Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfallversicherungsträger. Zuständigkeit
Orientierungssatz
1. Die Zuständigkeit eines Trägers der Unfallversicherung zur Feststellung der Unfallentschädigung bestimmt sich nach Art und Gegenstand des Unternehmens, in dem sich der Arbeitsunfall ereignet hat.
2. Behördliche Maßnahmen, die nach dem Zusammenbruch im Jahre 1945 zur Beseitigung kriegsbedingter Notstände getroffen worden sind, können Verbindlichkeiten der Länder oder der Gemeinden begründet haben.
Normenkette
RVO § 537 Nr. 10, §§ 646, 624 Abs. 1 Buchst. a, b; BAfUÜberfV BrZ
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 29.11.1963) |
SG Oldenburg (Entscheidung vom 12.02.1957) |
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 29. November 1963 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Der Beigeladene zu 2) beteiligte sich im November 1946 an einer vom Bürgermeister der Gemeinde D (Kreis P) eingeleiteten Brennholzbeschaffungsaktion. In einer vom Forstamt A der Gemeinde zum Einschlag freigegebenen Waldparzelle sollten die arbeitsfähigen Männer in Gemeinschaftsarbeit soviel Brennholz aufbereiten, daß der Bedarf ihrer Haushaltungen, der an der Mitarbeit Verhinderten sowie der Bedarf der alleinstehenden Frauen gedeckt wurde. Bei dieser Arbeit erlitt der Beigeladene zu 2) am 19. November 1946 durch einen Unfall eine Verletzung des linken Auges; dieses mußte entfernt werden.
Die Ausführungsbehörde für Unfallversicherung in der britischen Zone (AfU) bewilligte dem Beigeladenen zu 2) durch Bescheid vom 26. September 1949 Unfalldauerrente.
Die AfU wurde auf Grund der Verordnung zur Überführung der Ausführungsbehörde für Unfallversicherung in der britischen Zone vom 14. März 1951 (BGBl. I S. 190 - Überführungs-VO) als Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung (BAfU) in die Verwaltung des Bundes übergeführt. Die BAfU zahlte zunächst die Rente weiter und versorgte den Beigeladenen zu 2) mit Augenprothesen.
Nach Überprüfung der BAfU durch den Bundesrechnungshof wurde diese vom Bundesminister für Arbeit angehalten, die Unfallakten der Personen, denen auf Grund der nach Beendigung des 2. Weltkrieges durchgeführten Brennholzbeschaffungsaktionen Unfallentschädigung bewilligt worden war, an die zuständigen Bundesländer zur Weitergabe an deren Landesausführungsbehörden oder Eigenunfallversicherungsverbände abzugeben, die Rentenzahlungen mit Ablauf des März 1953 einzustellen und die seit dem 1. April 1950 dem Bund entstandenen Aufwendungen zur Erstattung anzufordern. Da nur ein Teil der nach Ansicht der BAfU nunmehr zuständigen Stellen sich zur Übernahme der Unfallakten bereit erklärte, gewährte die BAfU in den übrigen Fällen - so auch dem Beigeladenen zu 2) - bis zur gerichtlichen Klärung die Leistungen im Wege vorläufiger Fürsorge, ohne Anerkennung ihrer Zuständigkeit, weiter.
Mit Schriftsatz vom 26. Februar 1954 hat die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die BAfU, Klage beim Sozialgericht (SG) Oldenburg auf "Feststellung der zuständigen Versicherungsträger" erhoben. Zur Begründung hat sie im wesentlichen ausgeführt, daß sie für die Entschädigung der Unfälle, die nach Beendigung des 2. Weltkrieges bei der Brennholzbereitung für die Bevölkerung aufgetreten seien, nicht zuständig sei. Der Erlaß des Reichsarbeitsministers (RAM) vom 15. Juni 1944, der u. a. bestimmt habe, daß das Reich Träger der Unfallversicherung für die Personen sei, die bei der Aufarbeitung von Brennholz in Gemeinschaftsarbeit der Gemeindebewohner verunglückt seien, habe als ausgesprochener Kriegserlaß nach dem Krieg nicht mehr gegolten. Der Bundesrechnungshof habe zutreffend darauf hingewiesen, daß die Brennholzbeschaffungsaktionen während des Krieges und danach trotz vielerlei äußerlich übereinstimmender Merkmale ihrem Wesen und Grunde nach nicht gleichzusetzen seien. Je nach der Art der nach dem Krieg zur Brennholzbeschaffung ausgeführten Gemeinschaftsarbeit habe die Entschädigung entweder durch den zuständigen Gemeindeunfallversicherungsverband, die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft oder die Landesausführungsbehörde zu erfolgen. Der dem Beigeladenen zu 2) von der AfU erteilte Bescheid binde sie - die Klägerin - nicht, weil sie nicht Rechtsnachfolgerin der AfU sei.
Das SG hat durch Urteil vom 12. Februar 1957 die Klage abgewiesen, weil die nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erhobene Klage an die Voraussetzungen des § 1735 der Reichsversicherungsordnung (RVO) gebunden sei, diese aber nicht gegeben seien. Die AfU habe dem Verletzten durch rechtskräftigen Bescheid Dauerrente gewährt. Die Verpflichtungen der AfU seien auf die Klägerin als deren Rechtsnachfolgerin übergegangen.
Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen hat durch Urteil vom 29. November 1963 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage sei nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 SGG zulässig. Entgegen der Ansicht des SG stehe diese Klage in keiner Beziehung zu § 1735 RVO; § 55 SGG gelte für alle Träger der Sozialversicherung und nicht nur - wie § 1735 RVO - für die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Das Rechtsschutzbedürfnis für diese Klage sei gegeben, weil alle in Frage kommenden Träger der Unfallversicherung die Übernahme der Rentenlast abgelehnt hätten. Die Klage sei jedoch nicht begründet. Die AfU habe gegenüber dem Beigeladenen zu 2) durch bindenden Bescheid ihre Entschädigungspflicht bejaht. Deshalb sei nicht mehr zu prüfen, ob ein Arbeitsunfall vorgelegen habe und wer für dessen Entschädigung wirklich zuständig sei. Die BAfU sei zwar nicht Rechtsnachfolgerin der AfU. Die Klägerin hafte jedoch als deren Funktionsnachfolgerin. Die Bundesrepublik habe die AfU aufgelöst, ohne durch Gesetz zu regeln, wer für deren Verbindlichkeiten einzutreten habe; deshalb seien diese auf den Bund übergegangen. Dieser habe durch die Überführungsverordnung der BAfU die Abwicklung der Aufgaben der AfU übertragen und deren Aufgaben mangels anderweitiger gesetzlicher Regelung selbst übernommen.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Klägerin hat Revision eingelegt und diese im wesentlichen wie folgt begründet: Es sei zweifelhaft, ob die nach dem 2. Weltkrieg im Rahmen von Brennholzbeschaffungsaktionen tätigen Personen unter Unfallversicherungsschutz gestanden hätten. Deshalb lege sie in erster Linie auf eine (negative) Feststellung ihrer Unzuständigkeit Wert. Selbst wenn man davon ausgehe, daß der Beigeladene zu 2) einen Entschädigungsanspruch besitze, müsse berücksichtigt werden, daß die Bundesrepublik Deutschland erst lange nach Beendigung des 2. Weltkrieges errichtet worden sei. Sie wäre daher Rechtsnachfolgerin, Funktionsnachfolgerin oder aus einem sonstigen Grund Nachfolgerin der AfU nur geworden, wenn durch das Grundgesetz (GG) oder durch Gesetz dies bestimmt worden sei. Dies sei aber nicht der Fall.
Der Beklagte und das beigeladene Land halten das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der - nicht vertretene - Beigeladene zu 2) hat sich zur Sache nicht geäußert und keine Anträge gestellt.
Die Klägerin beantragt,
die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben sowie festzustellen, daß sie nicht der für die Entschädigung der Folgen des Unfalls des Beigeladenen zu 2) vom 19. November 1946 zuständige Versicherungsträger ist, und diese negative Feststellung durch die positive Feststellung zu ergänzen, daß der Beklagte zuständig ist,
hilfsweise,
anstelle des Beklagten den Beigeladenen zu 1) für zuständig zu erklären,
hilfsweise,
das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Der Beklagte und der Beigeladene zu 1) beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Der Senat hat ohne mündliche Verhandlung entschieden; die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 SGG liegen vor.
Die Revision ist begründet.
Zutreffend hat das Berufungsgericht die Zulässigkeit der von der Klägerin erhobenen Klage auf Feststellung bejaht. Das Rechtsschutzbedürfnis für diese Klage ist nicht etwa deshalb zu verneinen, weil die AfU durch Bescheid vom 26. September 1949 dem Beigeladenen zu 2) eine Leistung bewilligt hat und sie durch die Überführungs-VO als BAfU, welche die Aufgaben der Klägerin, die ihr als Träger der Unfallversicherung obliegen, wahrnimmt, in die Verwaltung des Bundes übergeführt worden ist. Die Klägerin hat - wie noch ausgeführt wird: berechtigte - Zweifel, ob sie auf Grund dieses Umstandes sowie der durch § 2 Abs. 2 Nr. 5 Überführungs-VO der BAfU übertragenen Aufgabe, die Geschäfte der AfU abzuwickeln, der für den Beigeladenen zu 2) nunmehr zuständige Träger der Unfallversicherung ist. Der Feststellungsklage steht auch nicht entgegen, daß sie erst drei Jahre nach Erlaß der Überführungs-VO erhoben worden ist. Es bedarf keiner näheren Ausführungen, daß Abwicklungsarbeiten der in § 2 Überführungs-VO bezeichneten Art eine geraume Zeit beanspruchen. Nach der amtlichen Begründung zur Überführungs-VO (BR-Drucks. 877/50) waren bei der AfU am 31. März 1950 "annähernd 3.800 laufende Rentenfälle" vorhanden. Die Klägerin hat zunächst im Verwaltungswege versucht, die nach ihrer Meinung zuständigen Träger der Unfallversicherung zur Übernahme der Sachen, für die sie sich nicht für zuständig hält, zu bewegen. Erst nachdem diese Versuche fehlgeschlagen sind, hat sie Klage auf Feststellung erhoben. Schließlich kann der Klägerin nicht angelastet werden, daß die BAfU im schutzwürdigen Interesse des zuvor von der AfU betreuten Personenkreises die notwendigen Entschädigungsleistungen bis zur endgültigen gerichtlichen Klärung der Zuständigkeitsfrage vorläufig gewährt. Die von der Klägerin erhobene Klage auf Feststellung ist somit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 SGG zulässig (BSG 15, 52, 54).
Entgegen der Ansicht des LSG ist die Klage auch begründet.
Die Zuständigkeit eines Trägers der Unfallversicherung zur Feststellung der Unfallentschädigung bestimmt sich nach Art und Gegenstand des Unternehmens, in dem sich der Arbeitsunfall ereignet hat. Sie ergibt sich aus dem 3. Buch der RVO (vgl. §§ 623 ff RVO in der bis zum Inkrafttreten des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes - UVNG - geltenden Fassung - RVO aF -; §§ 646 ff RVO nF).
Die RVO ist auch nach dem Zusammenbruch im Jahre 1945, als die Reichsgewalt praktisch zu bestehen aufgehört hatte, in den von den Siegermächten eingerichteten Besatzungszonen Deutschlands weiter angewendet worden. In den drei westlichen Besatzungszonen, deren Gebiet das Staatsgebiet der Klägerin umfaßt, ist sie weder durch Besatzungsrecht (vgl. z. B. die in der britischen Zone erlassenen Sozialversicherungsdirektiven - BSG 1, 6, 8; 2, 188, 192) noch durch Landesrecht (siehe beispielsweise Bayerisches Gesetz Nr. 7 vom 27. November 1945 - GVBl 1946 S. 19) in ihren Grundzügen geändert worden (zu vgl. Dobbernack, Arbeitsblatt für die britische Zone, 1947, S. 58, 64).
Die Klägerin kann schon deshalb nicht Unternehmer (zum Unternehmerbegriff siehe § 633 RVO aF, § 658 Abs. 2 RVO nF, BSG 16, 79, 81 mit Nachweisen aus Rechtsprechung und Schrifttum) der Brennholzbeschaffungsaktion, bei der der Beigeladene zu 2) sich verletzt hat, gewesen und damit Träger der Unfallversicherung (vgl. § 653 RVO nF, § 624 RVO aF) sein, weil sie erst im Jahre 1949 geschaffen worden ist.
Ihre Zuständigkeit ist auch nicht aus einem sonstigen Rechtsgrund gegeben.
Der Umstand, daß die AfU durch Bescheid vom 26. September 1949 dem Beigeladenen zu 2) die Dauerrente bewilligt hat, vermag die Zuständigkeit der Klägerin nicht zu begründen.
Die AfU wurde auf Anordnung des Präsidenten des Zentralamts für Arbeit in der britischen Zone - im Auftrag der Besatzungsmacht - mit Wirkung vom 1. April 1947 errichtet (Sozialversicherungsanordnung - SVA - Nr. 9 vom 9. Juni 1947 - Arbeitsblatt für die britische Zone, 1947 S. 233). Es wurde ihr die Abwicklung der Geschäfte der Reichsausführungsbehörden für Unfallversicherung in Wilhelmshaven und Kiel, die gleichzeitig aufgelöst wurden, sowie der Reichsausführungsbehörde für Unfallversicherung in Berlin ( RAfU ) und der Heeresausführungsbehörde für Unfallversicherung in Berlin (HAfU) übertragen. Sie hatte die Aufgaben der gesetzlichen Unfallversicherung in den in § 624 Abs. 1 Buchst. a und b RVO aF aufgeführten Unternehmen, bei denen das Reich Träger der Unfallversicherung gewesen war, durchzuführen. Die Übertragung weiterer Aufgaben auf die AfU war in der SVA Nr. 9 vorbehalten.
Durch Erlaß vom 30. Juni 1947 (IV/998/47) ordnete der Präsident des Zentralamts für Arbeit in der britischen Zone an, daß die AfU zur Feststellung von Unfallentschädigungen zuständig sei, wenn Unfallverletzte zur Gewinnung oder Aufarbeitung von Brennholz von einer Gemeindebehörde herangezogen worden waren. Er ging davon aus, daß der Erlaß des RAM vom 15. Juni 1944 (AN S. 175) weiter gelte. In diesem Erlaß hatte der RAM u. a. ausgeführt, daß Träger der Unfallversicherung für die während des Krieges zur Aufbereitung von Brennholz in Gemeinschaftsarbeit der Gemeindebewohner aufgerufenen Personen grundsätzlich das Reich und für die Feststellung der Unfallentschädigung die RAfU zuständig sei. In verschiedenen Ländern der beiden anderen westlichen Besatzungszonen war dieser Erlaß dagegen nicht mehr als geltend angesehen worden. So hatte der bayerische Arbeitsminister durch Bekanntmachung vom 8. Dezember 1945 (GVBl. 1946 S. 58) diesen Erlaß des RAM aufgehoben und bestimmt, daß die Staatliche Ausführungsbehörde für Unfallversicherung in München die Feststellung der Unfallentschädigung bei den Personen, die nach dem Kriege von den Gemeinden zur Brennholzbereitung herangezogen worden waren, vorzunehmen hatte.
Diese unterschiedliche Rechtsauffassung, die zu einer nicht einheitlichen Regelung der Zuständigkeit geführt hat, erklärt sich daraus, daß seinerzeit ungewiß war, welche Stelle die Aufwendungen für solche Unfälle endgültig zu übernehmen hatte, wer also Träger der Unfallversicherung für diese Tätigkeiten war. Über die damalige staatsrechtliche Lage Deutschlands waren die Auffassungen geteilt. Es war insbesondere umstritten, ob das Deutsche Reich noch fortbestand und wer ggf. seine Staatsgewalt ausübte (vgl. Kelsen, American Journal of international Law, Bd. 38 - 1945 - S. 689, Bd. 39 - 1946 - S. 518; Abendroth, Neue Juristische 1947, 73; Steininger, Neue Juristische 1947, 146, 205; Zinn, SJZ 1947, 4; Peters, Neue Juristische 1947, 3). Die süddeutschen Länder hatten nach dem Zusammenbruch, soweit nicht der alliierte Kontrollrat oder die Militärregierung sich Befugnisse vorbehalten hatten, die Aufgaben des Reichs als eigene Staatsaufgaben - allerdings unter dem allgemeinen "Vorbehalt der übergeordneten Machtbefugnis der Militärregierung" (Art. III der Proklamation Nr. 2 der amerikanischen Militärregierung vom 19. September 1945, ABl der amerikanischen Militärregierung 1945 A S. 2; Erklärung des französischen Oberbefehlshabers vom 9. Juni 1947, Journal Officiel S. 780) - vorläufig wahrgenommen und die Gesetzgebung des Reichs geändert. In der britischen Besatzungszone behielt sich dagegen die Militärregierung die ehemaligen Reichsaufgaben weitgehend vor. Sie schuf zu diesem Zweck Zentralämter, deren Aufgabenbereich dem der früheren Reichsministerien nicht unähnlich war (über die Aufgaben des Zentralamts für Arbeit s. Arbeitsblatt für die britische Zone, 1947 S. 427 ff). Ungeachtet dieser unterschiedlichen Entwicklung der Gesetzgebungs- und Verwaltungszuständigkeiten war in den - teils weiter bestehenden, teils neu errichteten - Ländern der westlichen Besatzungszonen der Wille vorhanden, alsbald wieder eine zentrale deutsche Staatsgewalt zu schaffen. Davon gingen auch die in der amerikanischen und britischen Besatzungszone entwickelten Reformpläne zur Neuordnung der deutschen Sozialversicherung aus (Dobbernack, Arbeitsblatt für die britische Zone, 1947 S. 97 ff). Die SVA Nr. 9 über die Errichtung der AfU läßt erkennen, daß mit dieser im Interesse eines schutzbedürftigen Personenkreises, für dessen Tätigkeiten nach dem früheren Recht das Reich Träger der Unfallversicherung war oder nach der bisherigen Rechtsentwicklung geworden wäre, eine Stelle geschaffen wurde, die der Behebung der durch die unklaren Nachkriegsverhältnisse bedingten Not dieser Personen abhelfen sollte. Die SVA Nr. 9 hatte somit - bis zur Errichtung einer zentralen deutschen Gewalt, auch auf dem Gebiet der Sozialversicherung - nur eine vorläufige Zuständigkeitsregelung zum Inhalt. Die Frage, wer Träger der gesetzlichen Unfallversicherung in den Fällen war, in denen die AfU das Feststellungsverfahren gemäß §§ 1545 ff RVO durchzuführen hatte, hat sie nicht geregelt. Sie blieb der Klärung durch eine spätere zentrale deutsche Gesetzgebung vorbehalten. Die in der britischen Besatzungszone neu gebildeten Länder haben die Aufwendungen der AfU nur unter Vorbehalt getragen.
Die AfU ist von der Bundesregierung - in Ausführung des ihr durch Art. 130 GG, der die in Art. 30, 83 ff GG statuierte Aufgabenaufteilung zwischen Bund und Ländern nicht änderte (Maunz/Dürig, Kommentar zum GG, Randziff. 4 zu Art. 130), erteilten Auftrags - auf Grund der mit Zustimmung des Bundesrats erlassenen Überführungs-VO vom 14. März 1951 als BAfU in die Verwaltung des Bundes übergeführt worden. Gemäß § 2 Abs. 2 Überführungs-VO hatte die BAFU die Aufgaben der ehemaligen Reichsausführungsbehörden für Unfallversicherung in W und K, die Aufgaben der RAfU , der HAfU, des ehemaligen geheimen Staatspolizeiamts nach der Verordnung über die Unfallfürsorge für Gefangene vom 21. November 1939, der AfU sowie der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets (als Träger der Unfallversicherung) abzuwickeln. Wie der erkennende Senat bereits entschieden hat (BSG 15, 295, 297; vgl. ferner die Urteile des Senats vom 14. Dezember 1960 - 2 RU 253/57- und vom 29. September 1964 - 2 RU 129/60 -), beinhaltet die Überführungs-VO, soweit sie der BAfU die Abwicklung der Aufgaben der RAfU sowie der HAfU auferlegt hat, eine ausschließlich organisatorische Regelung dergestalt, daß die BAfU die für die Feststellung neuer Leistungen und die Zahlung laufender Renten zuständige Stelle sein sollte. Die sachlich-rechtliche Regelung über die Ansprüche der Personen, denen diese Ausführungsbehörden früher Unfallschutz gewährt hatten, enthalten nach der bereits erwähnten Rechtsprechung des Senats dagegen das Fremd- und Auslandsrentengesetz (FAG) sowie im allgemeinen das an seine Stelle getretene Fremd- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz (FANG). In diesen Gesetzen ist auch der für die Entschädigung nunmehr zuständige Träger der Unfallversicherung bestimmt (vgl. § 7 FAG, § 9 des Fremdrentengesetzes). Die Überführungs-VO regelt, wie sich schon aus der Ermächtigungsnorm des Art. 130 GG ergibt, in § 2 Abs. 2 Nr. 5 hinsichtlich der AfU ebenfalls nur Fragen organisatorischer Art. Dies macht ein Vergleich mit der nachfolgenden Nr. 6, nach der der BAfU die Abwicklung der Aufgaben der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets - als Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung - obliegt, deutlich. § 2 Abs. 2 Nr. 6 Überführungs-VO ist nämlich nur eine Ergänzung der sachlich-rechtlichen Vorschrift des Art. 133 GG in organisatorischer Hinsicht. Nach dieser Norm des GG tritt der Bund in die Rechte und Pflichten der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets ein. Eine entsprechende Vorschrift, die ebenfalls die Zuständigkeit der Klägerin begründen würde, fehlt aber für den Personenkreis, der von der AfU betreut worden ist. Nur soweit für diese Personen zuvor schon die Zuständigkeit einer der Reichsausführungsbehörden für Unfallversicherung oder der HAfU gegeben war (vgl. Nr. 1 bis 3 SVA Nr. 9), sind deren Ansprüche und die Frage des hierfür zuständigen Versicherungsträgers, wie bereits dargetan, im FAG und später im wesentlichen im FANG neu geregelt worden.
Die Zuständigkeit der Klägerin ergibt sich nicht etwa aus dem bereits erwähnten Erlaß des RAM vom 15. Juni 1944. Der Erlaß hatte "bestimmt", daß die entsprechend dem Erlaß des Reichsforstmeisters vom 3. November 1943 (AN 1944 S. 176, 241) zur Aufbereitung von Brennholz in Gemeinschaftsarbeit der Gemeindebewohner von den Bürgermeistern aufgerufenen Personen gemäß § 537 Nr. 10 RVO (aF) unfallversichert seien, soweit ihnen nicht Fürsorge und Versorgung nach der Personenschäden-VO vom 10. November 1940 zustehe, und daß das Reich Träger der Unfallversicherung sei. Soweit der Erlaß auf den nach § 537 Nr. 10 RVO (aF) gegebenen Versicherungsschutz hingewiesen hat, hat er indessen die Rechtslage nur klarstellen wollen. Dasselbe gilt, soweit er zum Ausdruck gebracht hat, daß das Reich - aus dessen allgemeiner Verpflichtung zur Sicherstellung der durch die Kriegsereignisse beeinträchtigten Brennholzversorgung der gesamten Bevölkerung - Träger der Unfallversicherung sei. Bei der im Erlaß erteilten Anweisung, daß die Gemeindebehörden Unfallanzeigen an die RAfU zu erstatten hätten, handelt es sich um eine verwaltungsinterne Regelung. Der Erlaß war somit eine ministerielle Anweisung und deshalb als allgemeine Verwaltungsvorschrift (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand 15. Juni 1966, Bd. I S. 190 a) und nicht als Rechtsverordnung anzusehen; nur in diesem Falle hätte der Erlaß jedoch gemäß Art. 125 GG Bundesrecht werden und möglicherweise die Klägerin verpflichten können (vgl. das Urteil des erkennenden Senats vom 24. August 1966 - 2 RU 148/63 -; Maunz/Dürig, aaO, Randziff. 6 zu Art. 125 GG, Randziff. 6 zu Art. 123 GG).
Art. 120 GG, der bestimmt, daß der Bund die Aufwendungen für Kriegsfolgelasten zu tragen hat, ist ebenfalls nicht geeignet, die Zuständigkeit der Klägerin zu begründen.
Art. 120 GG regelt nur die finanziellen Verhältnisse zwischen Bund und Ländern (BVerfG 14, 221, 235) und ist daher weder eine Anspruchsnorm noch eine Zuständigkeitsnorm (BVerfG 14, 221, 233; 3, 407, 419; Maunz/Dürig, aaO, Fußnote 5 der Randziffer 13 zu Art. 120 GG). Es bedarf somit keiner Entscheidung, ob Unfallschäden, die Personen nach Beendigung des 2. Weltkrieges im Rahmen der Brennholzbereitung erlitten haben, Kriegsfolgelasten im Sinne des Art. 120 GG sind. Aus Art. 135 a Nr. 3 GG, der im Zusammenhang mit der Rechtsnachfolge in Reichsvermögen ebenfalls Finanzfragen regelt, ist zu ersehen, daß behördliche Maßnahmen, die nach dem Zusammenbruch im Jahre 1945 zur Beseitigung kriegsbedingter Notstände getroffen worden sind, Verbindlichkeiten der Länder oder der Gemeinden begründet haben können.
Die Zuständigkeit der Klägerin aus dem Gesichtspunkt der Funktionsnachfolge entfällt vorliegendenfalls schon deshalb, weil sich die Zuständigkeit des in Frage kommenden Versicherungsträgers aus der nach dem Zusammenbruch weiter geltenden RVO ergibt und eine Zuständigkeit der Klägerin - anders als in der vom erkennenden Senat entschiedenen Streitsache, die in BSG 24, 162, 169 veröffentlicht ist - auch nicht später kraft Gesetzes begründet worden ist.
Die Klägerin ist somit im Falle des Beigeladenen zu 2) - nach der Überführung der AfU in die BAfU - nicht der zuständige Träger der Unfallversicherung. Die BAfU hat daher mit Recht geprüft (§ 2 Abs. 2 Nr. 5 Überführungs-VO), an welche Stelle sie die Unfallakten des Beigeladenen zu 2) abzugeben hat.
Feststellungen tatsächlicher Art, die für die Entscheidung der Frage, wer im Falle des Beigeladenen zu 2) Träger der Unfallversicherung ist, erforderlich sind, hat das LSG indessen - von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht - nicht getroffen. Der Rechtsstreit ist somit nicht entscheidungsreif. Aus diesem Grunde hat der Senat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit dieses die noch erforderlichen tatsächlichen Feststellungen trifft und den zuständigen Versicherungsträger feststellt (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten bleibt dem Urteil des Berufungsgerichts vorbehalten.
Fundstellen