Leitsatz (amtlich)
Die nach BKVO SL § 5 vom 1954-07-02 (ABl SL 1954, 802) zur Gewährung einer Übergangsrente führende Minderung des Verdienstes beruht nicht mehr auf vorbeugenden Maßnahmen iS von Abs 1 dieser Vorschrift, wenn der Versicherte die Gelegenheit nicht nutzt, eine der aufgegebenen gefährlichen Beschäftigung gleichwertige und ihm zumutbare Tätigkeit aufzunehmen.
Normenkette
BKVO SL § 5 Abs. 1 Fassung: 1954-07-02
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 9. März 1966 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der im Jahre 1921 geborene Kläger ist seit dem Jahre 1935 hei der Firma D… N… in S… beschäftigt. Er arbeitet u.a. im Packhaus, im Gelatinier- und Knethaus und seit dem Jahre 1957 an einem Patronier-Automaten. Hierbei war er der Gefahr einer Nitroglyeolvergiftung ausgesetzt. Die Beklagte gewährte ihm vom 1. Dezember 1960 an eine Übergangsrente, nachdem der Staatliche Gewerbearzt des Saarlandes. Prof. Dr. S… in einem Gutachten vom 15. Februar 1961 ausgeführt hatte, daß nach den vorliegenden Befunden beim Kläger der Verdacht auf eine Belastungsinsuffizienz des Herzens bestehen Die Voraussetzungen einer Entschädigungsansprüche begründenden Berufskrankheit (BK) hielt Prof. Dr. S… nicht für gegeben. Er sprach sich jedoch für einen Arbeitsplatzwechsel zur Verhütung einer BK aus. Anläßlich der Überprüfung des Rentenbezugs vertrat der Facharzt für Lungenkrankheiten und wissenschaftliche Assistent des Instituts für Arbeitsmedizin der Universität des S… Dr. D… in dem Gutachten vom 25. Juli 1962 die Ansicht, der Kläger sei auf Grund des erhobenen Befundes in der Lage, eine besser bezahlte Tätigkeit als diejenige zu übernehmen, welche er jetzt ausführe. Die Beklagte stellte daraufhin mit Bescheid vom 28. Mai 1963 die Zahlung der Übergangsrente ein.
Das Sozialgericht (SG) für das Saarland hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger Übergangsrente über den Monat Juni 1963 hinaus zu gewähren.
Das Landessozialgericht (LSG) für das Saarland hat mit Urteil vom 9. März 1966 das erstinstanzliche Urteil "insoweit aufgehoben, als es dem Kläger über den 31.1.1964 eine Übergangsrente zuspricht". Es hat zur Begründung ausgeführt: Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Übergangsrente fehlten nicht nur, wenn die Auswirkungen der prophylaktischen Maßnahmen infolge anderer Ursachen völlig entfielen, sondern auch wenn sie gegenüber anderen Umständen derart in den Hintergrund treten würden, daß sie nicht mehr als ursächlich im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung gewertet werden könnten. So sei es im Falle des Klägers. Vom 1. Februar 1964 an könne mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, daß ein Mindervordienst des Klägers nicht mehr wesentlich auf den vorbeugenden Maßnahmen des Versicherungsträgers beruhe, Außerhalb der Firma D… N… stünden dem Kläger Arbeitsplätze zur Verfügung, die seiner früheren, Arbeitsstelle gleichwertig seien. Er habe sich um sie nur nicht bemüht, weil er bei seiner alten Firma bleiben wolle.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Gegen das ihm am 26. April 1966 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13. Mai 1966 Revision eingelegt und sie am 24. Juni 1966 begründet.
Die Revision führt aus; § 5 der saarländischen Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO-Saar) sei revisibles Recht. Diese Vorschrift habe das LSG unzutreffend ausgelegt. Um dem Kläger die Rente entziehen zu können, hätte die Beklagte selbst tätig sein müssen. Dadurch, daß sie sich allein auf Zahlung einer Rente beschränkt habe, ohne selbst weitere Maßnahmen einzuleiten, ohne also den Kläger für den Übergang in ein neues Lohn- und Arbeitsverhältnis zu befähigen, könne von der Anwendbarkeit der Kausalitätsgrundsätze keine Rede sein.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die Berufung der Beklagten gegen Urteil des SG für das Saarland vom 9. Juli 1964 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragte,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, § 5 BKVO-Saar sei irrevisibles Landesrecht. Sie hält außerdem das Urteil des LSG auch sachlich für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
II
Die Revision ist zulässig; sie hatte jedoch keinen Erfolg.
Die Revision ist allerdings nicht schon deshalb unbegründet, weil, wie die Beklagte meint, § 5 BKVO-Saar irrevisibles Recht sei. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 31. Januar 1967 - 2 RU 223/64 - entschieden, daß die BKVO-Saar in der Passung der Bekanntmachung vom 2. Juli 1954 (ABl S. 802) gemäß §§ 3, 5 des Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes vom 23. Dezember 1956 (BGBl I 1011) Bundesrecht im Sinne des § 162 Abs. 2 SGG geworden ist, da sie einen im gesamten übrigen Bundesgebiet einheitlich geregelten Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 74 Nr. 12 des Grundgesetzes) betrifft. Auf die Ausführungen dieses zur Veröffentlichung vorgesehenen Urteils wird hierzu Bezug genommen. Das LSG ist jedoch mit Recht davon ausgegangen, daß dem Klüger Übergangsrente jedenfalls nicht über den 31. Januar 1964 hinaus zusteht.
Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 BKVO-Saar besteht ein Anspruch auf Übergangsrente so lange und nur insoweit, als die Minderung des Verdienstes oder die sonstigen wirtschaftlichen Nachteile auf vorbeugende Maßnahmen in dem Sinne des Abs.1 dieser Vorschrift zurückzuführen sind. Schon dem Wortlaut des § 5 BKVO-Saar ist zu entnehmen, daß die Voraussetzungen für die Weitergewährung einer Übergangsrente nicht erst entfallene, wenn der Versicherte nach Aufgeben der gefährlichen Beschäftigung keinen Minderverdienst oder keine sonstigen wirtschaftlichen Nachteile mehr hat, sondern daß der Anspruch auf die Übergangsrente auch dann entfällt, wenn das Unterlassen der gefährlichen Beschäftigung nicht mehr die wesentliche Ursache für den Minderverdienst oder die sonstigen wirtschaftlichen Nachteile ist. Sinn und Zweck des § 5 BKVO-Saar bestätigen diese Auslegung, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat. Danach werden Übergangsrente oder Übergangsgeld nicht als dauernde Entschädigung gewährt; sie sollen vielmehr nur den Minderverdienst oder die sonstigen wirtschaftlichen Nachteile ganz oder teilweise ausgleichen, die durch das Aufgeben der gefährlichen Beschäftigung entstanden sind. Die nach § 5 BKVO-Saar zur Gewährung einer Übergangsrente führende Minderung des Verdienstes beruht daher nicht mehr auf vorbeugenden Maßnahmen im Sinne dieser Vorschrift, wenn der Versicherte nicht die Gelegenheit nutzt, eine seiner aufgegebenen gefährlichen Beschäftigung gleichwertige und ihm zumutbare Tätigkeit aufzunehmen Entgegen der Ansicht der Revision ist es dabei nicht erforderlich, daß der Versicherungsträger dem Versicherten bestimmte Arbeitsplätze nachweist, § 5 BKVO- Saar enthält keine Einschränkung, daß eine Übergangsrente nur dann nicht weiter zu gewähren sei, wenn der Minderverdienst oder die sonstigen wirtschaftlichen Nachteile infolge von Maßnahmen des Versicherungsträgers nicht mehr die Folge des Unterlassens der gefährlichen Beschäftigung sind. Dem Versicherten ist vielmehr zuzumuten, sich selbst um einen auf dem Gebiete des allgemeinen Erwerbslebens vorhandenen gleichwertigen und ihm zumutbaren Arbeitsplatz zu bemühen.
Nach den von der Revision nicht angegriffenen und daher das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§163 SGG) war der Kläger seit dem 1. Februar 1964 in der Lage, eine der aufgegebenen gefährlichen Beschäftigung gleichwertige Tätigkeit auszuüben. Das LSG hat weiter unangegriffen festgestellt, daß auf dem Gebiete des allgemeinen Erwerbslebens der Kläger in dem streitigen Zeitpunkt entsprechende Arbeitsplätze zur Verfügung standen. Es ist nicht ersichtlich und vom Kläger im Revisionsverfahren nicht vorgetragen, daß ihm ein Arbeitsplatzwechsel nicht zumutbar gewesen wäre. Lern steht nicht entgegen, daß der Kläger fast drei Jahrzehnte bei der Firma D… N… beschäftigt war, da er erst im 43. Lebensjahr stand und er selbst nicht geltend gemacht hat, daß ihm durch den Wechsel des Beschäftigungsunternehmens finanzielle oder sonstige wirtschaftliche Nachteile, Z.B. durch den Verlust eines bereits erworbenen Anspruchs gegen den alten Betrieb auf eine zusätzliche Altersversorgung, erwachsen wären.
Stand dem Kläger hiernach Übergangsrente jedenfalls seit dem in dem angefochtenen Urteil festgestellten Zeitpunkt nicht mehr zu, so bedurfte es keiner Entscheidung, ob der Kläger als Pförtner bei der Firma D… N… eine seiner aufgegebenen gefährlichen Beschäftigung als Bohrer gleichwertige Arbeit verrichtet.
Die Revision war somit zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen