Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 12. Juli 1994 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Rechtsstreit betrifft den Anspruch auf Kindergeld (Kg) für ein ausländisches Kind, das sich zum Schulbesuch vorübergehend im Land seiner Staatsangehörigkeit aufgehalten hat.
Der 1944 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und selbständig erwerbstätig. Aus seiner 1969 geschlossenen Ehe sind vier in den Jahren 1971, 1974, 1976 und 1978 geborene Kinder hervorgegangen. Der am 10. April 1971 geborene und seit 1973 mit den Eltern in H… lebende Sohn K… wurde dort auch eingeschult und besuchte im Anschluß an die Grundschule das Gymnasium “H…” in H…. Im September 1985 wechselte er zum Atatürk-Gymnasium (Internat) in I…/Türkei, wo er im Juni 1988 seine allgemeine Schulbildung mit dem Abitur abschloß. Während der Schulperioden von jeweils etwa dreieinhalb Monaten pro Halbjahr hielt er sich in der Türkei im Internat auf, in den Ferien lebte er bei seinen Eltern in H…, wo er ein eigenes Zimmer beibehalten hatte.
Nachdem der Kläger, der für K… ua im Zeitraum von September 1985 bis April 1987 Kg in Höhe von 4.800 DM bezog, im Mai 1987 unter Vorlage einer Bescheinigung des Atatürk-Gymnasiums den Schulwechsel mitgeteilt hatte, erließ die Beklagte – nach Durchführung von Ermittlungen und Anhörung des Klägers – am 6. November 1987 einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid hinsichtlich des ab September 1985 gezahlten Kg. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 1988).
Mit seiner vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhobenen Klage hatte der Kläger Erfolg. Das SG hat mit Urteil vom 6. Januar 1994 die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger bis Juni 1988 Kg für K… zu zahlen. Es bestünden Bedenken, ob noch von den Grundannahmen im Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17. Dezember 1981 (BSGE 53, 49 = SozR 5870 § 2 Nr 25) ausgegangen werden könne. Jedenfalls sei der Auslandsaufenthalt von K… zu Ausbildungszwecken von vornherein auf einen kürzeren, bestimmten Zeitraum angelegt gewesen. Die zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung zu stellende Prognose habe sich rückblickend auch bestätigt. Die Grundsätze der Ausstrahlung kämen hier nicht zum Tragen, so daß ein mehr als zweijähriger Auslandsaufenthalt – auch in Anbetracht der üblichen Ausbildungszeiten und der Zahlung von Ausbildungs-Kg bis zum 27. Lebensjahrunschädlich sei.
Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 12. Juli 1994 unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des SG zurückgewiesen. Darüber hinaus hat es zur Begründung ausgeführt, es lägen auch ein iS der Rechtsprechung des BSG zur Ausstrahlung zeitlich begrenzter Auslandsaufenthalt sowie Umstände vor, wonach K… in Deutschland integriert geblieben sei.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 2 Abs 5 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) iVm § 30 Abs 3 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) unter Berücksichtigung der vom BSG in ständiger Rechtsprechung entwickelten Grundsätze. Das BSG habe danach den Kg-Anspruch verneint, wenn das ausländische Kind zur Fortsetzung seiner Schulausbildung in ein Internat seiner Heimat gehe, weil dann der inländische Wohnsitz bzw der gewöhnliche Aufenthalt im Inland entfalle. Dabei werde die familiäre Wohn- und Lebensgemeinschaft zwischen Eltern und Kindern für die zeitlich nicht absehbare Dauer der Ausbildung aufgegeben. Dies müsse unabhängig von den näheren Umständen insbesondere auch dann gelten, wenn keine Desintegration des Kindes vorliege, weil es in Deutschland eine Wohnung beibehalte. Im übrigen sei eine Desintegration hier aber schon deshalb anzunehmen, weil die Schulausbildung im Heimatland der Eltern zur dortigen Integration des Kindes führe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 12. Juli 1994 – L 3 Kg 7/94 – und das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 6. Januar 1994 – S 20 Kg 162/93 – aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er führt ua aus, sämtliche objektiven Umstände sprächen für eine Beibehaltung von K… Wohnsitz in Deutschland. Wie beabsichtigt habe K… anschließend das Studium an der Universität Hannover aufgenommen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
Der Kläger hatte auch von September 1985 bis Juni 1988 Anspruch auf Kg. Das LSG hat den Umstand, daß K… vom Gymnasium in H… zum Internat des Atatürk-Gymnasiums in I… wechselte und sich dort während der Schulperioden von September 1985 bis Juni 1988 zur Erlangung des Abiturs aufhielt, zutreffend nicht als eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen (§ 48 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – ≪SGB X≫) beurteilt, weil der Sohn des Klägers auch in dieser Zeit als “sein Kind” iS des § 1 Abs 1 Satz 1 BKGG zu berücksichtigen war.
Der Anspruch auf Kg war nicht gemäß § 2 Abs 5 Satz 1 BKGG (in der seit dem 1. Januar 1982 geltenden Neufassung des BKGG vom 21. Januar 1982, BGBl I S 13) ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung werden Kinder, die weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben, nicht berücksichtigt. Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (§ 30 Abs 3 SGB I, der auch im Kg-Recht Anwendung findet, s BSG vom 17. Dezember 1981, BSGE 53, 49, 52). Nach den von der Revision nicht angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Tatsachenfeststellungen des LSG waren die Voraussetzungen erfüllt, daß K… seinen Wohnsitz in H… beibehalten hatte.
Da § 30 Abs 3 SGB I auf die tatsächliche Gestaltung und nicht auf den rechtsgeschäftlichen Willen abstellt (vgl aber §§ 7, 8 Bürgerliches Gesetzbuch ≪BGB≫), hätte der im Streitzeitraum noch minderjährige K… – abweichend von § 11 BGB – zwar seinen (sozialrechtlichen) Wohnsitz in H… aufgeben und zumindest seinen gewöhnlichen Aufenthalt in I… nehmen können (vgl BSG vom 17. Dezember 1981, BSGE 53, 49, 52 mwN). Dies ist jedoch nach den festgestellten Tatsachen nicht der Fall gewesen. Für die Feststellung sind alle mit dem Aufenthalt verbundenen Umstände, die für den nach der Vorschrift zu ziehenden Schluß im Einzelfall aussagekräftig sind, vorausschauend zu betrachten (BSG vom 22. März 1988, SozR 2200 § 205 Nr 65 S 183 f; Senatsurteile vom 22. Mai 1984, SozR 5870 § 2 Nr 33 S 110; 17. Mai 1989, SozR 1200 § 30 Nr 17; 23. Februar 1988, BSGE 63, 47, 48 f = SozR 5870 § 1 Nr 14 S 33; 30. Mai 1996 – 10 RKg 20/94 –, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen): subjektive -objektive, tatsächliche – rechtliche, gegenwärtige – zukünftige (vgl BSG vom 25. Juni 1987, SozR 7833 § 1 Nr 1 S 2). Sie alle sprechen dafür, daß K… seinen Wohnsitz in H… beibehalten hat.
Der Auslandsaufenthalt von K… war zeitlich von vornherein begrenzt, da der Wechsel vom Gymnasium in H… zum Internat in I… wesentlich auf den Zweck angelegt war, dort nur die Schulbildung mit dem Abitur abzuschließen und anschließend wieder nach H… zu seinen Eltern zurückzukehren. Dafür spricht auch sein bisheriger Lebensweg zusammen mit seinem in Deutschland selbständig erwerbstätigen Vater. Das LSG hat insofern die Feststellung des SG als eigene Tatsachenfeststellung übernommen, der Auslandsaufenthalt sei von vornherein auf einen bestimmten kürzeren Zeitraum von 2 3/4 Jahren angelegt gewesen.
Seinen Wohnsitz bei den Eltern in H… hat K… räumlich beibehalten, denn in seinem Zimmer in der elterlichen Wohnung hielt er sich während der etwa fünf Monate im Jahr andauernden Ferien auf. Die mit der Internatsunterbringung gegebene räumliche Trennung von den Eltern bedingt allein keine Auflösung der familiären Bindungen, wie der Senat bereits entschieden hat (Urteil vom 8. Dezember 1993, SozR 3-5870 § 2 Nr 22 S 69, zur Haushaltsaufnahme iS von § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 BKGG; vgl zu den – älteren – Parallelbestimmungen das Urteil vom 18. August 1971, BSGE 33, 105, 106). Über die bloße räumliche Bleibe hinaus umfaßt der Wohnsitzbegriff den räumlichen Bereich, in dem jemand den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen hat (Kasseler Komm-Seewald, § 30 SGB I RdNr 7 mwN). In einem Internat, das wie vorliegend lediglich der schulischen Unterrichtung und somit nur einem Teilbereich des Lebens dient, ist der Lebensmittelpunkt jedenfalls solange nicht gegeben, wie nicht der Schule das entscheidende Gewicht für die Lebensbeziehungen des Kindes zukommt (Seewald aaO Rz 7).
Diese tatsächlichen Feststellungen des LSG sind nicht deswegen fehlerhaft getroffen worden, weil sie der allgemeinen Lebenserfahrung mit ausländischen Mitbürgern in Deutschland seit dem Jahre 1985 widersprechen. Zwar hält der Senat daran fest, daß die Entscheidungen über Kg-Ansprüche der Natur der Sache nach gegenwartsorientiert und zugleich – durch ihre Dauerwirkung – zukunftsbezogen sind (Urteil vom 17. Dezember 1981, BSGE 53, 49, 52 f). Da von diesen Entscheidungen im Interesse der Antragsteller Entwicklungen über längere Zeiträume nicht abgewartet werden können, müssen sich die Entscheidungen regelmäßig auch nach allgemeinen Lebenserfahrungen richten, sofern solche eindeutig festzustellen sind. Eindeutig feststellen läßt sich nach wie vor die allgemeine Lebenserfahrung im europäischen Kulturkreis und in den damit vergleichbaren Kulturkreisen, daß dem Begriff der Ausbildung das Merkmal der “Dauer bis zum Ausbildungsziel” anhaftet, wobei sich die exakte zeitliche Dauer zumindest wegen der stets möglichen Notwendigkeit, einzelne Ausbildungsabschnitte zu wiederholen, ohne weiteres nicht sicher bestimmen läßt. Aber soweit der Senat in der Entscheidung vom 17. Dezember 1981 (aaO S 53) für Ausländerkinder, die ihren Wohnsitz bisher bei ihren Eltern in Deutschland begründet und anschließend im Land ihrer Staatsangehörigkeit die Schule besucht hatten, den folgenden Erfahrungssatz festgestellt hat, hält der Senat daran jedenfalls für die Zeit vom Jahre 1985 ab nicht mehr fest. Der Senat hat damals folgende Lebenserfahrung festgestellt (BSGE 53, 49, 53): “Mit dem Schulbesuch in der Heimat werden die natürlichen Bindungen in sprachlicher, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht an den heimatlichen Kulturkreis hergestellt oder wiederhergestellt und gefestigt, mit dem von den Eltern angestrebten Ergebnis, daß die Kinder im Heimatland mit der erfolgreichen Schulausbildung eine Grundlage für ihren weiteren Lebensweg haben, sei es für eine weitere Berufsausbildung oder für eine dem Lebensunterhalt dienende Tätigkeit oder Beschäftigung in der Heimat. Zugunsten der Ausbildung in der Heimat wird die familiäre Wohn- und Lebensgemeinschaft zwischen Kindern und Eltern für die zeitlich nicht absehbare Dauer der Ausbildung aufgegeben. ” Soweit ersichtlich, fehlen zumindest gegenwärtig in jeder Hinsicht ausreichende Daten, die eine solche als Regelvermutung bezeichnete (Urteil des Senats vom 22. Mai 1984, SozR 5870 § 2 Nr 33 S 111) Schlußfolgerung gegen die konkret feststellbaren Umstände des Einzelfalls jedenfalls für die Zeit vom Jahre 1985 ab bestätigen.
Ein solcher pauschalierender Erfahrungssatz läßt sich deshalb angesichts der Ungewißheit eines Lebens in Deutschland selbst im Hinblick auf eine stets vorbehaltene Option zur Rückkehr nicht (mehr) aufrechterhalten (vgl etwa Boos-Nünning, Einwanderung ohne Einwanderungsentscheidung – Ausländische Familien in der Bundesrepublik Deutschland, Parl 1990, Beilage 23-24, S 16). Demgegenüber zeigen stattdessen Beobachtungen bei griechischen Migranten: Von den in Deutschland lebenden griechischen Jugendlichen sind etwa 80 % hier geboren; 65 % bleiben hier, 15 % werden nach Griechenland geschickt, um dort die Schule zu besuchen – aber hiervon kehrt ein großer Teil wieder nach Deutschland zurück (Giakoumis, ZAR 1990, S 184,187).
Soweit der Senat die Regelvermutung auf die Erwägung gestützt hatte, die Kg-Gewährung werde von dem Gedanken beherrscht, daß derjenige, der im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein Kind aufziehe und dadurch einen Beitrag zur künftigen Existenz der Gesellschaft leiste, einen gewissen Ausgleich für seine Aufopferung erhalten solle (vgl die Urteile vom 17. Dezember 1981, SozR 5870 § 2 Nr 24 S 87, und vom 15. Juni 1982, BSGE 53, 294, 295), hat er bereits klargestellt, daß es sich bei diesem Gedanken lediglich um das Motiv des Gesetzgebers, nicht aber um ein – ungeschriebenes – zusätzliches Tatbestandsmerkmal des Kg-Anspruchs handelt (BSG vom 23. Februar 1988, SozR 5870 § 1 Nr 14 S 34).
Für diese Lösung der Frage nach dem Wohnsitz spricht auch der Grundsatz der Gleichbehandlung von im wesentlichen gleichen Sachverhalten. Auch bei den ausländischen Kindern gelten dann die Ungewißheiten über einen möglichen Abbruch oder eine Verlängerung der Ausbildung (vgl BSGE 53, 49, 53) als unschädlich, sofern denn nur ein absehbarer Rückkehrzeitpunkt bestimmt ist (vgl BSGE 53, 49, 54). Ebenso wie in den Fällen deutscher Kinder, die vorübergehend ein Internat im Ausland besuchen (vgl Senatsurteil vom 25. April 1984 – 10 RKg 2/83 – S 9 des Urteilsabdrucks ≪18 Monate Bibelschule in der Schweiz≫, insoweit nicht veröffentlicht in SozR 5870 § 2 Nr 32), hat K… also seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt im Inland beibehalten.
Dieser rechtlichen Beurteilung steht auch die beabsichtigte Dauer des Aufenthalts von 2 3/4 Jahren nicht entgegen. Da der Senat jedenfalls einen von vornherein auf drei Jahren begrenzten Auslandsaufenthalt als vorübergehend angesehen hat (Senatsurteil vom 30. Mai 1996 – 10 RKg 20/94 – ≪zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen≫ zu § 1 Abs 1 Nr 2 Buchst a BKGG 1986), trägt er aus dieser Sicht keine Bedenken, einen Auslandsaufenthalt als vorübergehend anzusehen, wenn dieser wie im vorliegenden Fall von vornherein auf einen Zeitraum von unter drei Jahren angelegt ist.
Eher stellen sich Bedenken ein gegen eine starre Zeitgrenze bei der Anwendung des Begriffs des vorübergehenden Aufenthalts (vgl etwa Urteil vom 15. Juni 1982, BSGE 53, 294, 298 = SozR 5870 § 1 Nr 10 S 21 f ≪zum zeitlich nicht absehbaren Schwebezustand im Asylverfahren≫; 24. Mai 1967, BSGE 26, 277, 279; 25. Juni 1987, SozR 7833 § 1 Nr 1 S 3 mwN ≪gegen die Anwendung der steuerrechtlichen Sechsmonatsfrist≫). Da in ständiger Rechtsprechung zum vorübergehenden Aufenthalt zudem nicht verlangt wird, “nie abwesend zu sein” (BSG vom 21. April 1959, BSGE 9, 266, 268; 28. Juli 1967, BSGE 27, 88, 89), ist auch der periodische Auslandsaufenthalt K… von etwa dreieinhalb Monaten je Schulhalbjahr kein rechtliches Hindernis. Solange ein Wohnsitz für solche Perioden (vorübergehend) nicht (mehr) benutzt wird, wurde er nicht bereits aufgegeben (vgl Seewald aaO RdNr 8).
Nach allem erweist sich das angegriffene Berufungsurteil als zutreffend. Die Prognose (Feststellung einer hypothetischen Tatsache), ob jemand seinen Wohnsitz in Deutschland beibehält, unterliegt nur beschränkter revisionsgerichtlicher Überprüfung. Soweit sie nicht mit Verfahrensrügen angegriffen wird, kommt eine revisionsgerichtliche Prüfung nur in Betracht, wenn die Prognose auf rechtlich falschen oder sachwidrigen Erwägungen beruht. Die Revision hat weder gerügt, daß die zugrunde zu legenden Fakten rechtsfehlerhaft festgestellt worden seien, noch daß nicht alle wesentlichen Umstände hinreichend gewürdigt worden seien, noch daß die Prognose – über die oben angesprochene Abweichung zur nunmehr aufgegebenen Rechtsprechung hinaus – auf rechtlich falschen oder unsachlichen Erwägungen beruhe (vgl Senatsurteile vom 20. Mai 1987, BSGE 62, 5, 8 ≪Schätzung≫; 17. Mai 1989, SozR 1200 § 30 Nr 17 S 18; 23. Februar 1988, BSGE 63, 47, 49 f = SozR 5870 § 1 Nr 14 S 33).
Soweit die Beklagte rügt, Umstände, die zum Zeitpunkt einer zeitnahen Prognoseentscheidung der Verwaltung über den Kg-Anspruch nicht erkennbar gewesen seien, hätten vom LSG nicht berücksichtigt werden dürfen, mangelt es an einer hinreichenden Begründung. Ein solcher Fehler des LSG läßt sich auch nicht feststellen. Auch das SG hat in seiner vom LSG in Bezug genommenen Entscheidung – ausdrücklich – darauf abgestellt, daß der Türkeiaufenthalt von K… “von vornherein” auf den Zeitraum bis zum Abitur begrenzt gewesen sei (S 7 der Entscheidungsgründe des SG). Lediglich bestätigend, aber nicht tragend hat es angeführt, daß sich die Prognose dann auch bewahrheitet habe (S 8 der Entscheidungsgründe). Zwar muß bei der Prognose die Möglichkeit einer Wiederholung einzelner Ausbildungsabschnitte oder der Abbruch der Ausbildung berücksichtigt werden. Aber das hätte auch nichts daran geändert, daß der Aufenthalt in der Türkei angesichts der festgestellten Absicht, nach Deutschland zurückzukehren, nur vorübergehend, dh zeitlich begrenzt gewesen ist.
Über die Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts hinaus bedurfte es hier nicht einer Leistungsklage (vgl Senatsurteil vom 22. März 1995, SozR 3-1300 § 45 Nr 24 S 73, 75 f), der es am Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Allein deshalb ist eine Änderung des die Beklagte insoweit nur deklaratorisch verpflichtenden Urteils des SG jedoch nicht geboten (vgl BSG vom 21. Februar 1985, BSGE 58, 49, 54).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
BSGE, 147 |
SozSi 1997, 359 |