Entscheidungsstichwort (Thema)
Formaler Verwaltungsakt. Arbeitslosenhilfe. Arbeitslosigkeit. Eigenbemühungen. Obliegenheit. Fahrlässigkeit. Amtsermittlung. Beweislast. Arbeitsunfähigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe setzt u. a. voraus, dass der Arbeitslose alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden. Verletzt er diese Obliegenheit schuldhaft, hat er die gezahlte Arbeitslosenhilfe zu erstatten. Hatte ihm die Agentur für Arbeit eine Frist zum Nachweis von Eigenbemühungen gesetzt, gilt dies auch für den Zeitraum vor Fristablauf.
Normenkette
SGB I § 66; SGB III § 118 Abs. 1, § 119 Abs. 1 S. 1, Abs. 5, §§ 126, 330 Abs. 3; SGB X §§ 20, 48 Abs. 1 S. 2; SGG § 103
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. Oktober 2004 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Streitig ist die Rechtmäßigkeit der rückwirkenden Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 8. November bis 5. Dezember 2000 und einer hierauf beruhenden Erstattungsforderung.
Die Beklagte bewilligte dem 1963 geborenen Kläger nach vorherigem Bezug von Arbeitslosengeld mit Wirkung ab 25. September 2000 Alhi. Bei einer persönlichen Vorsprache am 8. November 2000 wurde ihm im Arbeitsamt (AA) P… ein Schreiben mit einer Aufforderung zu Eigenbemühungen nach § 119 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) übergeben, in dem ua ausgeführt wurde:
“Sie haben erklärt, alle Möglichkeiten zur Beendigung Ihrer Beschäftigungslosigkeit zu nutzen und nutzen zu wollen. Wie Sie wissen, sind solche Bemühungen, die über die bloße Inanspruchnahme der Beratungs- und Vermittlungsdienste der Arbeitsämter hinausgehen müssen, zwingende Voraussetzung für den Leistungsanspruch. Die nachfolgenden Eigenbemühungen sind daher von Ihnen zu unternehmen: Eigenbemühungen bei mindestens 5 Arbeitgebern Um prüfen zu können, ob die Voraussetzungen für die Zahlung der Leistung weiterhin vorliegen, fordere ich Sie gemäß § 119 Abs 5 SGB III auf, mir am 05.12.00 um 8.00 Uhr im Arbeitsamt Passau, Zimmer 339 entsprechende Nachweise vorzulegen bzw überprüfbare Angaben zu machen.”
Die dem Schreiben beigefügte “Rechtsfolgenbelehrung” wies ua darauf hin, dass für den Fall nicht ausreichender Eigenbemühungen die Leistungsbewilligung für den Zeitraum ab Zugang des Aufforderungsschreibens bis zu dem genannten Nachweistermin zurückzunehmen oder aufzuheben (§§ 45, 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch ≪SGB X≫ iVm § 330 SGB III) sei. Ferner sei beabsichtigt, die Leistung wegen fehlender Mitwirkung bis zu deren Nachholung gemäß § 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) ganz zu entziehen bzw zu versagen, sofern dem AA die geforderten Nachweise über die Eigenbemühungen nicht bis zu dem angegebenen Termin vorgelegt würden. Nach der anschließenden “Rechtsbehelfsbelehrung” war der Widerspruch gegen “diesen Bescheid” innerhalb eines Monats zulässig; die Pflicht zu Eigenbemühungen bzw Vorlage von Nachweisen bestehe jedoch auch für den Fall der Erhebung eines Widerspruchs, dieser habe “keine aufschiebende Wirkung”.
Nach einem Vermerk der Beklagten sprach die Ehefrau des Klägers am 5. Dezember 2000 beim AA vor und übergab eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Allgemeinarztes Dr. G… für die Zeit ab 5. bis voraussichtlich 8. Dezember 2000. Nachweise über Eigenbemühungen legte der Kläger nicht vor.
Mit Bescheid vom 14. Dezember 2000 idF des Widerspruchsbescheids vom 23. Februar 2001 entzog die Beklagte dem Kläger die Alhi mit Wirkung ab 17. Dezember 2000; diese Entscheidung ist Gegenstand des Parallelverfahrens B 11a AL 5/05 R.
Mit Bescheid vom 21. März 2001 hob die Beklagte die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 8. November bis 5. Dezember 2000 auf und forderte die Erstattung bezogener Leistungen in Höhe von 1.299,48 DM. Zur Begründung führte die Beklagte ua aus, der Kläger habe in einem Beratungsgespräch vom 9. März 2001 erklärt, in der Zeit vom 8. November bis 5. Dezember 2000 keine Eigenbemühungen unternommen zu haben; er habe gewusst bzw wissen müssen, dass dies zum Wegfall bzw zum Verlust des Anspruchs führe. Mit weiterem Bescheid vom 28. März 2001 forderte die Beklagte unter Hinweis auf die rückwirkende Aufhebung der Alhi-Bewilligung auch die Erstattung der in der Zeit vom 8. November bis 5. Dezember 2000 abgeführten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 337,74 DM.
Gegen den Bescheid vom 21. März 2001 erhob der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Widerspruch, legte ein Attest des Dr. G… vom 8. März 2001 vor und machte geltend, er habe ab 8. November 2000 auf Grund seiner Krankheit keine Eigenbemühungen unternehmen können, und die Leistung habe nicht rückwirkend entzogen werden dürfen. Daraufhin gab die Beklagte mit Schreiben vom 26. Juli 2001 unter Hinweis auf die bislang nicht erfolgte Anhörung gemäß § 24 SGB X Gelegenheit zur ergänzenden Stellungnahme. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. August 2001 wies die Beklagte sodann den Widerspruch gegen den Bescheid vom 21. März 2001 zurück.
Das Sozialgericht (SG) hat die auf Aufhebung des Bescheids vom 21. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. August 2001 gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 12. Juni 2003). Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) die erstinstanzliche Entscheidung und die Bescheide vom 21. und 28. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. August 2001 aufgehoben. In den Entscheidungsgründen hat das LSG ua ausgeführt: Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die Alhi-Bewilligung für die Zeit vom 8. November bis 5. Dezember 2000 rückwirkend nach § 48 SGB X aufzuheben. Von einer Feststellung, der Arbeitslose wolle nicht im Sinne des § 119 SGB III alle Möglichkeiten einer Beendigung der Beschäftigungslosigkeit nutzen, könne allenfalls ab dem Zeitpunkt ausgegangen werden, zu dem der Kläger entgegen der ihm im Schreiben vom 8. November 2000 auferlegten Pflicht nicht beim AA seine Eigenbemühungen nachgewiesen habe, also ab 5. bzw 6. Dezember 2000. Mit der Annahme, der Anspruch des Klägers sei bereits am 8. November 2000 erloschen, setze sich die Beklagte in Widerspruch zu ihrem eigenen Verhalten, nämlich für den Nachweis eine Frist bis 5. Dezember zu setzen. Zudem habe der Kläger trotz der ihm erteilten Rechtsfolgenbelehrung nicht bereits am 8. November wissen können, dass der Anspruch ab diesem Zeitpunkt weggefallen sei, weshalb auch die (subjektiven) Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X nicht gegeben seien. Eine Umdeutung der Rücknahmeentscheidung in eine Versagung nach § 66 SGB I sei ebenfalls nicht möglich.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X iVm § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III sowie des § 119 Abs 5 Satz 2 SGB III. Durch die Nichtvorlage der geforderten Nachweise sei erwiesen, dass der Kläger von Beginn seiner Nachweispflicht an – also seit 8. November 2000 – nichts unternommen habe, um seine Arbeitslosigkeit zu beseitigen. Erwiesen sei deshalb auch, dass die Anspruchsvoraussetzung der Arbeitslosigkeit/Beschäftigungssuche seit dem genannten Tag und damit nach Wirksamwerden der Bewilligung nicht mehr vorgelegen habe. Auch die subjektiven Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X seien gegeben; denn der Kläger habe am 8. November 2000 die Aufforderung zum Nachweis von Eigenbemühungen und einen Auszug aus den gesetzlichen Bestimmungen erhalten und zur Kenntnis genommen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 15. Oktober 2004 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 12. Juni 2003 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor, die Rechtsauffassung des LSG widerspreche entgegen dem Vorbringen der Beklagten nicht der Funktion des Nachweisverlangens. Denn der Arbeitslose habe einen Leistungsanspruch bis zum Ablauf der Nachweisfrist und, falls er der Nachweispflicht nicht nachkomme, erst wieder ab Vorlage von Nachweisen. Eine Ausdehnung der Rücknahme auf die Vergangenheit sei nicht erforderlich.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung begründet.
1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind die Bescheide der Beklagten vom 21. und 28. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. August 2001.
Gegenstand der Entscheidung ist außerdem das als “formaler” Verwaltungsakt ausgestaltete Schreiben der Beklagten vom 8. November 2000 (Aufforderung zu Eigenbemühungen mit Rechtsfolgen- und Rechtsbehelfsbelehrung; vgl zur Auslegung eines sinngemäß auf Überprüfung eines solchen formalen Bescheids gerichteten Klagebegehrens: Urteil des 7. Senats des Bundessozialgerichts ≪BSG≫ vom 20. Oktober 2005 – B 7a AL 18/05 R –, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, RdNr 11 und 12, ua mit Hinweisen auf BSGE 91, 68 RdNr 10 ff = SozR 4-1300 § 31 Nr 1 sowie BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 23 S 118). Denn bei verständiger Würdigung seines Begehrens ist anzunehmen, dass sich der Kläger mit seinem Widerspruch auch gegen die beiden Verfügungen der Beklagten über die Vornahme bestimmter Eigenbemühungen und die Vorlage entsprechender Nachweise gewandt hat, zumal sich der Aufhebungsbescheid zeitlich und inhaltlich auf das Aufforderungsschreiben vom 8. November 2000 stützt.
2. Nach den bislang getroffenen tatsächlichen Feststellungen kann die Frage, ob die Beklagte zu Recht die Alhi-Bewilligung rückwirkend für die Zeit vom 8. November bis 5. Dezember 2000 aufgehoben hat, nicht abschließend beurteilt werden.
a) Entgegen der Auffassung des LSG kann die Rechtmäßigkeit der auf § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X iVm § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III gestützten rückwirkenden Alhi-Aufhebung nicht schon mit der Begründung verneint werden, es könne von einer wesentlichen Änderung im Sinne des Wegfalls der Anspruchsvoraussetzung Arbeitslosigkeit allenfalls ab 6. Dezember 2000 – also erst nach Ablauf der vom AA gesetzten Frist – ausgegangen werden. Diese Auffassung wird den Besonderheiten der in § 119 SGB III geregelten Obliegenheit zu so genannten Eigenbemühungen bzw der hierzu dem Arbeitslosen auferlegten Nachweispflicht nicht gerecht.
Nach § 119 Abs 1 Satz 1 SGB III in der hier maßgeblichen, bis zum 31. Dezember 2004 gültigen Fassung (vgl Art 124 des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003, BGBl I 2848) sucht nur der eine Beschäftigung und ist deshalb auch nur der arbeitslos im Sinne des § 118 Abs 1 SGB III, der alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden. Nach § 119 Abs 5 Satz 1 SGB III hat das AA (heute Agentur für Arbeit) den Arbeitslosen bei der Arbeitslosmeldung auf seine Verpflichtung nach Abs 1 Nr 1 besonders hinzuweisen. Auf Verlangen des AA hat der Arbeitslose seine Eigenbemühungen nachzuweisen, wenn er rechtzeitig auf die Nachweispflicht hingewiesen worden ist (Satz 2).
Der 7. Senat des BSG hat im Urteil vom 20. Oktober 2005 (B 7a AL 18/05 R, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen) ausgeführt, dass es sich bei den vom Gesetz geforderten Eigenbemühungen (§ 119 Abs 1 Nr 1 SGB III) um eine zur Anspruchsvoraussetzung gewordene versicherungsrechtliche Obliegenheit handelt (Anschluss an BSGE 86, 147, 149 = SozR 3-4300 § 156 Nr 1), die sich ua durch entsprechende Hinweise der Beklagten gemäß § 119 Abs 5 Satz 1 SGB III hinreichend konkretisieren lässt, wobei die Konkretisierung am Maßstab der Zumutbarkeit zu messen ist (vgl ua RdNr 28, 29 des Urteils vom 20. Oktober 2005). Der 7. Senat hat in dem vorbezeichneten Urteil weiter dargelegt, dass die für den Wegfall der Anspruchsvoraussetzung erhebliche Obliegenheitsverletzung ein nach einem subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstab zu beurteilendes schuldhaftes Verhalten des Arbeitslosen voraussetzt (vgl RdNr 33, Anschluss ua an das Urteil des erkennenden Senats vom 25. Mai 2005 – B 11a/11 AL 81/04 R –) und dass ferner die Regelung in § 119 Abs 5 Satz 2 SGB III zur Nachweispflicht des Arbeitslosen nicht etwa als Durchbrechung des Amtermittlungsprinzips (§ 20 SGB X bzw § 103 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫), sondern allenfalls unter bestimmten Umständen im Sinne einer Regelung zur materiellen Beweislast zu verstehen ist (vgl RdNr 31). Daraus folgt, dass wegen der im gesamten Nachweiszeitraum bestehenden Pflicht des Klägers zu Eigenbemühungen die Beklagte nicht schon auf Grund der Eröffnung einer Nachweismöglichkeit bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gehindert sein kann, die Leistungsbewilligung bereits mit Wirkung ab Zugang des Konkretisierungsschreibens aufzuheben (vgl insbesondere RdNr 34 ff des Urteils vom 20. Oktober 2005). Dieser Rechtsprechung des 7. Senats schließt sich der erkennende Senat an.
Nach diesen Maßstäben muss unter Zugrundelegung der bislang vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen zunächst angenommen werden, dass die Beklagte mit dem Aufforderungsschreiben vom 8. November 2000 die Obliegenheit des Klägers hinreichend konkretisiert und ihm auch keine unzumutbaren Bemühungen abverlangt hat. Denn dem Schreiben vom 8. November 2000 lässt sich nach dem objektiven Erklärungsinhalt trotz einer gewissen Unübersichtlichkeit der im Rahmen der “Rechtsfolgenbelehrung” gemachten Ausführungen entnehmen, dass vom Kläger verlangt worden ist, “Eigenbemühungen bei mindestens 5 Arbeitgebern” zu unternehmen und etwa innerhalb eines Monats “entsprechende Nachweise vorzulegen bzw überprüfbare Angaben zu machen”, ohne an die Art des Nachweises (zB Bescheinigung des Arbeitgebers, eigene Aufzeichnungen des Arbeitslosen) besondere Anforderungen zu stellen. Dieses Verlangen kann bei objektiver Betrachtungsweise – gemessen am Maßstab der Zumutbarkeit und am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl Urteil des 7. Senats vom 20. Oktober 2005, aaO, insbesondere RdNr 29) – nicht als für den Kläger unzumutbar angesehen werden.
Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Anspruchsvoraussetzung der Arbeitslosigkeit bereits vor Ablauf der vom AA gesetzten Frist weggefallen ist. Der Rechtsansicht, die Beklagte setze sich mit ihrer Annahme eines Wegfalls des Anspruchs bereits ab 8. November 2000 in Widerspruch zu ihrem eigenen Verhalten (Fristsetzung bis 5. Dezember 2000), ist – im Anschluss an die Rechtsprechung des 7. Senats vom 20. Oktober 2005 – nicht zu folgen. Von der Beklagten bzw im vorliegenden Streitfall vom LSG ist vielmehr zu prüfen, ob der Kläger in der maßgeblichen Zeit ab Zugang des Aufforderungsschreibens (8. November 2000) Eigenbemühungen unternommen hat bzw ob er dies bei Anlegung eines subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstabs schuldhaft unterlassen hat. Insoweit wird das LSG einerseits Gelegenheit zur Klarstellung erhalten, inwieweit das Vorbringen des Klägers im Parallelverfahren B 11a AL 5/05 R – er habe sich mehrfach ergebnislos telefonisch beworben – den Tatsachen entspricht. Andererseits wird es vorrangig notwendig sein, eindeutige tatsächliche Feststellungen zum Vorbringen des Klägers zu treffen, er sei jedenfalls in der fraglichen Zeit ab 8. November 2000 infolge von Krankheit zu Eigenbemühungen nicht in der Lage gewesen. Insoweit könnte eine rückwirkende Aufhebung nach § 48 Abs 1 SGB X unter dem Gesichtspunkt fehlender Arbeitslosigkeit wegen unzureichender Eigenbemühungen schon deswegen ausscheiden, weil dem Kläger jedenfalls keine schuldhafte Verletzung einer Obliegenheit vorgehalten werden kann.
Sollte sich das Vorbringen des Klägers, er sei zu Eigenbemühungen gesundheitlich nicht in der Lage gewesen, ganz oder teilweise als unzutreffend erweisen, käme es darauf an, ob und welche Eigenbemühungen der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum und auch in der Zeit davor unternommen hat und welche Folgerungen hieraus unter Berücksichtigung des Aufforderungsschreibens der Beklagten sowie früherer gegebener Hinweise im Hinblick auf das Merkmal der Arbeitslosigkeit zu ziehen sind. In diesem Zusammenhang ist uU auch auf den im Widerspruchsbescheid bzw im SG-Urteil behandelten Gesichtspunkt einzugehen, der Kläger sei möglicherweise wegen Arbeitsunfähigkeit nicht verfügbar gewesen und es bestehe kein Anspruch auf Leistungsfortzahlung gemäß § 126 SGB III wegen nicht rechtzeitiger Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung. Sollte festgestellt werden, dass der Kläger während des Leistungsbezugs infolge von Krankheit zeitweise arbeitsunfähig gewesen ist, würde die verspätete Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung die Beklagte und im Streitfall die Gerichte nicht daran hindern, einen Anspruch auf Fortzahlung gemäß § 126 SGB III zu bejahen (vgl Behrend in Eicher/Schlegel, SGB III, § 126 RdNr 54 ff mwN; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, § 126 RdNr 11; Winkler in Gagel, SGB III, § 126 RdNr 7).
b) Dem Senat ist auch nicht aus anderen Gründen eine abschließende Entscheidung über die Frage der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Aufhebungsbescheids möglich (§ 170 Abs 1 Satz 2 SGG).
Nach den bislang vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen kann nicht abschließend entschieden werden, ob der Kläger wusste oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht wusste, dass der sich aus dem – ursprünglich Alhi bewilligenden – Verwaltungsakt ergebende Anspruch weggefallen war (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X). Eine positive Antwort auf diese Frage kann bereits deshalb nicht gegeben werden, weil bisher nicht einmal der objektive Tatbestand des § 48 Abs 1 SGB X festgestellt ist. Ebenso wenig kann jedoch angenommen werden, der Kläger habe in keinem Fall über eine Kenntnis oder zumindest grob fahrlässige Unkenntnis iS des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X verfügt. Das LSG wird – soweit erforderlich – im Rahmen der erneuten Entscheidung Gelegenheit zu eindeutigen Feststellungen dazu erhalten, ob der Kläger darauf vertrauen durfte, einen Leistungsanspruch zu besitzen, wenn er die geforderten Eigenbemühungen schuldhaft nicht unternehmen würde (vgl Urteil des 7. Senats vom 20. Oktober 2005, aaO, RdNr 37 mit Hinweis auf Harks NZS 2005, 500, 502). Hierbei wird zu berücksichtigen sein, welche Erkenntnisse der Kläger aus der ihm erteilten “Rechtsfolgenbelehrung” gewinnen konnte.
Dem LSG ist im Übrigen zuzustimmen, soweit es angenommen hat, der streitgegenständliche Aufhebungsbescheid könne nicht in eine Entziehungsentscheidung nach § 66 SGB I, die eine Ermessensausübung erfordert, umgedeutet werden (§ 43 Abs 3 SGB X, vgl Urteil des 7. Senats vom 20. Oktober 2005, aaO, RdNr 39). Außerdem ermöglicht § 66 SGB I keine rückwirkende Leistungsentziehung (vgl BSG SozR 1200 § 66 Nr 10).
3. Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits abschließend zu befinden haben.
Fundstellen