Leitsatz (amtlich)
Wurde auf Klage gemäß SGG § 54 Abs 4 durch Urteil des Sozialgerichts neben der Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts die Beklagte zur Gewährung von Kurzarbeiterunterstützung dem Grunde nach verurteilt, so ist die Berufung hiergegen jedenfalls dann nach SGG § 144 Abs 1 nicht ausgeschlossen, wenn im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der ersten Instanz Ungewissheit darüber bestanden hatte, ob die sachlichen sowie rechtlichen Voraussetzungen für die Kurzarbeiterunterstützung überhaupt erfüllt waren, und wenn auch die Zeitdauer für ihre etwaige Gewährung ohne weitere Feststellungen nicht zu erkennen war.
Leitsatz (redaktionell)
Wird die Berufung telegrafisch eingelegt, so ist die sonst erforderliche eigenhändige Unterschrift des Beteiligten, seines gesetzlichen Vertreters oder seines Prozeßbevollmächtigten im "Aufgabetelegramm" möglich und nötig.
Normenkette
SGG § 54 Abs. 4 Fassung: 1953-09-03, § 130 Fassung: 1953-09-03, § 144 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, § 151 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig vom 15. Juni 1955 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
I Die Klägerin hatte in den Jahren 1949 bis 1953 in ihrem Betrieb, einer Schuhfabrik, wiederholt Kurzarbeit durchführen lassen und während unterschiedlicher Zeitabschnitte für ihre Arbeitnehmer jeweils Kurzarbeiterunterstützung bezogen. Überwiegend waren jene Unterstützungszeiten in die Wintermonate (November bis Februar) gefallen. Mit Schreiben vom 26. Oktober 1953 beantragte sie neuerdings beim Arbeitsamt Elmshorn, Nebenstelle Uetersen, die Genehmigung von Kurzarbeit, beginnend mit dem 28. Oktober 1953 "bis voraussichtlich Mitte Dezember 1953". Die danach auf Formblatt erstattete "Anzeige über Kurzarbeit" des Betriebs ging am 3. November 1953 beim Arbeitsamt ein; darin waren als Tag des Beginns der Kurzarbeit der 29. Oktober und als erste für die Unterstützung in Frage kommende Doppelwoche die Zeit vom 29. Oktober bis zum 11. November 1953 bezeichnet. Als Grund wurde Auftragsmangel angegeben. Den Zeitraum für die Kurzarbeiterunterstützung begrenzte die Klägerin dabei nicht näher.
Inzwischen hatte das Arbeitsamt am 31. Oktober 1953 beim Unternehmen eine Betriebsprüfung durchführen lassen; der Bericht des Ermittlers vom 2. November 1953 enthielt nach Darlegung der Produktions- und Absatzverhältnisse u.a. die Feststellung, daß "die Dauer der Kurzarbeit schwer abzuschätzen" sei. Mit Bescheid vom 4. November 1953 lehnte das Arbeitsamt den Antrag der Klägerin ab, weil der Arbeitsmangel saisonbedingt und deshalb Kurzarbeiterunterstützung nicht zu gewähren sei. Der Einspruch der Klägerin wurde mit Entscheidung des Spruchausschusses des Arbeitsamts Elmshorn vom 26. November 1953 zurückgewiesen.
II Ihre Berufung hiergegen ging mit Inkrafttreten (1.1.1954) des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als Klage auf das Sozialgericht (SG.) Schleswig über. Hier beantragte die Klägerin im Verhandlungstermin vom 7. Januar 1955, den Bescheid vom 26. November 1953 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kurzarbeiterunterstützung zu gewähren. Dieser Antrag war nach Dauer und Höhe nicht näher bestimmt.
Das SG. hob durch Urteil vom 7. Januar 1955 den Bescheid der Beklagten vom 4. November 1953 sowie die Entscheidung des Spruchausschusses vom 26. November 1953 auf und verurteilte die Beklagte, "der Klägerin die Kurzarbeiterunterstützung auf ihren Antrag vom 26. Oktober 1953 zu gewahren". In den Urteilsgründen führt das SG. unter anderem aus, daß sich die Beklagte bei der Ablehnung der Kurzarbeiterunterstützung nicht auf die Bestimmungen der Nr. 3 des Zweiten Erlasses zur Durchführung der Verordnung (VO) Nr. 111 vom 27. Oktober 1947 stützen könne, da die Arbeitsausfälle weder "durch die Eigenart des Betriebs" regelmäßig eingetreten noch in den "Verhältnissen des Betriebs begründet" seien. Das SG. bezeichnete seine Entscheidung als "endgültig (§ 144 SGG)" und erteilte den Beteiligten keine Rechtsmittelbelehrung.
III Nach der Verkündung des sozialgerichtlichen Urteils stellte die Beklagte im Februar 1955 in Betrieb der Klägerin fest, daß die Mehrheit der Arbeitnehmer in der angegebenen ersten Doppelwoche nicht kurzgearbeitet hatte. Ferner wurde ermittelt, daß die Klägerin an ihre von der Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer über den erzielten Lohn hinaus Geldzuwendungen geleistet hatte, die sie nachträglich damit erklärte, sie habe Vorschüsse auf die zu erwartenden Kurzarbeiterunterstützungen etwa in deren vermuteter Höhe gezahlt.
Die von der Klägerin ausgefüllten Kurzarbeiterunterstützungslisten des Betriebs gingen am 15. Februar 1955 - also rund fünf Wochen nach Verkündung des Urteils des SG. - beim Arbeitsamt ein. Den darin enthaltenen Eintragungen nach verrichtete die Arbeitnehmerschaft der Klägerin in unterschiedlicher Zahl sowie wechselnder Zusammensetzung und in verschiedenen Doppelwochen zwischen dem 5. November und dem 30. Dezember 1953 teilweise Kurzarbeit.
IV Die Beklagte legte am 25. Februar 1955 beim Landessozialgericht (LSG.) mit Telegramm Berufung ein. Dieses war unterzeichnet "Landesarbeitsamt Kiel". Die Beklagte begründete das Rechtsmittel am 19. März 1955. Sie rügte unter anderem als Verfahrensmangel, daß das SG. unterlassen habe, die einzelnen Voraussetzungen und Bedingungen für die Gewährung von Kurzarbeiterunterstützung lückenlos aufzuklären. Insbesondere sei nicht nachgeprüft worden, ob tatsächlich die Mehrheit der Arbeitnehmer des Betriebs Kurzarbeit geleistet habe. Nachträglich von der Klägerin eingereichte Listen hätten ergeben, daß nur 28 von insgesamt 93 Arbeitnehmern Kurzarbeit verrichteten. Ferner sei vom SG. nicht nachgeprüft worden, ob der Arbeitgeber während des Arbeitsausfalls das Arbeitsentgelt ganz oder teilweise fortgezahlt oder einen freiwilligen Zuschuß zum Arbeitsentgelt geleistet habe. Die Beklagte beantragte daher, das Urteil des SG. aufzuheben und die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung an den Vorderrichter zurückzuverweisen.
V Das LSG. Schleswig verwarf durch Urteil vom 15. Juni 1955 die Berufung der Beklagten. Sie sei nach § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG nicht statthaft. Der Anspruch auf Kurzarbeiterunterstützung sei auf weniger als 13 Wochen begrenzt; denn in dem bei der Beklagten ursprünglich gestellten Antrag habe die Klägerin die Unterstützung lediglich für die Zeit "ab 28. Oktober 1953 bis voraussichtlich Mitte Dezember" desselben Jahres begehrt. Dieser Anspruch für etwa sieben Wochen sei auch Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens gewesen. Zu Unrecht berufe sich die Beklagte, um dennoch die Zulässigkeit ihrer Berufung zu rechtfertigen, auf Mängel im Verfahren des SG. Dieses sei der ihm obliegenden Aufklärungspflicht in dem erforderlichen Umfange nachgekommen. Es habe sämtliche Anspruchsvoraussetzungen überprüft, wenn dies auch die schriftlich niedergelegten Urteilsgründe nicht ohne weiteres erkennen ließen. Jedenfalls gehe das aber aus den Bekundungen des Vorsitzenden der Kammer des SG., der vor dem Berufungsgericht als Zeuge vernommen wurde, hervor.
Revision wurde zugelassen.
VI Gegen das am 5. November 1955 zugestellte Urteil legte die Beklagte am 30. November 1955 Revision ein und beantragte,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie des Urteils des SG. Schleswig vom 7. Januar 1955 die Klage abzuweisen, gegebenenfalls, die Sache zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung an das LSG. zurückzuverweisen.
Nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist gemäß § 164 SGG begründete die Beklagte die Revision am 2. Februar 1956 und führte unter anderem aus: Ihre Berufung sei rechtzeitig eingelegt, da die Rechtsmittelfrist mangels Belehrung seitens des SG. gemäß § 66 Abs. 2 SGG nicht in Lauf gesetzt war. Das LSG. habe sie zu Unrecht als unzulässig verworfen. § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG schließe dieses Rechtsmittel nur bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen bis zu 13 Wochen aus. Anspruch im Sinne dieser Bestimmung sei aber nicht der materielle Anspruch, also der Anspruch auf Kurzarbeiterunterstützung, sondern der prozessuale Anspruch, d.h. die mit der Klage im Prozeß aufgestellte Rechtsbehauptung. Dieses Begehren finde seinen Ausdruck im Antrag vor Gericht. Im Verfahren erster Instanz habe die Klägerin beantragt, ihr Kurzarbeiterunterstützung zu gewähren. Da jene gesetzlich nicht auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt sei, und da die Klägerin eine zeitliche Beschränkung in ihrem Antrag auch nicht vorgenommen habe, sei die Unterstützung für einen Zeitraum von unbestimmter Dauer in Streit. Dem könne auch nicht entgegengehalten werden, daß der tatsächliche Zeitraum, in dem betrieblich kurzgearbeitet wurde und für den danach tatsächlich die Gewährung von Kurzarbeiterunterstützung in Betracht komme, auf Grund späterer Feststellungen weniger als 13 Wochen betrage. Hierdurch werde nur die Begründetheit des Anspruchs berührt. Also sei ihre Berufung gegen das Urteil des SG. gemäß § 143 SGG statthaft. Die Beklagte wiederholte ferner verschiedene Rügen von Verfahrensmängeln, die sie bereits im Berufungsverfahren erhoben hatte, insbesondere die der ungenügenden Aufklärung des Sachverhalts. Sie machte überdies geltend, das LSG. habe - ohne eine rechtliche Begründung für diese Klageänderung zu geben - an Stelle des Arbeitsamts Elmshorn, dessen Parteifähigkeit das SG. zu Unrecht angenommen habe, die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung als Beklagte angeführt.
Die Klägerin beantragte,
die Revision zurückzuweisen,
hilfsweise unter Abänderung des Urteils des LSG. Schleswig vom 15. Juni 1955 und des Urteils des SG. Schleswig vom 7. Januar 1955 die Revisionsklägerin und Beklagte zu verurteilen, an die Revisionsbeklagte und Klägerin Kurzarbeiterunterstützung für die Zeit vom 5. November bis 30. Dezember 1953 gemäß dem Antrag der Klägerin vom 26. Oktober 1953 zu zahlen.
Sie hält die Entscheidungsgründe im Urteil des LSG. für zutreffend und führte unter anderem aus, die Dauer der Kurzarbeit in ihrem Betrieb wie auch die Zahl der beteiligten Arbeitnehmer sei von vornherein bestimmbar gewesen. Sie habe tatsächlich weniger als 13 Wochen betragen und bedinge eine entsprechende Kurzarbeiterunterstützung. Daher sei die Berufung der Beklagten unstatthaft gewesen. Verfahrensmängel seien nicht vorhanden. Das SG. habe alle Voraussetzungen der Kurzarbeiterunterstützung geprüft und danach zur Verurteilung der Beklagten gelangen müssen. Die Benennung des Arbeitsamts Elmshorn als Beklagte im sozialgerichtlichen Urteil schließlich sei ein offensichtlicher Schreibfehler, der jederzeit berichtigt werden könne.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze Bezug genommen.
VII Die Revision ist statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden (§ 164, § 166 Abs. 2 SGG) und demgemäß zulässig.
Die Revision ist auch begründet.
Bei einer zugelassenen Revision ist vor der sachlich-rechtlichen Würdigung des Streites von Amts wegen zu prüfen, ob die allgemeinen Prozeßvoraussetzungen, soweit sie unverzichtbar sind, die besonderen Voraussetzungen des vorausgegangenen Berufungsverfahrens sowie die Voraussetzungen für eine entscheidende Tätigkeit des Revisionsgerichts erfüllt sind (BSG. 2 S. 222 [227]; 3 S. 124 [126]; 4 S. 70 [72], 281 [284]).
Was zunächst das nach §§ 78, 80 SGG für den Regelfall vorgeschriebene Vorverfahren anbelangt, so kann dieses, wie der erkennende Senat bereits im Urteil vom 21. März 1956 - 7 RAr 131/55 - entschieden hat, als bewirkt angesehen werden, weil kurzfristig vor dem Inkrafttreten des SGG (1.1.1954) im Einspruchsverfahren die Entscheidung des Spruchausschusses vom 26. November 1953 ergangen ist. Der Gesetzgeber hat nicht vorausgesetzt, daß ein Verwaltungsakt zweimal vor einer besonderen Verwaltungsinstanz nachgeprüft werden muss.
Prozessuale Hemmnisse ergeben sich auch nicht daraus, daß in erster Instanz die Parteifähigkeit des Arbeitsamts angenommen wurde. Da bei Beginn des Rechtsstreits die Militärregierungsverordnung (MRVO) Nr. 165 noch in Kraft stand, mußte nach deren Vorschriften (§§ 25 und 50) die Klage gegen die Stelle, von der der Verwaltungsakt erlassen oder den Träger der Verwaltung, der er zuzurechnen ist (vgl. BSG. 2 S. 201; 7 S. 234 ff.), gerichtet werden. Wenn das SG. dem Arbeitsamt auch noch nach Inkrafttreten des SGG die Fähigkeit, am Verfahren beteiligt zu sein (§ 70 Nr. 3), beimaß, so ist hierin jedenfalls kein fortwirkender Mangel des Verfahrens zu erblicken. Im Berufungsverfahren aber ist die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung mit offensichtlicher Einwilligung aller Beteiligten als Berufungsklägerin aufgetreten (§ 99 SGG). Die späterhin im Revisionsverfahren erhobenen diesbezüglichen Einwendungen der Beklagten bleiben deshalb unbeachtlich.
Hinsichtlich der vom LSG. offen gelassenen Frage, ob die Berufung selbst ordnungsmäßig eingelegt wurde, ist folgendes festzustellen: Die Einlegung eines Rechtsmittels durch Telegramm ist zulässig (BSG. 1 S. 243; Peters-Sautter-Wolff, Komm. zur Sozialgerichtsbarkeit, Anm. 2 zu § 151 SGG). Im "Ankunftstelegramm" ist dann die sonst erforderliche eigenhändige Unterschrift des Beteiligten, seines gesetzlichen Vertreters oder seines Prozeßbevollmächtigten nicht möglich; im "Aufgabetelegramm" aber ist sie möglich und nötig (vgl. Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 25. Aufl., Anm. 1 C zu § 129 ZPO; RGZ. 140, 73). Das Telegramm der Beklagten (Ankunftstelegramm) ist lediglich mit "Landesarbeitsamt Kiel" unterzeichnet. Diese Absenderangabe allein genügt zunächst schon deshalb nicht, weil die in Frage kommende Behörde amtlich "Landesarbeitsamt Schleswig-Holstein" benannt ist. Nach Auffassung des erkennenden Senats sind aber auch andere Grundsätze der Rechtssicherheit; nicht gewahrt. Das Landesarbeitsamt als Funktionsorgan und Organisationseinrichtung (Behörde) besitzt nämlich keine eigene Handlungsfähigkeit; es bedarf zu jeder rechtswirksamen Prozeßhandlung des Tätigwerdens der gesetzlich hierzu befugten Personen, nämlich des gesetzlichen. Vertreters oder seines Prozeßbevollmächtigten (vgl. BSG. 5 S. 110). Jenes Telegramm vom 25. Februar 1955 stellt somit keine formgerechte Einlegung der Berufung dar. Infolgedessen war innerhalb der Monatsfrist des § 151 Abs. 1 SGG keine rechtswirksame Berufungsschrift beim LSG. eingegangen.
Andererseits enthält das Urteil des SG. keine vorschriftsmäßige Rechtsmittelbelehrung gemäß § 66 Abs. 1 SGG, sondern lediglich den Satz "Diese Entscheidung ist endgültig (§ 144 SGG)". Die hier ausgedrückte Auffassung des SG. ist unrichtig. Schon im Hinblick auf § 150 Nr. 2 SGG war eine Rechtsmittelbelehrung zu erteilen. Abgesehen von den Sonderfällen des § 214 SGG ist kein erstinstanzliches Urteil schlechthin "endgültig". Wegen unrichtiger Belehrung ist daher die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 SGG für die Berufung der Beklagten maßgebend (BSG. 1 S. 194 und 227 ff.). Innerhalb der Jahresfrist des § 66 Abs. 2 SGG liegt der Eingang (19.3.1955) der Berufungsbegründungsschrift des Präsidenten des Landesarbeitsamts Schleswig-Holstein, die den Formerfordernissen des § 151 SGG genügt. Diese Berufungsbegründungsschrift ist gleichzeitig als Berufungsschrift zu werten; das Rechtsmittel ist damit form- und fristgerecht eingelegt (ständige Rechtsprechung des BSG.; vgl. auch BGH. vom 7.1.1958, veröffentlicht JZ. 1958 S. 506).
VIII Zu den Prozeßvoraussetzungen des Berufungsverfahrens gehört ferner die Statthaftigkeit der Berufung. Das LSG. hat sie zu Unrecht verneint. Nach dem Grundsatz des § 143 SGG findet gegen die Urteile der Sozialgerichte regelmäßig die Berufung an das LSG. statt, soweit sich aus den Vorschriften der §§ 144 bis 149 SGG nichts anderes ergibt. § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG zufolge ist die Berufung nicht zulässig bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum bis zu 13 Wochen (3 Monaten). Maßgebend bezüglich dieses Rechtsmittelausschlusses ist der Streitgegenstand im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem SG. (BSG. 2 S. 135 [136], 139). Streitgegenstand ist der prozessuale Anspruch im Sinne des durch den Antrag gekennzeichneten Begehrens auf rechtskräftige Feststellung einer Rechtsfolge (vgl. Rosenberg, Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts, 7. Aufl., § 88 II 2, S. 403/404). Dieser Rechtslehre ist das Bundessozialgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung laufend gefolgt (BSG. 4 S. 208; 5 S. 223).
Auch im vorliegenden Falle bestimmt das prozessuale Begehren der Klägerin den Inhalt des erstinstanzlichen Urteils. Der Rechtsstreit nahm seinen Ausgang vom Verwaltungsakt der Beklagten vom 4. November 1953 in Gestalt der Entscheidung des Spruchausschusses vom 26. November 1953. Beide Lehnten die Kurzarbeiterunterstützung allein mit der Begründung ab, daß der Arbeitsmangel in Betrieb der Klägerin saisonbedingt sei. Keiner dieser Verwaltungsakte befaßte sich indessen nach Wortlaut und Inhalt mit der Dauer der Kurzarbeit, der Unterstützungshöhe oder mit sonstigen Einzelheiten des betrieblichen Sachablaufs. Vor dem SG. stellte die Klägerin laut Sitzungsniederschrift vom 7. Januar 1955 den Antrag, den Bescheid vom 26. November 1953 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr "die KU. - Unterstützung zu gewähren". Dieses prozessuale Begehren legte das Gericht erster Instanz im Tatbestand seines Urteils dahin aus, daß die Klägerin beantragt habe, "die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Kurzarbeiterunterstützung antragsgemäß zu gewähren". Selbst bei dieser - bereits ausdehnenden - Auslegung (§ 123 SGG) ist nicht zwingend zu schließen, daß die Klägerin ihren Anspruch von vornherein auf einen Zeitraum von nicht mehr als 13 Wochen beschränken wollte, zumal, wenn beachtet wird, daß die Leistungen der Kurzarbeiterunterstützung nach Anh. B der VO Nr. 111 und den Erlassen zu ihrer Durchführung grundsätzlich nicht in der Bezugsdauer begrenzt sind; lediglich als Prüfungsabschnitt ist ein Zeitraum von 14 Wochen vorgesehen (Nr. 8 des Zweiten Durchführungserlasses). Jedenfalls ergibt sich ein solcher Schluß allein aber nicht aus der ursprünglichen Mitteilung der Klägerin an das Arbeitsamt vom 26. Oktober 1953, mit der sie Kurzarbeit ab 28. Oktober "bis voraussichtlich Mitte Dezember 53" genehmigt haben wollte. Diese unbestimmte Angabe "bis voraussichtlich..." ist so unverbindlich und so wenig eindeutig, daß sie zur Festlegung des Zeitraums später tatsächlich durchgeführter Kurzarbeit und der ebenfalls später daraus allenfalls erwachsenden Unterstützungsdauer nicht im voraus dienen kann. Irgendwelche anderen Umstände, die darauf hindeuten, daß die Klägerin lediglich für einen Zeitraum bis zu 13 Wochen Kurzarbeiterunterstützung beanspruchte, waren auch sonst aus den Akten des Arbeitsamts, die das SG. beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht hatte, nicht zu entnehmen. Vielmehr stand die darin enthaltene Feststellung im Prüfungsbericht des Ermittlers vom 2. November 1953, daß "die Dauer der Kurzarbeit schwer abzuschätzen sei" einer solchen Auffassung entgegen. Nach alledem ergab sich im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung für das SG., weil es von seiner Befugnis zur Klarstellung oder Ergänzung (§ 106 SGG) nicht Gebrauch gemacht hatte, keine tatbestandsmäßig feststehende Gewißheit darüber, auf welche Dauer sich der Anspruch der Klägerin erstreckte, zumal die späterhin dem LSG. vorliegenden Kurzarbeiterlisten des Betriebs, die am 15. Februar 1955 eingereicht wurden, bis zum Ende der mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht verfügbar waren. Nicht der Zeitraum der begehrten Leistungen war im übrigen zwischen den Beteiligten bis dahin überhaupt streitig gewesen, sondern eine der Voraussetzungen der Unterstützung selbst, nämlich die des nicht saison- oder betriebsbedingten Arbeitsmangels.
Kennzeichnend ist auch, daß das SG. seinen Urteilstenor etwa in der Form eines "Grundurteils" (§ 130 SGG) gehalten hat. Danach wurden die Bescheide der Beklagten aufgehoben; die Beklagte wurde ohne jede Begrenzung nach Zeit oder Betrag verurteilt, der Klägerin Kurzarbeiterunterstützung zu gewähren. Demzufolge betrifft auch das Rechtsmittel hiergegen unmittelbar nicht einen prozessualen Anspruch auf wiederkehrende Leistungen von nicht mehr als 13 Wochen. Mangels eindeutiger Gewissheit über die Dauer der Kurzarbeiterunterstützung ist die Berufung also nicht durch § 144 Abs. 1 SGG ausgeschlossen gewesen (vgl. BSG. 2 S. 135 ff. [139]). Bei dieser Sach- und Rechtslage kam es daher nicht darauf an, ob die Beklagte zutreffend einen Mangel im Verfahren der ersten Instanz gemäß § 150 Nr. 2 SGG gerügt hatte. Da die Berufung ohnehin nach § 143 SGG stattfand, hätte das LSG., statt jenes Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen, eine Entscheidung in der Sache selbst treffen müssen. Da dies nicht geschehen ist, war das angefochtene Urteil wegen eines Verstoßes gegen § 158 Abs. 1 SGG aufzuheben.
IX Der Senat kann jedoch in der Sache nicht selbst entscheiden, da die Vorinstanz ausreichende Feststellungen zum Sachverhalt nicht getroffen hat. Entgegen der Auffassung des LSG. hatte das SG. auch zuvor die sachlich-rechtlichen Voraussetzungen des Anspruchs der Klägerin auf Gewährung von Kurzarbeiterunterstützung nicht lückenlos und erschöpfend geprüft. Die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe befaßten sich - was die Begründetheit der Klage anbelangt - ausschließlich mit der Anwendbarkeit des § 3 Anh. B der VO Nr. 111 und in Verbindung damit auch mit den insoweit einschlägigen Vorschriften des Zweiten Durchführungserlasses. Die spätere Aussage des vor dem Berufungsgericht als Zeuge vernommenen Vorsitzenden der Sozialgerichtskammer, der seine Bekundungen verständlicherweise des erheblichen Zeitabstandes wegen nur nach seinem Erinnerungsvermögen und mit wesentlichen Einschränkungen sowie mannigfaltigen Vorbehalten abgab, ist nicht geeignet, an Wortlaut und Inhalt der erstinstanzlichen Entscheidung nachträglich etwas zu ändern. Deshalb muß die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG. zurückverwiesen werden (§ 170 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 SGG). Das LSG. wird für die Anwendung der VO Nr. 111 und ihrer Durchführungserlasse nunmehr feststellen müssen, wann im Betrieb der Klägerin überhaupt mit Kurzarbeit begonnen wurde. Im Ankündigungsschreiben vom 26. Oktober 1953 beantragte die Klägerin die Genehmigung der Kurzarbeit ab 28. Oktober 1953; in ihrer Anzeige über Kurzarbeit vom 23. Oktober 1953 gibt sie als Beginn den 29. Oktober 1953 an. Die am 15. Februar 1955 eingereichten Kurzarbeiterlisten beginnen mit dem 5. November 1953.
Ferner bleibt aufzuklären, wieviele Arbeiter und Angestellte in den jeweiligen Unterstützungsabschnitten (Doppelwochen) tatsächlich kurzgearbeitet haben, wie lange und ob dann jeweils die Mehrheit der Arbeitnehmer des Betriebs oder der Betriebsabteilung betroffen war (§ 4 des Anh. B der VO Nr. 111).
Schließlich wird das LSG. auch zu beachten haben, daß die Klägerin an ihre (kurzarbeitenden) Arbeitnehmer außer dem Lohn zusätzlich Zahlungen geleistet hat (§ 6 des Anh. B der VO Nr. 111).
X Unabhängig von der Nachholung dieser materiell-rechtlichen Feststellungen bleibt auch die Kostenentscheidung dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen