Leitsatz (amtlich)

"Verursacht" im Sinne der 3. BKVO § 1 (RGBL 1 1117) ist eine Krankheit nicht nur, wenn sie durch die berufliche Beschäftigung entstanden, sondern auch, wenn sie hierdurch wesentlich verschlimmert ist. Für die Anerkennung einer Lungentuberkulose als Berufskrankheit (3. BKVO vom 1936-12-16 Anl Nr 26 vgl nunmehr 3. BKVO Anl Nr 39 Fassung: 1952-07-26) ist hiernach nicht erforderlich, daß schon die Erstinfektion durch die Beschäftigung in einem in Spalte 3 der Anlage aufgeführten Unternehmen verursacht ist. Es genügt vielmehr, daß eine durch diese Beschäftigung verursachte Tbc-Infektion den Verlauf einer schon bestehenden Lungentuberkulose wesentlich ungünstig beeinflusst hat.

 

Normenkette

RVO § 545 Fassung: 1942-09-03; BKVO § 1 Fassung: 1936-12-16; BKVO Anl 1 Nr. 39 Fassung: 1952-07-26, Nr. 26 Fassung: 1936-12-16; BKVO § 1

 

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 12. August 1954 wird mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Berlin zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Die am ... 1926 geborene Klägerin leidet seit November 1947 an einer Lungentuberkulose. Sie begehrt die Anerkennung dieses Leidens als Berufskrankheit (BK.), weil es durch ihre berufliche Beschäftigung im Städtischen Krankenhaus B.-N. verursacht worden sei.

In diesem Krankenhaus war die Klägerin als Hilfsschwester seit November 1946 tätig gewesen, und zwar zunächst auf der Infektions-Abteilung, anschließend bis zum Ausbruch ihres Leidens auf der Hals-Nasen-Ohren (HNO.) -Abteilung. Ihre auf dieser Abteilung ausgeübte Tätigkeit, die allein für die Beurteilung des Falles in Betracht kommt, soll nach der vom Krankenhaus erstatteten BK.-Anzeige von Januar 1947 bis November 1947 gedauert haben. Nach Auskunft des Krankenhauses hatte die Klägerin in der HNO.-Abteilung auch tuberkulös erkrankte Patienten zu betreuen, die dort mitunter einige Zeit bis zur Verlegung in die überfüllte Tuberkulose-Station verbringen mußten. Ferner erklärte am 5. April 1951 der Oberarzt dieses Krankenhauses, Dr. N, von der Klägerin sei bei ihrer Einstellung im November 1946 eine Röntgenaufnahme angefertigt worden, die jedoch nicht mehr vorhanden, sondern mit dem gesamten Bildmaterial des Hauses durch Wasserschaden vernichtet worden sei; auf Grund des klinischen und röntgenologischen Befunds in der Zeit seit November 1947 nahm Dr. N eine frische Infektion an.

Der zunächst für die Bearbeitung des Falles zuständigen Versicherungsanstalt Berlin (VAB.) erstattete Dr. S. am 4. Mai 1951 ein beratungsärztliches Gutachten. Darin heißt es zur Berufsvorgeschichte, die Klägerin sei erst seit März 1947 auf der HNO.-Abteilung tätig gewesen. Das Gutachten enthält eine kurze Beschreibung des (nach Angabe von Dr. N vernichteten) Röntgenfilms vom 29. November 1946. Hiernach sollen bereits damals kleine beginnende Infiltrierungen erkennbar gewesen sein. Dr. S verneinte deshalb eine BK. der Klägerin, zumal da diese durch die nur gelegentlich zu pflegenden Tuberkulosepatienten einer erhöhten Ansteckungsgefahr nicht ausgesetzt gewesen sei.

Nach dem von der Klägerin angefochtenen Ablehnungsbescheid vom 22. Mai 1951 hörte die VAB. noch den Landesgewerbearzt Dr. S. Dieser schloß sich in seiner Äußerung vom 3. August 1951 einem von ihm eingeholten Hilfsgutachten des Prof. Dr. U vom 1. August 1951 an. In diesem Gutachten kam Prof. U nach Durchsicht der Akten zu folgendem Ergebnis: "Es dürfte sich bei Frau M. um keine frische Tuberkulose handeln, und auch eine Erkrankung im Sinne einer exogen stimuliert endogenen Reinfektion ist auf Grund des Films vom November 1946 abzulehnen, da hier bereits beginnende Infiltrationen bestanden. Eine BK. liegt in diesem Falle daher nicht vor." Der Beschwerdeausschuß der VAB. wies hierauf am 22. April 1952 die Beschwerde der Klägerin zurück. Ihre hiergegen erhobene weitere Beschwerde, der die inzwischen in das Verfahren eingetretene jetzige Beklagte als Beschwerdegegnerin gegenüberstand, wurde vom Bezirksberufungsausschuß des Sozialversicherungsamts am 30. Mai 1953 zurückgewiesen.

Das hiergegen erneut eingelegte Rechtsmittel der Klägerin ging nach § 218 Abs. 6 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als Berufung auf das Landessozialgericht (LSGer.) über. Die Klägerin bemängelte vor allem, daß der Röntgenfilm vom 29. November 1946 Prof. U. nicht zur Ansicht vorgelegt worden sei; in der mündlichen Verhandlung vom 12. August 1954 beantragte sie, ein weiteres lungenfachärztliches Gutachten unter Vorlage dieses Films einzuholen. Das LSGer. wies durch Urteil vom 12. August 1954 die Berufung zurück mit der Begründung, die Lungentuberkulose der Klägerin sei nicht anläßlich ihrer Beschäftigung im Städtischen Krankenhaus N. entstanden und daher nicht als berufliche Infektionskrankheit im Sinne von Nr. 26 der Anlage zur Dritten Verordnung über Ausdehnung der Unfallversicherung auf Berufskrankheiten (BKVO.) vom 16. Dezember 1936 (RGBl. I S. 1117 - jetzt Nr. 39 der Anlage zur Fünften BKVO. vom 26. Juli 1952 - BGBl. I S. 395) anzusehen. Ob die Tätigkeit der Klägerin auf der HNO.-Abteilung (nach Ansicht des LSGer. im Zeitraum von März 1947 bis November 1947) mit einer wesentlich erhöhten Ansteckungsgefahr verbunden gewesen sei, könne dahingestellt bleiben. Die von Dr. N angenommene frische Infektion werde jedenfalls durch den Röntgenbefund vom 29. November 1946 - nach der Beschreibung und Beurteilung durch Dr. S - widerlegt. Die Auffassung, daß hierin schon die ersten Anzeichen der später verstärkt aufgetretenen Tuberkulose zu erblicken seien, werde von Prof. U, einem der führenden Lungenfachärzte Deutschlands, gebilligt. Dessen Gutachten werde nicht dadurch entkräftet, daß er den Röntgenfilm nicht selbst gesehen habe. Die genaue Befundbeschreibung durch Dr. S habe ausgereicht, andernfalls hätte Prof. U die Vorlage des Films verlangt. Prof. U habe mit seinem Gutachten die Befundbeschreibung des Dr. S autoritativ als klar und eindeutig anerkannt. Wegen der wissenschaftlichen Bedeutung des Prof. U habe es der Herbeiziehung eines weiteren lungenfachärztlichen Gutachtens nicht bedurft.

Das Urteil des LSGer., in dem die Revision ausdrücklich nicht zugelassen wurde, ist der Klägerin am 21. August 1954 zugestellt worden.

Am 20. September 1954 hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin Revision eingelegt mit dem Antrag, unter Aufhebung der Vorentscheidungen die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin mit Wirkung vom 1. Januar 1951 eine Verletztenrente wegen BK. zu zahlen; in der mündlichen Verhandlung stellte er ergänzend den Hilfsantrag, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSGer. zurückzuverweisen.

Mit der Revision wird die Verletzung von materiellem und formellem Recht gerügt. Im einzelnen macht die Klägerin geltend, durch ihre Einstellung als Hilfsschwester nach röntgenologischer Untersuchung im November 1946 sei der Beweis des ersten Anscheins dafür erbracht, daß sie bis dahin gesund gewesen und die Infektion im Krankenhaus erfolgt sei; dies werde durch die Angaben des Dr. N bestätigt. Der Befundbeschreibung des Dr. S widerspreche es, daß die Ärzte des Krankenhauses, die seinerzeit für die Einstellungsuntersuchung verantwortlich waren, offenbar aus dem damaligen Röntgenbefund keine Bedenken gegen die Beschäftigung der Klägerin hergeleitet hätten. Deshalb verstoße es gegen die Denkgesetze, wenn das LSGer. seiner Entscheidung vorwiegend das Gutachten des Prof. U zugrundegelegt habe, der seinerseits - ohne eigene Prüfung des Sachverhalts - nur die zweifelhafte Beurteilung des Sachverhalts durch den Vorgutachter Dr. S übernommen habe. - Ferner habe das LSGer. den Ursachenbegriff im Sinne des § 1 der BKVO. verkannt.

Die Beklagte hat entgegnet, im Revisionsverfahren sei eine tatsächliche Nachprüfung der von den Vorinstanzen erhobenen Beweise nicht möglich. Es sei nicht zu beanstanden, daß das LSGer. mit den übereinstimmenden Gutachten der Sachverständigen Dr. S und Prof. U eine Verursachung der Tuberkulose durch die berufliche Beschäftigung der Klägerin als nicht hinreichend wahrscheinlich angesehen habe. Die Äußerung des Dr. N sei demgegenüber ohne entscheidende Bedeutung, weil dieser die von Dr. S geprüfte und beurteilte Röntgenaufnahme vom November 1946 gar nicht gekannt habe. Die Revision sei deshalb unstatthaft.

Die Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Ihre Statthaftigkeit hängt, da das LSGer. die Revision nicht zugelassen hat, davon ab, ob die Voraussetzungen des § 162 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 SGG gegeben sind. Die Revision ist auf beide Vorschriften gestützt. Nach Ansicht des erkennenden Senats greift die Rüge eines wesentlichen Verfahrensmangels (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG) auch durch. Ein solcher Mangel liegt darin, daß das LSGer. gegen die ihm nach § 103 SGG obliegende Pflicht verstoßen hat, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen.

Das LSGer. hat die Frage, ob die Klägerin bei ihrer länger als ein halbes Jahr dauernden Tätigkeit als Hilfsschwester auf der HNO.-Abteilung in einem gegenüber dem täglichen Leben wesentlich erhöhten Maße ansteckungsgefährdet war, nicht näher geprüft und die diesbezüglichen Angaben des Oberarztes Dr. N nicht gewürdigt. Dieser Prüfung glaubte sich der Vorderrichter enthoben, weil er sein Urteil ausschlaggebend auf die Feststellung gründete, bei der Klägerin habe schon zu Beginn ihrer Pflegetätigkeit ein von einer vorherigen Tuberkuloseinfektion herrührender krankhafter Lungenbefund bestanden. Diese Feststellung beruht jedoch auf unzureichenden Unterlagen.

Aus den Akten ist nicht klar ersichtlich, ob das bei der Einstellung der Klägerin im November 1946 angefertigte Röntgenbild im Jahr 1951, als die Ermittlungen über einen Entschädigungsanspruch angestellt wurden, noch vorhanden war. Der Auskunft des Oberarztes Dr. N vom 5. April 1951, der Film sei durch Wasserschaden vernichtet worden, steht gegenüber das einen Monat später verfaßte Gutachten des Dr. S, der den Röntgenbefund vom November 1946 beschreibt und auswertet und darauf seine Begutachtung stützt. Hiernach wird nicht deutlich, ob nun Dr. S - das - vielleicht nachträglich doch noch aufgefundene - Röntgenbild selbst gesehen oder etwa in sein Gutachten nur eine Befundschilderung aus früheren Aufzeichnungen übernommen hat. Da hiervon die Bedeutung dieses Gutachtens wesentlich abhängt, wäre es Pflicht des Vorderrichters gewesen, eine Klärung dieser Frage herbeizuführen und über den Verbleib des Röntgenbildes eindeutige Feststellungen zu treffen.

Der Sachverhalt ist außerdem insoweit nicht hinreichend erforscht, als der Vorderrichter eine Anhörung derjenigen Ärzte unterlassen hat, welche seinerzeit die Klägerin bei ihrer Einstellung untersucht und ihre Eignung zur Tätigkeit als Hilfsschwester beurteilt haben. Die Revision behauptet in diesem Zusammenhang, schon die Tatsache, daß die Klägerin nach einer Röntgenuntersuchung eingestellt worden sei, lasse vermuten, daß bei ihr damals noch kein auf Lungentuberkulose hindeutender Untersuchungsbefund vorgelegen habe. Ob diese Schlußfolgerung zutrifft, ist hier nicht zu prüfen, dies wäre Aufgabe des Tatrichters. Unter medizinischen Gesichtspunkten könnte je nach Lage des Falles sowohl die Einstellung von einwandfrei gesundem Pflegepersonal als auch umgekehrt gerade die Verwendung von bereits erkrankten Arbeitskräften nahegelegen haben (vgl. Bauer-Engel-Koelsch-Krohn-Lauterbach, 3. BKVO., Heft 29 der Schriftenreihe "Arbeit und Gesundheit", 1937, S. 471; Reichsgesundheitsamt in EuM. Bd. 46 S. 104 ff., hier insbesondere S. 106, 107, 109, 115). Auf jeden Fall aber hätte das LSGer. klarstellen müssen, von welcher Auffassung bezüglich der Gesundheit und Eignung der Klägerin im Zeitpunkt ihrer Einstellung die verantwortlichen Krankenhausärzte damals ausgegangen sind. Diese Feststellungen wären wahrscheinlich auch dann durchführbar, wenn der Röntgenfilm vom 29. November 1946 tatsächlich nicht mehr vorhanden sein sollte; denn durch entsprechende Nachforschungen dürften die seinerzeit für das Krankenhaus maßgebenden Grundsätze für die Einstellung von jungen Hilfsschwestern auch gegenwärtig noch zu ermitteln sein.

Erst nach Gewinnung dieser Grundlagen wäre es nach Ansicht des Senats angebracht gewesen, das Gutachten einer ärztlichen Autorität vom Range des Prof. U heranzuziehen. Insofern besitzt auch der schon in der Vorinstanz gestellte Antrag der Klägerin, diesem Obergutachter den Röntgenfilm zur eigenen Auswertung zugänglich zu machen, eine gewisse Berechtigung. Die Erwägungen, mit denen der Vorderrichter über dieses Verlangen hinweggegangen ist, wirken nicht überzeugend. Ob ein allgemeiner Erfahrungssatz anzunehmen ist, nach dem bei der Erstattung eines Zusammenhangsgutachtens der schriftliche Röntgenbefundbericht eines Vorgutachters grundsätzlich nicht die eigene Beurteilung des Röntgenbildes zu ersetzen vermag (so Schlüter in "Monatsschrift für Unfallheilkunde und Versicherungsmedizin" 1955 S. 295), kann hier dahingestellt bleiben. Sicherlich wäre es aber im vorliegenden Fall angebracht gewesen, zur Vermeidung von Fehlerquellen diesen Grundsatz zu berücksichtigen.

Da die Revision hiernach schon auf Grund des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG zulässig ist, brauchte die Frage, ob für ihre Zulässigkeit auch die Voraussetzungen des § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG erfüllt sind, vom Senat nicht geprüft zu werden.

Die Revision ist auch begründet. Der Vorderrichter hat den Begriff des ursächlichen Zusammenhanges auf dem Gebiet der Berufskrankheiten verkannt. In dem angefochtenen Urteil wird es nur darauf abgestellt, ob die Lungentuberkulose der Klägerin durch ihre Beschäftigung im Krankenhaus N. "entstanden" ist. Dies entspricht einer älteren Rechtsprechung des Reichsversicherungsamts (RVA.) (vgl. EuM. Bd. 34 S. 358; Bd. 41 S. 7). Nach ihr wurde § 1 der BKVO. eine sich vermeintlich aus seinem Wortlaut ergebende einschränkende Bedeutung des Begriffs "Verursachung" beigemessen. Diesen Standpunkt hat jedoch das RVA. später (vgl. EuM. Bd. 42 S. 6) aufgegeben mit der Begründung, der Ursachenbegriff im Recht der BKn. könne kein anderer sein als im allgemeinen Unfallrecht. Hiermit übereinstimmend ist der erkennende Senat der Auffassung, daß im Sinne des § 1 der Dritten BKVO. vom 16. Dezember 1936 eine Krankheit nicht nur dann "verursacht" ist, wenn sie durch die berufliche Beschäftigung entstanden, sondern auch, wenn sie hierdurch wesentlich verschlimmert ist. Für die Anerkennung einer Lungentuberkulose als BK. (Nr. 26 der Anlage zur Dritten BKVO. vom 16. Dezember 1936; vgl. nunmehr Nr. 39 der Anlage zur Fünften BKVO. vom 26. Juli 1952) ist es hiernach nicht erforderlich, daß schon die Erstinfektion durch die Beschäftigung in einem in Spalte III der Anlage aufgeführten Unternehmen verursacht ist. Es genügt vielmehr, daß eine durch diese Beschäftigung verursachte Tuberkuloseinfektion den Verlauf einer schon bestehenden Lungentuberkulose wesentlich ungünstig beeinflußt hat.

Diese Grundsätze werden in Rechtsprechung und Schrifttum allgemein gebilligt (zu vgl. RVA. in EuM. Bd. 43 S. 104; Bayer. LVAmt in Amtsblatt des Bayer. Arb.Min. 1952 Teil B S. 120; Bauer-Engel-Koelsch-Krohn-Lauterbach a. a. O. S. 88, 142, 466 ff.; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. II, S. 490 g, 490 u; Podzun, Entschädigungspflicht, Leistungen und Ersatzansprüche bei Berufskrankheiten, Heft 32 der Schriftenreihe "Fortbildung und Praxis", 1955 S. 17). Sie kommen auch zur Geltung in dem amtlichen Merkblatt "Infektionskrankheiten", das der Bundesminister für Arbeit unter Mitwirkung der staatlichen Gewerbeärzte verfaßt hat (Erlaß vom 4. Mai 1953, BABl. 1953 S. 273 ff., hier S. 297 f.). Es war nicht Aufgabe des erkennenden Senats, im einzelnen die hierin aufgeführten Möglichkeiten von Re- oder Superinfektion und ihre Bedeutung für die Anerkennung einer BK. zu prüfen. Dies wird vielmehr dem Vorderrichter obliegen, dem bereits der in dem Gutachten des Prof. U. verwendeten Begriff einer "exogen stimuliert endogenen Reinfektion" Anlaß geboten haben sollte, den Fall der Klägerin in dieser Richtung zu würdigen. Für die tatrichterliche Beurteilung wird es im übrigen unerläßlich sein, sich mit den eingehenden Darlegungen des Reichsgesundheitsamts (EuM. Bd. 46 S. 104 ff.) auseinanderzusetzen und ihre Vereinbarkeit mit den heutigen Erkenntnissen der ärztlichen Wissenschaft zu überprüfen.

Dem Senat war eine Entscheidung in der Sache selbst nicht möglich (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG), weil das angefochtene Urteil keine hierfür ausreichenden Feststellungen enthält. Damit rechtfertigt sich die Zurückverweisung der Sache an das LSGer. Dieses wird den Fall unter den dargelegten Gesichtspunkten erneut zu prüfen haben. Daneben wird insbesondere auch noch zu klären sein, ob die ansteckungsgefährdete Tätigkeit der Klägerin im März oder bereits im Januar 1947 begonnen hat. Ferner sind Ermittlungen erforderlich über die Behauptung der Klägerin in ihrem Schreiben an die VAB. vom 25. Januar 1951, sie sei im April 1947 durchleuchtet worden (Bl. 18 der Akten der Beklagten); hierauf dürfte sich der "Krankenentlassungsschein" des Städtischen Krankenhauses N. vom 22. April 1947 beziehen, den der Vertreter der Klägerin dem Senat im Verhandlungstermin überreicht hat. Der Senat war im Hinblick auf § 163 SGG nicht in der Lage, auf dieses Beweismittel - ebenso auch die gleichzeitig vorgelegte Bescheinigung des Facharztes Dr. Sch vom 6. November 1946 - einzugehen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2373463

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