Leitsatz (amtlich)
1. Zeiten des sogenannten automatischen Arrests sind keine Ersatzzeiten, auch wenn sie sich unmittelbar an Zeiten der Kriegsgefangenschaft anschließen (Fortführung von BSG 1973-09-20 11 RA 6/73 = BSGE 36, 171).
2. Auskünfte nach AVG § 104 Abs 2 (= RVO § 1325 Abs 2) sind nicht bindend.
3. In der Übersendung eines Versicherungsverlaufes (DEVO § 17 Abs 1) kann eine die Beteiligten bindende "Vormerkung" bestimmter Ersatz- und Ausfallzeiten liegen; ob das der Fall ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere danach, wie der Versicherte das Verhalten des Versicherungsträgers auffassen konnte.
4. Die "Vormerkung" von Ersatz- und Ausfallzeiten unterliegt der Rücknahme nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts; RVO § 1744 kommt nicht in Betracht.
Normenkette
AVG § 28 Abs 1 Nr 1 Fassung: 1957-02-23; AVG § 28 Abs 1 Nr 2 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1251 Abs 1 Nr 1 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1251 Abs 1 Nr 2 Fassung: 1957-02-23; AVG § 104 Abs 2 Fassung: 1972-10-16; AVG § 104 Abs 3 Fassung: 1972-10-16; AVG § 104 Abs 4 Fassung: 1972-10-16; RVO § 1325 Abs 2 Fassung: 1972-10-16, § 1325 Abs 3 Fassung: 1972-10-16, § 1325 Abs 4 Fassung: 1972-10-16, § 1744 Fassung: 1953-09-03; DEVO § 17 Abs 1 Fassung: 1972-11-24; DEVO § 17 Abs 2 Fassung: 1972-11-24; BGB § 133 Fassung: 1896-08-18; SGG § 77 Fassung: 1953-09-03
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 20.09.1978; Aktenzeichen L 4 An 46/77) |
SG Lübeck (Entscheidung vom 02.06.1977; Aktenzeichen S 4 An 184/76) |
Tatbestand
I
Streitig sind Ersatzzeiten im Sinne des § 28 Abs 1 Nr 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG).
Der 1914 geborene Kläger war seit 1936 hauptamtlich als SS- Angehöriger im Reichssicherheitshauptamt tätig. 1943 wurde er in die Waffen-SS übernommen und geriet am 2. Mai 1945 in französische Gefangenschaft; er wurde sodann in amerikanische Gefangenschaft übernommen, wurde aus dieser am 15. Oktober 1946 entlassen, blieb jedoch aus politischen Gründen weiter in Haft. Am 10. April 1948 wurde er vom amerikanischen Militärgerichtshof in Nürnberg zum Tode verurteilt und in die Haftanstalt L verbracht. Die Todesstrafe wurde im Januar 1951 in eine zehnjährige Haftstrafe, beginnend mit dem 8. Mai 1945, umgewandelt. Am 15. Dezember 1951 wurde der Kläger im Gnadenwege vorzeitig entlassen; er hat Leistungen nach dem Heimkehrergesetz (HkG) und dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz erhalten.
Mit Schreiben vom 12. Januar 1975 teilte der Kläger der Beklagten mit, er beabsichtige, nach dem Angestelltenversicherungs- Neuregelungsgesetz (AnVNG) freiwillige Beiträge für die Zeit von 1957 bis 1967 nachzuentrichten, und fragte ua an, ob seine bisherige Beitragsleistung dies zulasse; gleichzeitig erkundigte er sich nach der Möglichkeit, ein vorgezogenes Altersruhegeld zu erhalten. Darauf übersandte ihm die Beklagte mit Schreiben vom 11. Februar 1975 einen vom 23. Januar 1975 datierten "Kontospiegel", der ua eine Lücke für die Zeit von Oktober 1942 bis März 1952 aufweist und die Mitteilung enthält, daß die Halbbelegung nach den §§ 36 Abs 3, 28 Abs 2 AVG nicht erfüllt sei. Mit einem Formularantrag auf Kontenklärung vom 5. Juni 1975 beanstandete der Kläger ua die Nichtberücksichtigung der Zeit von Mai 1945 bis Dezember 1951 als Ersatzzeit; dabei überreichte er ua einen Bescheid über die Gewährung von Kriegsgefangenenentschädigung und das Zeugnis über die Entlassung aus dem Kriegsverbrechergefängnis. Darauf erteilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 6. Oktober 1975 nach § 104 Abs 2 AVG die Auskunft, daß die Höhe der am 31. Oktober 1975 erreichten Anwartschaft auf ein Altersruhegeld monatlich 843,10 DM betrage; sie wies darauf hin, daß für das flexible Altersruhegeld nach § 25 Abs 1 AVG die Wartezeit noch nicht erfüllt sei und fügte als Anlage ("Bestandteil der Auskunft") einen Versicherungsverlauf bei, der die der Rentenberechnung zugrunde liegenden Zeiten wiedergibt; in ihm sind ua die Zeiten vom 1. Februar 1943 bis 30. April 1945 und vom 2. Mai 1945 bis 15. Dezember 1951 als Ersatzzeiten aufgeführt.
Am 10. Dezember 1975 beantragte der Kläger hierauf die Nachentrichtung von Beiträgen nach Art 2 § 49a AnVNG zu einem Gesamtbetrag von über 28.000,-- DM und machte nach Zulassung durch die Beklagten im Januar 1976 von der Nachentrichtungsmöglichkeit Gebrauch. Mit Bescheid vom 6. April 1976 teilte die Beklagte dann dem Kläger mit, die Zeit vom 2. Mai 1945 bis 15. Dezember 1951 könne nicht als Ersatzzeit anerkannt werden, weil es sich dabei um eine Zeit des sog. automatischen Arrestes handele. Bei der Berechnung des dem Kläger im Verlauf des Streitverfahrens bewilligten (flexiblen) Altersruhegeldes (Bescheid vom 9. September 1976) hat sie diese Zeit dementsprechend auch nicht berücksichtigt.
Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) die Beklagte zur Anrechnung der Zeit vom 2. Mai 1945 bis 15. Dezember 1951 als Ersatzzeit im Sinne von § 28 Abs 1 Nr 1 AVG verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, jedenfalls die Zeit seit dem 15. Oktober 1946 sei zwar als Zeit automatischen Arrestes keine Ersatzzeit, doch sei die Beklagte an ihre nach § 104 Abs 2 AVG erteilte Auskunft vom 6. Oktober 1975 gebunden. Daß der Kläger damals erst das 61. Lebensjahr vollendet gehabt habe, stehe dem ebensowenig entgegen wie § 17 Abs 3 der Datenerfassungsverordnung (DEVO). Die Beklagte habe den rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt auch nicht wirksam zurückgenommen. Die Voraussetzungen des § 1744 der Reichsversicherungsordnung (RVO), dessen Anwendbarkeit in Fällen der vorliegenden Art dahingestellt bleiben könne, seien nicht erfüllt. Auch die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts ließen eine Rücknahme nicht zu; der Kläger habe im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft nach Art 2 § 49a des AnVNG Beiträge nachentrichtet und sich zum Bezug des flexiblen Altersruhegeldes entschlossen.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, daß sie weder nach § 145 Abs 2 AVG noch nach § 104 Abs 2 AVG an die Auskunft vom 6. Oktober 1975 gebunden sei. Der Beanstandungsschutz des § 145 Abs 2 AVG erstrecke sich nicht auf fehlerhafte Eintragungen von Ersatzzeiten und Ausfallzeiten, die von der Beklagten oder der Ausgabestelle vorgenommen worden seien. Rentenauskünfte nach § 104 Abs 2 AVG seien jedenfalls zur Zeit nicht bindend; doch selbst wenn sie das wären, könnte sich die Bindungswirkung nicht auf Berechnungsfaktoren beziehen. Auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes könne eine Bindung nicht bejaht werden.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist entgegen den Bedenken des Klägers in vollem Umfange zulässig. Die Revisionsbegründung bietet keinen Anhalt für die Annahme, die Beklagte habe ursprünglich das Berufungsurteil nur hinsichtlich der Verurteilung zur Anrechnung der Zeit ab 15. Oktober 1946 anfechten wollen. Die Angriffe der Beklagten gegen die vom LSG angenommene Bindungswirkung der am 6. Oktober 1975 erteilten Auskunft betrafen ersichtlich die gesamte streitige Zeit. Ihre spätere Antwort auf eine Anfrage des Senats hat nur verdeutlicht, daß die Beklagte auch für die Zeit vom 2. Mai 1945 bis zum 15. Oktober 1946 das - insoweit vom LSG offengelassene - Vorliegen einer Ersatzzeit verneint und darum keinen Grund zu einer Revisionsbeschränkung sieht.
Die Revision ist jedoch nicht begründet.
Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger vor dem SG ebenfalls den nach der Klageerhebung ergangenen Rentenbescheid vom 9. September 1976 hat anfechten wollen; denn dieser Bescheid ist, auch wenn er entgegen der Auffassung des LSG den mit der Klage angefochtenen Bescheid nicht "ersetzt" hat, jedenfalls in entsprechender Anwendung von § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden (vgl SozR 1500 § 96 Nr 13; 1200 § 34 Nr 6).
Die Revision der Beklagten muß allerdings nicht schon deshalb ohne Erfolg bleiben, weil, wie der Kläger meint, für die gesamte streitige Zeit die Voraussetzungen des § 28 Abs 1 Nr 1 AVG erfüllt wären. In der Sache ist das LSG im Gegenteil zutreffend davon ausgegangen, daß jedenfalls die Zeit ab 15. Oktober 1946 als Zeit des sog. automatischen Arrestes keine Ersatzzeit im Sinne von § 28 Abs 1 Nrn 1, 2 AVG darstellt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) fallen Zeiten des sog automatischen Arrestes auch dann nicht unter § 28 Abs 1 Nrn 1, 2 AVG, wenn sie sich unmittelbar an Zeiten der Kriegsgefangenschaft anschließen (SozR Nr 47 zu § 1251 RVO; BSGE 36, 171). Hiervon abzuweichen sieht der Senat keinen Anlaß. Bei seinem Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts -BVerwG- (vgl NJW 60, 2208) übersieht der Kläger, daß § 28 Abs 1 Nr 1 AVG nicht auf andere Gesetze Bezug nimmt (vgl SozR Nr 47 aE zu § 1251 RVO). Nicht mit gleicher Sicherheit ist dagegen für die vorangegangene Zeit vom 2. Mai 1945 bis 15. Oktober 1946 nach dem Gesetz das Vorliegen einer Ersatzzeit auszuschließen. Diese Frage bedarf jedoch keiner Klärung. Denn selbst wenn für diese Zeit ebenfalls das Vorliegen einer Ersatzzeit zu verneinen wäre, sind dennoch die angefochtenen Bescheide vom 6. April und 9. September 1976 rechtswidrig, soweit sie für die gesamte streitige Zeit die Feststellung oder Anrechnung als Ersatzzeit abgelehnt haben. Die Beklagte hat nämlich dabei nicht beachtet, daß sie schon in dem vorangegangenen Bescheid vom 6. Oktober 1975 die streitige Zeit als Ersatzzeit festgestellt (vorgemerkt) hatte und an diese Feststellung nach § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gebunden war.
Diese Bindung läßt sich allerdings entgegen der Ansicht des LSG nicht aus der Vorschrift des § 104 Abs 2 AVG herleiten, die für die Beklagte die Grundlage für die Erteilung des Bescheides vom 6. Oktober 1975 bildete. Nach dieser Vorschrift ist Versicherten, die das 62. bzw nach dem 1. Januar 1976 das 59. Lebensjahr (Verordnung vom 22. Dezember 1975, BGBl I 3184) vollendet haben, auf Antrag Auskunft über die Höhe der Anwartschaft auf Altersruhegeld zu erteilen, Soweit hier der Begriff der Auskunft verwendet wird, kann daraus nicht auf eine Bindung des Versicherungsträgers an deren Inhalt geschlossen werden. Auskünfte sind ihrem Wesen nach "Wissenserklärungen", die sich in der Mitteilung des Wissens erschöpfen und vom Verwaltungsakt durch das Fehlen eines Regelungswillens unterscheiden; ein Empfänger, der eine unrichtige Auskunft erhalten hat, kann deswegen nicht verlangen, entsprechend der Auskunft behandelt zu werden (BSGE 44, 114, 119, 121; SozR 2200 § 1324 Nr 2). Das schließt zwar nicht aus, daß das Gesetz ausnahmsweise "Auskünfte" bestimmter Art für bindend erklärt und ihnen damit den Charakter eines feststellenden Verwaltungsaktes verleiht. Eine solche Bedeutung kommt jedoch entgegen der Ansicht des LSG (vgl ferner Heinze, DAngVers 1972, 452, 458; Stoll, RV 1976, 116; aM Verbandskommentar, 16. Erg., Anm 6 zu § 1325; Schöttner, AmtlMittLVA Rheinpr 1974, 356, 359 f; Grandi, MittLVA Oberfr 1973, 309, 323) der nach § 104 Abs 2 AVG zu erteilenden Auskunft nicht zu. Sie läßt sich nicht schon mit dem - zweifellos gegebenen - Bedürfnis des Empfängers begründen, auf die Richtigkeit der Auskunft vertrauen zu können. Ein solches Bedürfnis besteht bei jeder Auskunft, das Gesetz trägt ihm in der Regel aber nur dadurch Rechnung, daß eine unrichtige Auskunft die Grundlage von Ansprüchen aus Amtspflichtverletzung (vgl BGHZ 30, 19, 22), die auf den Ersatz des Vertrauensschadens gerichtet sind (vgl BSGE 32, 60, 65; 44, 114, 121), und möglicherweise von öffentlich-rechtlichen (sozial-rechtlichen) Ausgleichsansprüchen bilden kann. Auch ist es grundsätzlich ohne Bedeutung, daß der Versicherungsträger zur Erteilung der Auskunft verpflichtet ist; aus einer solchen Verpflichtung ergibt sich ein im Klagewege verfolgbarer Anspruch auf die Erteilung einer - richtigen - Auskunft, nicht aber eine Bindung an den Inhalt der erteilten Auskunft. Des weiteren spricht der Gesamtzusammenhang des § 104 AVG gegen eine Bindungswirkung der nach Abs 2 zu erteilenden Auskunft. Gemäß Abs 1 sieht es das Gesetz als Aufgabe des Versicherungsträgers an, den Versicherten "Auskunft über die bisher erworbene Rentenanwartschaft nach Maßgabe der Absätze 2 bis 4" zu erteilen. Eine dieser Auskünfte ist die in Abs 2 beschriebene "über die Höhe der Anwartschaft auf Altersruhegeld", eine weitere enthält Abs 3 hinsichtlich der dem Versicherten zu übersendenden "Aufstellung über den Inhalt der Versicherungsunterlagen". Diese Gegenüberstellung zeigt, daß die in Abs 4 unter Buchst d dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung erteilte Ermächtigung, vorzuschreiben, daß im Rahmen der vorhandenen Versicherungsunterlagen die "Mitteilung über die Höhe der Rentenanwartschaft" bindend sein soll, sich entweder allein auf die Auskunft "über die Höhe der Anwartschaft" nach Abs 2 bezieht oder sich jedenfalls auch auf sie bezieht. Damit erachtet aber das Gesetz selbst diese Auskunft nicht schon von vornherein für verbindlich. Die Entstehungsgeschichte bekräftigt dabei, daß die Nichtverbindlichkeit gewollt war, um den Versicherungsträger "anfänglich nicht zu überfordern" (BT- Drucks. VI/2916, Begr. zu § 1325 RVO). Das LSG meint deshalb zu Unrecht, § 104 Abs 4 Buchst d AVG beziehe sich nur auf § 104 Abs 3 Satz 2 AVG; es übersieht, daß diese Vorschrift nicht die Höhe der Anwartschaft betrifft und - anders als Abs 2 aaO - nicht den Sinn hat, eine Entscheidung des Versicherten über die Inanspruchnahme des flexiblen Altersruhegeldes zu erleichtern. Eine Bindung im Rahmen des § 104 Abs 2 AVG könnte sich im übrigen nur auf die "Höhe der Anwartschaft auf Altersruhegeld" beziehen, über die dort allein Auskunft zu erteilen ist, nicht auch auf die beigefügte Berechnung.
Eine Bindung der Beklagten ergab sich jedoch daraus, daß ihr Schreiben vom 6. Oktober nicht nur eine Auskunft nach § 104 Abs 2 AVG, sondern unter den hier gegebenen Verhältnissen zugleich eine Feststellung von Ersatzzeiten für die streitige Zeit enthalten hat, jedenfalls vom Kläger so verstanden werden konnte. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats kann der Versicherte vor Eintritt des Versicherungsfalles vom Versicherungsträger die "Vormerkung" von Ersatzzeiten und Ausfallzeiten verlangen (BSGE 31, 226 ff; 42, 159 f; SozR 2200 § 1251 Nr 37). Eine solche Vormerkung stellt das Vorliegen solcher Zeiten verbindlich fest, wobei letztlich unerheblich ist, in welcher Weise sie vorgenommen wird (BSGE 42, 159, 160). Die bloße Übersendung des "Versicherungsverlaufes" (§ 17 Abs 1 DEVO) bedeutet eine solche Vormerkung freilich noch nicht; das ergibt sich bereits daraus, daß der Versicherte den Versicherungsverlauf nur überprüfen soll (§ 17 Abs 2 Satz 1 DEVO) und daß dieser nach ausdrücklicher Gesetzesvorschrift (§ 17 Abs 3 DEVO) kein die Beteiligten bindender Verwaltungsakt ist. Damit wird jedoch eine verbindliche Feststellung von Berechnungsfaktoren vor Eintritt des Versicherungsfalles nicht ausgeschlossen (vgl SozR 7290 § 74 Nr 1), zumindestens nicht bei den Versicherungszeiten. Macht der Versicherte gegenüber dem Versicherungsträger geltend, bestimmte Zeiten seien zu Unrecht im Versicherungsverlauf nicht berücksichtigt, so ficht er nicht den Versicherungsverlauf an, sondern er nimmt diesen zum Anlaß, eine Vormerkung der in Betracht kommenden Zeiten zu verlangen; lehnt es der Versicherungsträger ab, diesem Begehren zu entsprechen, so steht dem Versicherten der Weg der verbundenen Anfechtungsklage und Verpflichtungsklage offen (BSGE 42, 159, 160). Kommt der Versicherungsträger hingegen dem Verlangen des Versicherten nach, so kann den Umständen des Einzelfalles der Wille des Versicherungsträgers zu entnehmen sein, dem Versicherten verbindlich Klarheit über den streitigen Punkt zu verschaffen (vgl BSGE 19, 247, 250). Dabei ist nicht entscheidend, in welcher Form sich der Versicherungsträger geäußert hat; es kommt auch nicht immer darauf an, ob er eine bindende Feststellung treffen wollte; maßgebend ist vielmehr, ob der Versicherte letzteres annehmen durfte (vgl § 133 BGB; BSGE 17, 124, 126; 44, 114, 118 f). Anlaß, auf einen Feststellungswillen des Versicherungsträgers zu schließen, wird insbesondere dann bestehen, wenn das Vorliegen bestimmter Zeiten unter den Beteiligten streitig war, der Versicherungsträger den Sachverhalt ersichtlich unter Berücksichtigung des Vorbringens des Versicherten und von diesem vorgelegte Beweismittel geprüft hat und zu einem für den Versicherten günstigen Ergebnis gelangt ist (vgl BSGE 11, 248, 249); von Bedeutung kann ferner sein, ob - für den Versicherungsträger erkennbar - die erstrebte Entscheidung die Grundlage für Dispositionen des Versicherten sein sollte; das Gewicht, das der Versicherte in einem solchen Falle der Angelegenheit beimaß, konnte die Erwartung der abschließenden Prüfung mit dem Ergebnis einer bindenden Feststellung rechtfertigen; in einem solchen Falle wird das Verhalten des Versicherungsträgers auch am ehesten die Deutung zulassen, daß er nach Prüfung der Rechtslage eine Klageerhebung entbehrlich machen wollte, was nur dann der Fall ist, wenn der Versicherte bereits die Position erlangt hat, die er im Klagewege hätte erlangen können.
Das Schreiben der Beklagten vom 6. Oktober 1975 hat unmittelbar nur eine Auskunft über die Höhe der Rentenanwartschaft zum Gegenstand. Eine solche Auskunft hatte der Kläger nicht beantragt; die Anlage dieses Schreibens enthielt aber eine Berücksichtigung der Zeiten, deren Nichtanrechnung der Kläger mit seinem Formularantrag auf "Kontenklärung" beanstandet hatte. Damit konnte der Kläger das Schreiben vom 6. Oktober 1975 als eine Antwort auf seinen Antrag auffassen, durch die die Beklagte seinem Anliegen Rechnung tragen wollte; daß eine solche Antwort in die Form einer Auskunft nach § 104 Abs 2 AVG gekleidet war, mochte sich aus der Eigenart der elektronischen Datenverarbeitung erklären, die ein individuelles Eingehen auf den genauen Wortlaut eines Antrages oder einer Anfrage nur in beschränktem Umfange gestattet. In der Auffassung, daß die Beklagte in dem Schreiben vom 6. Oktober 1975 seinem Antrag vom 5. Juni 1975 entsprechen und die streitigen Zeiten als Ersatzzeiten feststellen wollte, konnte er sich dadurch bestärkt sehen, daß er die Beklagte bereits vorher von der Bedeutung einer abschließenden Klärung des Versicherungsverlaufs für seinen Entschluß zur Nachentrichtung in Kenntnis gesetzt und daß er seinem Antrag Unterlagen, aus denen sich insbesondere die näheren Umstände seiner Haft ergaben, beigefügt hatte; aus seiner Sicht konnte sonach die nunmehrige Berücksichtigung der streitigen Zeiten als das Ergebnis einer Prüfung durch die Beklagte in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht und das Schreiben im Ganzen als Bescheidung seines Antrages erscheinen. Es ist nicht ersichtlich, was der Kläger noch hätte tun sollen, etwaige Bedenken gegen eine Berücksichtigung der streitigen Zeiten auszuräumen; solche Bedenken mochten vorher bestanden haben, die Beklagte hatte sie offenbar geprüft und für unbegründet befunden.
Damit ist das Schreiben der Beklagten vom 6. Oktober 1975 unter Berücksichtigung der für den Kläger erkennbaren Umstände als eine die Beklagte bindende (§ 77 SGG) Feststellung einer Ersatzzeit vom 2. Mai 1945 bis 15. Dezember 1951 anzusehen. Diese Feststellung konnte die Beklagte, wie das LSG im Ergebnis zutreffend erkannt hat, nicht wirksam zurücknehmen - es kann deshalb dahinstehen, ob in den angefochtenen Bescheiden eine solche Rücknahme enthalten ist -. Für eine Rücknahme kommt freilich § 1744 RVO iVm § 204 AVG nicht in Betracht. § 1744 RVO bezieht sich grundsätzlich nur auf Leistungsbescheide (vgl BSGE 15, 252; 30, 17; 31, 190; BSG, AnV 1978, 397; SozR Nr 70 zu § 77 SGG; SozVers 1978, 190); um einen solchen handelt es sich hier nicht. Auch der enge Zusammenhang zwischen der Vormerkung von Ersatzzeiten mit dem späteren Rentenbescheid rechtfertigt keine entsprechende Anwendung von § 1744 RVO; die engen Voraussetzungen, unter denen nach dieser Vorschrift die bindende Wirkung eines Bescheides zum Nachteil des Leistungsempfängers beseitigt werden kann, sind bedingt durch die Rücksichtnahme auf einen zumeist im Bezug einer laufenden Leistung zum Ausdruck kommenden Besitzstand; ein vergleichbarer Sachverhalt liegt hier nicht vor. Auf der anderen Seite kann nicht unterstellt werden, daß fehlerhafte feststellende Verwaltungsakte nach dem Willen des Gesetzgebers jeder Korrektur schlechthin entzogen sein sollten; es liegt also eine Gesetzeslücke vor, die durch Anwendung der Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts über die Rücknahme von Verwaltungsakten zu schließen ist (vgl BSGE 20, 293, 296; 21, 88, 90 f). Diese aber lassen, wie das LSG zutreffend unter Hinweis auf § 48 Abs 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes dargelegt hat, eine Rücknahme nicht zu, weil der Kläger im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der Feststellung in erheblichem Umfange Beiträge nachentrichtet und sich zum Bezug des flexiblen Altersruhegeldes entschlossen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1656667 |
BSGE, 258 |