Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsätze für die Gesetzesauslegung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Versorgungsbezüge, nach denen das Sterbegeld (BVG § 37 idF des 3. NOG-KOV) zu berechnen ist, umfassen jedenfalls dann, wenn ein Kapitalabfindungszeitraum (BVG § 74 Abs 2 S 1 und 3) mit dem Sterbemonat endet, auch den Grundrentenanteil, der infolge einer Kapitalabfindung für den Sterbemonat nicht auszuzahlen war. Die Verwaltungsvorschrift zu BVG § 37 Nr 1 ist insoweit mit dem Gesetz nicht vereinbar.

 

Leitsatz (redaktionell)

Für die Gesetzesauslegung und -anwendung ist nach anerkannten Regeln in erster Linie der in Wortlaut und Wortsinn zum Ausdruck kommende "objektivierte Wille" des Gesetzgebers maßgebend; außerdem sind der Sinn und Zweck der auszulegenden Vorschrift, namentlich des in ihr geregelten Rechtsinstituts, und dessen Stellung in systematischen Sinnzusammenhang des speziellen Rechtsgebietes, dem die Bestimmung angehört, die Rechtsentwicklung und die Regelung gleichartiger Leistungen in anderen Leistungssystemen zu beachten; schließlich muß die Auslegung unter Abwägung der Interessen zu einem sinnvollen Ergebnis führen (vergleiche BSG 1957-05-09 3 RK 55/55 = BSGE 5, 127-135; BSG 1958-10-23 8 RV 619/57 = BSGE 8, 198-201; BSG 1962-02-13 3 RK 63/61 = BSGE 16, 177-182; BSG 1965-03-18 RV 171/63 = BSGE 23, 7-9; BSG 1968-01-30 2 RU 257/65 = BSGE 27, 269; BSG 1969-08-27 2 RU 195/66 = BSGE 30, 64-65).

 

Normenkette

BVG § 37 Abs. 1 Fassung: 1966-12-28, § 74 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1966-12-28, S. 3 Fassung: 1966-12-28; BVGVwV § 37 Nr. 1

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. März 1972 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I

Streitig ist die Höhe des Sterbegeldes.

Die Klägerin ist die Witwe des am 10. Februar 1967 verstorbenen Kriegsbeschädigten B Sch (Sch.). Dessen Beschädigtenrente setzte das Versorgungsamt D (VersorgA) durch Neufeststellungsbescheid vom 31. Mai 1967 rückwirkend für den Sterbemonat entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v. H. fest. Die laufende Grundrente betrug zuletzt nach § 31 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) monatlich 270,- DM; sie wurde für die Zeit vom 1. März 1957 bis zum 28. Februar 1967 gemäß Benachrichtigung des VersorgA vom 8. Februar 1957 um 69,- DM monatlich gemindert; denn Sch. hatte eine Kapitalabfindung von 7.452,- DM erhalten (Verfügung des Landesversorgungsamts vom 4. Juni 1956). Das VersorgA berechnete das der Klägerin zu zahlende Sterbegeld nach dem Dreifachen des monatlichen Grundrentenbetrages, abzüglich 69,- DM, und stellte es auf insgesamt 603,- DM fest (Bescheid vom 17. April 1967 idF des Abhilfebescheides vom 30. Mai 1967). Widerspruch und Klage, mit denen die Klägerin einen weiteren Sterbegeldbetrag von 207,- DM ohne Abzug des der Kapitalabfindung entsprechenden Rentenbetrages verlangte, blieben erfolglos (Bescheid vom 28. Juli 1969, Urteil des Sozialgerichts - SG - Dortmund vom 25. November 1970). Auf die vom SG zugelassene Berufung der Klägerin änderte das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) durch Urteil vom 22. März 1972 (= Breithaupt 1972, 780) die Entscheidung des SG und die zugrunde liegenden Bescheide ab und verurteilte den Beklagten, der Klägerin 207,- DM als weiteres Sterbegeld zu zahlen.

Das LSG vertrat die Auffassung, dieser Betrag dürfe von der Grundrente, nach der das Sterbegeld zu berechnen sei, nicht mit der Begründung abgezogen werden, 69,- DM seien monatlich für die "Tilgung" der 10 Jahre vorher gewährten Kapitalabfindung (im Tatbestand als "Darlehen" bezeichnet) von den Versorgungsbezügen des Verstorbenen einbehalten worden. § 37 BVG enthalte nur eine einzige Ausnahme für die Berechnung des Sterbegeldes, und zwar die Höchstbemessung der Pflegezulage nach Stufe II. Wenn nach § 74 Abs. 2 Satz 3 BVG der "Anspruch" auf Versorgungsbezüge, an deren Stelle die Abfindung trete, für die Dauer von 10 Jahren erlösche, sei unter "Anspruch" in diesem Sinn nur der einzelne Auszahlungsanspruch für den jeweiligen Monat, nicht aber das "Stammrecht" auf die nach den §§ 30 ff BVG zu gewährenden Bezüge zu verstehen. Selbst wenn man dieser Auslegung des § 37 BVG nicht folge, ändere das nichts am Ergebnis; denn z. Zt. des Todes des Beschädigten seien alle "Tilgungsraten" beglichen gewesen. Der Beklagte behielte bei seiner Berechnungsweise im Ergebnis die "Tilgungsraten" nicht 120 mal, sondern 123 mal ein. Eine solche Konsequenz könne der Gesetzgeber nicht gewollt haben. - Das LSG hat die Revision zugelassen.

Der Beklagte rügt mit der Revision eine Verletzung des § 37 Abs. 1 und des § 74 Abs. 2 Satz 3 BVG sowie allgemeiner Auslegungsregeln durch das LSG. Wenn das Sterbegeld nach den Versorgungsbezügen zu berechnen sei, die dem Beschädigten für den Sterbemonat "zustanden", könne dies nach dem Wortlaut und nach dem in der Gesetzessprache, insbesondere in zahlreichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) üblichen Wortsinn nur bedeuten: Der Verstorbene habe etwas von der Versorgungsverwaltung fordern können, und die Verwaltung sei entsprechend diesem "Anspruch" (§ 194 BGB; BSG 14, 240) ihm gegenüber verpflichtet gewesen. Sch. habe aber im Sterbemonat nicht die volle Grundrente beanspruchen können, weil sein "Anspruch" nach § 74 Abs. 2 BVG in Höhe von 69,- DM erloschen gewesen sei. Der Hinweis in § 37 Abs. 1 BVG auf die §§ 30 bis 33, 34 und 35 BVG könne nicht zur Folge haben, daß die in diesen Vorschriften genannten Bezüge ohne Rücksicht darauf, daß sie dem Beschädigten nicht voll "zustanden", bei der Berechnung zu berücksichtigen seien. Vielmehr kennzeichne diese Verweisung nur die für die Sterbegeldbemessung ihrer Art nach in Betracht kommenden Bezüge; sie schließe zahlreiche Leistungen für die Berechnung des Sterbegeldes aus. Obgleich die Kapitalabfindung nicht grundsätzlich den Versorgungsanspruch berühre, schränke sie ihn doch in Höhe der dem Beschädigten "zustehenden" Bezüge ein, und nach diesem "Auszahlungsanspruch" sei das Sterbegeld zu bemessen. Die dem § 37 BVG ähnlichen Vorschriften anderer Rechtsgebiete seien wegen eines anderen Wortlautes und Zweckes für einen Vergleich nicht geeignet. Falls der Gesetzgeber den Ausdruck "zustehen" im Sinne der vom LSG getroffenen Entscheidung gemeint hätte, hätte er dies anders ausgedrückt. Insbesondere hätte er dann bei der durch das Zweite Neuordnungsgesetz (2. NOG) vorgenommenen Neufassung des § 37 BVG eine andere Formulierung gewählt, weil die Verwaltung den § 37 BVG entsprechend den früheren Verwaltungsvorschriften so ausgelegt habe, wie dies jetzt gegenüber der Klägerin geschehen sei. Diese Auslegung werde durch die neue Fassung der Verwaltungsvorschriften bestätigt; diese seien von zwei an der Bundesgesetzgebung beteiligten Organen geprüft worden und gäben daher im allgemeinen den Willen des Gesetzgebers wieder. Schließlich entspreche diese Auslegung dem Zweck des Sterbegeldes; diese gegenüber der Hinterbliebenen- und der Beschädigtenversorgung selbständige Leistungen solle bestimmten Angehörigen für eine Übergangszeit das belassen, was dem Verstorbenen im Sterbemonat an Versorgung tatsächlich zugeflossen sei und ihnen daher mittelbar zur Verfügung gestanden habe. Die Erwägung des LSG, daß die Versorgungsverwaltung im Ergebnis die monatliche Tilgung 123 mal statt 120 mal einbehalte, gehe fehl, weil es sich bei der Kapitalabfindung nicht um ein Darlehen handele, das getilgt werden müsse, und weil das Sterbegeld nicht zur Beschädigtenversorgung gehöre; die Versorgungsverwaltung habe daher nichts einbehalten, was dem Verstorbenen oder der Hinterbliebenen zugestanden habe. Nach Ablauf des Abfindungszeitraumes könne der abgefundene Rentenanteil nur in der Person des Beschädigten wiederaufleben; das sei aber nach dessen Tod ausgeschlossen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG vom 22. März 1972 abzuändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Dortmund vom 25. November 1970 zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision des Beklagten als unbegründet zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf das angefochtene Urteil.

II

Die Revision des Beklagten ist zulässig (§ 162 Abs. 1 Nr. 1, §§ 164, 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Sie ist aber sachlich nicht begründet.

Das LSG hat im Ergebnis mit Recht der Berufung der Klägerin stattgegeben und den Beklagten verurteilt, ihr als Sterbegeld noch einen weiteren Betrag von 207,- DM zu zahlen. Das Sterbegeld, das die Klägerin als Ehefrau des verstorbenen Beschädigten nach § 37 Abs. 2 BVG idF des am 1. Januar 1967 in Kraft getretenen und daher hier anzuwendenden 3. NOG (vom 28. Dezember 1966 - BGBl I 750 -, vgl. die Bekanntmachung der Neufassung vom 20. Januar 1967 - BGBl I 141, 180 -) beanspruchen kann, ist gemäß § 37 Abs. 1 BVG nach dem dreifachen Betrag der Versorgungsbezüge zu bemessen, die dem Ehemann "für den Sterbemonat nach den §§ 30 bis 33, 34 und 35 zustanden". Der Berechnungsmaßstab bestimmte sich in diesem Fall u. a. nach der vollen gesetzlichen Grundrente für Februar 1967, d. h. in Höhe von 270,- DM (§ 31 Abs. 1 BVG idF des 3. NOG), und damit ohne Abzug des der Kapitalabfindung zugrunde gelegten monatlichen Rentenanteils von 69,- DM.

Die davon abweichende Berechnung in den angefochtenen Bescheiden und die Revision können nicht auf Nr. 1 der Verwaltungsvorschriften zu § 37 BVG (idF vom 26. Juni 1969 - Beilage Nr. 15/69 zum Bundesanzeiger Nr. 119 = Beilage zu Heft 7 BVBl 1969 -) gestützt werden, nach der das Sterbegeld u. a. insoweit nicht gezahlt wird, als die Versorgungsbezüge des Verstorbenen nach § 74 Abs. 2 BVG, d. h. entsprechend der Kapitalabfindung, erloschen sind. Diese Verwaltungsvorschrift ist mit dem § 37 BVG iVm den Vorschriften über die Kapitalabfindung (§§ 72 bis 80 BVG) nicht vereinbar. Sie ist als eine interne Anweisung der Bundesregierung an die Verwaltung (Art. 84 Abs. 2 des Grundgesetzes - GG -) für die Gerichte nicht bindend, stellt aber auch keine authentische Auslegung des vom Bundestag beschlossenen Gesetzes durch die Bundesregierung dar, die an der Gesetzgebung nur in beschränktem Umfang beteiligt wird (Art. 76 bis 78, 82 Abs. 1 Satz 1 und Art. 113 GG); denn diese Verwaltungsvorschrift wird nicht durch den Wortlaut und Sinnzusammenhang des Gesetzes gedeckt (BSG 1, 272, 274; 6, 175, 177; 6, 252, 254 f; 8, 130 und 140; 9, 158, 160 f; 9, 295, 300; 10, 202, 204; 11, 190, 191; 25, 78, 82).

Für die Gesetzesauslegung und -anwendung ist nach anerkannten Regeln in erster Linie der im Wortlaut und Wortsinn zum Ausdruck kommende "objektivierte Wille" des Gesetzgebers maßgebend; außerdem sind der Sinn und Zweck der auszulegenden Vorschrift, namentlich des in ihr geregelten Rechtsinstituts, und dessen Stellung im systematischen Sinnzusammenhang des speziellen Rechtsgebietes, dem die Bestimmung angehört, die Rechtsentwicklung und die Regelung gleichartiger Leistungen in anderen Leistungssystemen zu beachten; schließlich muß die Auslegung unter Abwägung der Interessen zu einem sinnvollen Ergebnis führen (BSG 5, 127, 135; 8, 198, 201; 16, 177, 182; 23, 7, 9; 27, 269 f; 30, 64, 65 ff). Die Verweisung in § 37 BVG auf die dem Beschädigten u. a. nach den §§ 30 und 31 BVG zustehende Grundrente meint nicht allein diese Art von Versorgungsleistung (§ 9 Nr. 3 BVG), sondern auch deren Höhe, wie sie dem Beschädigten nach dem Gesetz für den Sterbemonat zustand (vgl. zur ähnlichen Vorschrift des § 1268 Abs. 5 Reichsversicherungsordnung - RVO -: BSG 28, 36, 37). Im einzelnen ist das Sterbegeld nach den Versorgungsbezügen zu bemessen, die dem Verstorbenen " für den Sterbemonat...zustanden"; dieser Wortlaut ist für die Auslegung entscheidend. Die von ihm gekennzeichneten Versorgungsleistungen stehen im Gegensatz zu denjenigen, die im Sterbemonat tatsächlich gezahlt wurden, aber auch zu denjenigen, die der Beschädigte im Sterbemonat (= während des Sterbemonats) zu beanspruchen hatte, d. h. u. a. zu der Grundrente, die an Sch. im Sterbemonat wegen der Kapitalabfindung in der um 69,- DM gekürzten Höhe nach der damaligen Rechtslage ausgezahlt wurde. Der bezeichnete Gegensatz wird besonders deutlich bei einem Vergleich mit ähnlichen "Sterbevierteljahres"-Leistungen auf anderen Rechtsgebieten, die nach der zuletzt an den Verstorbenen tatsächlich gezahlten Rente bemessen werden, mithin eine bloße Fortzahlung darstellen, d. h. bei Gegenüberstellung mit entsprechenden Rentenarten im Wiedergutmachungsrecht (§ 41 Abs. 3 Bundesentschädigungsgesetz) und im Lastenausgleichsrecht (§ 272 Lastenausgleichsgesetz). Wenn nach § 37 Abs. 1 BVG in der Fassung, die bis einschließlich zum 1. NOG (vom 27. Juni 1960 - BGBl I 453 -) galt, "für die auf den Sterbemonat folgenden drei Monate noch die Beträge gezahlt" wurden, die dem verstorbenen "Rentenempfänger" "zu zahlen gewesen wären", mag unklar gewesen sein, ob eine bloße Weiterzahlung gemeint war, wie sie der Beklagte nach der gegenwärtigen Gesetzeslage für Rechtens hält (Schieckel, BVG-Kommentar, 2. Aufl. 1953, § 37, Anm. 1). Die Neufassung, die durch das 2. NOG (vom 21. Februar 1964 - BGBl I 85 -) eingeführt worden ist, sollte nach den Motiven gerade Berechnungsschwierigkeiten, die sich aus der früheren Fassung ergaben, beseitigen (BT-Drucks. IV/1305 und 1831; BR-Drucks. 189/63). Das ist eindeutig geschehen. Der sodann eingeführte Begriff "zustehen" bezeichnet - ebenso wie in den Regelungen der "Sterbevierteljahres"-Bezüge des Beamten- und des Rentenversicherungsrechts (§ 122 iVm § 108 Abs. 1 Nr. 1 Bundesbeamtengesetz, ebenso § 41 Soldatenversorgungsgesetz; § 1268 Abs. 5 RVO, § 45 Abs. 5 Angestelltenversicherungsgesetz, § 69 Abs. 5 Reichsknappschaftsgesetz) - einen Rechtsanspruch (BSG 30, 129, 130; vgl. auch BSG 29, 116, 117), wie er z. B. in § 194 BGB allgemein für das bürgerliche Recht gesetzlich beschrieben wird als ein "Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (Anspruch)" (vgl. zur Übernahme der Definition ins Sozialrecht: BSG 14, 238, 240). Diese Auffassung vertritt auch der Beklagte mit Recht. Nur zieht er daraus unberechtigte Folgerungen für den vorliegenden Fall.

Was unter "Zustehen" einer Leistung im Einzelfall zu verstehen ist, muß aus dem "Zusammenhang mit dem jeweiligen Inhalt und Zweck der Vorschriften" erschlossen werden (BSG 29, 116, 117 f). Hier ergibt sich die richtige Auslegung aus dem Sinn und Zweck, den die Rechtsinstitute des Sterbegeldes und der Kapitalabfindung haben. Sch. hatte "für den Sterbemonat" einen Anspruch auf die Grundrente auch in Höhe des 1957 abgefundenen Anteils von monatlich 69,- DM. Auch der Beklagte hat das Sterbegeld nicht nach der tatsächlich im Februar 1967 entsprechend einer MdE von weniger als 100 v. H. gezahlten Grundrente bemessen, sondern nach der nachträglich mit Rückwirkung "für den Sterbemonat" zuerkannten Rente eines Erwerbsunfähigen (Nr. 2 der Verwaltungsvorschrift zu § 37 BVG iVm Nr. 1 Satz 2 der Verwaltungsvorschrift zu § 36 BVG). Dann bestimmt sich das Sterbegeld auch nach der Rentenhöhe, die dem Verstorbenen nach den Verhältnissen bei der Kapitalabfindung mit Wirkung für die spätere Zeit, ebenfalls "für den Sterbemonat" rechtsverbindlich zugesprochen, die aber schon vor diesem Zeitraum befriedigt worden war. Dieser allein von der Höhe der MdE abhängige Rentenanspruch (§ 30 Abs. 1 und 2, § 31 Abs. 1 BVG in der 1956/57 geltenden Fassung des 5. Änderungs- und Ergänzungsgesetzes vom 6. Juni 1956 - BGBl I 463, 469 - und in der Fassung des 3. NOG) war zwar infolge der Abfindung in Höhe der Bezüge, an deren Stelle die Abfindungssumme getreten war, für die Dauer von 10 Jahren "erloschen" (§ 74 Abs. 2 Satz 3 BVG), also auch im Sterbemonat (Februar 1967), der als letzter Monat in den Abfindungszeitraum (§ 74 Abs. 2 Satz 1 und 3 BVG) fiel. Das änderte aber nichts daran, daß dem Sch. diese Versorgungsleistung auch in dieser Höhe "für den Sterbemonat" zustand. Dieser vom LSG als "Stammrecht" bezeichnete Rechtsanspruch war infolge der Kapitalisierung nicht etwa weggefallen, sondern nur in einen solchen auf einmalige Zahlung der Kapitalsumme anstelle der laufenden Rentenbeträge (§ 66 Abs. 1 Satz 1 BVG) umgewandelt und durch die Kapitalabfindung im voraus befriedigt worden (vgl. § 843 Abs. 3 BGB; RVGE 10, 109, 111 f; Vorberg in: Vorberg/van Nuis, Das Recht der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen, VII. Teil, 1972, S. 5). "Erloschen" ist somit lediglich der "Auszahlungsanspruch" für den in § 74 Abs. 2 Satz 3 BVG bestimmten Zeitraum, weil eine doppelte Leistung ausgeschlossen werden muß. Daß die Vorauszahlung den Anspruch der §§ 30 und 31 BVG im Sinne des "Stammrechts" nicht in Höhe der Abfindungssumme "für den Sterbemonat" vernichtete, wird deutlich an der Bestandskraft der Kapitalabfindung; ein Fortfall des Rentenanspruchs vor dem Ende des Abfindungszeitraumes, z. B. durch den Tod des Beschädigten (§ 60 Abs. 4 Satz 1 BVG) oder eine spätere Herabsetzung der MdE (§§ 30, 62 BVG), ändern nichts an der vollzogenen Abfindung und an dem ihr zugrunde liegenden Rentenanspruch (Vorberg, aaO, und S. 45). Das LSG hat diese Rechtslage, die sich eindeutig aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, nicht klar genug herausgestellt, weil es sich von der unzutreffenden Vorstellung hat leiten lassen, während des Abfindungszeitraumes würden Beträge entsprechend der für jeden Monat abgefundenen Rentenanteile im Wege einer "Tilgung...einbehalten". Diese Rechtskonstruktion würde ein Darlehen voraussetzen, von dessen Gewährung auch das LSG nach dem Tatbestand - zu Unrecht - ausgegangen ist. Die echte Rückzahlung der Abfindung wird vielmehr allein in den §§ 76, 77 und 78 a Abs. 2 BVG für Ausnahmefälle geregelt, von denen in diesem Regelfall keiner gegeben ist. Diese Rückerstattung der ganzen Abfindungssumme oder eines Teiles läßt für den Beschädigten den Rentenanspruch, der dieser Abfindung zugrunde gelegen hat, wiederaufleben (§ 77 Abs. 3 BVG), macht also den Abfindungsvorgang ganz oder teilweise rückgängig. Da hier aber die Konstruktion einer "Tilgung" nicht paßt, geht auch die Begründung des angefochtenen Urteils, der Beklagte hielte 123 Monatsraten statt der ihm zustehenden 120 zurück, fehl.

Die Berechnung unter Einbeziehung des "für den Sterbemonat" kapitalisierten Rentenanspruchs entspricht auch dem Sinn und Zweck des Sterbegeldes. Diese Versorgungsleistung, die gegenüber der Beschädigtenversorgung ebenso wie gegenüber der Hinterbliebenenversorgung selbständig ist (§ 9 Nr. 3 bis 6 BVG), soll nach gesetzlicher Rangfolge bestimmten Angehörigen, die mit dem Beschädigten z. Zt. seines Todes in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben, oder dem, den er unterhalten hat, die wirtschaftliche Lage des Sterbemonats, soweit sie durch die Versorgungsbezüge des Verstorbenen bestimmt wurde, für drei weitere Monate sichern, dadurch die Umstellung auf die neuen, durch den Tod entstandenen Wirtschaftsverhältnisse erleichtern und besondere Aufwendungen, die mit dem Tod gerade für diese Personen infolge der häuslichen Gemeinschaft oder der Unterhaltsbeziehung verbunden waren, zu tragen helfen (RdSchr. des BMA vom 27. April 1971, bekanntgegeben im Bayer. Amtsblatt 1971, A 156, und Ministerialblatt Nordrhein-Westfalen 1971, 1124).

Diese Zweckbestimmung wird dadurch verdeutlicht, daß das Sterbegeld seit dem 2. NOG - anders als zuvor die "Sterbevierteljahres"-Bezüge (§ 61 Abs. 5 BVG idF bis zum 5. Änderungs- und Ergänzungsgesetz, § 61 Abs. 8 BVG idF des 1. NOG) - nicht mehr auf die Hinterbliebenenrente, die den laufenden Lebensunterhalt bestreiten soll, angerechnet wird, falls sie derselben Person zusteht (RdSchr. des BMA, BVBl 1964, 34, 36). Dem gleichen Zweck wie das Sterbegeld des § 37 BVG dienen die ähnlichen Bezüge auf anderen Rechtsgebieten (für das Beamtenrecht: Bundesverwaltungsgericht 23, 52, 53; für das Rentenversicherungsrecht: BSG 28, 36, 37; 29, 116, 119; SozR Nr. 4 zu § 1268 RVO; vgl. auch zu § 1279 RVO: BSG 27, 230). Wegen dieser vorübergehenden Bestandssicherung muß folgerichtig die wirtschaftliche Lage, die erhalten bleiben soll und die daher die Höhe des Sterbegeldes bestimmt, nach dem wie zuvor zu verstehenden Rechtsanspruch des Verstorbenen "für den Sterbemonat" bemessen werden, falls dies - wie hier - das Gesetz vorschreibt.

Etwas anderes gilt nicht etwa deshalb, weil der Rentenanspruch des Sch. entsprechend dem Umfang der im voraus gezahlten Kapitalabfindung im Februar 1967 "erloschen" war. Trotzdem bestimmte der Wert der Abfindungssumme, die Sch. in Erfüllung dieses Anspruchs vorweg u. a. "für den Sterbemonat" erhalten hatte, seinen Lebensstandard in der Höhe des auf diese Zeit entfallenden Anteils. Da die Abfindung für einen genau festgelegten Zweck verwendet werden und dem Erwerb von Grundbesitz oder ähnlichen wertbeständigen Rechten dienen muß (§§ 72, 75 BVG), ist sie zwar nicht frei verfügbar wie die Rente, verbessert aber als Wertzuwachs die wirtschaftliche Lage des Beschädigten. Falls dies bei der Sterbegeldbemessung nicht zu berücksichtigen wäre, müßte eine im Sterbemonat vollständig kapitalisierte Grundrente ganz außer Betracht bleiben. Dieses Ergebnis erscheint abwegig. Daß die Kapitalabfindung tatsächlich die wirtschaftliche Lage des Beschädigten in der Zeit um seinen Tod bestimmt, wird durch § 9 Abs. 3 der Durchführungsverordnung (DVO) zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG (vom 28. Februar 1968 - BGBl I 194 -) bestätigt. Nach dieser Vorschrift, die mit dem zugrunde liegenden Gesetz vereinbar ist (vgl. das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des erkennenden Senats vom 24. November 1972 - 9 RV 70/72 -), gilt als derzeitiges Bruttoeinkommen, nach dem der Berufsschadensausgleich u. a. zu berechnen ist (§ 30 Abs. 4 Satz 1 BVG), auch der Rentenbetrag, der einer dem Beschädigten gewährten Kapitalabfindung zugrunde gelegt wurde. Ebenso ist die Witwen-Grundrente (§ 40 BVG), die gemeinsam mit der Ausgleichsrente und dem sonstigen Bruttoeinkommen die Höhe des Witwen-Schadensausgleichs mitbestimmt (§ 40 a Abs. 2 Satz 1 BVG), unter Einbeziehung einer Kapitalabfindung zu bemessen, weil sonst der Schadensausgleich teilweise durch eine Doppelleistung ungerechtfertigt erhöht würde (Vorberg, Das Recht der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen, V. Teil, Ausgabe 1971, S. 23 f). Die Kapitalabfindung ist auch nicht etwa wie beim Ruhen oder bei der Entziehung oder Minderung des Rentenanspruches im Sterbemonat dem Beschädigten wirtschaftlich entzogen (a. A. BMA, aaO). Obwohl sie ein anderes Rechtsinstitut als das Ruhen (§ 65 BVG) ist (RVGE 10, 109, 110), läßt sie sich in gewisser Hinsicht mit diesem vergleichen; auch das Ruhen läßt den Anspruch als solchen, das "Stammrecht", nicht untergehen (BSG 7, 187, 191; 20, 161, 163; für die Krankenversicherung: BSG 2, 142, 147). Selbst ein Ruhen des Rentenanspruches bleibt im Rentenversicherungsrecht in bestimmten Fällen bei der Berechnung der "Sterbevierteljahres"-Rente ohne Wirkung (vgl. § 1279 Abs. 3 RVO für das Ruhen nach den §§ 1278 und 1279 Abs. 1 RVO; BSG 30, 129), im Beamtenrecht sogar eine im Disziplinarverfahren angeordnete Kürzung oder Einbehaltung von Dienstbezügen (§ 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 76 Abs. 3, §§ 92, 96 Abs. 2, § 117 Abs. 4 Satz 4 Bundesdisziplinarordnung).

Wenn nach alledem das Sterbegeld u. a. nach dem Anteil der Kapitalabfindung, der im voraus "für den Sterbemonat" ausgezahlt worden war, zu berechnen ist, erhält die Klägerin nicht etwa durch diese Leistung zusätzlich zu dem ihr evtl. im Erbgang zugefallenen Wert der Abfindung nach dem Tod des Sch. eine Doppelversorgung, die allerdings dem Zweck dieser Leistung widerspräche. Für die Zeit ab 1. März 1967 hätte Sch., falls er nicht im Februar 1967 verstorben wäre, wieder laufend die volle Beschädigtenrente ausgezahlt erhalten. Daß ihm mit Hilfe der Kapitalabfindung ein beständiger Wert zugewachsen war, hätte jenem Rechtsanspruch nicht entgegengestanden. Das ist nicht anders, als wenn ein Beschädigter seine laufende Rente, über die er frei verfügen darf, wertbeständig anlegt, und entspricht gerade dem Sinn der Kapitalabfindung. Ein durch die Kapitalabfindung geschaffener Vermögenswert gilt als in der Vergangenheit, d. h. vor dem Tod, entstanden und steht, falls ihn die Klägerin geerbt hat, einem Sterbegeldanspruch, der erst nach dem Tod entstanden ist und für die anschließende Zeit die wirtschaftliche Lage sichern soll, nicht entgegen. Schließlich erhält die Klägerin durch das Sterbegeld in der Höhe, die ihr nach dieser Entscheidung zusteht, nicht die Beschädigtenrente, die nach Ablauf des Abfindungszeitraumes in der üblichen Weise nur an den Beschädigten selbst zu zahlen wäre. Vielmehr wird ihr das Sterbegeld als eigenständige Leistung allein in der Höhe bestimmter Anteile der mit dem Sterbemonat endenden Beschädigtenversorgung gewährt.

Aus diesen Gründen muß die Revision des Beklagten als unbegründet zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 173

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