die angeführte Vorschrift des § 44 Satz 2 BVG nicht zutreffe und § 44 überhaupt nicht die Fristbestimmung von einem Jahr kenne, so hat sie übersehen, daß das Sozialgericht die Vorschrift des § 44 BVG nicht in der Fassung vom 20. Dezember 1950, sondern in der des Zweiten Änderungsgesetzes vom 7. August 1953 angewandt hat. Die im Urteil der ersten Instanz angeführten Fristen stellen aber nicht Fristen des Verfahrensrechts dar (wie beispielsweise die Rechtsmittelfrist), sondern es handelt sich um eine im Versorgungsrecht für die Geltendmachung eines Anspruchs vorgeschriebene Frist. Diese Frist des Versorgungsgesetzes ist eine materiell-rechtliche Ausschlußfrist (so auch Schönleiter, Bundesversorgungsgesetz, Erläuterung 3 zu §§ 56 - 59, Thannheiser-Wende-Zech, Handbuch des Bundesversorgungsrechts, Dritte Aufl. Bd. 1, Erläuterung zu §§ 56 - 59). Es steht also nicht die Verletzung einer für das einzuhaltende Verfahren gesetzten Norm in Rede, sondern es käme, falls überhaupt ein Mangel vorläge, lediglich ein solcher der sachlichen Entscheidung, ein error in judicando, in Frage. Ein Mangel des materiellen Rechts kann aber nicht über § 150 Nr. 2 oder § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG gerügt werden. Es liegt also auch insoweit kein Verstoß gegen eine Vorschrift des Verfahrens vor. Dies gilt in gleicher Weise für die vorgebrachte unrichtige Anwendung des BVG wie für die Nichtprüfung der Rechtzeitigkeit des Antrages vom 20. Mai 1951 aufgrund der Vorschrift des Art. 4 Abs. 3 des Gesetzes vom 12. April 1951. Denn die Nichtanwendung einer materiell-rechtlichen Vorschrift (dazu gehört auch die Nichtanwendung eines ganzen Gesetzes) ist ebenso wie seine unzutreffende Anwendung kein Verfahrensmangel, sondern ein error in judicando. Wenn die Klägerin in diesem Zusammenhang noch vorbringt, daß der Antrag vom 20. Mai 1951 im Tatbestand nicht erwähnt sei und in der unterlassenen Erwähnung ein Verstoß gegen § 136 Abs. 1 Nr. 5 SGG liege, so kann dem nicht gefolgt werden. Zwar hat das Urteil nach dieser Vorschrift die gedrängte Darstellung des Tatbestandes und nach Nr. 6 a.a.O. die Entscheidungsgründe zu enthalten. Die inhaltlich gleiche Regelung hat § 313 ZPO getroffen. Es ist aber übereinstimmende Auffassung in Literatur und Rechtsprechung zu dieser Vorschrift des Zivilrechts, daß sich die äußerliche Trennung des Tatbestandes von den Entscheidungsgründen zwar empfiehlt, aber nicht wesentlich ist. Die äußere Trennung ist auch ausdrücklich nicht vorgeschrieben. Es muß lediglich bei einer Zusammenfassung oder einer Erwähnung einer Tatsache in den Gründen klar erkennbar sein, was tatsächliche Feststellung bzw. Parteiausführung und was richterliche Erwägung ist (so RGZ. 102, 328 (330)). Eine in den Gründen enthaltene tatsächliche Feststellung kann daher stets als Ergänzung des Tatbestandes aufgefaßt werden (so Stein-Jonas-Schönke a.a.O. § 313 IV 5 und im Ergebnis Rosenberg a.a.O. § 56 II 2 d). Der Senat ist der Auffassung, daß das Urteil des Sozialgerichts, das den Antrag vom 20. Mai 1951 zwar nicht im Tatbestand, aber in den Gründen erkennbar als Tatsache erwähnt und diese Tatsache auch in den Urteilsgründen gewürdigt hat, damit nicht gegen Vorschriften des Verfahrensrechts verstoßen hat.
Die Klägerin rügt in formeller Hinsicht weiter die Anführung eines unrichtigen Klageantrages. Es ist richtig, daß im Tatbestand als Antrag die Gewährung einer Witwenabfindung im Wege des Härteausgleichs angegeben ist. Dieser Antrag ist auch in der Sitzungsniederschrift vom 7. April 1954 vermerkt. Aus den Gründen des erstinstanzlichen Urteils ergibt sich aber, daß das Gericht klar unterschieden hat zwischen einem Antrag auf Erfüllung eines Rechtsanspruches - Leistung auf Grund des § 44 BVG, der aus Fristgründen abgelehnt worden ist - und dem Antrag auf Bewilligung eines Härteausgleichs. Wenn also insoweit ein Mangel des Verfahrens vorliegen sollte, so ist er dadurch geheilt, daß das Gericht das Begehren der Klägerin in Anwendung des § 123 SGG nach allen Seiten geprüft und damit dem Antrag keineswegs eine Richtung gegeben hat, die die Klägerin nicht verfolgt hat. Damit ist auch nicht der Sinn des Antrages geändert worden. Der Senat hat hierbei auch geprüft, ob mit dem Vorbringen der Klägerin etwa auch noch eine Verletzung des § 122 Abs. 1 SGG geltend gemacht werden soll. Nach § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG muß u.a. die verletzte Rechtsnorm angegeben werden. Dies hat die Klägerin zwar nicht getan. Trotzdem ist eine solche Rüge nicht ausgeschlossen, wenn sich nur aus den substantiiert vorgetragenen Tatsachen klar ergibt, welche Verfahrensvorschrift als verletzt angesehen wird (so Urteil des BSG. vom 23.9.1955 - BSG. 1 S. 227 (231) -). Der Senat hat diese Frage bejaht und in dem Vorbringen eine Rüge der Verletzung des § 122 SGG erblickt. Nach dieser Vorschrift sind die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung, vor allem die endgültige Fassung der Anträge in die Niederschrift aufzunehmen. Die Klägerin hat aber nicht dargetan, daß sie sich in der Verhandlung, entgegen der Aufnahme in der Niederschrift, nicht nur auf den Härteausgleich beschränkt habe. Da nach § 122 Abs. 3 SGG in Verbindung mit § 164 ZPO die Beobachtung der für die mündliche Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten nur durch die Niederschrift bewiesen werden kann und § 164 a.a.O. auch den Inhalt des Antrages deckt (so RG. JW. 1935 S. 1491 (1492)), ist davon auszugehen, daß der in der Niederschrift aufgenommene und im Tatbestand festgelegte Antrag gestellt worden ist. Gegen diese gesetzlich festgelegte Beweiskraft ist nur der Nachweis der Fälschung möglich (§ 164 Satz 2 ZPO). Insoweit bringt die Klägerin aber keine Tatsachen und Beweismittel vor, die den Mangel ergeben (§ 164 Abs. 2 Satz 2 zweiter Halbsatz SGG). Es fehlt also an einer ausreichenden Substantiierung dieser Rüge, so daß auch insoweit kein Verfahrensmangel festgestellt werden kann.
Hiernach greifen die gemäß §§ 150 Nr. 1, 2, 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG erhobenen Rügen nicht durch. Die Revision konnte daher keinen Erfolg haben; sie war nach § 170 Abs. 1 SGG als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen