Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermessensausübung bei Rückforderung überzahlter Leistungen
Leitsatz (amtlich)
1. Eine unrichtige Annahme der Verwaltung bei einer Ermessensentscheidung vermag nur dann einen Ermessensfehler zu belegen, wenn sie für die Ermessensentscheidung bestimmend gewesen ist.
2. Ist der Erlaß eines belastenden Verwaltungsaktes in das Ermessen der Verwaltung gestellt (hier: Rückforderung eines zu Unrecht gezahlten Altersruhegeldes nach RVO § 1301 = AVG § 80), so muß die Verwaltung genügend Raum für Fälle lassen, in denen Sinn und Zweck der Ermächtigung eine Abstandnahme von einem solchen Verwaltungsakt nahelegen; im Zweifel muß sie daher innerhalb der von ihr mitzuteilenden Ermessenserwägungen erkennbar machen, daß sie diesen Grundsatz und alle für die Ermessensentscheidung bedeutsamen Einzelumstände berücksichtigt hat.
Leitsatz (redaktionell)
Fällt dem Versicherten an der eingetretenen Überzahlung nur leichte Fahrlässigkeit zur Last, so muß der Versicherungsträger in ausreichender Weise darlegen, daß er bei der seinem Ermessen unterliegenden Rückforderung dem Gesetz entsprechende Maßstäbe angelegt hat.
Normenkette
RVO § 1248 Abs. 4 S. 1 Buchst. b Fassung: 1973-03-30, § 1301 Fassung: 1965-06-09; AVG § 80 Fassung: 1965-06-09, § 25 Abs. 4 S. 1 Buchst. b Fassung: 1973-03-30
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 18.01.1978; Aktenzeichen L 3 An 1756/75) |
SG Reutlingen (Entscheidung vom 11.11.1975; Aktenzeichen S 3 An 365/75) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. Januar 1978 dahin geändert, daß die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. November 1975 ohne die vom Landessozialgericht beigefügte Maßgabe zurückgewiesen wird.
Im übrigen wird die Revision der Beklagten zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Unter den Beteiligten ist die Rückforderung von Altersruhegeld für die Zeit von Juli bis November 1973 streitig.
Der Kläger beantragte im Dezember 1972 die Gewährung von flexiblem Altersruhegeld nach § 25 Abs 4 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG). Nach der Änderung dieser Vorschrift durch das 4. Rentenversicherungs-Änderungsgesetz vom 30. März 1973 vereinbarten er und sein Arbeitgeber, ab Juli 1973 die Arbeitsleistung und den Arbeitsverdienst des Klägers herabzusetzen, um ihm auch nach Juni 1973 den Bezug des flexiblen Altersruhegeldes zu ermöglichen. Dementsprechend teilte der Kläger im Juni 1973 der Beklagten mit, er werde vom 1. Juli 1973 nur noch gegen ein Entgelt in Höhe von 690,-- DM monatlich tätig sein; eine dies bestätigende Bescheinigung des Arbeitgebers legte er bei. Nach Anfrage über das Arbeitsentgelt vor Juli 1973 gewährte die Beklagte darauf mit Bescheiden vom 6. November 1973 dem Kläger Altersruhegeld vom 1. Januar bis 31. März 1973 und ab Juli 1973. Die Bescheide enthalten den Zusatz, das Altersruhegeld stehe "nur zu, wenn das Entgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung ... die vom Gesetzgeber festgelegten Höchstgrenzen nicht überschreitet". Noch im November oder Anfang Dezember 1973 wurde dem Kläger innerhalb der Nachzahlung der streitige Rückforderungsbetrag ausgezahlt.
Etwa um die gleiche Zeit vereinbarte der Kläger mit dem Arbeitgeber eine weitere Verminderung der Arbeitszeit mit der Folge, daß der Arbeitgeber ihm für Dezember 1973 nur noch 426,96 DM auszahlte. Außerdem ließ er durch den Arbeitgeber bei der Einzugsstelle die Rückzahlung der für Januar bis März und ab Juli 1973 entrichteten Rentenversicherungsbeiträge beantragen. Bei dieser Gelegenheit ergab sich, daß der Kläger ab Juli 1973 zusätzlich zu dem Gehalt von 690,-- DM eine ihm tarifvertraglich zustehende vermögenswirksame Leistung von monatlich 12,-- DM und im Juli 1973 außerdem ein Urlaubsgeld in Hohe von 203,04 DM erhalten hatte. Die Beklagte teilte hierauf dem Kläger mit, daß sie die Auszahlung der laufenden Rente ab Februar 1974 vorsorglich anhalte und sich eine Rückforderung überzahlter Rentenbeträge vorbehalte. Der Kläger entgegnete, das Urlaubsgeld beruhe auf Ansprüchen aus der ersten Hälfte des Jahres 1973; die vermögenswirksame Leistung von monatlich 12,-- DM könne nach seiner und seines Arbeitgebers Ansicht den Rentenanspruch nicht gefährden, anderenfalls wäre diese Leistung nämlich unterblieben.
Mit Bescheid vom 27. September 1974 stellte die Beklagte das Altersruhegeld (mit Ausnahme der Bezugszeit von Januar bis März 1973) neu fest; sie nahm nun den Eintritt des Versicherungsfalles zum 1. Dezember 1973 an und ließ dementsprechend zu diesem Zeitpunkt die Rente (wieder) beginnen; gleichzeitig forderte sie die für Juli bis November 1973 gezahlten Rentenbeträge in Höhe von insgesamt 4.403,50 DM zurück, weil insoweit die Leistungsvoraussetzungen entfallen seien und die Rente zu Unrecht gezahlt sei. Der Widerspruch des Klägers gegen die Rückforderung hatte keinen Erfolg. Die Widerspruchsstelle hat ihre Entscheidung damit begründet, daß zumindest dem Arbeitgeber die Rechtslage bekannt gewesen sein müsse und auch der Kläger durch Rückfrage die Gesamthöhe seines Arbeitsverdienstes hätte erfahren können; die Rückforderung verstoße somit nicht gegen Treu und Glauben.
Das Sozialgericht (SG) hat den Bescheid vom 27. September 1974 bezüglich der Rückforderung mit der Begründung aufgehoben, der Kläger habe beim Zahlungsempfang weder gewußt noch wissen müssen, daß ihm das Altersruhegeld für die streitige Zeit nicht zustehe. Die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte zur Erteilung eines neuen Bescheides unter Beachtung der Rechtsauffassung des LSG verurteilt wurde. Das LSG hielt die Voraussetzungen des Rückforderungsanspruchs nach § 80 AVG im Gegensatz zum SG für erfüllt. Der Kläger habe 1973 gemäß § 25 Abs 4 Buchst b AVG nF neben dem flexiblen Altersruhegeld nur ein durchschnittliches Entgelt von 690,-- DM monatlich erzielen dürfen; dieser Grenzbetrag sei schon mit der vermögenswirksamen Leistung, die Entgelt darstelle, überschritten worden; das Entgelt für Dezember 1973 müsse bei der Berechnung des Durchschnitts außer Betracht bleiben. Demzufolge sei das Altersruhegeld bereits im Juli 1973 (dem ersten Überschreitungsmonat) gemäß § 25 Abs 4 Satz 3 AVG entfallen. Daß dem Kläger das Altersruhegeld nicht zustehe, habe er zwar nicht gewußt, weil er beim Empfang der Rentenleistung offensichtlich die vermögenswirksame Leistung nicht als Teil seines Bruttoentgelts angesehen habe; er habe dies jedoch den Gehaltsabrechnungen entnehmen können und Anlaß gehabt, sich durch Rückfrage zu vergewissern. Insoweit sei ihm leichte (einfache), nicht aber grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Dahinstehen könne, ob der Kläger auch hinsichtlich des Urlaubsgeldes schuldhaft geirrt habe, von dem ein Teil von 63,06 DM für das zweite Halbjahr 1973 bestimmt gewesen sei. Die Rückforderung sei schließlich im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers vertretbar.
Nach der Ansicht des LSG hat die Beklagte jedoch von ihrem Ermessen bei der Entschließung über die Rückforderung einen fehlerhaften Gebrauch gemacht, weil sie dabei zu Unrecht davon ausgegangen sei, daß dem Kläger Vorsatz, zumindest aber grobe Fahrlässigkeit beim Leistungsempfang zur Last falle. Dies komme zwar weder im Rückforderungsbescheid noch im Widerspruchsbescheid zum Ausdruck; auf eine solche Annahme deute jedoch der Vortrag der Beklagten im Prozeß hin. Die Beklagte werde deshalb, ausgehend von leichter Fahrlässigkeit beim Leistungsempfang, nochmals zu prüfen haben, ob sie die überzahlte Leistung voll oder nur teilweise zurückfordern wolle.
Das LSG hat die Revision zugelassen, weil die Frage, ob dem Kläger das zurückgeforderte flexible Altersruhegeld zustand, grundsätzliche Bedeutung habe.
Mit der Revision beantragt die Beklagte,
die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Sie rügt eine Verletzung der §§ 54 Abs 2 Satz 2, 123 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Der vom LSG angenommene Ermessensfehler liege nicht vor. Aus ihren Schriftsätzen ergebe sich, daß sie sowohl für den Fall grober als auch den leichter Fahrlässigkeit die Rückforderung für geboten erachte. Keinesfalls habe sie zur Erteilung eines neuen Bescheides verurteilt werden dürfen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
II
Die Revision ist kraft Zulassung durch das LSG statthaft. An sie ist der Senat gebunden (§ 160 Abs 3 SGG), obgleich über die zur Zulassung der Revision führende Rechtsfrage - wie noch ausgeführt wird - nicht entschieden werden kann. In der Sache muß die Revision im wesentlichen ohne Erfolg bleiben.
Der Kläger hat mit der Klage (Anfechtungsklage) den Bescheid der Beklagten vom 27. September 1974 nur insoweit angefochten, als die Beklagte darin die für Juli bis November 1973 gezahlten Rentenbeträge zurückgefordert hat. Deshalb ist über die Rechtmäßigkeit der in diesem Bescheid sonst getroffenen Regelungen hier nicht zu befinden. Zu diesen gehört die Aufhebung (Rücknahme) des Bescheides vom 6. November 1973, mit dem die Beklagte das flexible Altersruhegeld ab Juli 1973 bewilligt hatte. Diese Aufhebung hat sie zwar nicht - obwohl dies der Klarstellung gedient hätte - ausdrücklich ausgesprochen. Die ab Dezember 1973 getroffene Neufeststellung läßt jedoch in Verbindung mit der gleichzeitigen Leistungsrückforderung für die vorherige, hier streitige Zeit eindeutig erkennen, daß nach dem Willen der Beklagten der frühere Bescheid für die Zeit von Juli bis November 1973 keinen Bestand mehr haben sollte (vgl BSGE 7, 8, 11). Daß der Kläger diese Rücknahme des früheren Bewilligungsbescheides mit der Klage nicht angreift, bestätigt neben dem Klageantrag sein Vorbringen im Streitverfahren; er hat weder geltend gemacht, daß ihm die zurückgeforderte Leistung zustehe, noch der Beklagten das Rücknahmerecht bestritten.
Die sonach allein streitige Rückforderung ist nach § 80 AVG zu beurteilen. Nach Satz 1 dieser Vorschrift braucht die Beklagte eine Leistung nicht zurückzufordern, die sie zu Unrecht gezahlt hat; nach Satz 2 darf sie nur zurückfordern, wenn sie für die Überzahlung kein Verschulden trifft und soweit der Empfänger beim Empfang wußte oder wissen mußte, daß ihm die Leistung nicht (oder nicht in der gewährten Höhe) zustand und soweit die Rückforderung wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Empfängers vertretbar ist.
Wie das LSG zu Recht ausgeführt hat, liegen die hiernach erforderlichen Voraussetzungen für einen Rückforderungsanspruch vor. Daß das Altersruhegeld für die Zeit von Juli bis November 1973 zu Unrecht gezahlt ist, ergibt sich allerdings bereits aus der im Rentenbescheid vom 27. September 1974 enthaltenen Rücknahme der (früheren) Rentenbewilligung für diese Zeit. Insoweit ist der Bescheid vom 27. September 1974 bindend geworden. Da die Rücknahme mit der Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung begründet worden ist, erstreckt sich die Bindungswirkung auf die Aussage, daß die Leistungen für die Monate Juli bis Dezember 1973 zu Unrecht gewährt worden sind (vgl SozR 1500 § 77 Nr 20) - demzufolge darf über die vom LSG für grundsätzlich erachtete Rechtsfrage nicht entschieden werden. Dem LSG ist im weiteren zuzustimmen, wenn es die Beklagte nach Satz 2 des § 80 AVG grundsätzlich für befugt hält, den Rückforderungsanspruch geltend zu machen. Die auf unangegriffenen Feststellungen des LSG beruhenden Ausführungen des Berufungsgerichts, die Beklagte treffe für die Überzahlung kein Verschulden, der Kläger aber habe beim Empfang wissen müssen, daß ihm die Leistung nicht zustand, lassen ebensowenig einen Rechtsirrtum (vgl Urteil des 4. Senats des BSG vom 28. November 1978 - 4 RJ 130/77 -) erkennen wie die Feststellungen und Erwägungen des LSG zu der Frage, ob die Rückforderung im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers vertretbar ist.
Nach § 80 AVG ist die Beklagte bei Erfüllung der in der Vorschrift geforderten Voraussetzungen indessen zur Rückforderung nicht verpflichtet; ob sie diese im Einzelfall geltend macht, steht vielmehr in ihrem Ermessen. Demzufolge ist ein Rückforderungsbescheid rechtswidrig, wenn der Versicherungsträger die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten oder wenn er von dem Ermessen nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 54 Abs 2 Satz 2 AVG). Das LSG hat das letztere angenommen; seine Begründung dafür reicht jedoch nicht aus.
Das LSG hat aus dem Vortrag der Beklagten im Prozeß gefolgert, daß sie ihrer Ermessensentschließung die nicht zutreffende Annahme zugrunde gelegt hat, der Kläger habe beim Empfang der Leistung entweder gewußt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gewußt, daß ihm die Leistung nicht zustehe. Diese von der Beklagten nicht mit Verfahrensrügen angefochtene Feststellung allein belegt jedoch noch keinen Ermessensfehler der Beklagten beim Geltendmachen der Rückforderung. Dazu bedurfte es vielmehr der weiteren Feststellung, daß die unrichtige Annahme auch für den Rückforderungsentschluß der Beklagten bestimmend gewesen ist (vgl Wolff, Verwaltungsrecht I, 8. Aufl S. 188; BVerwGE 3, 279, 283). Ausführungen darüber, ob die Beklagte bei Erkenntnis des richtigen Sachverhalts - erwiesenermaßen, wahrscheinlich oder auch nur möglicherweise - von der Rückforderung Abstand genommen hätte, fehlen jedoch im Berufungsurteil.
Gleichwohl ist dem LSG im Ergebnis zu folgen. Denn ein ermessensfehlerhaftes Verhalten der Beklagten muß ebenso bejaht werden, wenn sie, was ihre Revisionsbegründung nahelegt, die Rückforderung auch für den Fall für geboten erachtet hat bzw erachtet, daß der Kläger beim Leistungsempfang lediglich infolge leichter Fahrlässigkeit an sein Recht auf diese Leistung glaubte. Denn dann ist ohne weitere Darlegungen der Beklagten nicht zu erkennen, daß sie bei ihrer Ermessensausübung dem Gesetz entsprechende Maßstäbe angelegt hat.
Die Beklagte beruft sich im Grunde nur darauf, daß die gesetzlichen Voraussetzungen des § 80 AVG für eine Rückforderung erfüllt sind. Lediglich im Schriftsatz vom 26. Februar 1976 an das LSG hat sie ergänzend vorgetragen, daß sie gesetzlich verpflichtet sei, vom Kläger die nicht zustehenden Leistungen wie in allen gleichgelagerten Fällen zurückzufordern, daß im Interesse der Gleichbehandlung aller Versicherten jede abweichende und andersartige Behandlung ermessensmißbräuchlich und ermessensfehlerhaft wäre und daß sie angesichts der zurückgegangenen Beitragseinnahmen auf jede Mark angewiesen sei. Dieses Verhalten wird nicht dem Umstand gerecht, daß der Gesetzgeber in § 80 AVG den Versicherungsträger zur Rückforderung nicht verpflichtet, sie vielmehr in sein Ermessen stellt. Die Beklagte trägt zwar vor, daß sie bewußt eine Ermessensentscheidung getroffen habe. Gleichwohl muß jedoch erkennbar bleiben, daß sie genügend Raum für Fälle läßt, in denen Sinn und Zweck der ihr erteilten Ermächtigung eine Abstandnahme von der Rückforderung nahelegen und daß sie über die gesetzlichen Rückforderungsvoraussetzungen hinaus noch die sonstigen für die Rückforderungsentscheidung bedeutsamen Umstände berücksichtigt. Insoweit erscheint es hier aber nicht ohne weiteres gleichbedeutend, ob der Kläger beim Leistungsempfang wußte, daß ihm die Leistung nicht zustand bzw ob er dies infolge grober Fahrlässigkeit nicht wußte oder ob sein Nichtwissen lediglich auf leichter Fahrlässigkeit beruhte. In den Schriftsätzen an die Vorinstanzen hat die Beklagte stets Bösgläubigkeit des Klägers behauptet. In einem solchen Falle, insbesondere bei einem Wissen um die nicht zustehende Leistung, mögen besondere Ausführungen zur Rechtfertigung der Rückforderungsentschließung entbehrlich sein. Anders verhält es sich jedoch bei fahrlässiger Gutgläubigkeit des Klägers. Denn dann gewinnen noch andere Umstände an Gewicht. Der Kläger hat in den streitigen Monaten ein wesentlich geringeres Arbeitsentgelt als zuvor erzielt; er hat es auf den nach § 25 Abs 4 Buchst b AVG zulässigen Höchstbetrag begrenzen wollen; der Kläger hat, wenn auch fahrlässig, nicht erkannt, daß die Grenze dennoch überschritten wurde; die Überschreitung war aber so geringfügig, daß kein vernünftiger Versicherter deshalb den Verlust des flexiblen Altersruhegeldes aufs Spiel gesetzt und sich mit dem verminderten, kaum über der Grenze des § 25 Abs 4 Buchst b AVG liegenden Arbeitsentgelt begnügt hätte. Hinzu kommt, daß die Rückforderung den Kläger, falls er, wenn auch fahrlässig, gutgläubig war, hart trifft; für die streitige Zeit verbliebe ihm dann nämlich allein das wesentlich herabgesetzte Arbeitsentgelt. Wenn sich die Beklagte trotz dieser Umstände gleichwohl auch bei fahrlässiger Gutgläubigkeit des Klägers für eine Rückforderung entschlossen hat, so mußte sie das näher rechtfertigen. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) hat auch in anderem Zusammenhang schon die Mitteilung der Ermessenserwägungen verlangt, falls es dessen zum Ausschluß von Ermessensfehlern bedurfte (BSGE 27, 34, 38 bei der Entscheidung über Rehabilitationsmaßnahmen). Darum konnte sich die Beklagte im Falle nur fahrlässiger Gutgläubigkeit des Klägers nicht mehr jeglicher zusätzlicher Ausführungen zu dem vorliegenden Einzelfall und den Umständen dieses Einzelfalles enthalten, zumal sich dann die Frage stellt, ob sie noch genügenden Raum für Fälle einer Abstandnahme von der Rückforderung läßt.
Nach alledem erweist sich die Revision der Beklagten im wesentlichen als unbegründet. Nicht aufrechterhalten werden konnte jedoch die Verurteilung der Beklagten zum Erlaß eines neuen Bescheides. Der Kläger hat lediglich eine Anfechtungsklage (Aufhebungsklage) erhoben. Es muß daher der Beklagten überlassen bleiben, sich darüber schlüssig zu werden, ob sie erneut den Rückforderungsanspruch - unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats - (ganz oder teilweise) geltend machen will.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen