Leitsatz (amtlich)

Wenn ein Hauptseminar für die heilpädagogische Zusatzausbildung die Voraussetzungen einer beruflichen Fortbildungsmaßnahme nach AFG § 41 Abs 1 erfüllt, ist der damit organisatorisch und inhaltlich eng verbundene Vorbereitungslehrgang (Proseminar) für Kindergärtnerinnen und Heimerzieher, die den Abschluß der höheren Fachschule nicht besitzen, als unselbständiger Teil der gesamten nach AFG § 41 Abs 1 förderungsfähigen Fortbildungsmaßnahme anzusehen, sofern die Teilnahme von einer abgeschlossenen Berufsausbildung oder angemessenen Berufserfahrung abhängig ist.

 

Normenkette

AFG § 41 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25, § 43 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13. Oktober 1971 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I

Die 1940 geborene Klägerin hat die Schule mit der mittleren Reife verlassen und eine Berufsausbildung als Kindergärtnerin und Heimerzieherin abgeschlossen. Von Oktober 1967 bis September 1970 arbeitete sie als Kindergärtnerin. Sie beantragte am 21. April 1970, die Teilnahme an der heilpädagogischen Zusatzausbildung zu fördern, die beim Heilpädagogischen Seminar des Deutschen Caritasverbandes in F in der Zeit vom 1. Oktober 1970 bis 30. September 1972 durchgeführt worden ist. Zum Heilpädagogischen Seminar wurden nach zweijähriger Berufspraxis Sozialarbeiterinnen, Jugendleiterinnen und Heimerzieherinnen mit einer der höheren Fachschule gleichwertigen abgeschlossenen Ausbildung zugelassen. Für Kindergärtnerinnen und andere Personen mit einfacher Fachschulausbildung - wie bei der Klägerin - wurde die Zulassung von der Teilnahme an einem Proseminar (Vorkurs) und dem Bestehen der daran anschließenden Abschlußprüfung abhängig gemacht. Im einzelnen unterteilte sich das Proseminar in sechs Monate Theorie und sechs Monate Praktikum. Im ersten halben Jahr umfaßte der Unterricht insgesamt 25 Wochenstunden und wurde in den Fächern Jugendpflege, Sozialpolitik, Methodik der geistigen Arbeit, allgemeine Pädagogik, Sozialpsychologie, Jugendhilfe, Charakterkunde, Gesundheitslehre, Besprechung von Fachliteratur, Rhythmik, Werken und Praxisanleitung erteilt.

Das Arbeitsamt (ArbA) Freiburg lehnte mit Bescheid vom 2. Juli 1970 den Antrag der Klägerin auf Förderung der Teilnahme an dem Proseminar ab. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos. Zur Begründung führte das ArbA in dem Widerspruchsbescheid vom 7. August 1970 aus: Das Proseminar ersetze nur für bestimmte Teilnehmer den Nachweis einer entsprechenden Vorbildung; es gehöre daher zum Bereich der Allgemeinbildung und nicht zur Fortbildung.

Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Freiburg durch Urteil vom 12. Januar 1971 den ablehnenden Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Teilnahme der Klägerin am Proseminar nach den Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) zu fördern. Die dagegen eingelegte Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg durch Urteil vom 13. Oktober 1971 zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: Das SG sei zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, daß das Proseminar nach dem Lehrprogramm nicht als eine Maßnahme der Allgemeinbildung angesehen werden könne. Es handle sich dabei auch um keine Berufsausbildung, da nach § 2 Abs. 5 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung vom 18. Dezember 1969 - AFuU 1969 - (ANBA 1970, 85) Berufsausbildung nur die Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf sei. Der Heilpädagoge gehöre nicht dazu. Da die Teilnahme an dem Proseminar ausschließlich auf das Berufsziel des Heilpädagogen ausgerichtet sei und sonst keine anderen beruflich verwertbaren Kenntnisse vermittelt würden, könne sie nach ihrem Ziel nicht als berufliche Ausbildungsmaßnahme angesehen werden. Es seien aber die Voraussetzungen der beruflichen Fortbildung nach § 41 AFG gegeben. Wesentliches Merkmal der beruflichen Fortbildung sei, daß sie eine abgeschlossene Berufsausbildung oder eine angemessene Berufserfahrung - oder beides - voraussetze. Im Gegensatz zur Ausbildung baue sie auf einer schon vorliegenden, fertigen Berufsausbildung auf. Diese Voraussetzung sei bei der Teilnahme an dem Proseminar gegeben. Es müsse der erfolgreiche Besuch einer Fachschule des Sozialpädagogischen oder pflegerischen Bereichs vorausgehen. Bei dem Proseminar handele es sich auch nicht nur um eine vorbereitende Bildungsveranstaltung. Zwar vermittle der Besuch des Proseminars für sich allein noch keine unmittelbar im Beruf verwertbaren Kenntnisse und ermögliche auch noch nicht unmittelbar den beruflichen Aufstieg. Diese Unmittelbarkeit sei jedoch nicht erforderlich. Nach Ziel, Unterrichtsgegenstand und Lehrgangsträger sei das Proseminar engstens mit dem Hauptseminar verknüpft. Die Verbindung sei so eng, daß beide als eine einheitliche Bildungsmaßnahme anzusehen seien. Durch das Proseminar sollten die Kindergärtnerinnen ausschließlich auf das Hauptseminar vorbereitet werden. Von überwiegend denselben Dozenten seien die Vorlesungen über gleiche oder verwandte Gegenstände zu halten. Die Teilnehmer würden mit dem erfolgreichen Abschluß des Hauptseminars unmittelbar im Beruf verwertbare Kenntnisse, die im Fall der Klägerin Voraussetzung für einen beruflichen Aufstieg seien, erwerben. Das entscheidende Merkmal einer Fortbildungsmaßnahme sei nicht der Gegenstand des Unterrichts und nicht die Art des Lehrgangs, sondern seine Zugangsvoraussetzungen, die für mehrere Gruppen von Teilnehmern verschieden sein könnten, und das Ziel des Lehrgangs. Der Umstand, daß die Teilnahme am Proseminar bei der Klägerin den Besuch der höheren Fachschule ersetze, stehe dem Anspruch nicht entgegen. Aus der Anerkennung der Förderungsfähigkeit der Teilnahme am Proseminar könne auch nicht der weitergehende Schluß gezogen werden, jede Bildungsveranstaltung sei förderungsfähig, die der Vorbereitung auf eine Fortbildungsmaßnahme diene. Eine wesentliche Einschränkung ergebe sich schon daraus, daß die Bildungsmaßnahme nach § 41 AFG eine abgeschlossene Berufsausbildung oder angemessene Berufserfahrung voraussetzen müsse.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 41 AFG. Sie führt dazu aus: Das LSG habe rechtsirrtümlich angenommen, es handle sich bei dem Proseminar und Hauptseminar um eine einheitliche Bildungsmaßnahme. Tatsächlich lägen hier zwei voneinander getrennte Bildungsgänge vor, nämlich das Heilpädagogische Seminar und die Zusatzausbildung im Rahmen des Proseminars. Die heilpädagogische Zusatzausbildung im Proseminar sei eine vorbereitende Bildungsmaßnahme mit Ausbildungscharakter. Die Klägerin erfülle die für das Studium am Heilpädagogischen Seminar geforderten Voraussetzungen nicht. Als Absolventin einer Fachschule mit dem Abschluß als Kindergärtnerin und Heimerzieherin habe sie jedoch die Möglichkeit, sich über einen sog. zweiten Weg - Vorbereitungslehrgang (Proseminar) - Zugang zum Besuch des Heilpädagogischen Seminars zu verschaffen. Das Proseminar diene - auch nach Auffassung des Heilpädagogischen Seminars - hauptsächlich dem Zweck, den Absolventen der Fachschulen einen dem Studium an der Höheren Fachschule gleichwertigen Wissensstand zu vermitteln. Es handele sich im Ergebnis um eine ergänzende Ausbildung, die in Verbindung mit dem Fachschulabschluß die Ausbildung an der höheren Fachschule ersetze. Es könne nicht ausschlaggebend sein, daß gleichzeitig berufsspezifische Kenntnisse vermittelt würden. Durch den Besuch des Proseminars werde die berufliche Beweglichkeit der Teilnehmer in einem arbeitsmarktpolitisch erheblichen Maße nicht verbessert. Durch das Proseminar würden keine unmittelbar im Beruf verwertbaren Kenntnisse vermittelt und auch kein beruflicher Aufstieg ermöglicht. Erst die Teilnahme am Hauptseminar sei berufliche Fortbildung. Der Besuch der höheren Fachschule zähle nach § 2 Abs. 6 AFuU 1969 nicht zur beruflichen Fortbildung, sondern zur Berufsausbildung. Das Proseminar könne nicht anders behandelt werden. Mit dem Proseminar vergleichbare Bildungsmaßnahmen seien auch außerhalb des sozialen Bereichs vorhanden. Beispielsweise sei die berufliche Fortbildung von kaufmännischen Fachkräften zu Betriebswirten zu nennen. Die Bildungsgänge im Vorfeld der beruflichen Bildung könnten nach den Bestimmungen des AFG und der AFuU 1969 nicht als Maßnahmen der beruflichen Fortbildung und Umschulung angesehen werden. Eine andere Beurteilung würde die Grenzen zwischen Ausbildung und beruflicher Fortbildung verwischen und schließlich zu einer - vom Verwaltungsrat der Beklagten nicht beabsichtigten - Ausweitung der Förderung der beruflichen Bildung nach dem AFG führen.

Die Beklagte beantragt,

die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

den Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für richtig.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

II

Die Revision der Beklagten ist unbegründet.

Das Berufungsgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, daß es sich bei der Teilnahme der Klägerin am Proseminar und Hauptseminar des Deutschen Caritasverbandes in Freiburg um die Teilnahme an einer einheitlichen Bildungsmaßnahme im Sinne der beruflichen Fortbildung nach § 41 Abs. 1 AFG handelt.

Nach den unangefochtenen (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG war der Unterrichtsinhalt im theoretischen Teil des Proseminars auf das Ziel der zusätzlichen Ausbildung von Kindergärtnerinnen und Heimerziehern zum Heilpädagogen ausgerichtet. Mit Recht hat das Berufungsgericht deshalb angenommen, daß dieser Teil des Proseminars nicht zum Bereich der Allgemeinbildung zu rechnen ist. Zu diesem Bereich gehört nämlich eine Bildungsmaßnahme nur dann, wenn überwiegend Wissen vermittelt wird, das dem von allgemeinbildenden Schulen angestrebten Bildungsziel entspricht (vgl. § 2 Abs. 4 AFuU 1969).

Das Proseminar kann auch nicht als Maßnahme der beruflichen Ausbildung im Sinne des § 40 Abs. 1 AFG qualifiziert werden. Hierzu gehört Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf (§ 2 Abs. 5 Satz 1 AFuU 1969), nicht jedoch die Zusatzausbildung zum Heilpädagogen (vgl. Verzeichnis der anerkannten Ausbildungsberufe nach § 30 des Berufsbildungsgesetzes - BBiG - nach dem Stand vom 1. Mai 1972 und vom 1. Juni 1973, herausgegeben vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung). Auch wenn man den Begriff der beruflichen Ausbildung weiter als § 2 Abs. 5 Satz 1 AFuU 1969 und § 2 der Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit über die individuelle Förderung der beruflichen Ausbildung vom 31. Oktober 1969 - AA - (ANBA 1970, 213) faßt und auch die Ausbildung in nicht anerkannten Berufen in betrieblichen und überbetrieblichen Einrichtungen hinzunimmt (vgl. Schönefelder/Kranz/Wanka, AFG § 40 Anm. 5), kann die Zusatzausbildung zum Heilpädagogen dazu nicht gerechnet werden. Es handelt sich nämlich insoweit nicht um eine Erstausbildung für einen Beruf, sondern gerade um die zusätzliche Weiterbildung für einen beruflichen Aufstieg, die nach den unangefochtenen Feststellungen des LSG eine abgeschlossene Berufsausbildung und Berufspraxis als Kindergärtnerin oder Heimerzieher voraussetzt. Mit Recht hat das Berufungsgericht ausgeführt, daß diese besonderen Zugangsvoraussetzungen ein wesentliches Merkmal der beruflichen Fortbildung (§ 41 Abs. 1 AFG) sind, wodurch sie sich u.a. von einer beruflichen Ausbildung (§ 40 Abs. 1 AFG) unterscheiden. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BSG SozR Nr. 1 zu § 41 AFG). Zwar ist das Proseminar allein noch keine förderungsfähige Fortbildungsmaßnahme im Sinne des § 41 Abs. 1 AFG; zutreffend ist aber das LSG davon ausgegangen, daß es sich bei dem Proseminar und dem Hauptseminar für die Ausbildung zum Heilpädagogen nach Zielsetzung, Unterrichtsgegenstand und Lehrgangsträger um zwei Teile einer einheitlichen Fortbildungsmaßnahme im Sinne des § 41 Abs. 1 AFG handelt. Der Träger des Proseminars und des Hauptseminars ist identisch. Die Ausbildung in dem Proseminar empfängt ihren Sinn ausschließlich von der Zielsetzung des Hauptseminars, nämlich den Teilnehmern die zusätzliche Qualifikation zum Heilpädagogen und damit einen beruflichen Aufstieg zu vermitteln. Inhaltlich ist der Lehrstoff des Proseminars nach den unangefochtenen Feststellungen des Berufungsgerichts vollkommen auf die Unterrichtsgegenstände im Hauptseminar ausgerichtet. Da die Zusatzausbildung im Hauptseminar im übrigen - was auch von der Revision anerkannt wird - alle Voraussetzungen einer beruflichen Fortbildungsmaßnahme nach § 41 Abs. 1 AFG erfüllt, kann die damit organisatorisch und inhaltlich eng verbundene Ausbildung im Proseminar nur als unselbständiger Teil der gesamten heilpädagogischen Zusatzausbildung für Fachschulabsolventen angesehen werden.

Dem kann die Revision nicht entgegenhalten, das Proseminar als Vorbereitung für das heilpädagogische Hauptseminar habe dennoch Ausbildungs- und nicht Fortbildungscharakter, weil es für die Kindergärtnerinnen den Besuch der höheren Fachschule ersetze, der zum Bereich der Berufsausbildung gehöre (vgl. § 2 Abs. 6 Satz 1 AFuU 1969). Ausschlaggebend ist nicht, daß das Proseminar neben berufsspezifischem Wissen für die Tätigkeit als Heilpädagoge auch Kenntnisse vermittelt, die die Klägerin auf den Wissensstand der höheren Fachschule anheben. Abgesehen davon, daß die Teilnehmer des Proseminars durch die Ablegung der Zwischenprüfung vor dem Eintritt in das Hauptseminar nicht generell die Stellung eines Absolventen der höheren Fachschule im allgemeinen Berufsleben erhalten, unterscheidet sich das Proseminar sowohl nach den Zugangsvoraussetzungen (abgeschlossene Berufsausbildung und Berufserfahrung) als auch nach seinem Lehrinhalt als Teil einer Fortbildungsmaßnahme im vorliegenden Fall von den Voraussetzungen und Lehrinhalten einer Ausbildungsmaßnahme. Eine Fortbildungsmaßnahme verliert ihren Charakter nicht etwa dadurch, daß sie in verschiedene Abschnitte - wie hier in Proseminar und Hauptseminar - aufgeteilt und für bestimmte Gruppen vorgesehen ist, daß sie bei unterschiedlichen Zugangsvoraussetzungen im Sinne des § 41 Abs. 1 AFG mit der Teilnahme an der gesamten oder einem (abgrenzbaren) Teil der Maßnahme den mit ihr bezweckten Fortbildungserfolg erreichen. Allerdings muß dabei im Einzelfall, insbesondere je nach dem Lehrinhalt, entschieden werden, ob sogenannte Vorbereitungskurse, Proseminare und ähnliche Veranstaltungen als allgemeinbildender Abschnitt oder als Teil der Fortbildungsmaßnahme anzusehen sind. Letzteres ist dann der Fall, wenn solche Vorbereitungslehrgänge, die eine abgeschlossene Berufsausbildung oder eine angemessene Berufserfahrung voraussetzen, ihren Sinn nur durch die Zielsetzung eines ihnen folgenden Hauptlehrgangs empfangen, der die Voraussetzungen der Fortbildung nach § 41 AFG erfüllt und auf den der Vorbereitungslehrgang inhaltlich überwiegend ausgerichtet ist; dann müssen sie als Teil einer Gesamtmaßnahme der beruflichen Fortbildung im Sinne der §§ 41, 43 AFG angesehen werden. Die Beklagte verkennt im übrigen, daß Aufgabe und Ziel des Besuchs einer höheren Fachschule und des Proseminars unterschiedlich sind. Während die höhere Fachschule auf den Beginn in einem bestimmten Beruf vorbereitet, soll für die Kindergärtnerin und den Heimerzieher durch den Besuch des Proseminars und Hauptseminars ein beruflicher Aufstieg, also eine berufliche Fortbildung (§§ 41, 43 AFG) ermöglicht werden.

Durch die hier getroffene Unterscheidung werden nicht, wie die Revision meint, die Grenzen zwischen beruflicher Ausbildung und beruflicher Fortbildung verwischt. Die Abgrenzung liegt darin, daß Maßnahmen, die objektiv als Erstausbildung angelegt sind, also auf den Anfang eines Berufs vorbereiten sollen, ausschließlich Ausbildungscharakter haben. Alle vorbereitenden Bildungsmaßnahmen für Fortbildungsveranstaltungen, deren Besuch von vornherein von einer abgeschlossenen Berufsausbildung oder einer angemessenen Berufserfahrung - wie in § 41 Abs. 1 AFG vorgesehen - abhängig gemacht werden, sind dagegen schon durch diese Zugangsvoraussetzungen von den Ausbildungsveranstaltungen abzugrenzen.

Die von der Beklagten vertretene Auffassung würde auch gegen Sinn und Zweck des AFG verstoßen und zu unbilligen Ergebnissen führen. Während der Besuch der höheren Fachschule als Ausbildung nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 Berufsausbildungs-Förderungsgesetz (BAFöG) förderungsfähig wäre, könnte im vorliegenden Fall der Besuch des Proseminars unter keinem Gesichtspunkt gefördert werden. Wäre die Auffassung der Revision richtig, so wäre der Zugang zu einer qualifizierten beruflichen Bildung und damit der berufliche Aufstieg als Förderungsziel im Sinne der §§ 41, 43 AFG für Bewerber verschlossen, die aufgrund ihrer bisherigen Berufsausbildung und Berufstätigkeit zwar zu einem beruflichen Aufstieg befähigt wären, aber im Vergleich zu Absolventen einer höheren Fachschule in größerem Umfang theoretische Kenntnisse und darauf aufbauend die Fertigkeit, diese Kenntnisse praktisch zu verwerten, noch erwerben müßten, um das Hauptseminar als Fortbildungsmaßnahme besuchen zu können. Wenn das AFG nach seinem Inhalt (§ 2 Nr. 2) gerade den Zweck verfolgt, die berufliche Beweglichkeit bei Erwerbstätigen zu sichern und zu verbessern, so muß auch Fachschulabsolventen, die die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen, der Zugang zur heilpädagogischen Zusatzausbildung über das Proseminar durch Einbeziehung dieser Maßnahme in die Förderungsfähigkeit eröffnet werden. Nur so kann nämlich diesen Bewerbern der berufliche Aufstieg (§ 43 Abs. 1 Nr. 1 AFG) und die Korrektur von Berufswahlentscheidungen ermöglicht werden, die das AFG gerade anstrebt.

Nach allem ist die Revision der Beklagten unbegründet. Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, daß auch der Besuch des theoretischen Teils des Proseminars für die heilpädagogische Zusatzausbildung als berufliche Fortbildung nach den §§ 41, 43 AFG von der Beklagten gefördert wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

 

Fundstellen

BSGE, 296

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