Leitsatz (amtlich)

1. Es verstößt nicht gegen "Höherrangiges Recht", daß nach DV § 30 Abs 3 und 4 BVG § 4 Abs 2 dem Schadensausgleich der Witwe eines als Major gefallenen Generalstabsoffiziers kein höheres Durchschnittseinkommen zugrundezulegen ist als das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 14 BBesG als "Höchststufe".

2. Die Vorschrift des BVG § 65 Abs 1 Nr 2 über das "Ruhen" einen Anspruchs auf Versorgungsbezüge beim Zusammentreffen mit einem Anspruch aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge verletzt das Grundgesetz (GG Art 3 Abs 1, Art 20 Abs 3) auch dann nicht, wenn das Ende des "Ruhens" nicht zu erwarten ist, das "Ruhen" also einem Leistungsausschluß gleichkommt.

 

Normenkette

BVG § 65 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1964-02-21; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; BVG § 30 Abs. 3 u 4 DV § 4 Abs. 2 Fassung: 1964-07-30

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 9. Juli 1968 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Klägerin ist die Witwe des am 19. Juli 1909 geborenen F B-K, dieser wurde nach dem Abitur im Jahre 1928 Berufsoffizier; 1938 wurde er zur Kriegsakademie einberufen; als Hauptmann und Angehöriger eines Divisionsstabes fiel er am 5. September 1939 in Polen. Nach seinem Tode wurde er mit Wirkung vom 1. September 1939 zum Major befördert. Aufgrund des Gesetzes zu Art. 131 des Grundgesetzes (GG) bezieht die Klägerin ein Witwengeld nach den Vorschriften der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge; die ihr nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zustehenden Bezüge ruhen deshalb nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG.

Am 7. Oktober 1964 beantragte die Klägerin Schadensausgleich nach § 40 a BVG idF des 2. Neuordnungsgesetzes (2. NOG) vom 21. Februar 1964 (BGBl I, 85). Das Versorgungsamt I Berlin stellte mit Bescheid vom 21. Oktober 1965 vom 1. Januar 1964 an einen Schadensausgleich in Höhe von 200,- DM fest; sie legte hierbei nach § 4 Abs. 2 der Durchführungsverordnung zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG (1964) ein Durchschnittseinkommen des Ehemannes nach der Besoldungsgruppe A 14 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) zugrunde; zugleich stellte es fest, daß auch dieser Anspruch gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG ruht, weil er den "Unterschiedsbetrag zwischen einer Versorgung nach allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen und aus der (gewährten höheren) beamtenrechtlichen Unfallfürsorge" nicht übersteigt. Mit dem Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Einstufung nach der Besoldungsgruppe A 14 werde der Sachlage nicht gerecht; ihr Ehemann hätte bei seinen Fähigkeiten im Überlebensfalle mindestens die Stellung eines Brigadegenerals nach der Besoldungsgruppe B 5 oder eine vergleichbare Zivilstellung erreicht. Die Vorschriften der DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG, auf denen die Einstufung nach der Besoldungsgruppe A 14 beruhten, schränkten die Gesetzesvorschrift des § 40 a BVG in unzulässiger Weise ein; sie seien, ebenso wie die Ermächtigungsnormen selbst und die Ruhensvorschrift des § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG, mit dem GG nicht vereinbar.

Der Widerspruch blieb erfolglos (Bescheid vom 31. Januar 1966). Die Klage hat das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 22. März 1967 abgewiesen.

Die Klägerin hat Berufung an das Landessozialgericht (LSG) Berlin eingelegt.

Während des Berufungsverfahrens hat der Beklagte am 22. Juni 1967 die Versorgungsbezüge nach dem 3. NOG vom 28. Dezember 1966 vom 1. Januar 1967 an festgestellt, und zwar den Schadensausgleich auf 231,- DM; gleichzeitig hat er wiederum festgestellt, daß dieser Anspruch nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG ruht.

Das LSG Berlin hat mit Urteil vom 9. Juli 1968 die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt; Es komme nicht darauf an, ob der Ehemann der Klägerin im Überlebensfalle heute die Gehaltsgruppe eines Brigadegenerals oder Generalmajors erreicht hätte. Der bei der Berechnung des Schadensausgleichs beachtliche Einkommensverlust richte sich nach dem Durchschnittseinkommen einer bestimmten Berufsgruppe; der Gesichtspunkt einer individuellen Entschädigung müsse also zugunsten eines generalisierten oder pauschalierten Schadensausgleichs zurücktreten. Die DVO halte sich demnach - soweit sie hier von Bedeutung sei - im Rahmen der der Bundesregierung in § 30 Abs. 7 BVG erteilten Ermächtigung. Diese Ermächtigung stehe auch im Einklang mit Art. 80 GG. Der Gleichheitssatz berechtige das Gericht nur zur Prüfung, ob die äußeren Schranken des vom Willkürverbot eingegrenzten Bereiches überschritten seien, dagegen habe es nicht darüber zu befinden, ob der Gesetzgeber die gerechteste Lösung gewählt habe. Im übrigen stehe der von der Klägerin begehrten Zahlung der ihr zuerkannten Schadensausgleichsbeträge die Ruhensbestimmung des § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG entgegen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift beständen nicht.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Die Klägerin hat fristgemäß und formgerecht Revision eingelegt. Sie beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des LSG Berlin vom 9. Juli 1968, des Urteils des SG Berlin vom 22. März 1967 und der Bescheide des Beklagten vom 21. Oktober 1965, vom 31. Januar 1966 und vom 22. Juni 1967 diesen zu verurteilen, ihr 200,- DM ab 1. Januar 1964 und 250,- DM ab 1. Januar 1967 als Schadensausgleich nach § 40 a BVG auszuzahlen,

hilfsweise,

den Vorgang dem Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung, ob § 65 BVG iVm § 40 a BVG mit Art. 3 GG vereinbar ist, vorzulegen.

Sie rügt die Verletzung von Art. 3 und 80 GG und führt hierzu aus: Zwar habe der 9. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in einer Entscheidung vom 25. Juli 1967 - 9 RV 892/65 - die Festsetzung des fiktiven Durchschnittseinkommens "nach Art der Schul- und Berufsausbildung" und die Begrenzung des Durchschnittseinkommens auf das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 14 in § 5 DVO als durch die Ermächtigung in § 30 Abs. 7 BVG gedeckt angesehen; er sei auch davon ausgegangen, daß sich § 6 der DVO im Rahmen des § 30 Abs. 7 BVG halte, und habe eine analoge Anwendung bei besonderen Berufserfolgen, die nach der Schädigung wahrscheinlich eingetreten wären, abgelehnt. Dieser Entscheidung könne jedoch nicht zugestimmt werden. Art. 80 Abs. 1 GG lasse eine typisierende, dem wahren Sachverhalt grob zuwiderlaufende Regelung, wie sie §§ 4 und 6 DVO enthielten, nicht zu. Auch sei höchst zweifelhaft, ob im vorliegenden Fall von einem "Ruhen" der Kriegsopferversorgung gesprochen werden könne, da eine Möglichkeit, "das Ruhen" zu beenden, nicht ersichtlich sei. In Wahrheit handele es sich nicht um ein Ruhen, sondern um ein Nichtentstehen oder Erlöschen des Anspruches. Hierin aber sei im Hinblick auf die besondere Fallgestaltung - der sehr frühe Kriegstod eines überdurchschnittlich begabten Generalstabsoffizierseine Verletzung des Gleichheitssatzes zu sehen, so daß eine Vorlage des Rechtsstreits an das Bundesverfassungsgericht erforderlich erscheine.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Revision der Klägerin ist zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164 SGG). Sie kann jedoch keinen Erfolg haben.

Der Antrag der Klägerin, ihr unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide einen Schadensausgleich von 200 DM vom 1. Januar 1964 an, von 250 DM vom 1. Januar 1967 an zu zahlen, ist - wie sich aus ihrem Gesamtvorbringen ergibt - dahin zu verstehen, daß sie die angefochtenen Bescheide in ihren beiden Verfügungssätzen angreift. Sie hält die angefochtenen Bescheide sowohl insoweit für rechtswidrig, als darin ihr Anspruch auf Schadensausgleich, als auch insoweit, als das Ruhen dieses Anspruchs festgestellt worden ist. Der Beklagte hat einen Anspruch der Klägerin auf einen Schadensausgleich nach § 40 a BVG festgestellt; dies rechtfertigt das Begehren der Klägerin, auch insoweit eine Nachprüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide zu verlangen, und zwar auch dann, wenn - entgegen der Ansicht der Klägerin - der festgestellte Anspruch nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG ruht. Auch insoweit ist das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin zu bejahen. Das Vorbringen der Klägerin, der Schadensausgleich sei nicht rechtmäßig festgestellt, weil der Einkommensverlust zu Unrecht nicht nach einer höheren Besoldungsgruppe als A 14 BBesG ermittelt worden sei, ist allerdings nur für die Feststellung des Anspruchs für die Zeit nach dem 1. Januar 1967 erheblich, weil nur für diese Zeit ein Schadensausgleich festgestellt worden ist, der - bei Zugrundelegung von (nur) A 14 - die in § 40 a Abs. 1 Satz 1 BVG - auch von der Klägerin beachtete - Höchstgrenze nicht erreicht. Insoweit hängt die Entscheidung davon ab, ob der Beklagte bei der Feststellung des Schadensausgleichs zu Recht von der Besoldungsgruppe A 14 ausgegangen ist. Der Senat vermag der Auffassung der Klägerin, die Feststellung des Schadensausgleichs nach A 14 sei rechtswidrig, weil die Berechnung nach der Vorschrift des § 4 Abs. 2 (und unter Nichtanwendung des § 6 Abs. 1) DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG gegen höherrangiges Recht verstieße, nicht zu folgen. Die in § 30 Abs. 7 BVG und in § 40 a Abs. 4 BVG iVm § 30 Abs. 7 enthaltenen Ermächtigungen, auf denen die §§ 4 Abs. 2 und 6 Abs. 1 DVO beruhen, entsprechen den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG. Nach Art. 80 Abs. 1 GG darf die Bundesregierung durch Gesetz zum Erlaß von Rechtsverordnungen ermächtigt werden, wenn zugleich Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung aus dem Gesetz ersichtlich sind. Mit Beschluß vom 14. Mai 1969 (SozR, GG zu Art. 80 A b 1 Nr. 1) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, daß die §§ 40 a Abs. 4, 30 Abs. 7 BVG diese Voraussetzungen erfüllen. Wenn auch aus § 30 Abs. 7 a BVG, der der Bundesregierung die Bestimmung, "welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist", überträgt, Art und Umfang der Regelungsbefugnis nicht unmittelbar entnommen werden können, so ergibt doch die Heranziehung des Abs. 4 der genannten Vorschrift zur Auslegung des Abs. 7, daß als allgemeine Vergleichsgrundlage zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens die amtlichen Erhebungen des Statistischen Bundesamtes und die beamten- und tarifrechtlichen Besoldungs- oder Vergütungsgruppen des Bundes zu dienen haben. Mit Hilfe dieser Vergleichsgrundlage ist das Durchschnittseinkommen von Berufs- oder Wirtschaftsgruppen zu ermitteln. Was unter Berufs- und Wirtschaftsgruppen zu verstehen ist, sagt § 30 Abs. 4 BVG nicht. Folglich ist es der Bundesregierung überlassen, die Berufs- und Wirtschaftsgruppen selbst zu bestimmen. Damit sind Inhalt und Zweck der Regelung, die im Verordnungswege getroffen werden darf, abgesteckt.

Allerdings räumt die Ermächtigung der Bundesregierung ein recht umfangreiches Gestaltungsrecht ein. Bei der Prüfung dieses weiten Ermessensrahmens muß zunächst berücksichtigt werden, daß die Regelung des Schadensausgleichs dem Bereich der gewährenden Staatsverwaltung angehört, in welchem dem Gesetzgeber eine weitergehende Gestaltungsfreiheit zusteht als im Rahmen der Eingriffsverwaltung. Bei der Vielfalt der zu ordnenden Tatbestände ist die Schaffung von typisierenden und pauschalierenden Regelungen unumgänglich (BVerfG, Urt. vom 24.7.1963, E 17, 1, 23). Hinzu kommt, daß ein individueller Schadensersatz gar nicht beabsichtigt ist, was sich u. a. schon daraus ergibt, daß lediglich vier Zehntel des Differenzbetrages zwischen Bruttoeinkommen des Beschädigten und dem ohne die Schädigung erreichten Einkommen gezahlt werden sollen. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ist das Ausmaß der Ermächtigung hinreichend bestimmt, wenn der Bundesregierung ein "Programm" an die Hand gegeben wird, aus dem die Grenzen der von ihr zu erlassenden Regelungen ersichtlich sind. §§ 40 a Abs. 4, 30 Abs. 7 iVm 30 Abs. 4 BVG genügen somit den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG (BVerfG, Beschluß vom 14.5.1969, aaO).

Die generalisierenden Regelungen zur Ermittlung des Einkommensverlustes verstoßen auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Erst die willkürliche Zusammenfassung verschiedener Berufs- oder Wirtschaftsgruppen würde den Gleichheitsgrundsatz verletzen; durch die Ermächtigungsnorm selbst ist er nicht verletzt (BVerfG, aaO).

Es bleibt somit zu prüfen, ob die über § 11 DVO für den Schadensausgleich der Klägerin geltenden §§ 4 Abs. 2 und 6 Abs. 1 DVO sich im Rahmen der Ermächtigung der §§ 40 a Abs. 4 und 30 Abs. 7 BVG halten.

§ 4 Abs. 2 DVO faßt die Berufsoffiziere mit Bezügen nach der Besoldungsgruppe A 13 (von Major aufwärts) in einer Berufsgruppe zusammen und ordnet ihr als Durchschnittseinkommen das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 14 BBesG zu. Diese Zusammenfassung wird von der gesetzlichen Ermächtigung gedeckt, weil diese Personen nach den in § 30 Abs. 4 Satz 1 und § 40 a Abs. 2 Satz 2 BVG aufgezählten Unterscheidungskriterien eine einheitliche Gruppe bilden. Gemeinsam ist ihnen, unbeschadet von Rangunterschieden, die Art und Weise der Berufsausübung, sowie ihre Qualifikation und ihr Verantwortungsbereich, die sie von den "Subalternoffizieren" abheben. Der Verordnungsgeber hat für ranghöhere Berufsoffiziere, etwa für Generale, ebensowenig eine besondere "Berufsgruppe" bilden müssen, wie er es für die "ranghöheren" Beamten der Laufbahngruppe des höheren Dienstes getan hat. § 4 Abs. 2 DVO verletzt den Gleichheitssatz auch nicht dadurch, daß er das Durchschnittseinkommen aller Berufsoffiziere von der Besoldungsgruppe A 13 BBesG an auf das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 14 festlegt. Unter Berücksichtigung des angestrebten pauschalierten Ausgleichs ist es nicht zu beanstanden, daß der Verordnungsgeber auf diejenige Besoldungsgruppe abstellt, die die Berufsoffiziere der erfaßten Besoldungsgruppe im Durchschnitt erreichen (BVerfG aaO). Hierbei ist ferner zu berücksichtigen, daß der Beschädigte bzw. seine Witwe nicht mit dem kaum zu erbringenden Nachweis über die ohne die Schädigung erreichte Position und das entsprechende Einkommen belastet werden. Der Verordnungsgeber ist deshalb auch nicht genötigt, bei der Festsetzung des Durchschnittseinkommens die günstigste mögliche Entwicklung zu unterstellen, sondern darf einen "durchschnittlichen Berufserfolg" zugrunde legen (so zu § 6, BSG, Urteil vom 22.10.1968 - 9 RV 230/68 - SozR Nr. 4 zu § 6 der DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 vom 30.7.1964; Thannheiser-Wende-Zech, Handbuch des Bundesversorgungsrechts, Anm. zu § 30 Abs. 3; van-Nuis-Vorberg, Das Recht der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen, IV. Teil, S. 34 a). Eine weitere Differenzierung nach Besoldungsgruppen würde gerade die Anwärter auf hoch besoldete Stellen begünstigen, die dieser Besserstellung nach ihrer sozialen Position im Verhältnis zu den übrigen Beschädigten im allgemeinen weniger bedürfen (BSG, Urteil vom 26.11.1968 - 9 RV 724/66).

Da § 6 Abs. 1 DVO voraussetzt, daß der Beschädigte vor dem Eintritt der Schädigung eine berufliche Stellung erreicht hat, die durch § 4 Abs. 2 DVO nicht ausreichend berücksichtigt wird, der Ehemann der Klägerin jedoch bei seinem Tod einer der Besoldungsgruppe A 13 BBesG vergleichbaren Besoldungsgruppe angehörte, kann ihr Anspruch auf § 6 Abs. 1 DVO nicht gestützt werden.

Auch eine analoge Anwendung dieser Vorschrift kommt nicht in Betracht. § 6 DVO hat den Zweck, ausnahmsweise in den Fällen, in denen das Durchschnittseinkommen der §§ 3 bis 5 DVO bereits vor der Schädigung überschritten war, bei der Berechnung des Schadensausgleichs von der pauschalen Ermittlung des Einkommens abzuweichen und statt dessen von dem tatsächlich erreichten Berufserfolg auszugehen. Ob diese Regelung nicht überhaupt über die von § 30 Abs. 4, 7 und § 40 a Abs. 2 Satz 2 BVG aufgestellten Grundsätze hinausgeht - die genannten Vorschriften wollen nur das Durchschnittseinkommen der betreffenden Berufs- oder Wirtschaftsgruppe berücksichtigt wissen - braucht hier, weil sich daraus der Anspruch der Klägerin nicht ergeben kann, nicht entschieden zu werden. Zumindest muß die Regelung des § 6 Abs. 1 DVO deshalb eng ausgelegt werden und ist keiner analogen Anwendung zugänglich (BSG, Urteil vom 25.7.1967 - 9 RV 892/65 - BSG 27, 69, 73; Urteil vom 27.9.1968 - 8 RV 109/67; Urteil vom 26.11.1968 - 9 RV 724/66). § 6 DVO überschreitet auch nicht zum Nachteil der Klägerin den Rahmen der Ermächtigungsnormen der §§ 40 a Abs. 4 und 30 Abs. 7 BVG. § 40 a Abs. 2 Satz 2 BVG bestimmt zwar, daß als Einkommen nicht nur das Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe gilt, der der Verstorbene angehört hat, sondern auch das der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der er ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, seinen beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten wahrscheinlich angehören würde. Durch die Ausnahmeregelung des § 6 DVO wird keine besondere Berufs- oder Wirtschaftsgruppe geschaffen, die nach den Ermächtigungsnormen zu beachten wäre. Der Kreis der von § 6 DVO erfaßten Personen stellt keine Zusammenfassung von Angehörigen verschiedener, aber in der Ausbildung und Ausübung ähnlicher Berufe dar (BSG, Urteil vom 17.8.1967 - 8 RV 913/66 - BSG 27, 119, 121). Allein der überdurchschnittliche Berufserfolg ist diesen Personen gemeinsam, er macht sie jedoch nicht zu einer Berufs- oder Wirtschaftsgruppe. Zwar ist in § 2 Abs. 3 DVO bestimmt, daß der durch die Schädigung verhinderte Aufstieg zu berücksichtigen ist. Das gilt aber nur für die Bestimmung der Berufsgruppe, in die der Beschädigte einzuordnen ist (BSG, Urteil vom 17.10.1967 - 9 RV 914/65 -, BSG 27, 178, 181), so daß dem Schadensausgleich der Klägerin in jedem Falle gemäß § 4 Abs. 2 DVO nur die Besoldungsgruppe A 14 als Durchschnittseinkommen der Berufsoffiziere ab der Besoldungsgruppe A 13, die das 47. Lebensjahr erreicht haben, zugrunde zu legen ist. Auch auf diesem Wege kann die Klägerin nicht gegen den eindeutigen Wortlaut des § 6 DVO, aus dem sich ergibt, daß über die §§ 3 bis 5 DVO hinaus der durch die Schädigung verhinderte Aufstieg nicht berücksichtigt werden soll, in den Genuß eines nach § 6 Abs. 1 DVO berechneten Schadensausgleich gelangen.

§ 6 DVO verstößt auch nicht gegen den Gleichheitssatz, weil er den hypothetischen Berufsverlauf außer acht läßt. Es handelt sich nicht um eine unsachliche Differenzierung, wenn ausnahmsweise das bereits vor der Schädigung erreichte Einkommen berücksichtigt, also an den individuellen Berufserfolg angeknüpft wird, weil der nach den §§ 3 bis 5 DVO anzulegende Maßstab durch das tatsächlich erzielte überdurchschnittliche Einkommen widerlegt ist (BSG, Urteil vom 26.11.1968 - 9 RV 724/66). Wenn das Vorliegen dieses Falles nachgewiesen werden muß, so entspricht das allgemeinen Verfahrensgrundsätzen und kann nicht als willkürlich angesehen werden (BVerfG, Beschluß vom 14.5.1969, aaO).

Die Klägerin wendet sich auch zu Unrecht dagegen, daß der ihr an sich bewilligte Schadensausgleichsanspruch gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG ruht. Eine unrichtige Anwendung dieser Vorschrift ist nicht ersichtlich. Die von der Klägerin verlangte einschränkende Auslegung des § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern, da der vorliegende Fall unmittelbar ohne ausdehnende Rechtsanwendung von der genannten Vorschrift erfaßt wird.

Es kommt mithin darauf an, ob die Ruhensvorschrift des § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG verstößt. Eine derartige Verletzung sieht die Klägerin darin, daß § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG das Ruhen unterschiedslos beim Zusammentreffen von Versorgungsbezügen aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge und nach BVG anordnet, ohne bei denjenigen Witwen eine Ausnahme zu machen, deren Ehemänner "außergewöhnlich jung gefallene, besonders gut veranlagte Berufsoffiziere" waren. Sie meint, damit habe der Gesetzgeber zwei ungleiche Sachverhalte derselben Vorschrift unterworfen, obwohl er sich durch die Besonderheiten der Fallgestaltungen zu einer differenzierenden Regelung habe gedrängt fühlen müssen.

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung die Ansicht vertreten, daß der Gleichheitssatz für den Gesetzgeber die allgemeine Weisung enthalte, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln (BVerfG, Urteil vom 23.10.1951, E 1, 14, 52; Urteil vom 17.12.1953, E 3, 58; 135; Beschluß vom 14.4.1959, E 9, 237, 244; Beschluß vom 27.5.1964, E 18, 38, 46); er ist verletzt, wenn für eine gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung ein vernünftiger, aus der Natur der Sache sich ergebender oder sachlich einleuchtender Grund sich nicht finden läßt, wenn also für eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise die Regelung als willkürlich bezeichnet werden muß (BVerfG, Urteil vom 23.10.1951, E 1, 14, 52; Urteil vom 30.4.1952, E 1, 264, 275; Beschluß vom 27.5.1964, E 18, 38, 46; Beschluß vom 15.3.1967, E 21, 227, 234). Der Gleichheitssatz verpflichtet den Gesetzgeber jedoch nicht, unter allen Umständen Ungleiches ungleich zu behandeln. Entscheidend ist vielmehr, ob die tatsächlichen Ungleichheiten in dem jeweils in Betracht kommenden Zusammenhang so bedeutsam sind, daß der Gesetzgeber sie bei seiner Regelung beachten muß (BVerfG, Urteil vom 30.4.1952, E 1, 264, 276). Bei der Beantwortung dieser Frage ist zu berücksichtigen, daß jede gesetzliche Regelung generalisieren muß; besonders für die Ordnung von Massenerscheinungen ist die Berücksichtigung jeder Abweichung im Sachverhalt nicht möglich und eine typisierende Regelung erforderlich (BVerfG, Beschluß vom 28.6.1960, E 11, 245, 254). Daraus ergibt sich, daß § 65 BVG, der Doppelleistungen der öffentlichen Hand insoweit ausschließen will, als diese auf derselben Ursache beruhen (BSG, Urteil vom 22.5.1958 - 8 RV 701/55 - BSG 7, 206, 207), auch ohne Berücksichtigung des frühen Todes eines sehr begabten Offiziers das Ruhen der Bezüge nach dem BVG anordnen darf, ohne als willkürlich zu erscheinen. Unter dem hier dem Gesetzgeber wesentlichen Gesichtspunkt - Ausschluß von auf derselben Ursache beruhenden Doppelleistungen - kommt es auf die Zukunftsaussichten des Betroffenen gerade nicht an. Entscheidend ist vielmehr, daß die Berufssoldaten und deren Hinterbliebene deshalb nicht in den Genuß einer doppelten Versorgung kommen sollen, weil für sie eine Kriegsverletzung zwangsläufig ein Dienstunfall ist, während die übrigen Soldaten und deren Witwen und Waisen lediglich auf die Bezüge nach dem BVG angewiesen sind. Das BVG beabsichtigt in erster Linie die Sicherung der nicht anderweitig versorgten Kriegsopfer; nur soweit das BVG höhere Leistungen vorsieht als die beamtenrechtliche Unfallfürsorge, will es auch den Berufssoldaten und Beamten Ansprüche gewähren. Aus den von der Klägerin vorgetragenen Unterschieden kann jedenfalls eine Pflicht des Gesetzgebers, für den betroffenen Personenkreis, sofern sich dieser überhaupt bestimmen läßt, eine doppelte Versorgung vorzusehen, nicht hergeleitet werden (im Ergebnis ebenso: BSG, Urteil vom 22.5.1958 - 8 RV 701/55 - BSG 7, 206, 208). Eine derartige Verpflichtung ergibt sich auch nicht aus dem Sozialstaatsprinzip. Diesem hat der Gesetzgeber bereits dadurch genügt, daß er der Klägerin einen Versorgungsanspruch aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge gewährt, der der Höhe nach nicht als offensichtlich unangemessen angesehen werden kann.

Die Klägerin meint, trotz des vom Gesetzgeber gebrauchten Ausdrucks "Ruhen" entstehe für sie ein Anspruch nach dem BVG im Grunde gar nicht und könne, da das Ende des "Ruhens" nicht denkbar sei, auch nicht entstehen. Auch wenn dies zuträfe, so wäre dadurch das Erfordernis der Gesetzesklarheit nicht in so hohem Maße verletzt, daß ein Verstoß gegen den in Art. 20 Abs. 3 GG enthaltenen Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit angenommen werden müßte (BVerfG, Beschluß vom 24.7.1963, E 17, 67, 82). Hierbei kommt es entscheidend auf die Folgen an, die im sozialen Leben und im Rechtsverkehr für den Betroffenen von der Unbestimmtheit des Gesetzes abhängen. Es ist der Klägerin zuzugeben, daß in ihrem Falle wegen der Höhe des Unterschieds zwischen der Versorgung nach allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen und der ihr zustehenden aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge ein Ende des "Ruhens" der Versorgungsbezüge nicht zu erwarten ist; ob es sich in einem solchen Fall rechtstechnisch noch um ein "Ruhen" handelt oder insoweit, wie die Klägerin meint, in Wirklichkeit eine "verschämte Bezeichnung" für einen Ausschluß von Leistungen nach dem BVG gewählt ist, ist für die Anwendung der Vorschrift, deren Sinngehalt eindeutig ist, nicht erheblich. Es entsteht der Klägerin aus der Formulierung des Gesetzes kein Nachteil. Für sie ist die Rechtslage eindeutig; sie kann in Höhe ihrer die allgemeine Beamtenversorgung übersteigenden Bezüge aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge keine Zahlungen nach dem BVG verlangen.

Im übrigen ist zu berücksichtigen, daß es sich bei dem Begriff "Ruhen" lediglich um eine Konstruktionshilfe handelt, der keine selbständige Bedeutung zukommt (Sinthaus, Der Begriff "ruhender Anspruch", ZfS 1952, 257, 258). Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in dem von der Klägerin angeführten Urteil vom 16. Dezember 1965 (RLA 1966, 185) aus der Erkenntnis, daß es sich im zu entscheidenden Fall im rechtstechnischen Sinn nicht um ein Ruhen, sondern ein Nichtentstehen des Rechts handelte, nicht die Folgerung gezogen, die das "Ruhen" anordnende Vorschrift sei nichtig und der Anspruch bestehe.

Da somit das angefochtene Urteil keinen Rechtsverstoß enthält, ist die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen.

Da die §§ 30 Abs. 7 und 40 a Abs. 4 BVG, 4 Abs. 2 und 6 Abs. 1 der DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG, sowie § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG in dem hier entscheidungserheblichen Umfang nach Überzeugung des Senats nicht gegen Vorschriften des GG verstoßen haben, ist eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nach § 100 Abs. 1 GG nicht einzuholen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2285189

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