Leitsatz (amtlich)
Ein Bescheid, durch den eine Leistung der gesetzlichen Unfallversicherung förmlich festgestellt und der infolge eines Irrtums über den Zusammenhang einer Gesundheitsstörung mit dem Arbeitsunfall fehlerhaft ist, darf nur aufgrund der Vorschriften im 3. und 6. Buch der RVO zurückgenommen werden (Fortführung BSG 1961-01-31 3 RLW 7/60 = BSGE 14, 10- 18).
Normenkette
SGG § 77 Fassung: 1953-09-03; RVO § 1744 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 28. August 1959 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I.
Der Kläger erlitt am 28. Juni 1956 im Betrieb seines Arbeitgebers einen Arbeitsunfall. Er geriet mit der rechten Hand in eine von ihm bediente Hobelmaschine. Im Durchgangsarztbericht stellte Chefarzt Dr. M (M.) vom Städtischen Krankenhaus Bad Lauterberg an der Beugeseite der rechten Finger zwei bis fünf teilweise fingergliedlange Schürfungen mit größtenteils verlorengegangener Oberhaut fest. Im Rentengutachten vom 31. Januar 1957 bezeichnete Dr. M. die Beugebehinderung der rechten Finger mit Unmöglichkeit des Faustschlusses, die Bewegungseinschränkung im rechten Handgelenk, die Einschränkung der Drehbewegungen um die Längsachse des rechten Unterarmes, die deutliche Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk und die Muskelabmagerung des rechten Armes als Unfallfolgen. Er schätzte die hierauf zurückzuführende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf 40 v.H.
Die Beklagte gewährte dem Kläger durch Bescheid vom 12. Februar 1957 eine vorläufige Rente nach einer MdE von 40 v.H. In dem Bescheid heißt es u.a.:
"An Unfallfolgen bestehen: Rechte Hand. Nach Weichteilverletzung am rechten Zeige-, Mittel-, Ring- und Kleinfinger besteht noch eine Beugebehinderung dieser Finger. Der Faustschluß der Hand ist unvollkommen. Bewegungseinschränkung im Hand- und Schultergelenk. Einschränkung der Drehbewegungen des Unterarmes. Muskelabmagerung am Arm.
Bei der Beschlußfassung sind die in dem Verfahren eingeholten ärztlichen gutachtlichen Äußerungen berücksichtigt worden".
Diesen Bescheid hat der Kläger mit der Klage zum Sozialgericht (SG) Hildesheim rechtzeitig angefochten. Unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung des praktischen Arztes Dr. G (G.) begehrte er eine Rente nach einer MdE von 50 v.H. Das SG ließ den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 7. Juli 1957 von dem Facharzt für Chirurgie Dr. D (D.) untersuchen, der die MdE auf 40 v.H. schätzte und es für wahrscheinlich hielt, daß die Schultersteife auf das Tragen eines Armtragetuches in den ersten 14 Tagen nach dem Unfall bei schon bestehender Arthrosis deformans des rechten Schultergelenks entstanden sei.
Durch Urteil vom 7. Juni 1957 hat das SG die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat dieses Urteil fristgerecht mit der Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen angefochten. Er legte ärztliche Bescheinigungen des Dr. med. Sch (Sch.) vor, der die durch den Unfall verursachte MdE auf 60 v.H. schätzte und die Einschränkung der Beweglichkeit im rechten Schultergelenk als Unfallfolge ansah. Während des Berufungsverfahrens wurde der Kläger auf Veranlassung der Beklagten mehrmals untersucht, so u.a. zweimal durch den Facharzt für Chirurgie Dr. B (B.). In seinem Gutachten vom 27. Mai 1958 schätzte Dr. B. die durch Unfallfolgen verursachte MdE auf 20 v.H. Die Einschränkung der Beweglichkeit im rechten Schultergelenk ließ er unberücksichtigt, weil er dieses Leiden als Folge einer Osteochondrose ansah und insoweit die Zusammenhangsfrage verneinte. Er nahm lediglich eine vorübergehende Verschlimmerung dieser Beschwerde für die Zeit an, in welcher der Kläger den rechten Arm wegen der Unfallfolgen nicht bewegt habe. Daraufhin gewährte die Beklagte dem Kläger durch Bescheid vom 12. Juni 1958 an Stelle der bisher bewilligten vorläufigen Rente in Höhe von 40 v.H. vom 1. August 1958 an eine Dauerrente in Höhe von 20 v.H. der Vollrente. Sie führte dabei u.a. aus, daß eine seit 1946 vorhandene Osteochondrose als Folge des Unfalls weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne einer Verschlimmerung anerkannt werde. Bei einer erneuten Untersuchung erhob Dr. B. im wesentlichen die gleichen Befunde wie bei der früheren Untersuchung. In seinem Gutachten vom 20. Juli 1959 hob er jedoch hervor, daß jetzt eine wesentliche Besserung des Faustschlusses und eine vollständige Gewöhnung und Anpassung an die noch vorhandene Bewegungsbehinderung beim Faustschluß vorlägen. Die hierdurch verursachte MdE schätze er auf 10 v.H. Den Befund am rechten Schultergelenk, der nach wie vor unverändert war, bewertete Dr. B. auch diesmal nicht. Daraufhin entzog die Beklagte durch Bescheid vom 5. August 1959 dem Kläger mit Wirkung vom 30. September 1959 die Dauerrente, weil die MdE durch Unfallfolgen nur noch 10 v.H. betrage. In der mündlichen Verhandlung vom 28. August 1959 hat das LSG noch den Facharzt für Chirurgie Dr. W (W.) als Sachverständigen gehört. Dieser schätzte die MdE des Klägers infolge der Behinderung im rechten Schultergelenk seit dem 1. August 1958 auf 20 v.H., die Gesamt-MdE unter Berücksichtigung der Schäden an der rechten Hand auf 30 v.H.
Die Beklagte trug vor, die Versteifung der rechten Schulter sei von ihr bisher nicht als Unfallfolge anerkannt worden; nur die Auswirkungen dieses Leidens hätten die Unfallfolgen in Form einer Bewegungseinschränkung vorübergehend verschlimmert.
Durch Urteil vom 28. August 1959 hat das LSG die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen, die Bescheide der Beklagten vom 12. Juni 1958 und 5. August 1959 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger vom 1. August 1958 an eine Dauerrente in Höhe von 30 v.H. der Vollrente zu zahlen.
Das LSG hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Zwar sei die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG nach § 145 Nr. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) unzulässig gewesen, weil das angefochtene Urteil eine vorläufige Rente betroffen habe. Zulässig sei dagegen die Klage gegen die Bescheide vom 12. Juni 1958 und vom 5. August 1959. Insoweit habe das Rechtsmittel auch teilweise Erfolg. Nach den sowohl auf Veranlassung der Beklagten als auch im gerichtlichen Verfahren gehörten ärztlichen Sachverständigen seien allein Unfallfolgen die in der rechten Hand des Klägers bestehende Behinderung des Faustschlusses, eine leichte Kraftminderung der Hand sowie eine leichte Durchblutungsstörung der Finger der rechten Hand, nicht dagegen die ausgedehnte Osteochondrose, die vor allem Bewegungseinschränkungen in der Halswirbelsäule und den Schultergelenken verursache. Selbst wenn man mit den Sachverständigen Dr. B. und Dr. D. eine mittelbare verschlimmernde Verursachung dieses Leidens durch den Unfall annehme, sei dieser verschlimmernde Einfluß auf die Osteochondrose in der rechten Schulter aber in jedem Falle vor der Erteilung des Bescheides vom 12. Februar 1957 abgeschlossen gewesen. Somit hätte die Beklagte die Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk an sich nicht zu entschädigen gehabt. Ihre Entschädigungspflicht über den 31. Juli 1958 bestehe aber, weil sie im Bescheid vom 12. Februar 1957 die Bewegungsbehinderung in der rechten Schulter als Unfallfolge anerkannt habe und sie an ihr Anerkenntnis für die Zukunft gebunden sei. Diese Bindung ergebe sich aus § 1585 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Aus dieser Vorschrift folge, daß im Gegensatz zu den Feststellungen der Rentenberechnung die Feststellungen der Grundlagen des Anspruchs, hierzu gehöre auch die Zusammenhangsfrage, stets rechtsverbindlich werden (BSG 5, 96). Mit ihrem Einwand, sie habe die Versteifung im rechten Schultergelenk im Bescheid vom 12. Februar 1957 nicht als Unfallfolge anerkannt, sondern nur festgestellt, daß die Auswirkungen dieses Leidens "die Unfallfolgen in Form einer Bewegungseinschränkung vorübergehend verschlimmert" hätten, könne die Beklagte keinen Erfolg haben. Sei schon zweifelhaft, daß die Beklagte eine derartige einschränkende Feststellung zur Zusammenhangsfrage habe treffen wollen, so stehe fest, daß sie eine weitergehende Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs getroffen habe. Sowohl der Wortlaut als auch die gebotene sinngerechte Auslegung der Feststellung im Bescheid vom 12. Februar 1957 ergäben, daß die Beklagte die im Bescheid als Folgen des Unfalls aufgeführten Gesundheitsstörungen als allein durch den Unfall entstanden beurteilt habe. Des weiteren könne die Beklagte auch nicht eine Berichtigung ihres Bescheides vom 12. Februar 1957 auf Grund des § 77 SGG erreichen. Nach dieser Vorschrift könne die Bindungswirkung eines Verwaltungsaktes nur in den gesetzlich zugelassenen Fällen beseitigt werden, wie z.B. auf Grund der §§ 608, 619, 1744 RVO. Die Durchbrechung der Bindungswirkung eines Bescheides auf Grund des im allgemeinen Verwaltungsrecht anerkannten Grundsatzes des öffentlichen Interesses sei auf dem Gebiete der gesetzlichen Unfallversicherung (UV) nicht möglich. Der Gesetzgeber habe abschließend die Beseitigung aller Verwaltungsakte auf die in §§ 608, 1744 RVO aufgeführten Fälle beschränkt. Vorliegend seien die Voraussetzungen dieser Vorschriften aber nicht erfüllt. Im übrigen bedürfe es für die gesetzliche UV auch nicht der Anwendbarkeit des Grundsatzes des öffentlichen Interesses, da überspannte Rechtsfolgen mit dem Grundsatz der unzulässigen Rechtsausübung (§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -) verhindert werden könnten. Dieser in der zivilgerichtlichen Praxis anerkannte Grundsatz, der zur Durchbrechung der Rechtskraft eines Urteils führen könne, gelte auch für die Durchbrechung der Bindungswirkung von Verwaltungsakten. Die Anwendung dieses Grundsatzes setze jedoch voraus, daß entweder der bindende Verwaltungsakt erschlichen sei oder daß dem von dem Verwaltungsakt Gebrauch machenden Teil die Unrichtigkeit des Verwaltungsakts bekannt sei und besondere Umstände hinzuträten, welche die Ausnutzung des Verwaltungsakts als sittenwidrig erscheinen ließen. Im vorliegenden Falle seien diese Voraussetzungen nicht gegeben. Der Kläger habe den Bescheid nicht erschlichen. Daß die Beklagte zu einer objektiv unzutreffenden Feststellung gelangt sei, beruhe jedenfalls nicht auf dem Verhalten des Klägers. Auch sei das Festhalten des Klägers an der Rente nicht sittenwidrig.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Das Urteil des LSG ist der Beklagten am 22. September 1959 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 17. Oktober 1959 Revision eingelegt und diese gleichzeitig und innerhalb der bis zum 22. Dezember 1959 verlängerten Revisionsbegründungsfrist am 15. Dezember 1959 wie folgt begründet; Es sei zu prüfen, ob das LSG über die Bescheide der Beklagten vom 12. Juni 1958 und vom 5. August 1959 hätte entscheiden dürfen, da die Berufung gegen das Urteil des SG unzulässig gewesen sei. Hierdurch werde insbesondere den Versicherten eine Instanz genommen, so daß ein Berufungsgericht zweckmäßigerweise die Sache an das SG zurückverweisen sollte. In tatsächlicher Hinsicht werde die Feststellung des LSg angegriffen, "der verschlimmernde Einfluß der unfallbedingten Bewegungsbehinderung des rechten Armes auf die Auswirkungen der Osteochondrose in der rechten Schulter wäre vor Erteilung des Bescheides vom 12. Februar 1957 abgeschlossen gewesen". Auf dieser Feststellung beruhe die Folgerung des LSG, die Beklagte habe bereits mit Bescheid vom 12. Februar 1957 die Folgen der nicht unfallbedingten Osteochondrose in der rechten Schulter des Klägers bindend anerkannt. Bei der Festlegung dieses "Ausgangspunktes" habe das LSG gegen § 128 SGG verstoßen und sei so bei seinen rechtlichen Erörterungen von einem unrichtigen Tatbestand ausgegangen. Die Beklagte sei in ihrem Bescheid vom 12. Februar 1957 nicht von falschen Voraussetzungen ausgegangen; vielmehr habe damals durchaus noch eine unfallbedingte Bewegungsbehinderung im Sinne einer Verschlimmerung beim Kläger vorgelegen. Hieraus folge, daß die Beklagte keineswegs eine Gesundheitsstörung als Unfallfolge anerkannt habe, die mit dem Unfall nichts zu tun gehabt habe. Materiell-rechtlich habe das LSG § 1585 RVO in Verbindung mit § 77 SGG verletzt. Die Rechtsprechung des 2. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) zur Frage der Bindungswirkung von Bescheiden (BSG 5, 96) bedürfe der Überprüfung. Sie stehe auch im Widerspruch zur Rechtsprechung, insbesondere des 11. Senats des BSG (BSG 7, 8; 8, 11). Dieser Senat habe den vom Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung angewandten Grundsatz des allgemeinen Verwaltungsrechts, "daß ein von vornherein fehlerhafter Verwaltungsakt bei Vorliegen eines überwiegenden öffentlichen Interesses auch zum Nachteil des Begünstigten zurückgenommen werden könne", übernommen. Das Bundesversicherungsamt habe sich zu derselben Auffassung bekannt. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des § 77 SGG sei zu eng. Gesetz im Sinne dieser Vorschrift sei jede Rechtsnorm. Hierunter falle auch der erwähnte Grundsatz des allgemeinen Verwaltungsrechts. Des weiteren frage sich, ob und in welchem Umfang der Versicherungsträger in einem Bescheid insbesondere den Kausalzusammenhang im einzelnen anzugeben habe und die Grundlagen der Leistungen, die in einem Rentenbescheid gewährt werden, mit in die Bindung eines Bescheides einbezogen würden. Das Schwergewicht liege nach der RVO nicht auf der Feststellung des Kausalzusammenhangs, sondern auf der Feststellung der Rentenleistungen. Im übrigen sei ein Versicherungsträger bei der vom 2. Senat des BSG vertretenen Auffassung über die Bindungswirkung von fehlerhaften Bescheiden im Hinblick auf § 619 RVO auch schlechter gestellt als ein Versicherter. Auch leide eine sorgfältige Ermittlung durch den Versicherungsträger darunter, daß dieser die Feststellung der von ihm zu erbringenden Leistungen zu beschleunigen habe. Mit dem Rechtsgedanken der unzulässigen Rechtsausübung (§ 826 BGB) könne jedenfalls nicht wirksam geholfen werden. Überdies habe das Berufungsgericht diesen Rechtsgedanken zu eng ausgelegt, indem es darauf abgestellt habe, daß der Kläger den Bescheid vom 12. Februar 1957 nicht erschlichen habe. Der Kläger als vernünftiger 60-jähriger Handwerksmeister habe sich sagen müssen, daß die im Schultergelenk vorhandenen Bewegungseinschränkungen nicht neu gewesen seien.
Die Revision beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er bezieht sich auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, ohne mündliche Verhandlung durch Urteil zu entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG).
II.
Die vom LSG zugelassene Revision ist nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthaft, sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Revision hatte jedoch keinen Erfolg.
Das LSG hat mit Recht die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG nach § 145 Nr. 3 SGG aF als unzulässig angesehen, da das Urteil des SG eine vorläufige Rente betraf (§ 1585 Abs. 1 RVO) und die Voraussetzungen des § 150 SGG nicht gegeben waren.
Trotz der Unzulässigkeit der Berufung hat das LSG - entgegen der Auffassung der Revision - zu Recht über die im Berufungsverfahren ergangenen Bescheide der Beklagten mitentschieden, da beide Bescheide Gegenstand des Verfahrens geworden sind. Nach § 96 SGG, der auch im Berufungsverfahren entsprechend anwendbar ist (§ 153 Abs. 1 SGG), wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn nach Klagerhebung dieser Verwaltungsakt durch einen neuen geändert oder ersetzt wird. Die erste Voraussetzung für die Rechtsfolge aus § 96 SGG, nämlich daß das den ursprünglichen Bescheid betreffende Verfahren bei Erlaß der Bescheide vom 12. Juni 1958 und 5. August 1959 rechtshängig ist, war gegeben. Für die Rechtshängigkeit ist es ohne Bedeutung, ob die Berufung des Klägers zulässig war und eine Sachentscheidung ergehen konnte (BSG 4, 24, 26; 5, 158, 162; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand März 1962, Seite 242 r; Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 8. Aufl., S. 479). Die weitere Voraussetzung für die Rechtsfolge aus § 96 SGG, nämlich daß der neue Verwaltungsakt den früheren ändert oder ersetzt, d.h., daß der neue Verwaltungsakt die Beschwer des Betroffenen ändert - vermindert oder vermehrt - (BSG 5, 162; Brackmann Seite 242 s), war ebenfalls durch die im Berufungsverfahren ergangenen Bescheide erfüllt. Im Bescheid vom 12. Juni 1958 wird die Einbuße der Erwerbsfähigkeit mit nur noch 20 v.H. bewertet, und durch Bescheid vom 5. August 1959 wird dem Kläger die bisher gewährte Rente entzogen. Beide Bescheide sind Änderungsbescheide im Sinne des § 96 SGG (vgl. BSG 4, 24, 26; GE des RVA Nr. 2913, AN 1916, 721). Ob es, wie die Revision meint, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage zweckmäßig gewesen wäre, die Sache an das SG nach § 159 Abs. 1 Nr. 3 SGG zurückzuverweisen, kann dahingestellt bleiben. Denn verfahrensrechtlich ist es nicht zu beanstanden, daß das LSG über die im Berufungsverfahren ergangenen Bescheide der Beklagten mitentschieden hat.
Mit aus § 128 SGG hergeleiteten Verfahrensrügen wendet sich die Revision gegen die tatsächliche Feststellung des LSG, "der verschlimmernde Einfluß der unfallbedingten Bewegungsbehinderung des rechten Armes auf die Auswirkungen der Osteochondrose an der rechten Schulter sei in jedem Fall vor der Erteilung des Bescheides vom 12. Februar 1957 abgeschlossen gewesen". Das LSG stützt seine Entscheidung jedoch nicht - auch nicht hilfsweise - auf diese Feststellung, so daß es auf die Richtigkeit der Feststellung und damit auf die erhobenen Verfahrensrügen nicht ankommt. Die gerügte Feststellung war zwar der Ausgangspunkt für die Schlußfolgerung des LSG, daß die Beklagte die Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk an sich richtigerweise nicht zu entschädigen gehabt hätte. Diese Schlußfolgerung ist jedoch für die Auffassung des LSG ohne Bedeutung, daß die Beklagte die Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk zu entschädigen habe, weil sie diese im Bescheid vom 12. Februar 1957 als Unfallfolge uneingeschränkt und nicht nur als eine vorübergehende Verschlimmerung der unfallunabhängigen Osteochondrose anerkannt habe und sie an dieses Anerkenntnis gebunden sei. Allein entscheidend waren für das LSG erkennbar die Würdigung und Bewertung der Erklärung der Beklagten im Bescheid vom 12. Februar 1957. Hierbei ist es zu der Feststellung gelangt, die Beklagte habe anerkannt, daß die Bewegungsbehinderung im rechten Schultergelenk allein durch den Unfall verursacht worden sei.
Das Revisionsgericht ist befugt zu prüfen, ob diese Willenserklärung der Beklagten vom Berufungsgericht richtig gewürdigt worden ist, da es sich insoweit nicht um die Feststellung von Tatsachen, sondern um die rechtliche Würdigung des Inhalts und der Tragweite einer Willenserklärung handelt (BSG 7, 53, 56; Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 162 Anm. 5 f., Seite III/80 - 54/2). Mit Recht ist das LSG davon ausgegangen, daß sowohl der Wortlaut der Willenserklärung: "An Unfallfolgen bestehen ... Bewegungseinschränkung im ... Schultergelenk" als auch der Sinn dieser Erklärung nur dahin verstanden werden können, die Beklagte habe die Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk als allein durch den Unfall verursacht anerkannt und anerkennen wollen. Der nachträglichen einschränkenden Auslegung durch die Beklagte, sie habe eine unfallbedingte Bewegungsbehinderung im rechten Schultergelenk lediglich "im Sinne einer Verschlimmerung" anerkannt, stehen nicht nur der Wortlaut der Willenserklärung selbst entgegen, sondern auch, daß in dem Bescheid ausdrücklich hervorgehoben ist, bei der Beschlußfassung seien die in dem Verfahren eingeholten ärztlichen, gutachtlichen Äußerungen berücksichtigt worden; denn die gutachtlichen Äußerungen des Dr. M. gehen eindeutig dahin, daß die Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk ohne Einschränkung als Unfallfolge zu bewerten sei; eine Osteochondrose oder eine Verschlimmerung dieses Leidens durch Unfallfolgen ist nicht erwähnt. Da somit der Beklagten das Vorliegen einer unfallunabhängigen Osteochondrose im Zeitpunkt des Erlasses ihres Bescheides vom 12. Februar 1957 aus den ihr vorliegenden ärztlichen Äußerungen nicht bekannt war, fehlt jeder Anhalt dafür, daß sie eine unfallbedingte Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk lediglich im Sinne einer vorübergehenden Verschlimmerung anerkennen wollte.
An ihr Anerkenntnis im Bescheid über die Gewährung einer vorläufigen Rente vom 12. Februar 1957, daß die Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk alleinige Folge eines Arbeitsunfalls vom 29. Juni 1956 ist, bleibt die Beklagte bei der Feststellung der Dauerrente gebunden. Die hiergegen insbesondere aus § 1585 RVO und § 77 SGG erhobenen materiell-rechtlichen Rügen sind nicht begründet.
Wie der erkennende Senat im Urteil vom 29. März 1957 (BSG 5, 96) entschieden hat, ist ein Versicherungsträger, der bei der Feststellung der vorläufigen Rente eine bestimmte oder mehrere bestimmte Gesundheitsstörungen als Unfallfolge anerkannt hat, hieran bei der Feststellung der Dauerrente gebunden. Der Senat hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: "Der Bescheid habe erstinstanzliche Wirkung und habe eine der materiellen Rechtskraft von Urteilen entsprechende Bindung. Die Bindung beschränke sich nicht etwa deshalb, weil durch den Bescheid nur eine vorläufige Rente gewährt werde, auf die Zeit bis zur Feststellung der Dauerrente, vielmehr unterliege sie grundsätzlich keiner zeitlichen Beschränkung. Anderenfalls wäre es nicht erforderlich gewesen, durch § 1585 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 RVO eine gewisse Bindungsfreiheit des Versicherungsträgers bei der Feststellung der Dauerrente zu normieren. Das Gesetz setze im Grundsatz eine Bindung voraus und nehme von ihr nur die "Grundlagen der Rentenberechnung" aus. Werde eine Rente wegen mehrerer Unfallfolgen gewährt, so nähmen alle in dem Bescheid anerkannten, also der Rentengewährung zugrunde liegenden Unfallfolgen als bestimmende Merkmale des Rechtsgrundes an der Bindung teil. Das Ausmaß der Unfallfolgen gehöre nicht zu den Grundlagen der Rentenberechnung. Diese Ausführungen, die sich auf einen Rentenbescheid beziehen, der unter der Herrschaft der Verfahrensvorschriften der RVO ergangen war, treffen im wesentlichen auch für den hier im Streit befindlichen Rentenbescheid zu, der nach dem Inkrafttreten des SGG ergangen ist. Eine erstinstanzliche Wirkung und eine der materiellen Rechtskraft von Urteilen entsprechende Bindung haben nach allgemeiner Auffassung (vgl. Brackmann aaO, Seite 232 o) die Rentenbescheide nach § 77 SGG nicht mehr, sie werden jedoch für die Beteiligten in der Sache bindend. Das hat zur Folge, daß dem bindenden Bescheid des Versicherungsträgers "endgültige Wirkung" beigelegt wird (vgl. die amtliche Begründung zum Entwurf einer Sozialgerichtsordnung, Deutscher Bundestag, 1. Wahlperiode, Drucksache Nr. 4357 zu § 26 - entspricht § 77 SGG - Seite 26). Die Auslegung des § 1585 RVO im Urteil des Senats vom 29. März 1957 wird infolgedessen durch die Veränderung der Rechtsnatur des Bescheides nicht berührt. Die Einwendungen, welche die Revision gegen diese Auslegung des § 1585 Abs. 2 RVO erhebt, sind vom Senat bereits im wesentlichen in seiner erwähnten Entscheidung berücksichtigt worden. Insbesondere hat der Senat hervorgehoben, daß jede vom Versicherungsträger als Unfallfolge anerkannte Gesundheitsstörung zugleich eine anspruchsbegründende Tatsache darstellt und der Rentenanspruch selbst von der Anerkennung einer oder auch mehrerer Gesundheitsstörungen abhängig ist. Zu dem Grunde des Rentenanspruchs gehört die Frage des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Unfall und der Körperbeschädigung, durch welche die Erwerbsfähigkeit als gemindert angesehen wird, da ein Versicherungsträger eine Rente nicht bewilligen kann, ohne diese Frage zu bejahen. Der Versicherungsträger hat danach die Frage des ursächlichen Zusammenhangs im einzelnen zu prüfen und im Bescheid anzugeben, ob und in welcher Art sowie in welchem Umfang ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall und den Gesundheitsstörungen besteht. Im vorliegenden Streitfall wird die Abhängigkeit des Rentenanspruchs von der Anerkennung der Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk als Unfallfolge dadurch besonders deutlich, daß die sonstigen als Unfallfolge anerkannten Schädigungen an der rechten Hand und am rechten Arm des Klägers nach den vom LSG getroffenen Feststellungen fast vollständig - bis auf eine MdE von 10. v.H. - abgeklungen sind, so daß eine Rentengewährung ausgeschlossen ist.
Der erkennende Senat hat im Urteil vom 29. März 1957 auch die Schwierigkeiten gewürdigt, die sich für den Versicherungsträger daraus ergeben, daß er einerseits nach § 1545 Abs. 2 RVO gehalten ist, die Feststellungen der von ihm zu erbringenden Leistungen zu beschleunigen, andererseits aber die notwendigen Ermittlungen so sorgfältig durchführen muß, daß die aus Anlaß der Festsetzung der vorläufigen Rente vorzunehmende Beurteilung der Unfallfolgen weitgehend als endgültige Beurteilung angesprochen werden kann. Solche Schwierigkeiten hält der Senat jedoch nach wie vor bei vorsichtiger Handhabung eines Anerkenntnisses für durchaus lösbar, sie müssen mit Rücksicht auf die grundsätzliche Bindung eines Rentenbescheides und im Interesse des dem Versicherten zu gewährenden Vertrauensschutzes in Kauf genommen werden.
Die Beklagte kann die Bindung an das Anerkenntnis im Bescheid vom 12. Februar 1957 auch nicht durch eine nachträgliche Einschränkung des Umfangs des Anerkenntnisses beseitigen.
Nach § 77 SGG wird ein Verwaltungsakt, gegen den ein gegebener Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt ist, für die Beteiligten in der Sache bindend, "soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist". Die Beklagte hätte danach die bindende Wirkung ihres Anerkenntnisses durch den Bescheid über die Gewährung der Dauerrente nur beseitigen können, wenn eine "gesetzliche" Bestimmung dies zuließe. Dies ist jedoch nicht der Fall. Im vorliegenden Fall ist der das Anerkenntnis enthaltene Bescheid der Beklagten auf Grund des im 6. Buche der RVO vorgeschriebenen besonderen Verwaltungsverfahrens (vgl. §§ 1545 ff., besonders §§ 1568 ff. RVO) ergangen, das mit einer Entscheidung des Versicherungsträgers durch förmliche Feststellung (§ 1569a RVO) über die zu gewährenden Leistungen endete. Die besondere, auch nach Inkrafttreten des SGG aufrechterhaltene Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens nach dem 6. Buche der RVO hat den Sinn, eine in der Sache endgültige Entscheidung über den Anspruch auch dann herbeizuführen, wenn ein gerichtliches Verfahren nicht nachfolgt. Wie der Versicherte nach der Unanfechtbarkeit des Bescheides des Versicherungsträgers nur nach Maßgabe der hierfür bestehenden besonderen gesetzlichen Vorschriften das Verwaltungsverfahren erneut in Gang bringen kann und hierbei gemäß den jeweils in Betracht kommenden Bestimmungen an die Feststellung der Anspruchsgrundlagen gebunden ist, so muß es auch dem leistungspflichtigen Versicherungsträger, sofern nicht anderweitige Vorschriften bestehen, grundsätzlich versagt bleiben, ein abgeschlossenes Verfahren erneut aufzurollen (Brackmann aaO Seite 232 o). Zwar sind solche Leistungsbescheide, die auf Grund eines rechtsstaatlichen Anforderungen genügenden Verwaltungsverfahrens ergangen sind, nicht mehr der materiellen Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen fähig. Dessen ungeachtet hat der Gesetzgeber des SGG es für erforderlich erachtet, die Bindungswirkung des unanfechtbar gewordenen Verwaltungsakts durch § 77 SGG auszusprechen. Dies erklärt sich, wie der 3. Senat des BSG im Urteil vom 27. September 1961 (BSG 15, 118, 121) dargelegt hat, aus der Notwendigkeit, irrige Folgerungen aus der Beseitigung der erstinstanzlichen Stellung der Versicherungsträger durch das SGG abzuwehren (vgl. die bereits zitierte amtliche Begründung zum Entwurf einer Sozialgerichtsordnung zu § 26). "Sowohl im Interesse der Versicherten und Versorgungsberechtigten als auch im Interesse der Leistungspflichtigen erschien es dem Gesetzgeber unerläßlich, dem Bescheid des Versicherungsträgers endgültige Wirkung beizulegen" (BT-Drucks. Nr. 4357 aaO). Damit ist klargestellt, daß dem bindenden Verwaltungsakt eine Bestandskraft - eine "endgültige Wirkung", wie die zitierte amtliche Begründung sagt - zukommt, die der materiellen Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen jedenfalls wesensverwandt ist (vgl. BVerfG 2, 380, 393 f.; 7, 194, 196; BSG 11, 226, 230; 14, 10, 12 ff.; 15, 119, 121 und 252, 255 f.; BVerwG in NJW 1958, 884; DÖV 1961, 30; DVBl. 1961, 380, 381; Brackmann Seite 232 m ff. und Festschrift für Lauterbach, Grundsatzfragen der sozialen Unfallversicherung Seite 89 ff.; Dapprich in SGb 1960, 6). Ob diese Rechtsbeständigkeit auch Verwaltungsakten zukommt, die nicht auf Grund eines besonderen Verwaltungsverfahrens ergangen sind und keine streitentscheidende feststellende Wirkung haben (vgl. Brackmann aaO Seite 232 o), brauchte der Senat aus Anlaß des vorliegenden Falles nicht zu entscheiden. Jedenfalls kommt dem hier in Streit befindlichen Bescheid der Beklagten vom 12. Februar 1957 die oben näher erläuterte Bestandskraft zu, da er in einem ordnungsmäßig geregelten Verwaltungsverfahren durch eine förmliche Feststellung der Beklagten ergangen ist. Die Beklagte hatte danach bei der Festsetzung der Dauerrente die durch § 77 SGG geschaffene Rechtsbeständigkeit, die diese Vorschrift dem unanfechtbaren Bescheid vom 12. Februar 1957 gab, zu beachten und auf die damit verbundene Gesetzmäßigkeit ihres Verwaltungshandelns zu achten. Dabei bedeutet der Begriff "Gesetzmäßigkeit der Verwaltung" nicht mehr Verwirklichung der materiellen Gerechtigkeit um jeden Preis (BVerwG in DVBl. 1961, 380, 381); sie bedeutet vielmehr im Rechtsstaat auch Wahrung des Rechtsfriedens und Förderung der Rechtssicherheit (so schon der 3. Senat in BSG 15, 252, 255 unter Bezugnahme auf Erning in DVBl. 1960, 188, 191). Wie der 3. Senat des BSG (aaO) hervorgehoben hat, läßt § 77 SGG klar erkennen, daß im Falle des Irrtums der Verwaltung bei Erlaß ihres unanfechtbaren Verwaltungsakts der Gedanke der Rechtssicherheit, die dem Schutz des Vertrauens der Bürger auf den Bestand behördlicher Entscheidungen dient, entscheidend ist (vgl. BVerwG in DVBl. 1961, 380, 381). Mit Rücksicht auf die Rechtsbeständigkeit des hier in Streit befindlichen Bescheides und der Rechtssicherheit schließt somit § 77 SGG die Rücknahme des fehlerhaften Bescheides grundsätzlich aus (vgl. BSG 2, 188, 190 f.; 15, 252, 256).
Eine Ausnahme von der Bindungswirkung läßt § 77 SGG nur zu, wenn das "Gesetz" etwas anderes bestimmt. Der 11. Senat des BSG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß "Gesetz" im Sinne des § 77 SGG nicht nur geschriebenes Recht, sondern auch andere Rechtsnormen, so insbesondere die sogenannten Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts über die Rücknahme fehlerhafter begünstigender Verwaltungsakte" sind. Er wendet daher in Kriegsopfersachen für begrenzte Zeiten (für die Zeit vor Inkrafttreten des VerwVG - 1. 4. 1955 -) und soweit es sich um die ehemalige britische Zone handelt, nach Außerkraftsetzung der Ziffer 26 der Sozialversicherungsanordnung (SVA) Nr. 11 (31.12.1952) diese Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts an (vgl. BSG 7, 8, 16; 8, 11, 14; 10, 72, 76; 15, 81 f.). Der erkennende Senat kann dahingestellt lassen, ob die sogenannten "anerkannten Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts" als "Gesetz" im Sinne des § 77 SGG angesehen werden können. Sie sind im vorliegenden Fall aber schon deshalb nicht anwendbar, weil für das hier in Frage kommende Rechtsgebiet der gesetzlichen UV die Rücknahme fehlerhafter Bescheide erschöpfend und abschließend durch besondere gesetzliche Vorschriften geregelt ist und daher für die Anwendung ungeschriebenen Rechts in Gestalt allgemeiner Grundsätze kein Raum mehr ist (vgl. aber Haueisen, DVBl. 1959, 228, 231; 1960, 350, 351 und 913, 920; Die Deutsche Rentenversicherung 1962, 81 ff. und das Schreiben des Bundesversicherungsamts vom 2. September 1959, BABl. 1959, 682). Von dieser Rechtsauffassung geht auch die Rechtsprechung des BSG im Recht der Rentenversicherung (BSG 2, 188, 190 f.; 7, 275, 277; 11, 226, 229 f.; 15, 118, 120) und der Altershilfe für Landwirte (BSG 14, 10, 13 ff.) aus (vgl. für das Recht der Krankenversicherung BSG 15, 252, 256). Eine solche in sich abgeschlossene Regelung zwingt zu dem Umkehrschluß, daß fehlerhafte Bescheide eines Trägers der gesetzlichen UV nur in den durch das Gesetz besonders aufgeführten Fällen zurückgenommen werden dürfen. Hierzu gehört insbesondere § 1744 RVO, der für Leistungsbescheide der Versicherungsträger gilt. Trotz der veränderten Grundauffassung über die rechtliche Wirkung der Bescheide in der Sozialversicherung hat § 1744 RVO auch nach Inkrafttreten des SGG seine ursprüngliche Bedeutung - gesetzlich geregelte Einschränkung der materiellen Rechtskraft von Bescheiden - in dem Sinn beibehalten, daß er eine der gesetzlichen Vorschriften ist, welche die Bindungswirkung eines Bescheides nach § 77 SGG einschränken. Das SGG hat die Fortgeltung des § 1744 RVO trotz der veränderten verfahrensmäßigen Bedeutung der Rentenbescheide und trotz der neuen Regelung der Bindung an nicht mehr anfechtbare Verwaltungsakte in § 77 durch § 220 Nr. 18 SGG ausdrücklich bestätigt und lediglich eine Neufassung des § 1744 RVO gebracht (vgl. amtl. Begründung zu § 26 des Entwurfs eines Gesetzes über das Verfahren in der Sozialgerichtsbarkeit), so daß jetzt auch der Wortfassung nach Übereinstimmung zwischen § 1744 RVO und § 77 SGG besteht, indem sich beide Vorschriften auf bindende Verwaltungsakte beziehen (vgl. BSG 14, 10, 15). Aus der historischen Entwicklung des § 1744 RVO und dem Sinn des § 77 SGG folgt, daß § 1744 RVA nach wie vor eine der gesetzlichen Vorschriften ist, welche die Rücknahme - förmlich erlassener - Rentenbescheide der RV und UV abschließend regelt. Das sicher zu stellen war vor allem der Zweck des § 77 SGG (Brackmann, Festschrift für Lauterbach Seite 87 = DOK 1961, 429 f. 432; Handbuch der Sozialversicherung aaO Seite 232 m ff.). Ebenso halten Dapprich (SGb 1960, 6) und Beuster (SGb 1960, 291) sowie Rohwer-Kahlmann (Wege zur Sozialversicherung 1962, 157 ff.) § 1744 ff. RVO für eine abschließende Regelung für förmliche Rentenbescheide der RV und UV. Für die vom Senat vertretene Auffassung, daß im Recht der UV eine Aufhebung oder Änderung rechtswidriger, eine Leistung zubilligender Verwaltungsakte grundsätzlich ausgeschlossen und nur auf bestimmte - gesetzlich normierte - Ausnahmefälle beschränkt ist, lassen sich neben der bereits erwähnten Vorschrift des § 1744 RVO auch die §§ 608, 619 RVO anführen (vgl. entsprechend für die Rentenversicherung §§ 1293 Abs. 1 RVO aF, 1286 RVO nF, 63 AVG nF und §§ 1300 RVO, 79 AVG, 93 Abs. 1 RKG). Nach § 608 RVO können einmal bewilligte Renten nur herabgesetzt oder entzogen werden, wenn eine Änderung der Verhältnisse vorliegt. Nach § 619 RVO kann ein Versicherungsträger die Leistung neu feststellen, wenn er sich bei erneuter Prüfung überzeugt, daß er sie zu Unrecht ganz oder teilweise abgelehnt, entzogen oder eingestellt hat. Mit dem 3. Senat des BSG (vgl. BSG 14, 10, 16) ist der erkennende Senat der Ansicht, "daß der Gesetzgeber hier im Hinblick auf die Bindungswirkung des Verwaltungsakts für erforderlich gehalten hat, in diesen Fällen die Erteilung eines neuen Bescheides ausdrücklich zuzulassen, jedoch nur in Fällen, in denen der fehlerhafte Bescheid zuungunsten des Versicherten ergangen ist. Wenn aber im Gesetz die Rücknahme eines fehlerhaften Bescheides ohne Änderung der Verhältnisse nur zugunsten des Berechtigten, nicht aber zu seinen Ungunsten vorgesehen ist, kann daraus nur geschlossen werden, daß die Bindung der Verwaltung an einen Verwaltungsakt zuungunsten des Versicherten - soweit das Gesetz nicht anders bestimmt (vgl. § 1744 RVO) - nicht durchbrochen werden darf" (vgl. auch BSG 11, 226, 230). Die Richtigkeit der vom Senat vertretenen Auffassung wird auch durch § 755 RVO bestätigt. Danach darf der Versicherungsträger den bereits zugestellten Heberollenauszug nur dann noch nachträglich ändern, wenn die dort aufgeführten besonderen Voraussetzungen vorliegen. Aus der für das Recht der Kriegsopferversorgung geltenden Vorschrift des § 41 VerwVG können für das Gebiet der gesetzlichen UV keine Folgerungen gezogen werden, da sie als Spezialvorschrift lediglich im Versorgungsrecht Anwendung finden kann.
Ist somit im Recht der gesetzlichen UV - ebenso wie in der Rentenversicherung - die Rücknahme fehlerhafter Rentenbescheide, die auf Grund eines ordnungsmäßig geregelten Verwaltungsverfahrens durch förmliche Feststellung ergangen sind, abschließend gesetzlich geregelt, so kann die Rücknahme eines solchen Rentenbescheides nicht, wie die Revision es will, auf die "anerkannten Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts" gestützt werden.
Da nach alledem im Recht der gesetzlichen UV dessen Sonderregelungen über die Rücknahme fehlerhafter Bescheide (insbesondere § 1744 RVO) maßgebend sind und - auch nach Auffassung der Revision - die in diesen Vorschriften angeführten Ausnahmen von der Bindung nach § 77 SGG nicht vorliegen, ist die Beklagte an ihr im Bescheid vom 12. Februar 1957 abgegebenes Anerkenntnis bei der Festsetzung der Dauerrente gebunden gewesen.
Die von dem Berufungsgericht aufgeworfene Frage, ob und inwieweit der im Zivilrecht entwickelte Grundsatz der unzulässigen Rechtsausübung (§ 826 BGB) auf bindend gewordene Verwaltungsakte übertragen werden kann, brauchte der Senat nicht zu entscheiden. Denn die Anwendung dieses Grundsatzes, der zur Durchbrechung der materiellen Rechtskraft von gerichtlichen Urteilen führen kann, setzt nach der zum Zivilprozeß ergangenen Rechtsprechung voraus, daß entweder das rechtskräftige Urteil erschlichen ist oder daß dem von dem Urteil Gebrauch machenden Teil die Unrichtigkeit des Urteils bekannt ist und besondere Umstände hinzutreten, welche die Ausnutzung des Urteils als sittenwidrig erscheinen lassen (vgl. BGHZ 13, 71; 26, 391; Palandt, Komm. zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 242 Anm. 4 c und § 826 Anm. 8 o; Baumbach/Lauterbach, Zivilprozeßordnung Anm. 6 vor § 322; Rosenberg, Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts, 8. Aufl., § 157, Seite 785 f.). Die Rechtskraft eines Urteils kann danach nur in besonders schwerwiegenden Fällen und unter eng zu begrenzenden Voraussetzungen beseitigt werden. Selbst wenn man somit mit dem Berufungsgericht und der Revision diese Grundsätze auf bindend gewordene Verwaltungsakte übertragen würde, ist der erkennende Senat mit dem Berufungsgericht der Auffassung, daß die Voraussetzungen dieser Grundsätze im zu entscheidenden Falle offensichtlich nicht gegeben sind; insbesondere hat das LSG überzeugend dargelegt, daß der Kläger den Bescheid vom 12. Februar 1957 nicht erschlichen hat, da er keineswegs bewußt falsche Angaben gemacht und nichts wissentlich verschwiegen hat. Ein bewußt unlauteres Verhalten wirft auch die Revision dem Kläger nicht vor.
Das LSG hat daher mit Recht die Beklagte an ihr Anerkenntnis im Bescheid vom 12. Februar 1957 als gebunden erachtet. Da über die Höhe der dem Kläger vom LSG zugesprochenen Rente kein Streit besteht, war die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Gemäß § 193 SGG wurde die Beklagte als im Revisionsverfahren unterlegene Beteiligte für verpflichtet erklärt, die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Fundstellen