Orientierungssatz
Für die Gewährung von Wintergeld nach AFG § 80 Abs 1 idF des AFGÄndG 2 können nur Zeiten für innerhalb der Grenzen der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Berlin verrichtete Arbeiten berücksichtigt werden (Anschluß an BSG 1977-04-20 7 RAr 55/75 = BSGE 43, 255).
Normenkette
AFG § 80 Abs. 1 Fassung: 1972-05-19
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. November 1976 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, Wintergeld (WG) für zwei Arbeitnehmer der Klägerin zu gewähren, die auf einer Baustelle in B (Frankreich) beschäftigt waren.
Die Klägerin betreibt mit Sitz in Bielefeld ein Unternehmen des Baugewerbes. Am 4. April 1973 beantragte sie ua für zwei im Januar 1973 auf einer Baustelle in B beschäftigte Arbeiter WG, das die Beklagte mit Bescheid vom 9. Juli 1973 mit der Begründung ablehnte, daß sich die Baustelle außerhalb des Geltungsbereiches des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) befinde. Widerspruch, Klage und Berufung der Klägerin sind erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 1973, Urteil des Sozialgerichts - SG - Detmold vom 15. Januar 1975, Urteil des Landessozialgerichts - LSG - für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. November 1976). Das LSG hat die Auffassung vertreten, die Winterbauförderung beschränke sich auf den räumlichen Geltungsbereich des AFG, also auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Berlin.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin sinngemäß eine Verletzung des § 80 AFG. Sie beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 9. Juli 1973 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 1973 zu verurteilen, WG auch für die in der Förderungszeit 1972/73 in B beschäftigten Arbeitnehmer zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen.
Das LSG hat zutreffend entschieden, daß der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf WG für ihre im Januar 1973 auf einer Baustelle in Bordeaux beschäftigten Arbeitnehmer nicht besteht. Die Frage, ob WG nach § 80 Abs 1 AFG idF des Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des AFG vom 19. Mai 1972 - 2. ÄndG AFG - (BGBl I 791) auch für Arbeiten gewährt werden kann, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des AFG verrichtet werden, hat das Bundessozialgericht (BSG) bereits entschieden (Urteil des 7. Senats vom 20. April 1977 - 7 RAr 55/75 - zur Veröffentlichung bestimmt). Es hat dabei unter ausführlicher Erörterung des von Rechtsprechung und Lehre für die Sozialversicherung entwickelten Territorialitätsbegriffes und der sogenannten Ausstrahlungstheorie sowie der Entwicklungsgeschichte und der gesetzgeberischen Ziele der Vorschrift überzeugend dargetan, daß deren Anwendung außerhalb der Grenzen der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Berlin ausgeschlossen ist. Der erkennende Senat schließt sich nach eigener Prüfung dieser Rechtsprechung an. Dabei brauchte der Senat den vielfältigen Einwendungen des Klägers gegen die Begründung des 7. Senats nicht im einzelnen nachzugehen, da die Entscheidung schon aus folgenden Gründen gerechtfertigt ist: WG wird seinem Grundgedanken nach zwar für Erschwernisse bei der Arbeit unter schwierigen Witterungsbedingungen gezahlt. Es ist jedoch nicht für jede Arbeit unter solchen Bedingungen vorgesehen und auch nicht von dem tatsächlichen Eintreten schwieriger Witterungsbedingungen abhängig. Die Leistung wird unabhängig von den Witterungsbedingungen für Arbeiten in einem bestimmten Zeitraum, dem Förderungszeitraum (1. Dezember bis 15. März), gewährt. Für Arbeiten außerhalb dieses Zeitraumes gibt es hingegen kein WG, selbst wenn sie unter äußerst ungünstigen winterlichen Witterungsbedingungen verrichtet werden müssen. Die Gewährung dieser an sich an den Witterungsverhältnissen anknüpfenden Leistung für einen bestimmten Zeitraum in einem Bereich mit höchst unterschiedlichen Witterungsbedingungen wie der Bundesrepublik Deutschland (Alpen, Rheintal, Küstengebiet) zeigt, daß der Gesetzgeber hier nicht den Weg gewählt hat, die Leistung streng an den jeweils auftretenden Erschwernissen zu orientieren - was eine Übertragung auf andere Gegenden ermöglicht hätte -, sondern schematisch bestimmte zeitliche und räumliche Voraussetzungen zugrunde gelegt hat. Dies schließt jede Ausdehnung in zeitlicher oder räumlicher Hinsicht aus. Hinzu kommt - worauf der 7. Senat in seinem Urteil vom 20. April 1977 - 7 RAr 55/75 - hingewiesen hat -, daß die Zahlung von WG nicht nur der Förderung der Bautätigkeit dienen, sondern auch den saisonbedingten Schwankungen auf dem Arbeitsmarkt des Bausektors entgegenwirken soll. Die dazu notwendige Verlagerung von Sommernachfrage auf den Winter läßt sich durch Förderung von Bautätigkeit im Ausland nicht erreichen.
Durch die Neufassung des § 80 AFG aufgrund des Vierten Gesetzes zur Änderung des AFG vom 12. Dezember 1977 (BGBl I 2557) wird diese Auffassung nicht widerlegt, sondern bestätigt. Es handelt sich bei der gesetzlichen Neuregelung um eine Gesetzesänderung, die nicht erforderlich gewesen wäre, wenn schon die bisherige Gesetzesfassung eine Förderung der Bautätigkeit im Ausland ermöglicht hätte. Dies kommt auch in der Amtlichen Begründung (BT-Drucks 8/857 S 8) zum Ausdruck, in der ausgeführt ist, daß die neue Vorschrift des § 80 Abs 2 Satz 1 AFG "grundsätzlich daran festhält, daß WG nur im Geltungsbereich des AFG gewährt werden darf". Es soll jedoch in Zukunft möglich sein, unter bestimmten (durch Rechtsverordnung zu regelnden) Voraussetzungen WG auch für Arbeitsstunden zu gewähren, die außerhalb des Geltungsbereichs des AFG geleistet werden. Nach Auffassung des erkennenden Senats ändert dies nichts an dem Prinzip, daß WG von bestimmten zeitlichen und räumlichen Voraussetzungen abhängig ist und nicht von den konkreten Witterungsverhältnissen an der Baustelle; denn es wird dem Verordnungsgeber aufgegeben, die Räume mit vergleichbaren Witterungsbedingungen zu bestimmen, die in die WG-Regelung einbezogen werden sollen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen